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Chrupalla: Was wirklich hinter dem Nazi-Begriff „Umvolkung“ steckt

von | Dez 2, 2019 | Aktuelles, Analyse

So rechtsextrem ist das Konzept „Umvolkung“

Nach dem Abgang von Alexander Gauland wird sein Wunschkandidat Tino Chrupalla zusammen mit Jörg Meuthen Parteivorstand der AfD. Viral wurde vor allem ein Interview von Chrupalla mit Theo Koll, welcher ihn gekonnt mit seinen Verbindungen zum faschistischen Flügel der AfD konfrontierte, sowie dessen eigenes rechtsextremes Vokabular aufzeigte. Darin zeigte Koll auch einen Ausschnitt, in welchem Chrupalla den Begriff „Umvolkung“ verwendet. Chrupalla behauptete, der Begriff sei gar nicht „rechtsextrem“. Mehr dazu:

https://www.volksverpetzer.de/social-media/chrupalla/

Doch der Verfassungsschutz ordnet den Begriff „Umvolkung“ eindeutig der Nazi-Sprache zu. Ein Grund, wieso er den „Flügel“ der AfD als Verdachtsfall einstuft und bereits teilweise überwacht. Der Flügel, der laut Gauland zur „Mitte der Partei“ gehört und auch die Wahl Chrupallas unterstützt hat, habe laut Expert*innen großen Einfluss auf die Partei, weshalb eine Überwachung der Gesamt-AfD wahrscheinlich ist. Chrupalla leugnete gleichzeitig, den Begriff „Umvolkung“ verwendet zu haben und (später) seinen rechtsextremen Hintergrund. Unser Faktencheck.



„Umvolkung“ ist ein Nazi-Begriff

Seine Ursprünge hat der Begriff „Umvolkung“ – wenig überraschend – in frühen nationalsozialistischen Werken ab 1925. Er steht eng mit völkischer Ideologie zusammen und meinte die „Re-Germanisierung“ der von den Nazis im Osten eroberten Gebiete. Wenig verwunderlich also dessen gehäufte Erwähnung in der deutschen Literatur während des Dritten Reichs. Den Höhepunkt markiert das Jahr 1939 mit Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Der Begriff entstammt also zweifelsfrei aus nationalsozialistischem und völkischem Denken. „Umvolkung“ steht heute in engem Zusammenhang mit rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Verschwörungstheorien von „Überfremdung“ und dem „Austausch“. Dabei wird oft über vermeintlich höhere Geburtsraten von Einwanderern herbei fantasiert, dass eine „Umvolkung“ des „deutschen Volks“ stattfinden könnte. Das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen stellt 2018 fest:

„Derzeit verwenden den Begriff Rechtsextremisten, um ihre fremdenfeindlichen Positionen zu verbreiten. Sie wollen den Eindruck erwecken, dass durch Einwanderung eine ethnisch homogene Bevölkerungsgruppe durch eine andere ethnisch homogene Bevölkerungsgruppe vertrieben würde.“ (Quelle)

Tino Chrupalla verwendete den rechtsextremen Begriff nachweislich im März 2018, sowie sogar in einer Rede im Deutschen Bundestag (Quelle). Auch andere AfD-Politiker*innen verwendeten den Begriff, wie z. B. Heiko Heßenkemper. Sie reden von einem „Bevölkerungsaustausch“. In einer von der AfD selbst angefertigten Empfehlung, die dazu dienen soll, einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu vermeiden, wird empfohlen, „extremistische Reizwörter“ wie „Umvolkung“, „Überfremdung“, oder „Volkstod“ nicht zu verwenden (Quelle).

Ethnopluralismus

Hinter „Umvolkung“ und „Überfremdung“ steckt das Nazi-Konzept des Ethnopluralismus. Der „Ethnopluralismus“ ist vereinfacht gesagt die moderne Version der NS-Rassentheorie. Diese argumentiert jedoch nicht mehr biologisch, sondern mit „Kultur“ oder „Religion“ und macht daran unüberwindbare Unterschiede zwischen dem eigenen „Volk“ und „dem Fremden“ aus. Und folgert daraus eine zwingende Trennung von Ethnien und Religionsgemeinschaften. Und knüpft diese wiederum an bestimmte Länder und Territorien.

Es ist die moderne Rassenlehre der Nazis. Sie ist verfassungsfeindlich und ein „Markenzeichen“ von Neonazis, das hat auch das Bundesverfassungsgericht so erklärt. Die AfD, vor allem der faschistische „Flügel“ der Partei um Höcke, vertritt offen diese Ideologie und verwendet Begriffe aus ihr. Dazu hier mehr:

Der Hauptgrund, warum die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte

Der „große Austausch“

Auch die vom Verfassungsschutz beobachtete „Identitäre Bewegung“ vertritt den Ethnopluralismus. Die Terroristen von Christchurch und Halle glauben ebenfalls an diese Nazi-Verschwörungstheorie (Mehr dazu). Der Christchurch-Attentäter hat sein „Manifest“ auch so genannt – der „große Austausch“, ein anderer Begriff für „Umvolkung“.

Vom „Massenaustausch“ schreibt zum Beispiel Beatrix von Storch (AfD):

Auch die „Identitäre Bewegung“ schreibt über diesen Quatsch:

Um seine falschen Behauptungen nicht zu verbreiten, sind Ausschnitte zensiert

Der Christchurch-Terrorist bezieht sich auch sehr viel auf „Geburtenraten“. Sarrazin lässt grüßen. Faktisch ist es völliger Blödsinn, es sei fürs Erste auf Correctiv verwiesen (Link). Es ist falsch und rechtsextrem. Und einer der Hauptgründe, warum der Terrorist die Menschen umgebracht hat. Wer davon redet, macht sich mitschuldig. Und auch wer Begriffe wie „Umvolkung“ verwendet, verbreitet eine Ideologie, für die Nazis töten. Chrupalla ist nicht so gemäßigt, wie er sich gerne präsentiert, sondern verbreitet ebenfalls verfassungsfeindliche Begriffe und Weltanschauungen.

Artikelbild: zdf.de