Dänemark, es gibt kaum ein Land, das mehr im Umgang mit Schutzsuchenden versagt: Es häufen sich etliche Rechtsbrüche und Angriffe auf die allgemeingültigen Menschenrechte. Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass es das Land ist, welches von extremen Rechten oft als Referenz genutzt wird, wenn es um die Flüchtlingsdebatte geht. Warum der Ruf nach “dänischen Verhältnissen“ ein Euphemismus für “Ausländer raus” ist und schlicht der Wunsch nach weniger Recht und Gesetz ist, und warum Dänemark letztlich auch den eigenen Bürgern damit nur schadet, lest ihr in diesem Artikel.
als die Deutschen die Flüchtlinge waren
In meiner Recherche zu Dänemark und dem Verhältnis der Dänen zu Geflüchteten, bin ich auch über die dänische Vergangenheit gestolpert. Und ich sage ausdrücklich “gestolpert”, weil in der Vielzahl an Artikeln, die sich mehr oder weniger ausführlich, mit dem dänischen Umgang mit Geflüchteten heutzutage auseinandergesetzt haben, nur ein einziger die dänische Vergangenheit angesprochen hat.
Dänemark wurde am 9. April 1940 von Deutschland besetzt. Die Dänen stimmten auf Druck der deutschen Armee der Besatzung zu, wenn dafür die territoriale Integrität Dänemarks zugesichert werde. Die Alliierten betrachteten Dänemark als Opfer der Deutschen. So blieb es bei der Befreiung von den Nazis größtenteils verschont und die Lebensverhältnisse waren in Dänemark 1945 noch wesentlich besser als im Deutschen Reich. Anfang 1945 wurden deshalb flüchtende, deutsche Zivilisten und verwundete Soldaten aus dem Osten des Deutschen Reiches durch einen Beschluss nach Dänemark gebracht.
Verhasste Deutsche
Von Anfangs ein paar Tausend, stieg die Zahl auf etwa 250.000 Menschen, die längere Zeit in Dänemark blieben. Zu der Zeit hatte Dänemark selbst nur etwa 4 Millionen Einwohner. Die Deutschen beschlagnahmten zur Unterbringung einen Teil der Infrastruktur, darunter Krankenhäuser, Schulen, Fabriken und Gasthöfe. Der Protest der Dänen und der Zorn gegen die Besatzer war groß. So groß, dass sogar der dänische Ärzteverband die medizinische Versorgung verweigerte. Nach der Kapitulation der Deutschen verschlechterten sich die Umstände weiter. Das kleine Land war auf 250.000 Geflüchtete innerhalb von ein paar Monaten schlicht nicht vorbereitet und im zerstörten Europa war die Gesamtlage der Versorgung sowieso schwierig.
Die Dänen sahen die Zeit als “zweite Besatzung” an und wollten die deutschen Geflüchteten so schnell wie möglich loswerden. Doch die Alliierten, die selbst mit dem Wiederaufbau des zerstörten Europa zu tun hatten, blockierten die Weiterreise nach Deutschland.
Die Dänen internierten daraufhin die deutschen Flüchtlinge in Lager. Der Kontakt zwischen deutschen Schutzsuchenden und der dänischen Bevölkerung war streng verboten. Die Lager wurden von den Insassen selbst verwaltet und in den etwa 460 Lagern mangelte es an ausreichend Verpflegung und medizinischer Versorgung.
Im November 1946 konnten die ersten deutschen Flüchtlinge ausreisen. Erst im Februar 1949 verließen die letzten Schutzsuchenden Dänemark. Eine viertel Million der verhassten Deutschen zu versorgen, hat bis heute Spuren hinterlassen. Spuren, die sich durch nahezu jede dänische Partei ziehen und deren Umgang mit Schutzsuchenden maßgeblich beeinflussen.
Dänemark heute
Die Dänen waren zwar einer der ersten Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention 1951, dennoch sieht sich ihr aktueller Umgang mit Schutzsuchenden einer Vielzahl an Kritiken und Rechtsbrüchen gegenüber.
Zudem ist Dänemark in der Justiz- und Innenpolitik durch eine Ausnahmeregelung (Opting Out) nicht an das EU-Recht gebunden. Ausgeschlossen sind sie also auch vom gemeinsamen Asylrecht der EU. An die europäische Menschenrechtskonvention und die Flüchtlingskonvention sind sie aber dennoch gebunden.
Von Juni 2015 bis Juni 2019 regierte in Dänemark die rechtsliberale Partei Venstre mit Unterstützung der konservativen Volkspartei und der Liberalen Allianze.
In diesem Zeitraum wurden die Regelungen und Gesetze Schutzsuchende betreffend massiv verschärft. Um bei der Wahl 2019 an die Macht zu kommen, machten sich die Sozialdemokraten Dänemarks den rassistischen Kurs der vorherigen Regierung zu eigen und verschärften, nachdem sie gewählt wurden, die Gesetze noch weiter. Soweit, dass seit 2015 Dänemark beinahe regelmäßig an der europäischen Menschenrechtskonvention scheitert und einen Versuch unternahm, diese abzuschwächen und Forderungen aufkamen, sie abzuschaffen.
Aktuell besteht die Regierung Dänemarks aus den Sozialdemokraten, der rechtsliberalen Venstre und den neu gegründeten Moderaten, die sich von Venstre abgespalten haben.
Lars Løkke Rasmussen, der bis 2021 in der rechtsliberalen Partei Venstre war und darauf die Moderaten gegründet hatte, sagte, dass er “vor Wut zittert”, wenn die europäische Menschenrechtskonvention mal wieder eine Abschiebung verhindert, also im Klartext, wenn Menschen ihre Rechte wahrnehmen.
Im allgemeinen ist der politische Diskurs Dänemarks durchtränkt vom Feindbild der Schutzsuchenden, vom Islamhass, Rassismus und dem angeblich bösen Europa, das durch seine Menschenrechte den dänischen Staat entmachten möchte.
Angriff auf die Menschenrechte
“Menschenrechte? Nein, danke.” So kann man Dänemarks Umgang mit Allen, die wortwörtlich “nicht westlich” sind, beschreiben.
Ginge es nach Ex-Ministerin Støjberg, hätten Schutzsuchende Entscheidungen gefälligst zu akzeptieren, ohne sich dabei auf ihre allgemein gültigen Menschenrechte berufen zu können. Im November 2017 übernahm Dänemark den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats und brachte ein Reformpaket ein. Vor allem wollten sie den Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention aufweichen. Artikel 8 verpflichtet die teilnehmenden Staaten “jeder Person” das “Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens” zu garantieren.
Artikel 8 sollte so umformuliert werden, dass dieser nur noch für die Staatsbürger des jeweiligen Landes gilt. Die Dänen, hatten sogar eine Task Force, die diesbezüglich Gespräche mit Mitgliedstaaten geführt hat, auch mit Deutschland. Letztendlich und glücklicherweise konnte der Artikel 8 nicht geändert werden. Menschenrechte gelten für alle Menschen, es gibt keine Menschen zweiter Klasse.
Dänemark will Menschenrechte abschaffen – im Jahr 2022
Die Bestrebungen der Dänen aus der Menschenrechtskonvention auszutreten oder diese zumindest aufzuweichen, bestehen aber bis heute. Am 1.November 2022 hat Dänemark ein neues Parlament gewählt. Nachdem die Bestrebungen bezüglich der diskriminierenden Änderung der Europäische Menschenrechtskonvention 2017 gescheitert sind, hat Morten Messerschmidt aus der rechtspopulistischen dänischen Volkspartei nun einen neuen Anlauf gewagt. Wenn die zukünftige Regierung mit der Unterstützung der dänischen Volkspartei rechnen wollte, so sollte sie sich für den Austritt Dänemarks aus der Europäischen Menschenrechtskonvention stark machen.
Die dänische Volkspartei hat es nicht in die aktuelle Regierung geschafft, dennoch sind die Forderungen weiter Teil ihres politischen Auftritts und beeinflussen das Meinungsbild der Gesellschaft.
NS-Ideologie: Menschenrechte als “Parasit im Rechtsstaat”
Messerschmidt bezeichnete beispielsweise Menschenrechte als “Angriff auf die Demokratie” und als “Parasit im Rechtsstaat”. Der “Parasit im Staat” ist eine Abwandlung des faschistischen Narrativs, eines “Volkskörpers”. Ein Staat wird dabei als lebender Organismus angesehen, der auch krank werden kann. Nicht weit entfernt von der NS-Ideologie.
Ein Staat lebt nicht. Ein Staat bildet lediglich die Grundlage für das Zusammenleben aller Menschen, die darin leben. Einzelne Aspekte oder Personengruppen, wie Juden in der Nazi-Zeit, werden als “krank machend” gekennzeichnet und wenn diese “beseitigt” sind, erst dann kann es dem Staat als “Organismus” gut gehen. Wenn man den Parasiten losgeworden ist, geht es dem Staat wieder gut. Das suggeriert, dass alle Probleme, die die Menschen haben, an diesem einen Aspekt liegen, was diese Rhetorik so gefährlich macht. Sie schürt Angst und Hass. Wir haben dazu kürzlich exakt diese Rhetorik des Faschisten Trump und der NS-Ideologie analysiert:
6 Rechtsbrüche Dänemarks
Wenn die Menschenrechtskonvention nicht mehr gilt, dann sind alle Menschen in Dänemark der Willkür des Staates ausgesetzt. Menschenrechte bilden die universelle Grundlage für ein Leben in Freiheit, Würde und Gleichberechtigung. Sie stellen sicher, dass jeder Mensch am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen kann.
Die Existenz von Menschenrechten garantiert allerdings nicht, dass sie auch eingehalten werden. Wenn deine Menschenrechte verletzt werden, musst du klagen. Und das braucht sehr viel Zeit, Geld und Ausdauer. Ressourcen, die Schutzsuchenden auf Grund der Flucht eher weniger und seltener zur Verfügung stehen. Darauf baut Dänemark auf, um Menschen zu entrechten.
1: Dänemark missachtet das Menschenrecht auf Familien (-zusammenführung)
Im November 2017 übernahm Dänemark den Vorsitz des Europarats. Bereits im Vorfeld gab es Diskussionen der Dänen, die europäische Menschenrechtskonvention unwirksam zu machen. Diese hat es in einigen Fällen geschafft, dänische, menschenrechtswidrige Vorhaben zu verhindern. Die damalige dänische Ministerin für Ausländer und Integration Inger Støjberg fand es “ziemlich unverschämt”, dass ein syrischer Arzt mit Aufenthaltsrecht seine Rechte wahrnahm und von einem Gericht prüfen ließ, ob es mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei, dass seine Ehefrau 3 Jahre warten musste, um einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen zu dürfen.
In dem Fall der Menschenrechtsverletzung des syrischen Arztes gab der Europäische Gerichtshof im Juli 2021 der Klage statt. Die Regelung der dänischen Regierung ist mit dem europäischen Menschenrecht nicht vereinbar. Der Arzt selbst hat vom Gerichtshof eine Wiedergutmachung von 75.000 Kronen zugesprochen bekommen. Und auch wenn ihm persönlich das Urteil bei der Familienzusammenführung auf Grund der Länge des Verfahrens wenig geholfen hat, so schafft es doch eine Rechtsgrundlage gegen ähnliche Gesetzesvorhaben oder sogar bestehende Gesetze mit langen Wartezeiten zur Familienzusammenführung.
2: Syrien ist nicht sicher – da herrscht Bürgerkrieg
In Syrien herrscht gerade ein Bürgerkrieg. Wo Krieg herrscht, kann es per Definition nicht sicher sein. Dänemark hat 2021 zahlreiche syrische Geflüchtete den Schutztitel entzogen. Nach Angaben des dänischen Flüchtlingsrates drohten 1250 Menschen der Entzug des Aufenthaltstitels. Abschieben wollten die Dänen jedoch nicht, da sie keinen Kontakt zum Assad-Regime aufnehmen wollten. Stattdessen nötigte die dänische Regierung die geflüchteten Syrer durch Repressionen zur Ausreise. So wurden gegen die Betroffenen Arbeits- und Ausbildungsverbote verhängt. Menschen wurden, durch die gezwungene Unterbringung in Ausreisezentren, von ihren Familien getrennt und mussten ihre Arbeit, das Studium oder die Schule abbrechen.
Syrien ist wegen des immer noch anhaltenden Bürgerkriegs offensichtlich nicht sicher. Dänemarks Pläne basierten auf fehlinterpretierten und manipulierten Lageberichten, einer vom Februar 2019 und einer vom Oktober 2020. Alle der darin angeführten Quellen distanzierten sich von den Schlussfolgerungen, die die dänische Regierung aus den beiden Berichten zog. Einige von ihnen wandten sich sogar öffentlich an die dänische Regierung und forderten diese auf, die Pläne zu stoppen. Auch der dänische Flüchtlingsrat, der einen der Berichte mit verfasst hatte, kritisierte die Regierung in ihrem Vorhaben.
Eine Abschiebung nach Syrien ist offensichtlich mit der europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar. Diese verbietet Abschiebungen in Staaten, in denen Folter oder entwürdigende Behandlung drohe. In Syrien kommt es außerdem zu willkürlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Weil dort ein Bürgerkrieg herrscht.
Vor allem hatte das Europäische Parlament erst im März 2021 die EU-Mitgliedsstaaten in einer Resolution daran erinnert, “dass Syrien kein sicheres Land für eine Rückkehr ist.”
3: Ruanda-Plan Menschenrechtswidrig
Dänemark plant seit 2021, Schutzsuchende bis zum Ende ihres Asylverfahrens nach Ruanda auszufliegen und dort den Asylantrag abwickeln zu lassen. Auch das ist menschenrechtswidrig und könnte der Grund sein, weshalb der Plan schon länger auf Eis liegt. Die Europäische Menschenrechtskonvention sieht vor, dass “Flüchtlinge auf jede Art, auch ohne Erlaubnis, an den Grenzen anklopfen, einreisen und hier den Asylantrag stellen dürfen”.
Auch aus der EU kommt Kritik, die ausgelagerte Bearbeitung von Asylverfahren stelle den Zugang zu Schutz fundamental in Frage. Das Vorhaben sei mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Durch die dänische Ausnahmeregelung kann Dänemark das EU Recht zwar umgehen, aber nicht die Menschenrechts- oder Flüchtlingskonvention.
4: Kosovo – Aus den Augen, aus dem Sinn?
Ab Anfang diesen Jahres hat Dänemark Zellen in einem Knast im Kosovo gemietet. Ob bereits Häftlinge dorthin gebracht wurden, ist unklar. Das Vorhaben könnte jedoch ebenfalls gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Die Kriminologieprofessorin Linda Kjær Minke kritisiert, dass “Gefangene als Güter, die man einfach irgendwohin transportieren kann.” betrachtet werden.
Juristische Zweifel gibt es unter anderem wegen des Kontaktrechts zwischen Inhaftierten und Angehörigen. Die Menschenrechtskonvention, unter Artikel 8, den die Dänen ja bereits versuchten zu entkräften, schützt das Privat- und Familienleben. Die Dänen müssten dann auf Staatskosten einmal pro Woche, oder ähnlich, ein Flugzeug chartern und die Angehörigen hin und zurück fliegen.
Zudem gibt es begründete Zweifel, dass die körperliche Unversehrtheit nicht garantiert werden kann. Justizminister Hækkerup “versichert”, inwiefern man das 2000km entfernt auch versichern kann, dass die selben Regeln gelten, wie in einer dänischen Haftanstalt.
Die juristische Direktorin des dänischen Antifolterinstituts Dignity sagt: “Ich kenne kein einziges Beispiel, in dem ein Land Haftplätze im Ausland mietet und gleichzeitig die Leitung der Haftanstalt übernimmt.” Sie nannte den norwegischen Versuch, Haftplätze in den Niederlanden zu mieten, der scheiterte, weil es eben nicht möglich war, norwegisches Recht in den Niederlanden durchzusetzen.
Mit Haftplätzen im Kosovo dürfte es noch schwieriger werden, dem Bericht des Antifolterkomitee des Europarates nach zu beurteilen. Es wird berichtet über Gewalt, Korruption und die Misshandlung von Häftlingen. Darauf angesprochen sagte Justizminister Hækkerup, dass er den Bericht kenne, er aber zuversichtlich sei, “dass wir das schaffen.” Diese Aussage gegenüber begründeten Zweifeln und dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, heißt letztendlich nichts anderes als ‘Es ist mir egal’.
5: Dänemark schickt Menschen buchstäblich in den Tod
Im März 2021 wurde ein Somalier in den sicheren Tod geschickt. Gegen ihn war in seinem Heimatland ein Todesurteil verhängt worden. Die dänischen Behörden interessierten sich dafür jedoch nicht und schätzten das Urteil als verfehlt ein. Als ob das die Regierung in Somalia irgendwie interessieren würde, was Dänemark zu ihrem verhängten Todesurteil denkt. Der 31-Jährige Somalier wurde der Einwanderungsbehörde in Mogadischu übergeben und war kurz darauf spurlos verschwunden, wie auch schon andere ausgewiesene Migranten vor ihm. Nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Schutzsuchende aber nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht ist.
Die Ignoranz der dänischen Regierung sorgte für Wirbel. Eine Zeitung wollte Akteneinsicht und über den Fall berichten. Das demokratische System der Dänen schreibt in dieser Hinsicht die Informationsfreiheit eher nicht so groß, denn sie verweigerten den Journalist die Akteneinsicht. Und das völlig legal, durch, wie ironisch, das Informationsfreiheitsgesetz.
6: Zwangsumsiedlungen
Ein moralischer Abgrund auf verschiedenen Ebenen ist Dänemarks “Ghetto-Gesetz” und die damit verbundenen Zwangsumsiedlungen. Die Bürger sind nicht mehr vor dem Gesetz gleich und es wird unterschieden zwischen “nicht-westlich” und den Anderen. 2018 lag der Prozentsatz bei 50%, 2021 wurde er auf 30% der Menschen mit der vermeintlich falschen Herkunft gesenkt, die ein Stadtviertel ausmachen dürfen. Gilt ein Viertel 5 Jahre als “Ghetto“, wird zwangsumgesiedelt.
Bis zu 40% der Sozialwohnungen werden im Zuge des “Ghetto”-Gesetzes privatisiert und zu Eigentumswohnungen umgewandelt. Kommunen ist es möglich zu bestimmen, dass völlig intakte Häuser aus “strategischen” Gründen komplett abgerissen werden dürfen. Also der strategische Grund der rassistischen Vertreibung von Menschen aus einem Stadtviertel.
Steffen Boel Jørgensen, der Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens nennt das Gesetz “Unnötig schlampig und brutal”, es sei so schlecht, dass es sich jeder Beschreibung entziehe. Es ist ein Freibrief für Unternehmen, einfach so allen Mietern zu kündigen und mit Luxusrenovierungen, Verkäufen oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen ihre Gewinne zu maximieren. Und das betrifft bei weitem nicht nur “nicht-westliche” Mieter.
Eu kritisiert das gesetz
Das Gesetz wird außerdem von der EU kritisiert. Schließlich gilt es als zentrales Freiheitsrecht einer Demokratie, selbst entscheiden zu können, wo man leben möchte und zusätzlich darf Niemand wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. Das dänische Institut für Menschenrechte kritisiert diese Diskriminierung scharf. Sie verstoße gegen die dänische Verfassung und das Gesetz zur ethnischen Gleichstellung.
Durch die zwangsweise Umsiedlung drohen etwa 100.000 Menschen ihr Obdach zu verlieren. Die Vereinten Nationen verlangten von der dänischen Regierung sofort aufzuhören, da sie damit Menschenrechte verletzen würden. Im dänischen Parlament jedoch gibt es kaum Widerspruch und das Gesetz wird trotz der eigenen Verfassungswidrigkeit aktuell durchgesetzt.
Allerdings liegen Dänemarks oberstem Gericht mehrere Klagen vor. Dieses wartet jedoch auf die Grundsatz Entscheidung des EU-Gerichtshof gegen Dänemark wegen gesetzwidriger Diskriminierung „nicht-westlicher“ Bürger.
Und Dänemark vernachlässigt seine eigenen Bürger!
Selbst wenn die Dänen in ihrem eigenen Egoismus ertrinken und ihre Menschlichkeit auf der Mülldeponie lassen, selbst dann betrifft es eben auch sie selbst. Es werden Sozialwohnungen abgerissen und der Wohnraum wird teurer. Der Bau von billigem Wohnraum war um 1960 ein Vorzeigeprojekt der Sozialdemokraten. Und genau diese Sozialdemokraten sind es jetzt, die dafür sorgen, dass billiger Wohnraum abgerissen wird und dadurch verknappt.
Ausländer zu Sündenböcken zu machen, löst eben kein einziges wirkliches Problem der Gesellschaft. Armut, Folgen der Pandemie, steigende Mieten und knapper werdender Wohnraum verschwinden eben nicht durch Scheindebatten.
Im Fall von Dänemarks “Ghetto”-Gesetz werden gesamtgesellschaftliche Probleme durch den Abriss von Sozialwohnungen sogar noch verstärkt und Ungleichheiten ausgebaut. Menschen mit geringem Einkommen, die nun mehr Geld für Miete ausgeben müssen, haben weniger für soziale Teilhabe übrig.
Emma Holmqvist, Forscherin für Kulturgeografie an der Universität Uppsala meint, dass sich mit der Zeit diese Gebiete einfach verschieben werden. Es werde neue, womöglich noch größere Konzentrationen von Marginalisierten in Umgebungen mit billigen Mietwohnungen geben.
Es ist leicht, eine Gruppe, die gesellschaftlich gesehen sowieso schon am wenigsten Macht und Mitspracherecht hat, für all die Probleme verantwortlich zu machen. Rechte Politiker nutzen diese Taktik gerne, um die bestehenden Machtverhältnisse in der Gesellschaft beizubehalten und noch weiter auszubauen. In Dänemark haben eben auch die Sozialdemokraten, wenn man sie noch so nennen kann, diese Taktik für sich entdeckt. Wo kommen wir denn da hin, wenn die Gesellschaft sich mal nicht mit Ausländern beschäftigen würde, sondern mit Arbeitsverhältnissen, dem Ausbau sozialer Teilhabe und mit dem Stärken der Demokratie, mit Bildungsungleichheit, bezahlbarem Wohnraum oder einer tatsächlichen Existenzgrundlage für Jeden.
Deutschlands Rufe nach Versagen wie in Dänemark
Totalitäre Praktiken in Dänemark nehmen zu. Bestrebungen, die Menschenrechte für sich abzuschaffen sind nach wie vor präsent. Menschenrechtsverletzungen stapeln sich und Menschen werden wie Ware behandelt und diskriminiert. Immer wieder scheitert die dänische Regierung an der europäischen Menschenrechts- und Flüchtlingskonvention.
Und was tun wir in Deutschland? Die Rufe nach dänischen Verhältnissen werden aus der rechten Ecke immer lauter. Wofür? Für ein paar Abschiebungen mehr? Die Entwicklungen in Dänemark lassen sich in den Postfaschismus einordnen. Wer nach “Verhältnissen wie in Dänemark” schreit, der schreit nach Menschenrechtsverletzungen, Bestrebungen die Menschenrechte abzuschaffen und einem rassistischen Irrweg. Und da hier in Deutschland Medien oftmals ohne einen ausreichenden Kontext über immer neue Verschärfungen berichten, wissen nur wenige, was “Verhältnisse wie in Dänemark” wirklich bedeutet. In unserem Diskurs wird der Ruf nach eben diesen Verhältnissen als völlig legitim wahrgenommen und doch heißt das nichts anderes als ein hilfloses “Ausländer raus”. Gerade wir sollten nicht nach dänischen Verhältnissen rufen.
Trotz all dem gibt es auch bereits deutsche Politiker, die Aspekte aus den dänischen menschenrechtswidrigen Maßnahmen hier in Deutschland vorschlagen und umsetzen wollen.
Also ja, guckt nach Dänemark. Seht euch an, was wir um jeden Preis verhindern müssen. Guckt euch an, dass die Lügen und Rechtsbrüche der Rechten die gesellschaftlichen Probleme nur noch verschlimmern. Seht die Parallelen zu totalitären Staaten und die systemischen Entrechtungen. Und dann denkt doch gerne daran, dass wir alle Menschen sind.
Artikelbild: quetions123, Syrische Schutzsuchende an der türkisch-syrischen Grenze, 2015