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Stimmungsmache: Der beliebteste Vorname in Berlin: Alexander – NICHT Mohammed!

von | Mai 15, 2020 | Aktuelles, Analyse

Der beliebteste Vorname ist Alexander

Ihr kennt das Spiel: Tendenziöse Schlagzeile, irgendwas mit Mohammed, Islamisierung, der Untergang des Abendlandes, yadda yadda. Tatsächlich ist diese Fake News/Medien-Masche, um Klicks vom rechten Rand zu bekommen nicht neu. Bereits im letzten Jahr haben Medien der Springer-Presse versucht, mit diesem Trick Aufmerksamkeit zu erzeugen – wir haben berichtet HIER:

Stimmungsmache: Mohammed ist NICHT der beliebteste Vorname!

Diesmal geht es wieder um Berlin, wieder um den Vornamen „Mohammed“, wieder um die gleiche, tendenziöse Stimmungsmache, wieder die B.Z. und BILD.

Was denkt ihr bei diesen Schlagzeilen? Dass die größte Gruppe an Jungen in Berlin „Mohammed“ mit Vornamen heißen muss, richtig? Aber der Trick der Zeitungen: Da steht nicht „Vorname“. Da steht „Babyname“ oder „meistvergebender Jungenname“. Sie wissen, dass jede*r von uns davon ausgehen wird, dass das „Vornamen“ sein müssten. Das ist aber falsch. Warum, dazu kommen wir gleich noch. Dass nämlich alle an „Vornamen“ denken und sich die Erzählung: „Mohammed ist der beliebteste Vorname“ dann in den rechtsextremen Kreisen rasant verbreitet, dürfte niemanden überraschen.

Framing ist dort nämlich alles: Nicht nur soll das ein „weiteres“ Anzeichen sein für das rechtsextreme Märchen der „Islamisierung“, viele überlesen den „in Berlin und Bremen“ Part auch noch. Die Kommentare zeigen eindeutig, was für eine rechtsextreme Reflex-Reaktion hervorgerufen werden soll: Islamisierung, Einwanderung und der rechtsextreme Verschwörungsmythos vom „Austausch“ der Bevölkerung, an den auch Rechtsterroristen wie der Christchurch-Attentäter oder der Halle-Mörder glaubten.

Die Tricks, wie man rechte Mythen streut

Die Daten, auf die sich die Springer-Presse ebenso wie die rechtsextremen Propaganda-Seiten berufen, ist die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. Dort findet man die Liste der beliebtesten „Erstnamen“ (diesen Begriff merken!)

So ausführlich hat das GfdS für Berlin auf ihrer Seite nicht erstellt, aber auf einer Deutschlandkarte die jeweils drei beliebtesten Vornamen 2019 aufgelistet: Und siehe da: Kein Mohammed. Sondern Alexander, Noah und Paul. Aber rechts unten ist noch einmal extra eine Liste mit „Erstnamen“ aufgeführt, wo „Mohammed“ plötzlich auf Platz 1 ist. Was heißt das denn? Wo ist der Unterschied?

ERSTNAMEN, VORNAMEN UND VERZERRUNGEN

Dazu muss man zwischen “Erstnamen” und “Vornamen” unterscheiden. Bei Menschen mit nur einem Vornamen wäre das das Gleiche. Aber laut GfdS trifft das nur auf 60 % aller Kinder zu. Weitere 35,8 % haben zwei Vornamen und 3,5 % drei und 0,3 % vier oder mehr Vornamen. Mit “Erstname” ist meistens der erste Vorname gemeint. Manchmal ist auch der Rufname gemeint, der sich ja davon auch unterscheiden kann. Es geht bei Erstnamen also nicht um die häufigsten Vornamen, sondern um die Spitzenreiter bei allen zuerst stehenden Vornamen.

Deswegen zählen die meisten Institute und Behörden nicht “Erstnamen”, sondern alle Vornamen. Eben weil sich diese von Rufnamen unterscheiden können und auch nicht auf alle Kinder zutreffen. So auch die GfdS, die aber extra noch „Erstnamen“ auflistet. Also, wenn man alle Vornamen zählt, findet sich Mohammed nicht auf Platz eins, weder deutschlandweit, noch in Berlin. Nicht einmal in den Top 10. Laut GfdS ist der Erstname “Mohammed” in Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland “unter den Top 10”. Nur in ihrer Grafik steht bei “Berlin” der Name auf Platz 1 unter “Erstnamen”.

Auch ist es zu beachten, dass die Landesämter und Standesämter anders zählen als die GfdS, die alle unterschiedlichen Schreibweisen von den Varianten von Muhammad/Mohammed usw. zusammenfasst (Quelle). Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass unter muslimischen Familien der beliebteste Vorname überproportionaler verwendet wird als in nicht-muslimischen. Das hat natürlich mit der religiösen Bedeutung von “Mohammed” zu tun, aber auch damit, dass es eine theoretisch kleinere Namensauswahl gibt (Quelle).

Andere Zeitungen wie „Der Tagesspiegel“ haben es beispielsweise schon im Januar geschafft über die beliebtesten Babynamen in Berlin zu berichten – und irgendwie „Mohammed“ nie zu erwähnen – Sie haben ihre Zahlen direkt vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten.

OH NEIN, EIN PAAR KINDER HEISSEN MOHAMMED

In Berlin wurden im Jahr 2019 40.203 Kinder geboren (Quelle). 346 davon heißen Mohammed, „Muhamad“, „Muhammed“ oder „Muhammed-Emin“. Wir haben über ein dutzend verschiedene Versionen gefunden und einfach mal alle hinzugezählt. Das macht damit 0,86 % aller Neugeborenen aus. Für eine „Islamisierung“ müssen sich die Jungs aber richtig anstrengen. Diese Differenzen spielen nicht wirklich eine Rolle und haben fast gar keine Aussagekraft. Hier wird aus einer Mücke durch ein paar Tricks ein Elefant gemacht, der dann wieder als waghalsiger Beleg für eine rechtsextreme Verschwörungstheorie herhalten muss.

Durch eine bestimmte Sortierung unter “Erstnamen”, welche von “Vornamen” zu unterscheiden ist, durch bestimmte Kriterien der Zusammenfassung von Namen und durch das Herausstellen bestimmter Städte wird ein Fokus auf Dinge gesetzt, die völlig irrelevant sind. Hier regt man sich über ein paar einzelne Kinder auf. Und das alles nur, weil es in ein rassistisches Narrativ passt. Und einige Medien entweder bewusst mit dieser Stimmungsmache spielen oder sie nur für Klicks ausnutzen wollen. Was genauso gefährlich ist.

Der beliebteste Vorname in Berlin für Jungen, Noah, wurde 258 mal vergeben. Selbst wenn Mohammed auf Platz 1 stehen würde, wenn man nur Erstnamen, also nur die Kinder, deren als erster eingetragener Vorname so lautet, heranzieht, sind das doch nur ein paar Jungs. Und abgesehen davon, dass es schon etwas schwammig ist, dann automatisch von Flüchtlingen oder gar Muslimen (obwohl das natürlich wahrscheinlich ist) zu sprechen, sagt das auch nichts über Fremde aus. Muslim und Migrant und Nationalität zu vermischen, ist bereits sehr problematisch. Denn auch ich, kalkweiße Kartoffel, habe technisch gesehen einen „Migrationshintergrund“. Dazu habe ich mal hier was geschrieben:

Migrationshintergrund: Ich bin der Beweis, dass die AfD nur rassistischen Unsinn redet

Fremde Namen? Nein, Rassismus

Übrigens: Noah ist hebräisch, Alexander griechisch, Maria ist auch hebräisch (Maryam), wirklich in den Top Ten ist z. B der englische Name Liam. Hört auf, euch einzubilden, andere Namen wären schlimm oder etwas Neues. In Deutschland leben 5 % – 6 % Muslime. In Berlin etwa 9 %. Und ein winziger Bruchteil der Neugeborenen wird Mohammed (oder so ähnlich) genannt.

Das ist kein Problem, das ist nicht einmal ein Trend. Aber wie man daran sieht, wie es einige wieder ausschlachten, soll es irgendwie als Beispiel für rechtsextreme Untergangsfantasien herhalten? Es ist nicht gut, wenn extra unsauber und willkürlich berichtet wird, nur um sensationelle Schlagzeilen zu produzieren. Mit der man diese Ressentiments nicht nur ausbeutet – sondern immer wieder befeuert.



Artikelbild: EvgeniiAnd