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Dreist oder naiv? Querdenker fallen auf Postillon-Satire herein

von | Nov 12, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

Teilen sie alles ungeprüft oder verarschen sie ihre Fans?

Dass die Telegram-Kanäle der „Querdenker“ wie Bodo Schiffmann oder Samuel Eckert voller Fake News, Lügen, Desinformation und Verschwörungsmythen sind, ist nichts Neues. Dort werden täglich erfundene Meldungen verbreitet, aus dem Kontext gerissene Zitate, Falschdarstellungen und nur Aussagen und Berichte, die in das eigene Weltbild passen. Schiffmann erregte besonders viel Empörung damit, dass er Menschen Angst vor Masken machen wollte und dreist tote Kinder instrumentalisierte und sogar ganz erfand:

Widerliche Instrumentalisierung: Corona-Lügner Schiffmann erfindet totes Kind durch Maske

Diesmal dürften die Pandemie-Leugner jedoch über ihr eigenes, realitätsfernes Weltbild gestolpert sein. Schiffmann und sein Querdenker-Mitideologe Eckert teilten beide einen Text über einen „Großeinsatz in Köln“, bei welchem Kinder wegen einer unerlaubten Demo von der Polizei festgenommen worden sein sollen. Eine Quelle für diese Meldung gaben sie wie meistens natürlich nicht an.

Die Intention hinter der Meldung als Teil der Querdenker-Propaganda ist klar: Ohnehin empören sie sich über jede noch so legale und berechtigte Maßnahme der Polizei, die die Verfassungsfeinde in die Schranken weist. Wie erst vor kurzem, als sie unerlaubt nach Mecklenburg-Vorpommern einreisen wollten:

Polizist Rusch als Held gefeiert: Querdenker Schiffmann festgenommen & zur Landesgrenze abgeführt

Und natürlich ist es deren erklärtes Ziel, unschuldige Kinder für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. Wenn sie nicht gerade deren Tode missbrauchen, um es entgegen der Fakten und entgegen dem Wunsch der trauernden Eltern Masken in die Schuhe zu schieben, dann schieben sie den Schutz der Kinder vor, um gegen Maßnahmen und die Wissenschaft zu hetzen. Diese Geschichten sollen die leichtgläubige Anhängerschaft weiter radikalisieren und anheizen. Mit Erfolg: Die Anhänger:innen halten die Meldung zum Teil für echt. „Habe es persönlich schon erleben dürfen“ schreibt eine. Auch wird sich viel empört.

Es ist ein geklauter Postillon-Satire-Artikel!

Der Text ist natürlich keine Beschreibung eines realen Ereignisses, sondern ein Postillon-Satire-Artikel aus dem Jahr 2014 (Link).

Richtig: Querdenker teilen und verbreiten einen Satire-Artikel. Und regen sich darüber auf. Einige Querdenker:innen sind noch gerade so in der Lage, Satire von der Realität zu unterscheiden, aber halten dieses absolut lachhafte Szenario dennoch für realistisch. Und das sagt auch einiges über diese Menschen aus.

Besonders unfreiwillig ehrlich ist der letzte Kommentar: „Leute ich hatte es wirklich kurz geglaubt […] dass zeigt wirklich wie weit sind wir [sic]“. Ja, dass ihr diese Meldung auch nur für eine Sekunde für echt haltet, zeigt wirklich, wie weit ihr seid…

Postillon will juristisch gegen Querdenker vorgehen

Völlig egal, ob die Querdenker den Satire-Artikel wirklich selbst geglaubt haben oder genau wussten, dass sie einen Artikel teilten, der Satire ist, es offenbart schmerzhaft die propagandistischen Methoden. Entweder glauben diejenigen, die ganze Zeit von „Aufwachen“ und „kritisch“ „selbst denken“ sprechen, ohne Überprüfung alles, was in ihr Weltbild passt und verbreiten das einfach weiter, was große Zweifel an deren Glaubwürdigkeit wecken sollte. Oder sie wussten ganz genau, dass es Fake ist, aber da sie nirgendwo dazu schrieben, dass es ein Satire-Artikel vom Postillon ist, hofften sie vielleicht, dass ihre naiven Anhänger:innen trotzdem darauf hereinfallen. Was ja auch zum Teil passierte.

Und selbst wenn sie angeblich den Beitrag wirklich als Satire geteilt haben sollten, was es äußerst ungeschickt: Denn es gibt keinen Hinweis, dass diese lachhafte Geschichte ausnahmsweise von den Querdenkern mal nicht ernst gemeint ist. Sie teilen üblicherweise ja nicht einfach so ohne Hinweis Satire-Texte. Und über wen sollten sie sich denn da lustig machen – über sich selbst und ihre eigene Propaganda? Am zynischsten wäre es natürlich, wenn sie es bewusst teilten, in der Hoffnung, dass ihre naiven Fans trotzdem darauf hereinfallen. Und wenn nicht, hat man mit „Satire“ eine gute Ausrede.

Die fehlende Quellenangabe könnte den Pandemie-Leugner:innen aber zum Verhängnis werden: Wie uns der Postillon mitteilte, überprüft das Satire-Magazin, ob sie eine Abmahnung an Schiffmann wegen Urheberrechtsverletzung verschicken. Postillon-Texte darf man zwar unkommerziell weiterverwenden, aber nur mit Quellennennung. Hier könnte es sich um eine kommerzielle Nutzung mit fremden Inhalten handeln.

Die Aktion ging wohl gehörig nach hinten los, zumindest wenn man sich die schadenfrohen Reaktionen ansieht. Schiffmann scheint seinen Beitrag inzwischen wieder gelöscht zu haben.

Zum Thema:

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Artikelbild: Screenshot youtube.com / Telegram


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