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Wie dich Pandemie-Leugner über ein Drosten-Interview von 2014 belügen

von | Okt 5, 2020 | Aktuelles, Analyse, Corona, Corona-Fake

Drostens MERS-Interview von 2014 erklärt

Pandemie-Leugner interpretieren gerade wirres Zeug in ein interview von Drosten aus 2014. Weil Drosten damals völlig richtigerweise vor Panikmache vor dem MERS Virus und einer falschen Interpretierung der Zahlen warnte, meinen die Leugner, dass das irgendwie verschiedenste ihrer Corona-Mythen belegen würde.

Dr. Drosten ist in der faktenfreien Szene der Pandemie-Leugner und Rechtsextremen ein beliebtes Hassobjekt, über den sie regelmäßig Lügen verbreiten, um dessen Kompetenz und Glaubwürdigkeit anzugreifen. So behaupteten sie gar, es gäbe keine Doktorarbeit Drostens, was wir widerlegt haben:

Sorry, Aluhüte: Wo die Doktorarbeit von Drosten ist? Hier: Wir haben sie ausgeliehen

Mit dem Drosten Interview aus dem Jahr 2014 in der Wirtschaftswoche (Quelle) versuchen jetzt die üblichen Fake-News-Schleudern ihre Weltanschauung zu bestätigen. Auch russische Propaganda-Seiten und rechtsextreme Hetzseiten springen auf diese Falschdarstellungen auf:

Mythos 1: Drosten hielt PCR-Tests für untauglich

Screenshot aus einer Fake News

Das steht in dem Interview mit Drosten von 2014 mit keinem Wort. Das kann man sich vielleicht einbilden, wenn man den Ausschnitt völlig ohne Kontext liest. Eigentlich geht es Dr. Drosten hier um Folgendes: Durch Massentestungen hat Saudi Arabien mehr Infektionen gefunden als andere Länder.

Drosten beschwichtigt und sagt sinngemäß: “Kein Grund zur Sorge, die haben vor allem deshalb so hohe Werte, weil die mehr testen als andere Länder.” Also was Drosten kritisiert, ist, dass die Falldefinition in Saudi Arabien mit dem Rest der Welt nicht vergleichbar war.

Wer den Drosten-Podcast verfolgt, der weiß, dass Drosten genau solche Anmerkungen auch bei der aktuellen Corona-Pandemie gemacht hat. Dass die Fallzahlen zwischen den Ländern nicht vergleichbar sind, ist jedem klar, der das Thema in den bösen “Mainstream Medien” verfolgt hat. Diese Menschen konsumieren jedoch keine seriösen Medien mehr und hören erst Recht nicht Drostens Aussagen im Original und erfahren nur Hetz-Karikaturen über seine Aussagen. Wie jetzt im aktuellen Fall wieder.

Mythos 2: Aber PCR Tests zeigen nur Virusfragmente und keine Infektion

Grundsätzlich ist es schon richtig, dass der PCR-Test nur Virusfragmente zeigt, aber das Ding ist: irgendwie müssen die Fragmente ja da hingekommen sein. Weder SARS-CoV-2 noch MERS sind in der Mundflora heimisch. Also wenn da z.B. über eine Millionen Kopien von so einem Virus sind, dann ist das schon recht eindeutig eine Infektion. Der Tagesschau Faktenfinder erklärt hier sehr schön, dass man über den cT Wert im Labor schon sehr gut sehen kann, wie hoch die Viruslast ist.

Und noch ein wichtiger Punkt: Ein Grund, warum die Pandemie anfangs unterschätzt wurde, war, dass bisherige SARS Viren immer in die Lunge gelangen mussten, um sich zu replizieren, also um sich zu vermehren (Quelle). Das ist ein entscheidender Unterschied zwischen SARS-CoV-2 und MERS. Bei MERS müssen Viren in einem Abstrich aus den oberen Atemwegen ja noch nicht heißen, dass das Virus in den unteren Atemwegen repliziert und die Person damit ansteckend ist. Bei SARS-CoV-2ist das laut aktuellem Stand schon ziemlich sicher der Fall (Quelle). Allein daher ist ein Rachenabstrich bei SARS-CoV-2 schon deutlich besser geeignet als Infektionsnachweis als bei MERS. Ein PCR-Testergebnis bei MERS ist eben nicht 1:1 vergleichbar mit SARS-CoV-2!

Mythos 3: MERS ist doch viel schlimmer als corona, also warum damals keine Panik, heute aber schon?

Es stimmt, dass MERS eine deutlich höhere Fallsterblichkeit hat als SARS-CoV-2. Es gibt bis heute 2519 bestätigte MERS infektionen, von denen unfassbare 866 zum Tod führten, also etwa ein Drittel (Quelle). An dieser Stelle muss man aber genau wie bei Covid-19 beachten, dass wir nicht genau wissen, wie viele asymptomatische Verläufe es gibt, serologische Tests deuten auch hier auf eine große Dunkelziffer hin (Quelle).

Der große Unterschied scheint bisher aber zu sein, dass MERS deutlich weniger ansteckend ist. Die Ansteckungsrate von MERS liegt unter 1, also ein infizierter Mensch steckt im Schnitt weniger als einen weiteren an (Quelle). SARS-CoV-2 hingegen verbreitet sich ohne Gegenmaßnahmen von einem Infizierten zu 3,3 – 3,8 Personen weiter – es kommt zu exponentiellem Wachstum (Quelle). Das liegt wahrscheinlich auch an der Replikation im Rachen. Corona-Infizierte sind ansteckend bevor sie Symptome entwickeln (präsymptomatisch), und genau deshalb brauchen wir jetzt Masken und Maßnahmen.

Fazit: Sie belügen dich über das Drosten Interview von 2014

Nicht nur hat Dr. Drosten 2014 nicht die Behauptungen gemacht, die ihm jetzt von seinen Hatern in den Mund gelegt werden, ein PCR-Test ist bei einem völlig anderen Virus auch anders einzuordnen als jetzt bei Corona. Es belegt weder eine „Kehrtwende“ des weltweit angesehenen Corona-Experten, noch ist es ein Widerspruch zu der jetzigen Bewertung der PCR-Tests bei Corona. Pandemie-Leugner und ihre Hetz-Seiten missinterpretieren das Interview jetzt bewusst, um mit Lügen Stimmung gegen Drosten zu machen.

Zum Thema: Alles wissenswerte über den PCR-Test

PCR-Tests sind sehr genau: Teile diesen Text, um die zentralen Lügen der Pandemie-Leugner zu widerlegen

Anpassung Di, 9:15: Wir hatten im Artikel fälschlicherweise das Virus, das Covid-19 auslöst als „Covid-19“ bezeichnet. Das stimmt natürlich nicht. Das Ding heißt SARS-CoV-2. Danke für die Hinweise. Außerdem ist die umgangssprachliche Bezeichnung „Corona“ vielleicht auch etwas unpräzise in einem Text, der auch MERS zum Thema hat. Auch das wurde an einer Stelle angepasst.

Artikelbild: Michael Kappeler/dpa


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