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So rechtsextrem war Berlin: AfD, NPD, III. Weg, Identitäre, Holocaustleugner, Gewalt

von | Aug 30, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

So rechtsextrem war Berlin

Schon lange eigentlich, aber spätestens seit dem 29.08.2020 in Berlin sollte man aufhören, von der „Querdenken“-Demo als einer Demonstration zu sprechen, auf der „einige“ Rechtsextreme mitgelaufen sind, sondern anfangen, es als eine rechtsextreme Demonstration zu betrachten, für welche sich auch andere Personen als Feigenblatt einspannen lassen, die optisch nicht dem gängigen Bild von Neonazis entsprechen, aber ideologisch überraschend viele Gemeinsamkeiten haben. Hass auf Eliten und Andersdenkende, auf die freie Presse, Verschwörungsmythen, auch körperliche Angriffe auf Journalist:innen, Medienvertreter:innen und auch einfach Menschen, die eine Maske tragen, hat man auf dieser durch alle Gruppierungen gefunden. Die Nähe und Vernetzung in die rechtsextreme Szene war nicht nur ideologisch und physisch, sondern reichte auch bis hinein in das Veranstalterteam.

Ergänzend zu dieser Recherche verweisen wir auch auf unsere Recherche darüber, welche unzähligen rechtsextremen Gruppierungen im Vorfeld zur Demonstration aufgerufen haben und für diese Demo in Berlin ihre rechtsextreme Anhängerschaft mobilisiert haben. Hier:

Corona-Demo 29.08.: Die gesamte rechtsextreme Szene mobilisiert (AfD, NPD & Co)

Wie gewalttätig und hasserfüllt die korrespondierenden Chats aussehen, haben wir hier ebenfalls ausschnittsweise dokumentiert:

Aufrufe zu Waffengewalt & Widerstand: Extreme Reaktionen auf Demo-Verbot

Doch selbstverständlich liefert die Demonstration in Berlin selbst die deutlichsten Beispiele dafür, wie aggressiv und rechtsextrem diese Bewegung ist. Ganz wichtiger Hinweis: Damit soll nicht behauptet werden, dass jede einzelne Person, die beteiligt gewesen ist, eine rechtsextreme Gesinnung hat, auch wenn diese Strohmann-Anschuldigung sicherlich kommen wird, um abzulenken. Im Gegenteil, wer sich nicht mit einer derartig verfassungsfeindlichen, aggressiven und rechtsextremen Einstellung identifiziert, muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, warum er mit diesen Menschen dennoch gemeinsame Sache macht. Jede:r Demonstrationsteilnehmer:in war somit zumindest offen für diese Einstellung und hilft der rechtsextremen Szene aktiv bei der Selbstverharmlosung und Relativierung.

In dieser Recherche haben wir eine lange und unvollständige Liste an rechtsextremen Gruppierungen und Personen gesammelt, die an der Demo in Berlin teilgenommen haben.

pöbeleien, nazis allgemein

Viele Beobachter:innen erzählen von Angriffen auf Journalist:innen und Maskentragende. Friedlich sieht anders aus.

Schilder, dessen Träger:innen die Politiker:innen, Journalist:innen und Personen der Öffentlichkeit wie Dr. Drosten oder Bill Gates verhaften wollen, waren ebenfalls zu sehen. Hier wird nicht friedlich demonstriert, hier möchte man Andersdenkende einsperren. Die Plakate wurden von einem AfD-Politiker gestellt, später mehr dazu.

Foto: Andreas Bergholz (Volksverpetzer)

Auf der Demonstration waren enorm viele Reichs(kriegs)flaggen zu sehen. Sie fällt nicht unter die verbotenen Symbole, werden allerdings von rechtsextremen Parteien und Organisationen als Identifikationssymbol benutzt, ebenso wie auch schon zu Zeiten der Weimarer Republik (Quelle). Die Anzahl der Reichskriegsflaggen auf Videos und Fotos ist so enorm, man könnte einen ganzen Artikel nur damit voll kriegen.

Foto: Andreas Bergholz (Volksverpetzer)

Auch ein bekannter, rechtsextremer Rapper war mit einer Neonazi-Gefolgschaft vor Ort.

Auch Personen aus dem Umfeld des Lübcke-Mörders waren vor Ort (Quelle):

Mehr Neonazis:

Nazi Kameradschaften:

Auch ein bekannter Holocaustleugner:

Auch Nazi-Hooligans der Düsseldorfer „Bruderschaft Deutschland“, die Essener „Steeler Jungs“, Hogesa-Gründer Dominik Roeseler, die Dortmunder Neonazis von „Die Rechte“, Bochumer Identitäre, Rapper und Reichsbürger „Master Splitter“, extrem rechte Blogger „Blood and Honour“ Kader aus dem Ruhrgebiet sollen vor Ort gewesen sein:

https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=2602749449828456&id=636831266420294

Darüber hinaus wurde oft der Holocaust durch Impfgegner-Propaganda relativiert:

Bekennende Neonazis wie dieses selbsternannte „Aryangirl“:

Personen mit T-Shirts mit „Nationalisten Magdeburg“:

Noch mehr Neonazis:

Mehr Reichskriegsflaggen:

Weitere Neonazis:

Vor Ort waren auch Trump Fans, die wir ideologisch sicherlich problemlos ebenfalls in das rechtsextreme Spektrum einsortieren können:

Auch Mitglieder der rechtsextremen QAnon-Sekte waren vor Ort (mehr dazu).

Auch Hooligans wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen:

Auch Vertreter der völkischen „Landbewegung“ (mehr dazu) hatten einen eigenen Anhänger:

Dieser Neonazi ist an dem Neonazi-Symbol der „Schwarzen Sonne“ deutlich zu erkennen. Vorlage für das Symbol ist ein ähnliches Bodenornament, das im Dirtten Reich von der SS im Nordturm der Wewelsburg eingelassen wurde (Quelle).

Natürlich durften auch nicht Hitlergrüße fehlen.

Gewalt

Vor dem Brandenburger Tor kam es zu einer von vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen

Unter den Randelierenden waren bekannte Neonazis. Hier sieht man, wie die Gruppe gewaltsam eine Polizeiabsperrung durchbricht.

https://twitter.com/ZdZ_at/status/1299625223147446272

Vor der russischen Botschaft wurden mehrfach Flaschenwürfe dokumentiert:

Auch soll es gewalttätige Angriffe von Rechtsextremen auf Gegendemo gegeben haben:

Nicht nur möchten die Demonstrierenden Andersdenkende verhaften…

… sie hassen auch Frauen und bekommen dafür Jubel:

Angriffe auf Polizei

Die Polizei dokumentierte viele Stein- und Flaschenwürfe und es kam zu vielen Festnahmen:

Journalisten unsicher

Besonders Journalist:innen waren auf dieser Demonstration nicht sicher, wie viele bestätigen konnten. Die Demonstration und viele Slogans wie das rechtsextreme „Lügenpresse“ richtete sich auch gezielt gegen die freie Presse.

Sturm auf den reichstag

Vor Ort auch: Rüdiger Hoffmann, Reichsbürger, früher bei der NPD, saß in den 1990er Jahren wegen versuchten Mordes mehrere Jahre im Gefängnis (er hatte einen rechtsradikalen Angriff auf ein Asylbewerberheim mitorganisiert), Gründer und Anführer der Gruppierung „Staatenlos“, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er rief zu einem „Sturm auf den Reichstag“ auf:

Hier das Video:

Auch hier gab es weitere Aufrufe, die demokratisch gewählte Regierung mit Gewalt zu stürzen:

Später wurden von den Reichsbürgern und Rechtsextremen die Barrikaden durchbrochen:

Und sie stürmten auf das Reichstagsgebäude zu:

Dokumentiert wurde beim Sturm auch die Anwesenheit eines Mitglieds der ebenfalls vom Verfassungsschutz überwachten, AfD-Jugendorganisation „Jungen Alternative“:

Auch Shoahleugner und NPD-Mitglieder wurden bei dem „Sturm“ identifiziert.

Afd

Bei einer rechtsextremen Demonstration durfte natürlich auch nicht die AfD fehlen, die bereits im Vorfeld massiv dafür mobilisiert hat, allen voran der Chef des rechtsextremen „Flügels“ Höcke. Wie bereits erwähnt, stammen die Plakate, die Andersdenkende die Verhaftung wünschen, von einem AfD-Bundestagsabgeordneten:

Auch bei einem Angriff von Rechtsextremisten auf die Polizei ist der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller in der Menge neben Neonazis zu sehen.

Im Umfeld des rechtsextremen Rappers wurden Vertreter eines rechtsextremen und vom Verfassungsschutz beobachteten Magazins gesehen, das dem rechtsextremen AfD-Flügel nahe steht. Trotz der Aufforderung durch die AfD, wenig AfD-Symbolik zu verwenden, um die Bewegung anonym zu unterwandern, waren auch viele AfD-Plakate zu sehen:

Auch hier Reichsbürger-Shirts mit „Bundesstaat Preußen“, Reichskriegsflagge – und AfD-Plakat. Die AfD scheint dort fester Bestandteil der rechtsextremen Szene zu sein.

Auch weitere AfD-Abgeordnete waren an der Demo beteiligt:

https://twitter.com/xx_krider/status/1299739015621554182

In diesem Twitter-Thread sind darüber hinaus 26 AfD-Bundestags- und Landtagsabgeordnete, die auf der Demo waren, dokumentiert:

Auch der AfD-Bundestagssabgeordnete Enrico Komning war auf der Demonstration, wo er unter anderem mit AfD-Plakaten mit der Aufschrift „Keine Hygiene-DDR“ fotografiert wurde. Komning soll hauptamtlich für das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der DDR tätig gewesen sein (Quelle).

https://www.facebook.com/Enrico.Komning/posts/2919427994830448

npd

Auch die rechtsextreme NPD war vor Ort, mit deutlichen Plakaten:

Sie bewarb die Veranstaltung – in Tandem mit dem AfD-nahen, rechtsextremen Magazin und mit dem Gesicht des Demo-Veranstalters parallel in Social Media:

Auch Vertreter einer NPD Zeitung waren vor Ort:

rechtsextreme identitäre

Die Anwesenheit führender Köpfe der vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen Bewegung in Berlin (Hier mit dem Gründer des zuvor erwähnten, AfD-nahen, rechtsextremen Magazins) in Berlin ist ebenfalls dokumentiert worden:

Bei der Durchbrechung am Brandenburger-Tor war auch mindestens ein offener Anhänger der rechtsextremen Gruppierung dabei:

Rechtsextreme Kleinpartei „Die Rechte“

Auch Vertreter der rechtsextremen Kleinstpartei „Die Rechte“ waren vor Ort:

III. Weg

Die ebenfalls rechtsextreme und vom Verfassungsschutz Neonazi-Partei der „III. Weg“ war ebenfalls auf der Demo (mehr dazu):

Rechtsextreme Reichsbürger

Sehr viele „Reichsbürger“, die die Existenz der Bundesrepublik anzweifeln (und mit Absicht nicht wissen wollen, dass es seit 30 Jahren einen offiziellen Friedensvertrag gibt und die amerikanischen und russischen Botschafter aufforderten, einen mit Deutschland zu unterschreiben), waren auf der Demonstration:

Hier formulierten sie die realitätsferne Forderung nach einem Friedensvertrag vor den Botschaften:

Auch Attila Hildmann, der ideologisch dazu gehört, verbreitete den rechtsextremen Mythos des besetzen Deutschlands:

Er wurde kurz darauf festgenommen:

Berlin-Demo: Attila Hildmann von der Polizei im Schwitzkasten abgeführt

Hier weitere Reichsbürger:

Veranstalter Vernetzung

Wie man sieht, ist die Liste rechtsextremer Gruppierungen und Personen lange und wäre noch länger auszuarbeiten. Eine ausführlichere Recherche wird folgen. Doch auch das Veranstalter-Team macht sich nicht nur schuldig, diese ganzen Gruppierungen zu tolerieren (und sich nur einmal vage von „Extremismus“ zu distanzieren), sie scheinen auch mit dieser Szene vernetzt zu sein. Zum Veranstalter-Team zählt z. B. Stephan Bergmann, der sich esoterisch zu inszenieren versucht. Laut Tagesspiegel leitet er via Facebook rassistisches Gedankengut weiter oder empfiehlt entsprechende Beiträge. Er wurde im Gespräch mit einer weiteren rechtsextremen Gruppierung gesehen:

Hintergrund: Die Person wird vom Verfassungsschutz Brandenburg als rechtsextremes Mitglied der „Identitären“ aufgelistet:

Laut der JFDA erwähnte der rechtsradikale „Volkslehrer“ auch, dass er sich mit dem Veranstalter getroffen haben soll.

Die Verfassungsfeindlichkeit der Veranstalter selbst kann man auch sehr deutlich daran sehen, dass sie ihre Demonstration als „verfassungsgebene Versammlung“ betrachten, was nur heißen kann, dass sie entweder das Grundgesetz nicht anerkennen oder ersetzen wollen:

Fazit: Nazi-Demo

Nein, nicht alle auf dieser Demonstration waren gewalttätig oder rechtsextrem. Vor Ort war aber so ziemlich die gesamte rechtsextreme Szene, mit der gemeinsam demonstriert wurde. Insbesondere die gewalttätigen Angriffe, der Hass auf alle Andersdenkenden und die Angriffe auf Journalist:innen und Polizist:innen spiegeln deutlich wieder, wie extremistisch große Teile der Demonstration wirklich waren. Die Menschen, die willentlich und wissentlich mit Neonazis marschierten, mit Menschen, die die Bundesrepublik abschaffen wollen, mögen selbst keine Nazis sein.

Wenn sie aber Nazi-Mitläufer sind, wenn sie Verfassungsfeinde unterstützen und mit ihnen gemeinsame Sache machen, spielt diese Unterscheidung keine Rolle mehr. Sie bieten diesen Gruppierungen eine Bühne, Anschlussmöglichkeiten. Und sie verhelfen ihnen, ihr Image zu verbessern. Sie bieten sich selbst an, um als Feigenblatt für Rechtsextremisten zu fungieren. Und anstatt sich zu distanzieren, anstatt verfassungsfeindliche und überwachte Gruppierungen für unerwünscht zu erklären und sie der Demo in Berlin zu verweisen, werden sie bewusst ignoriert und heruntergespielt.

Die Demo in Berlin am Samstag war somit eine der größten rechtsextremen Demonstrationen der jüngsten Zeit. Dass sie bereits versuchten, mit Gewalt den Reichstag zu stürmen, dass sie offen verkünden, dass sie Andersdenkende verhaften und teilweise hinrichten wollen, dass sie die Verfassung abschaffen und die demokratisch gewählte Regierung stürzen wollen, verkünden sie ganz offen. Wer mit diesen Menschen mitmarschiert, macht sich zum Mittäter und Steigbügelhalter. Und dafür gibt es keine Ausreden.

Artikelbild: Christoph Soeder/dpa/Christoph Soeder


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