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„Fessel“: Die Argumente gegen die Gurtpflicht aus den 70ern klingen sehr vertraut

von | Sep 26, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

Das kommt mir doch bekannt vor…

Die älteren unter euch könnten sich noch daran erinnern: 1976 wurde die Gurtpflicht in der Bundesrepublik eingeführt. Aus heutiger Sicht nur eine Fußnote in der Geschichte, für die meisten ist das Anschnallen vor dem Losfahren eine Selbstverständlichkeit und nicht einmal einen Gedanken wert. Ihr Nutzen liegt auf der Hand: Die Gurtpflicht rettet Leben. Schätzungen zu Folge hat sie schon mehr als eine Millionen Leben gerettet (Quelle). Unter den Verkehrstoten ist eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Personen, die keinen Gurt trugen (Quelle).

Doch 1975 sah das noch anders aus. „Furcht vor der Fessel“, „Todesurteil“, „Zwangs-Verordnung“. Damals gab es eine große Zahl an „Gurtgegnern“, die fanatisch gegen die Gurtpflicht wetterten. Mit bizarren Argumenten: Sie würden „allergisch“ auf die Gurte reagieren, „die Fessel“ würde ihre Freiheit einschränken, Gurte würden doch sowieso nicht funktionieren oder seien gar in Wahrheit gefährlich. Dabei war Expert:innen längt klar, dass Gurte höchst effizient waren. Frauen hatten sogar Angst, ihr Busen würde durch den Gurt negativ beeinflusst (Quelle, Quelle, Quelle).

Menschen mögen keine Veränderungen

Das klingt heute so absurd, wenn man eine Satire auf den heutigen Widerstand gegen den Mund-Nase-Schutz machen würden und ihn auf die Gurtpflicht ummünzen, es würde die gleiche Debatte rauskommen. Was wir gestern auch zum Spaß gemacht haben:

Übrigens: 1971 wurden allein 21.332 Verkehrstote allein in Westdeutschland verzeichnet. 2019 waren es in ganz Deutschland nur noch 3.059 (Quelle, Quelle). Das liegt an vielen Maßnahmen, aber eben auch an der Gurtpflicht. Heute argumentieren Maskengegner genau so paranoid gegen das Tragen von MNS. Dabei ist auch hier in der Fachwelt längst klar: Richtig getragene Masken senken nicht nur das Ansteckungsrisiko, sie können auch die Intensität des Krankheitsverlaufs mindern, weil man dank Maske auch weniger Viren aufnimmt, wenn man sich ansteckt.

Warum du vor Corona viel sicherer bist, wenn du eine Maske trägst

Dennoch wird aller möglicher Blödsinn über die Masken behauptet: So soll man gleichzeitig mit Maske keinen Sauerstoff erhalten können, aber das viel größere Coronavirus könne problemlos durch die Maske, weswegen sie sinnlos seien. Beides ist Quatsch. Ärzt:innen und Pfleger:innen, die seit Jahrzehnten stundenlang Masken tragen sind von den Fake News wenig beeindruckt.

Mit einem Experiment widerlegt diese Ärztin alle Masken-Verweigerer

Dennoch werden unverschämt Fake News über die angebliche Gefährlichkeit von Masken gestreut:

Fake! Maskengegner verbreiten gefälschte Bild-Collage, um euch zu verarschen

Und n0ch schlimmer: Die Maske wird zum „Maulkorb“ („Fessel“ bei der Gurtpflicht) hochgejazzt und völlig paranoid erklären sich Verschwörungsideologen, Rechtsextreme und andere Pandemie-Leugner:innen gleich zu Freiheitskämpfern.

Hey, Maskengegner! Ihr seid keine „Freiheitskämpfer“, ihr seid Trottel!

Fazit:

Die Maßnahmen allgemein, aber auch die Maskenpflicht besonders helfen dabei, dass die Pandemie unter Kontrolle ist. Insbesondere auch bei uns. Laut einem Index von Forbes ist Deutschland derzeit sogar das sicherste Land der Welt, um die Pandemie zu überstehen. Und Masken (und andere Maßnahmen) helfen nicht nur gegen Corona: Die Grippe wie auch andere Infektionskrankheiten sind 2020 weit weniger verbreitet.

Natürlich ist der Kontext der Maskenpflicht eine etwas andere als die Gurtpflicht. Aber beides sind effektive Maßnahmen, die dabei helfen, Leben zu retten. Und in beiden Fällen suchten viele Menschen Ausreden, warum sie die Maßnahmen ablehnten. Und es kam zu nicht wenigen Streits, auch vor Gericht. Doch beim Gurt hat man sich jetzt, über 50 Jahre später einfach daran gewohnt. Wir hoffen natürlich, dass die Maskenpflicht bald nicht mehr notwendig sein dürfte.

Aber es ist nur eine Frage der Gewohnheit. Und viele Menschen kommen einfach damit nicht klar. Es sind Ausreden, keine Argumente. Vielleicht gab es damals nur einfach keine Telegram-Gruppen, mit welchen man sich zur Demo gegen die „Diktatur“ versammeln konnte. Oder genug Menschen hatten echte Diktaturen wie im dritten Reich (oder im Nachbar-Deutschland) noch miterlebt.

Zum Thema:

So rechtsextrem war Berlin: AfD, NPD, III. Weg, Identitäre, Holocaustleugner, Gewalt

Artikelbild: Khosro


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