5.470

Die 48-Grad-Wahrheit: ESA-Wettervorhersage für Italien eingetroffen

von | Jul 20, 2023 | Faktencheck

Letzte Woche kursierte eine Meldung in den Medien, dass eine Hitzewelle Südeuropa erfasst und in Sizilien laut Raumfahrtbehörde ESA bis zu 48 Grad Lufttemperatur erwartet werden. Der bisherige Europarekord lag im August 2021 bei 48,8 Grad im sizilianischen Floridia. Diese Vorhersage ist eingetroffen: Auf Sizilien wurden vorgestern bis zu 46,3 Grad gemessen. Das neue rechte Kampfblatt von Desinformationsverbreiter Julian Reichelt hatte einen Fake gewittert. Und wie schon oft bei Reichelt waren das Fake Nius.

Es wird immer heißer – Klimawandel belegt

Derartige Meldungen sind wir im Zuge des Klimawandels schon seit Jahren gewohnt: neue Hitzewellen – auf Rekordniveau. Während es wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Sommer in Europa durchschnittlich immer heißer werden, hört man von Klimawandelleugnern immer wieder das Scheinargument „im Sommer sei es ja schon immer heiß“ gewesen. Man könne die hohen Temperaturen ergo nicht auf den Klimawandel schieben. Ein verzweifelter Versuch, das zu leugnen, was wir alle inzwischen besonders jeden Sommer aufs neue erleben: Die Durchschnittstemperaturen steigen. Die letzten 9 Jahre waren die heißesten 9 Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen.

Laut einer kürzlich in Nature Medicine veröffentlichten Studie starben in Europa mehr als 60.000 Menschen an den Folgen der Hitzewellen des vergangenen Sommers. Die höchste Sterblichkeitsrate war in Italien, Griechenland, Spanien und Portugal zu verzeichnen. Dieser Sommer wird wahrscheinlich noch schlimmer werden, erklärt ESA.

ESA-Vorhersage eingetroffen

Donnerstag letzte Woche hat die europäische Weltraumagentur ESA die Vorhersage vermeldet, dass die Temperaturen in Europa auf bis zu 48 Grad steigen könnten. In einem Tweet erwähnten sie, dass die Temperaturen bis zu 48 Grad heiß werden könnten, und die Bodentemperaturen 46 Grad in Rom und 47 Grad in Sevilla werden könnten. Sie hängten eine Karte mit den Bodentemperaturen an, wie sie auch im Tweet erklärten.

https://twitter.com/ESA_EO/status/1679387804722245632?ref_src=twsrc %5Etfw %7Ctwcamp %5Etweetembed %7Ctwterm %5E1679387804722245632 %7Ctwgr %5E9c0179cb3f98feac1b1e86b7bd01ea58d00f1b38 %7Ctwcon %5Es1_&ref_url=https %3A %2F %2Fwww.t-online.de %2Fnachrichten %2Fklima-und-umwelt %2Fid_100208188 %2Fitalien-hitzewelle-aber-48-grad-darum-ruderten-medien-bei-angabe-zurueck.html

Und wie bereits erwähnt war die Vorhersage auch korrekt: Zwar wurden nicht exakt die 48 Grad erreicht, aber auf Sizilien wurde am Dienstag 46,3 Grad Lufttemperatur erreicht. Auch am Mittwoch wurde in Sardinien 46,2 Grad erreicht. Wettervorhersagen sind nie 100 % exakt und die tatsächlich erreichten Temperaturen entsprechen der Fehlertoleranz. Ob 46,3 Grad oder 48 Grad: Das macht keinen großen Unterschied mehr. Es ist nicht weit vom Europarekord von 2021.

Deutsche Medien fallen auf rechten Fake rein

Über die möglichen 48 Grad berichteten viele Medien, auch die Tagesschau. „In Italien könnten in den kommenden Tagen 48 Grad erreicht werden“.

Auch der SPIEGEL titelte „Bis zu 48 Grad in Südeuropa erwartet“.

Auch Grünen-Politikerin Ricarda Lang twitterte da. Das war auch alles richtig und so sahen die ursprünglichen Versionen auch aus. Doch man schaffte es offenbar geschickt, die Journalisten zu verwirren, dass sie kurzzeitig glaubten, selbst Fake News verbreitet zu haben. Dabei kam es bei diesen und auch anderen Medien zu Missverständnissen, wie T-Online berichtet. ESA hatte es zwar nicht falsch weitergegeben, aber missverständlich: Denn einmal war die Rede von (Luft)Temperaturen, dann wieder von Bodentemperaturen.

Die Journalisten kamen da wohl durcheinander und dachten zunächst, sie hätten sich vertan, und es würde sich um die Bodentemperaturen handeln, die ja ebenfalls erwähnt werden und sehr zentral in der Pressemitteilung der ESA sind. Beide bearbeiteten laut T-Online ihre Texte und ergänzten um „Bodentemperatur“ oder „am Boden“. Wie T-Online schrieb: „Damit verschlimmbesserten sie die Texte“. Denn die ursprüngliche Version war ja nicht falsch gewesen.

Das war gefundenes Fressen für „Klimaskeptiker“ und rechte Fake Medien, die witterten, diese vermeintlichen Fehler in ihr rechtes Narrativ von „Lügenpresse“ einzubauen.

Heißer Boden? Heiße Luft

Auf die Spitze trieb diese Argumentationslinie das neue Portal „Nius“ des ehemaligen Bild-Chefs und rechtsradikalen Verschwörungsideologen Julian Reichelt. Bei „Nius“, das wenig überraschend nur rechtspopulistische Stimmungsmache verbreitet und von einem Milliardär gefördert wird, wurde behauptet, die Meldung zu den 48 Grad sei Fake News gewesen, weil die Medien Boden- mit Lufttemperatur vertauscht hätten. Das glaubten die Journalisten am Ende sogar selbst, Ricarda Lang und andere löschten ihre Tweets. Anstatt darin eine (voreilige) Bereitschaft zu sehen, eigene Fehler zu korrigieren, sorgte das für viel Häme bei den rechten Trollen.

Beschriftung zu diesem Titelbild: „48 Grad hat nur der Boden“. Der Artikel suggeriert, die ESA hätte auf Twitter gemeldet, man hätte die Bodentemperatur gemeint, nicht die Lufttemperatur. Da der Boden sich stärker erhitzt als die Luft – das stimmt zur Abwechslung übrigens -, wirft „Nius“ ganz im AfD-Stil von „Lügenpresse“ und „Klimahysterie“ vor, bewusst eine Falschmeldung gestreut zu haben. Doch der Einzige, der falschlag, waren die Rechten mal wieder selbst.

Alles nur Fake nIUs

Der Fake funktioniert, weil im Tweet tatsächlich die Rede von Bodentemperatur ist. Das ist aber nur in Bezug auf Rom und Madrid der Fall. Die im Tweet genannten 48 Grad meinen tatsächlich die Lufttemperatur. Für diese Aussage hinterlegt die ESA in ihrem Bericht einen Artikel von „the Guardian“ in dem ein bekannter italienischer Meteorologe Mercalli zitiert wird, der einschätzte, dass die Rekord-Temperaturen von 48 Grad erneut erreicht werden können.

Die ESA selbst hatte realisiert, dass es zu Missverständnissen kam und ergänzte ein Update, auch in ihrer Pressemitteilung. Dort erklärten sie den Unterschied zwischen Bodentemperatur und Lufttemperatur.

So kam es bei SPIEGEL, der Tagesschau und anderen zu einer erneuten 180-Grad-Wende, und hier ist nicht die Temperatur gemeint. Beide änderten ihre Änderungen wieder – zurück auf die erste Fassung. Die ursprünglichen Aussagen waren doch richtig.

Und die Realität hat ohnehin schon längst bestätigt, dass es wirklich so heiß wurde. Auch in der Luft. Und die Hitzewelle mit Werten von deutlich über 40 Grad ist auch noch nicht vorbei: Mercalli hatte bereits angekündigt, dass sie zehn Tage anhalten werde. Ob das jetzt den Rekord von 2021 bricht oder nicht, spiele keine Rolle: Denn globale Rekorde werden leider wirklich erreicht.

„An vier aufeinanderfolgenden Tagen zwischen dem 3. und dem 6. Juli haben wir alle globalen Durchschnittstemperaturrekorde gebrochen. Es sind die vier heißesten Tage in der Geschichte des Planeten Erde, seit es Temperaturaufzeichnungen gibt.“

Der menschengemachte Klimawandel ist real, wir knacken jedes Jahr Rekorde, er tötet heute schon Menschen. Und egal, wie viele Milliardäre noch neurechte Kampagnenblätter aus dem Boden stampfen, wird sich daran nichts ändern. Hier geht es wie immer um heiße Luft.

Artikelbild: canva.com/Screenshots