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Der große Cannabis Faktencheck: Alle Mythen wissenschaftlich geprüft

von | Dez 19, 2022 | Faktencheck

Ein heißes Thema in den letzten Monaten ist die Debatte um die Cannabis-Legalisierung. Wenn in der Politik mit harten Bandagen gefochten wird, wird es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau genommen. Es ist daher an der Zeit, sich mit den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fakten zu beschäftigen. Denn die Polarisierung der Lager ist durchaus sichtbar. Noch 2021 zeigten Umfragen, dass nur 41 % der Bürger für eine Legalisierung von Cannabis stimmen würden, während weitere 42 % % eine kontrollierte Abgabe als Arzneimittel befürworten. 2022 sieht diese Situation anders aus: Knapp 60 % der Befragten in einer Umfrage von Ipsos stimmten für die Legalisierung, wobei vor allem Jüngere dafür stimmen

Aktuell hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ein Rechtsgutachten zu den Plänen der Bundesregierung in Auftrag gegeben, um die Debatte zu „versachlichen“. Bereits vor Erscheinen der Ergebnisse behauptet das bayerische Gesundheitsministerium, es gäbe „große Gesundheitsrisiken“, die von der Bundesregierung offenbar ignoriert würden. Für die CSU und alle anderen haben wir hier die wissenschaftlichen Fakten gesammelt:

Disclaimer

Als Autor muss ich vorher zwei Dinge aus dem Weg räumen. Das erste ist meine eigene Erfahrung. Mein letzter regulärer Kontakt mit der Pflanze ist nun fast zwei Jahrzehnte her. Seitdem hat sich durchaus einiges geändert auf dem Markt. Zweitens arbeite ich an einem Start-up in dem Bereich. Auch wenn noch kein Cent verdient oder Investorengelder geflossen sind, ist es mir wichtig, diese Transparenz herzustellen. Mit den Fakten um Cannabis habe ich mich vor allem deswegen beschäftigt, weil ich wissen wollte, ob ein Einstieg in einen solchen Markt ethisch zu rechtfertigen ist.  Man kann sich daher die Conclusio bereits denken: Ja, das ist es. Die Frage ist allerdings, warum?

Dafür müssen wir uns dem Thema etwas tiefer widmen. Beginnen wir mit der Frage: Was ist Cannabis eigentlich?

A) Was ist Cannabis eigentlich?

Unter Hanf, Cannabis, Marihuana und Haschisch versteht man Produkte der indischen Pflanze Cannabis Sativa. Genau genommen gibt es sie in drei verschiedenen Gruppen, Cannabis Sativa, Cannabis Indica und Cannabis Ruderalis. Während die Ruderalis Varianten sich an eine andere Umgebung angepasst haben, streitet man sich trotzdem in der Fachwelt, ob diese Pflanzen nicht alle der gleichen Art angehören

Unabhängig von der Einstufung wurde die Pflanze in den letzten 12.000 Jahren bereits von verschiedensten Gruppen in verschiedensten Sorten kultiviert. Hanf eignet sich, neben dem Konsum als bewusstseinserweiternde Substanz, zur Herstellung von Speiseöl, Stoffen und sogar zur Herstellung von Baumaterialien. Die frühesten Nachweise der Kultivierung finden sich in der Jungsteinzeit um ca. 10.000 v. Chr. Die historische Nutzung etwa in China zu verschiedenen Zwecken ist gut dokumentiert.  Ebenso wird vermutet, dass es sich bei dem Getränk „Soma“, das in den Veden, den religiösen indischen Texte aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr., beschrieben wird, um Cannabisharz handelt.

Cannabis bildet nach einer Vegetationsperiode Blüten aus, die mit sog. Trichomen besetzt sind. In diesen Trichomen befinden sich besondere Terpenphenole, die wir heute Cannabinoide nennen. Die Erforschung der Wirkung von Hanfpflanzen auf den Menschen und die Entdeckung von THC und CBD durch Raphael Mechoulam führten zur Identifizierung und Verständnis eines signifikanten Teils unseres Nervensystems. Ein wesentlicher Teil dieses Systems ist als sog. Endocannabinoid System bis heute nach Cannabis benannt. 

100 verschiedene Cannabinoide

Cannabis enthält, soweit wir heute wissen, über 100 verschiedene Cannabinoide. Zudem wurden ca. 400 sogenannte Terpene identifiziert, die in Hanfpflanzen vorkommen können. Einige dieser Terpene erscheinen ebenso wie die Cannabinoide psychoaktive und gesundheitliche Auswirkungen zu haben. Generell ist jedoch zu sagen, dass, trotz der zwölf Jahrtausende Nutzung, Cannabis noch recht wenig erforscht ist. Die stärkste psychoaktive Substanz in Cannabis ist Delta-9-THC. Die in der Forschung neben THC bisher am intensivsten erforschte Substanz ist Cannabidiol (CBD).

CBD wirkt nicht psychoaktiv, obwohl es an den gleichen Rezeptoren andockt. Die genaue Wirkung der anderen Cannabinoide ist bisher kaum erforscht, ebenso wenig die Bedeutung der verschiedensten Terpene. Interessant ist jedoch, dass die verschiedenen Terpene herausgezüchtet werden können und dabei den Geruch von Cannabis maßgeblich verändern. Teilweise zeigen Terpene moderierende Eigenschaften auf die Wirkung von Cannabinoiden, man nennt dies einen Entourage Effect.  Einige dieser Terpene sind eher fruchtig süßlich, während andere eher nach Pinien oder Käse riechen. Diese Gerüche haben einigen Sorten ihre Namen gegeben, von Skunk über Gorilla Cheeze zu Sour Diesel und Wedding Cake orientieren sich Züchter in der Namensgebung oft am Geruch der Sorte. 

Cannabis als Genussmittel wird in verschiedenste Formen konsumiert

Cannabis als Genussmittel wird in verschiedenste Formen konsumiert. Dabei ist die üblichste und bekannteste Form das Rauchen der Blüten. Hierbei wird es oft gemischt mit Tabak konsumiert, welches eine eher schädliche Form des Konsums darstellt. Die Trichome können von der Blüte separiert werden. Das daraus entstehende helle Pulver nennt sich “Kief” und ist vermutlich namensgebend für die umgangssprachliche Bezeichnung “kiffen.” Presst man dieses Harzpulver zu einem Block unter Druck, wird das Pulver fester, brauner und verliert Feuchtigkeit. Das daraus entstehende Produkt ist als Haschisch bekannt.

Dieses Harzprodukt war namensgebend für den ismailitischen Orden der Assassinen, welche heute in der englischen Sprache mit ihren Taktiken noch Namensgeber für politische Ermordungen sind.  Dabei ist der Name des Assassinenordens zwar mit der Substanz verbunden, jedoch ist sich die heutige Geschichtsforschung sicher, dass dies eher eine Form der Beschimpfung als “Haschischraucher” war.

Cannabis war historisch die meiste zeit legal

Die meisten Phasen seiner Jahrtausende dauernden Geschichte war Cannabis weltweit legal, die ersten Formen der Prohibition gab es um 1378 auf der arabischen Halbinsel. Erst um 1800 gab es weitere Formen der Prohibition, beginnend mit Napoleon, gefolgt von vielen Staaten des britischen Empires.  So richtig Fahrt auf nahmen die Verbote ab Anfang des 20. Jahrhunderts, aber 1961 kam die UN Single Convention on Narcotic Drugs, durch die alle Unterzeichnerstaaten auf dem Papier gezwungen wurden, Cannabis zu verbieten. Die USA verboten Cannabis um 1970 mit dem Controlled Substances Act.

Nach den 2000ern begann sich diese Welle umzukehren und seitdem haben viele Staaten Cannabis bereits legalisiert und entkriminalisiert. Dazu gehören einige Staaten der USA, Kolumbien, Thailand und insbesondere: Malta. Malta ist ein Staat der EU, und an EU Gesetze, die eben auch eine Illegalisierung von Cannabis beinhalten, gebunden. Bisher gibt es, soweit mir bekannt, allerdings kein Verfahren gegen den Staat. Ein Umstand, dem unser Gesundheitsminister durchaus Rechnung zollen dürfte.

„EDIBLES“ & VAPORIZER

Formen von Cannabis Harz wurden in den verschiedensten Varianten hergestellt. Die indische Form “Charas” ähnelt den aus Afghanistan und Marokko bekannten Formen, bei denen die ganze Pflanze immer wieder über die Hand gerollt und das Harz dann von den Händen abgerollt wird. Haschisch wird oft mit Tabak konsumiert, da es alleine nur schwerlich brennt. In den letzten Jahrzehnten ist der Konsum mit Vaporizern populär geworden und erlaubt den Konsum ohne andere pflanzliche Hilfsmittel wie bspw. Tabak. Neuere Formen des Konsums sind beim Konsum von Extrakten zu finden. Lösungsmittel wie Butan werden genutzt, um Cannabinoide aus Pflanzenmaterial zu lösen, die dann verdampft werden.

Diese Art der Extraktion wird leider auch oft von Laien zu Hause und in der eigenen Küche durchgeführt, wodurch in den USA immer wieder Explosionen ausgelöst wurden. Eine Kaltpressung von Blüten oder Kief hingegen führt zu sog. Rosins und Resins, die je nach Temperatur Butter oder Kaugummi ähneln. Egal, wie die Extrakte hergestellt werden, sie haben im Vergleich zu Blüten sehr hohe THC Werte zwischen 60 bis zu 85% THC. Was das bedeutet, dazu kommen wir später. Die Reinheit der Extrakte erlaubt jedoch die Herstellung von Vape Pens und Nutzung in kleinen Mengen in Vaporizern, was bei Nutzern eine hohe Beliebtheit erreicht hat, da diese Art Extrakte keine Verunreinigungen haben, über Verdampfen konsumiert werden können, dabei aber die üblichen Schädigungen der Atemwege durch Rauchen minimieren. Ob sie diese vollständig verhindern können, ist heute noch umstritten. 

Da THC selbst meist in gebundener Form als THC-Säure vorliegt, wird diese beim oralen Verzehr nicht aufgenommen. Sogenannte Edibles, in Holland auch als Space Kekse berühmt geworden, werden zuerst wärmebehandelt. Das THCa in den Extrakten wird decarboxyliert, wodurch reines THC vorliegt. Ohne diesen Prozess sind die Extrakte beim Verzehr wirkungslos. Der Konsum von Edibles ist in den USA besonders im Vormarsch, da die Menge an THC durch einen Extraktionsprozess samt Testung auf das Milligramm genau erfolgen kann.

Orale Dosierungen haben jedoch eine längere Wirkdauer, aber auch eine längere Dauer bis eine Wirkung eintritt. Während die Wirkung beim Konsum über die Atemwege quasi sofort eintritt, tritt sie bei Edibles erst nach einem kurzen Zeitraum ein. Hersteller wie das israelische Unternehmen Tikun Olam arbeiten jedoch bereits an Methoden wie Nano-Emulsionen, die eine schnellere und gleichzeitig kürzere Wirkdauer erlauben sollen. 

B) Wie wirkt Cannabis?

Diese Frage ist schwerer zu beantworten, als es erscheint. CBD schwächt den Effekt von THC etwas ab, sodass die THC:CBD Ratio die Wirkung beeinflusst. Zu allem Überfluss werden verschiedenen Terpenen, wie bereits zuvor beschrieben, ebenso Wirkungen nachgesagt. Ob diese allerdings tatsächlich existieren oder mehr urbane Legenden der User sind, ist jedoch umstritten und noch nicht ausreichend erforscht.

Cannabis wirkt ebenso nach Menge der Dosis. Im Allgemeinen beschreibt man eine Wirkung über drei Ebenen. Die erste Ebene ist die emotionale Ebene, hier ist eine entspannende, beruhigende Wirkung in Kombination mit einer geringen Euphorie zu verzeichnen. Steigt die Dosis an, überwiegt irgendwann die beruhigende Wirkung und Cannabis wirkt sedierend. Sorten mit sehr hohen THC Gehalte wie bspw. “Gorilla Glue” wurden nach Klebstoff benannt, weil die Blüten zum einen sehr stark mit Harz besetzt sind, welches am Finger kleben bleibt. Indes berichten Nutzer quasi auf der Couch festzukleben.

Die zweite Wirkebene ist eine mentale. Hier verschiebt Cannabis die Denkweise stark in eine Richtung Introspektion, begünstigt als philosophisch wahrgenommene Denkweisen und eine Veränderung des Denkens über Metakognition. Da es ebenso bei starker Wirkung Kurzzeitgedächtnis und kognitive Leistungen einschränkt, kann dies durchaus komödiantische Ausmaße annehmen, wenn die wahrgenommenen Gedanken dann doch nicht so “tiefgehend” waren, wie Konsumenten es wahrgenommen haben. Die dritte Wirkebene beschreibt Hungerwirkungen, da Abbauprodukte von THC appetitsteigernd wirken. 

Negative Wirkungen

Negative Wirkungen von Cannabis können sich jedoch ebenso entfalten. Während Sedierung und Euphorie meist als positiv wahrgenommen werden, können besonders die stark introspektiven Effekte problematisch wirken. Die Verschiebung des Bewusstseins in Richtung einzelner Probleme, Geräusche oder Gefühle kann sich in Paranoia steigern und Panikattacken auslösen. In sehr seltenen Fällen können bei Personen mit einer Neigung dazu psychotische Episoden ausgelöst werden, die für die Dauer der Wirkung anhalten können. Insbesondere Panik und starke Paranoia treten nicht selten bei Nutzern auf, die wenig Cannabis Erfahrung haben und dann eine unklare Dosis über sog. Edibles einnehmen.

Da die Wirkung hier oft erst spät eintritt, sind besonders wenig Erfahrene Nutzer geneigt, mehr zu essen, bevor die Wirkung startet. In sehr seltenen Fällen und hohen Dosierungen wirkt THC auch halluzinogen, sodass auditorische und extrem selten visuelle Halluzinationen wahrgenommen werden. 

Die genauen Wirkweisen von THC führen hier zu weit, können jedoch in den verlinkten Quellen nachgelesen werden. Eine gute Beschreibung aus einer Dokumentation, die ich vor kurzem gesehen habe, war jedoch: Alle Säugetiere haben Cannabinoid Rezeptoren und im Alltag sind diese wie viele Knöpfe, die manchmal gedrückt werden. Wenn Cannabis konsumiert wird, drückt man alle diese Knöpfe zur gleichen Zeit.”

Cannabis Fakten und Mythen 

Cannabis ist die meist-konsumierte Bewusstseins-beeinflussende Substanz neben Alkohol, weltweit. Befürworter neigen zu einer gewissen Euphorie, Gegner der Legalisierung hingegen zu einer Katastrophisierung der Effekte. Cannabis ist weder ein magisches Allheilmittel, noch die lebenzerstörende Droge, an der unsere Gesellschaft zugrunde gehen wird. Die Legalisierung sollte jedoch richtig gemacht werden und die Träume sowie Ängste der Menschen bedacht. Schauen wir uns daher an, welche Mythen sich um Cannabis drehen.

Faktencheck 1. Befürworter der Legalisierung wollen nicht zwingend, dass Menschen mehr Cannabis konsumieren

Die Befürworter der Legalisierung sind eine sehr heterogene Gruppe. Neben Menschen wie mir, die eine Geschäftschance in Cannabis sehen, gibt es Konsumenten, Produzenten, Patienten, Ärzte und auch Gesetzeshüter, die die Legalisierung befürworten. Tatsächlich dürfte es nur Produzenten und Verkäufern dienen, wenn deutlich mehr konsumiert wird. Aber das ist gar nicht nötig. Der Markt existiert bereits. Cannabis Konsumenten sind täglich auf der Straße unterwegs. In Büros und Supermärkten.

Konsumenten möchten vor allem straffrei und ohne Angst um ihren Job, ihren Führerschein und ihre Freiheit konsumieren. Angehörige von Konsumenten, die nicht selbst konsumieren, möchten vielleicht trotzdem, dass ihre Angehörigen keine gestreckten oder mit Synthetika besprühten Blüten und Harze konsumiert. Stattdessen wünschen sie sich eher, dass diejenigen Produkte konsumieren, die zertifiziert sicher sind. Der Schwarzmarkt bietet das oft nicht. Patienten möchten schlicht ohne Stigmatisierung die Produkte zu sich nehmen, die ihnen helfen. 

auch Gesetzeshüter wünschen sich oft Legalisierung

Aber auch Gesetzeshüter wünschen sich oftmals die Legalisierung. In der Realität ist klar, dass die Prohibition und der Kampf gegen die Drogen nicht nur gescheitert sind, sondern hat am Ende sogar zur Schaffung der wohl mächtigsten Syndikate beigetragen. Gleichzeitig ist Cannabis eine vergleichsweise harmlose Droge. Dennoch werden pro Jahr knapp 180.000 Strafverfahren in Deutschland eingeleitet. Polizisten haben in Deutschland eigentlich keine Wahl. Das sog. Legalitätsprinzip zwingt Beamte, immer dann zu handeln, wenn sie Kenntnis oder einen Anfangsverdacht zu einer Straftat haben.

Sicherlich werden manche Beamte in der Praxis auch durchaus mal übersehen, dass jemand einen Joint raucht, insbesondere wenn sie dringendere Fälle zu bearbeiten haben. Diese Freiheit haben sie jedoch nicht. Wegzusehen bedeutet für einen Beamten, sich strafbar zu machen.  Auf diese Weise wird sehr viel Geld für Polizeiarbeit ausgegeben, während die Staatsanwaltschaft gleichzeitig gezwungen oder gehalten ist, kleinere Straftaten in diesem Bereich einzustellen. Es wird geschätzt, dass alleine das Wegfallen dieser Verfolgung eine Milliarde Euro an Steuergeldern jedes Jahr sparen könnte. 

Zusammenfassend wünschen sich Befürworter nicht unbedingt, dass Menschen mehr Cannabis konsumieren. Das ist falsch. Dennoch gibt es eine Gruppe, die ich ausgelassen habe. Nach einer Studie über Junk-Food Konsum, steigt dieser nach der Legalisierung in den Bundesstaaten um 3,2 bis ca. 4,5 %. Der große Gewinner sind somit die Hersteller von Junk und Fast Food. Diese freuen sich dann wohl über jeden Konsum.

Faktencheck 2. Legalisierung führt nicht zu mehr Konsum

Eine Angst von Gegnern der Legalisierung ist, dass der Konsum von Cannabis sprungartig und massiv ansteigen wird. In erster Linie ist es naheliegend, dass dies so ist. In der Praxis ist das hingegen nicht ganz so einfach. Der erste Bundesstaat in den USA, der eine volle Legalisierung durchsetzte, war Colorado. In den ersten Jahren kamen Studien zum Schluss, dass sich der Konsum weder unter Jugendlichen noch unter Erwachsenen signifikant erhöht hatte. 

Zehn Jahre später kam eine Zwillingsstudie zu einem etwas anderen Ergebnis. In der Kohortenstudie wurde Marihuana Konsum vor und nach 2014 verglichen. Dabei zeigte sich ein um 20 % erhöhter Konsum bezogen auf das letzte Jahr in Staaten mit legalem Cannabis als Genussmittel. Die Studie zeigte aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in seinem Leben mal Cannabis ausprobiert, nicht gestiegen war. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2021 verglich hingegen die Effekte der Legalisierung auf den Konsum nach Ethnien. Ein signifikanter Effekt auf die generelle Bevölkerung im Schnitt konnte dabei nicht festgestellt werden. Die Studie zeigte zwar einen im Schnitt signifikanten Anstieg, nachdem die Forscher jedoch die Effekte von Cannabis Missbrauch heraus gerechnet hatten, zeigten sich keine Effekte mehr.

Die Trends

Daraus kann geschlossen werden, dass sich der Konsum vor allem durch vulnerable Gruppen erhöht hat. Diese Zahlen sollten wir in Perspektive setzen. In der Studie haben zwischen 11 % und 18 % der jeweiligen Ethnien im letzten Jahr Cannabis genutzt. Im letzten Monat gaben 6,4 % und 9,7 % der Teilnehmer an, Cannabis konsumiert zu haben. Von diesen letzteren Gruppen haben jeweils 31,7 % bis 37,6 % täglich konsumiert. Die Studie prüfte ebenso das Alter der Konsumenten. Dabei zeigte sich sogar im Schnitt ein Rückgang des Konsums unter Jugendlichen, dieser war jedoch nicht statistisch signifikant und daher nicht belastbar. Obwohl er nicht belastbar ist, zeichnet sich dieser Trend durch nahezu alle Gruppen durch, mit Ausnahme von Hispanic, wo ein leichter Zuwachs gemessen wurde. Aufgrund der extremen Streuung der Zahlen in der Studie kann man jedoch nicht davon ausgehen, dass die Werte bedeutsam sind. 

wer in Deutschland Cannabis konsumiert.

Sehen wir uns einmal an, wer in Deutschland Cannabis konsumiert. Laut Bundesgesundheitsministerium haben 4,5 Millionen Menschen, 8,8 % der Bevölkerung im letzten Jahr Cannabis konsumiert. Das ist bereits bedeutend geringer als in den USA, wo der Durchschnitt fast doppelt so hoch ist. Selbst wenn wir von einem Anstieg von 20 % ausgingen, würde dieser vor allem auf Erwachsene fallen. Bereits heute haben mehr als die Hälfte aller jungen Erwachsenen Kontakt mit Cannabis gehabt.

Es bleiben somit nur 20 % der Ausprobierenden beim Konsum. Hierbei ist festzustellen, dass die Definition für regelmäßigen Konsum mit zehnmal pro Jahr extrem konservativ angesetzt ist, es bleiben jedoch auch hier nur 8,6 % übrig. Gehen wir nun davon aus, dass dieser Wert um 20% steigt, würde dieser Wert auf 10.32 % steigen. Selbst wenn dies also eintrifft, würde in Deutschland noch immer deutlich weniger Cannabis konsumiert als es in den USA auch in Staaten mit Verboten der Fall ist.

Eine wichtige Zahl in den genannten Studien sind jedoch auch die erhöhten Probleme mit Cannabis. Denn obwohl diese generell steigen, zu den Gründen später mehr, zeigt sich in Staaten mit einem erhöhten legalen Konsum kein verstärkter Anstieg der Hospitalisierungen und gesundheitlichen Probleme durch Cannabis. Dieses Paradox wird in einer der nächsten Fragen aufgeklärt, wenn es um die Gesundheit von Cannabiskonsumenten geht. 

Fazit: Es ist nicht gegeben, dass der Konsum steigt. Der Konsum unter Jugendlichen könnte zwar steigen, ist allerdings bereits heute auf einem Hoch. Es gibt keine Beweise dafür, dass der Konsum drastisch ansteigen würde. 

Faktencheck 3. Die Legalisierung führt zu mehr arbeitsfähigen Menschen

Es wird immer wieder argumentiert, dass durch die medizinische Anwendung von Cannabis die Anzahl Arbeitsunfähiger gesenkt werden könnte. Es ist unbestritten, dass Cannabis, insbesondere THC und CBD, schmerzlindernde Eigenschaften aufweisen. Schaut man sich Studien an, die die Wirkungen zusammenfassen, sind die Effekte jedoch im Schnitt eher milder Natur. Zwei Reviews von 2022 und 2020 konnten nur kleine Effekte für verschiedene Formen chronischer Schmerzen nachweisen. Bei akuten Schmerzen zeigten sich auch hoch konzentrierte Cannabis Produkte als wirkungslos. Ein positiver Effekt konnte auf Begleiterscheinungen chronischer Schmerzen gefunden werden, jedoch vor allem die mentale Gesundheit. Effekte betreffend Schlafqualität oder Verbesserung eines Fibromyalgie Indizes gab es nicht.  

Es ist ebenso bekannt, dass bei besonderen Fällen von Epilepsie die Anzahl von Anfällen mehr als halbieren kann. Die dafür nötige Menge CBD ist jedoch enorm, beginnend bei 20 mg/kg bis hin zu 50 mg/kg. Das sind Mengen, die nicht über Blüten konsumierbar sein dürften. Blüten mit 8 % CBD würden 80 mg/g enthalten, es wäre somit ein Konsum von 0,25 bis 0,63 g/kg nötig. Für ein Kind mit 50 kg Körpergewicht wären dies somit 12.5 bis zu mehr als 25 g Blüten am Tag. Bei einer solchen Dosis wären selbst bei 0,3 % THC noch 75 mg THC enthalten, genug damit die psychoaktiven Nebenwirkungen zu einschränkend wären. Der Konsum wäre somit nur über medizinische Tinkturen möglich, die kein THC enthalten. 

Belege für Verbesserung psychischer Probleme bisher schwach

Die Evidenz für die Verbesserung bei psychischen Problemen zeigt sich bisher als eher schwach. Es gibt schwache Hinweise, dass in bestimmten Fällen von ADHS, zur Verbesserung der Schlafqualität oder in Traumapatienten die Nutzung von Cannabis einen positiven Effekt hätte. Die Evidenz ist jedoch eher schwach. Ebenso schwache Hinweise zeigen sich für Schizophrenie, was in jedem Fall in diesem Artikel noch kurz kommentiert wird. Die stärksten Hinweise, wenn auch eher moderat in der Wirkung, zeigen sich bei Angststörungen und Traumapatienten. Insgesamt erscheint aber auch hier Cannabis keine Wundermedizin zu sein. 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Auswirkung von Cannabis im medizinischen Sinne zwar sehr spannend sind, bisher bei genauerer Überprüfung jedoch eher schwache Effekte zeigten. Die stärksten Auswirkungen scheint Cannabis noch bei der Anwendung bei Chemotherapie Patienten zu zeigen. Die Wirkung des THC-Abbauprodukts 11-Hydroxy-THC, welches den Appetit anregt, zeigt sich auch stark antiemetisch, d.h. es wirkt gegen das Gefühl von Übelkeit. 

Aufgrund der schwachen Wirkung ist es unwahrscheinlich, dass die Zahl Arbeitsunfähiger sinkt. Insbesondere, wenn man die Auswirkungen bedenkt, die ich bisher noch nicht gewürdigt habe. Da Cannabis, solange nicht das reine CBD konsumiert wird, psychoaktiv wirkt, dürfte ein Konsument auch nicht unbedingt immer voll produktiv sein und bei täglichem Konsum vermutlich keine Maschinen führen. Selbst wenn die Fähigkeit dazu nachgewiesen würde, dürfte kaum ein Arbeitgeber und kaum eine Versicherung dies zulassen. Da die Auswirkungen von Cannabis auf Probleme, die Arbeitsunfähigkeit verursachen, eher schwach bis moderat ist und die psychoaktive Wirkung eher das Gegenteil erreicht, ist mein Fazit, dass eine Anzahl der Arbeitsunfähigen mit größter Wahrscheinlichkeit NICHT sinken wird. 

Faktencheck 4: Die Legalisierung führt zu mehr Steuereinnahmen

Dieser Punkt stimmt in jedem Fall. In allen Bundesstaaten der USA, Kanada und anderen Ländern, die Cannabis legalisiert haben, sind die Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Cannabis gestiegen. Colorado hat eines der liberalsten Gesetze mit moderaten Steuern und profitiert enorm vom Verkauf von Cannabis. Colorado hat 2021 423 Millionen US-Dollar an Steuern bei einem Umsatz von 2,1 Milliarden Dollar eingenommen. In Deutschland wird zurzeit mit einem Steueraufkommen von 650 Milliarden Euro gerechnet. Zum Vergleich: in Colorado wohnen 5,8 Millionen Menschen, in Deutschland 83 Millionen. Es ist daher sehr denkbar, dass diese Zahl weit unterschätzt wird. 

Steuern sind in Deutschland nicht zweckgebunden. In Colorado hat man sich hingegen zum Ziel gemacht, die Steuereinnahmen aus den Cannabiseinnahmen gezielt für Gesundheitsprävention und Schulen einzusetzen. Die Steuereinnahmen werden gezielt in Töpfe gebracht, die nur für entweder Gesundheit oder das Building Excellent Schools Today (BEST) Programm eingesetzt werden. 

Deutschland wird somit in jedem Fall nicht nur eine Reduktion der Kosten für Strafverfolgung erwarten können, sondern auch eine deutliche Steuereinnahmequelle. Wir würden uns natürlich freuen, wenn diese ebenso zweckgebunden wäre und NUR für Bildung und Gesundheitsprävention eingesetzt würde. Im Gegensatz zu den sicheren Einnahmen glaube ich an Letzteres leider nicht ansatzweise. 

Faktencheck 5: Wird durch Legalisierung Kiffen uninteressant?

Eine These besagt, dass durch eine Legalisierung der Konsum von Cannabis seine Aura als illegale Mutprobe verliert. Dadurch würden weniger Jugendliche konsumieren und probieren. Diese These ist aus meiner Sicht zwar nicht weit hergeholt, Evidenz findet sich dafür jedoch bisher keine.

Analog könnte man eine Brücke bauen zum Rauchen von Tabak. Durch das Verbot von Werbung, die steigenden Tabakpreise und eine immer stärkere Ächtung des Rauchens ist der Konsum von Zigaretten generell zurückgegangen. Der Konsum von Feinschnitt hingegen ist gestiegen, was darauf hinweist, dass vielleicht aufgrund der Preise mehr Menschen ihre Zigaretten selbst drehen. Der Konsum unter Jugendlichen ist hingegen stark gesunken. In meiner Jugend um 2001 rauchten noch 27,5 % der Jugendlichen, bedauerlicherweise inklusive mir, obwohl ich es dann doch für immer aufgegeben habe. Heute sind es gerade mal nur noch 6,1 %. Rauchen ist uncool geworden. 

Ob das Gleiche für Kiffen gelten könnte, ist für mich völlig unklar. Tatsächlich ist Cannabis in den USA und auch in Deutschland Teil verschiedenster Subkulturen. Ich vermute daher eher, dass es normal wird für einige, und andere es einfach nicht konsumieren. Uninteressant wird es wohl eher nicht, die große Faszination mit dem Unbekannten wird es wohl verlieren. Aber ich kann mich irren. 

Faktencheck 6: Kiffen ist Keine Einstiegsdroge und Legalisierung ebnet Nicht den Weg zu harten Drogen

Diese Mär müssen sich Befürworter und Konsumenten nun bereits Jahrzehnte anhören. Sie war damals falsch und ist es auch heute. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil 1994 feststellen müssen, dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist. 

Hier lohnen sich jetzt mehrere Informationen. Beginnen wir mit dem Effekt des niederländischen Modells. In Holland ist der Anbau von Cannabis illegal, der Verkauf in Coffeeshops in einer kleinen Menge jedoch legal. Aus dieser kuriosen Situation heraus hat sich gleichzeitig eine legale Industrie und ein Schwarzmarkt entwickelt. Da die Coffeeshops nicht nachweisen dürfen, woher ihr Cannabis stammt, nimmt der niederländische Staat keine Steuern auf Cannabis ein, Coffeeshops führen doppelte Bücher, da der Verkauf aller anderen Produkte, die nicht auf Cannabis basieren, von Wasserpfeifen über Kekse hin zu stinknormalem Latte macchiato, selbstredend steuerpflichtig ist. 

Der größte Effekt hat sich jedoch beim Rückgang des Konsums harter Drogen zu finden. Während in Schweden mehr als 50 % aller Cannabis Konsumenten angeben, über ihren Dealer Zugang zu anderen Drogen zu haben, geben dies nur 14 % der Niederländer an. Der Konsum nahezu aller Drogen in den Niederlanden ist rückläufig seit Jahrzehnten, auch wenn ein großer Teil der Konsumenten dort Cannabis raucht.

Cannabis ist keine Einstiegsdroge. Jeder Konsum an sich kann problematisch sein.

Ein entscheidender Teil ist jedoch ein Schwank aus meiner Jugend. Meine Kontakte mit Cannabis waren vor allem bei Bekannten, Freunden aus der Schule oder am Ende deren Quellen. Während nahezu alle Cannabis Konsumenten in meiner Jugend sich skeptisch oder gar sehr ablehnend gegenüber dem Konsum von anderen Drogen, insbesondere Synthetika, äußerten, blieb vielen nichts anderes übrig, als von Dealern zu kaufen, die andere Substanzen in Petto hatten.

Der Markt war weder transparent noch perfekt, sodass man als Jugendlicher nahezu immer mit Menschen in Kontakt kam, die man nicht treffen würde, wenn der große Bruder sich strafbar macht, weil er eine Flasche Wein aus dem Supermarkt kauft. Obwohl wir keinerlei Interesse an den Substanzen hatten, trafen wir Konsumenten und Verkäufer von Kokain und Heroin. Die angebotenen Produkte waren ebenso nicht immer von bester Qualität. Ein Problem, dass ich deutlich verschlechtert hat seit meiner Jugend. Aber dazu kommen wir gleich.

Cannabis ist keine Einstiegsdroge. Jeder Konsum an sich kann problematisch sein. Der von Alkohol, Tabak, Cannabis und auch den statistisch harmlosen Drogen wie Psychedelika. Und eben auch von Cannabis. Der Konsum von synthetischen Drogen oder sehr potenten Drogen ist jedoch vor allem dann möglich, wenn man mit diesen Märkten in Kontakt kommt. Der Verkauf von Substanzen wie Cannabis, aber auch durchaus anderen Substanzen wie Psilocybin Pilzen, trennt die Märkte. Was legal gekauft werden kann, muss nicht auf der Straße erworben werden. Was uns zum nächsten Punkt bringt.

Faktencheck 7: Ja, die Legalisierung kann den Schwarzmarkt besiegen

Die Antwort ist ein klares Ja. Doch dafür dürfen keine Fehler gemacht werden. Und leider ist gerade unsere deutsche Politik dabei, welche zu machen. Aufgrund der 20 Bundesstaaten, die inzwischen Cannabis legalisiert haben in den USA, in Verbindung mit Kanada, haben wir eine Vielzahl von Systemen. Einige davon haben dazu geführt, dass der Schwarzmarkt gerade zu blüht, wie in der Anfangsphase in Kanada und heute in Kalifornien. Andere Systeme, wie in Colorado, haben hingegen zu einem völligen Zusammenbruch des Schwarzmarktes geführt.

Die Gründe sind einfach erklärt. Da Cannabis in den USA auf Bundesebene noch illegal ist, ist es für die Hersteller unmöglich, Cannabis bezogene Ausgaben auf ihre Steuern anzurechnen. Sie besteuern also den gesamten Umsatz anstatt nur Gewinn. Diese hohe Besteuerung und sehr hohe Lizenzpreise können enorme Belastungen mit sich führen. Bei der Produktion großer Mengen kann die Lizenz allein mit 75.000 US-Dollar Zu Buche schlagen. Pro Jahr, versteht sich. In Colorado hingegen sind es nur bis zu 3500 Dollar bei bis zu 3000 Pflanzen und weitere 800 für weitere 3000 Pflanzen. Wer es den Herstellern schwer macht, hat oft mit einem Supply Problem zu kämpfen, genau dieses hält in Kalifornien den Schwarzmarkt gerade wunderbar am Laufen.

Siehe Kanada

In Kanada ist etwas anderes passiert. Dort ist das Problem nicht die Produktion. Multinationale Konzerne wie Canopy,  Aphria und Aurora haben diesen Markt bereits unter sich aufgeteilt. Das Problem: Sie werden ihr Cannabis nicht los. Aufgrund der langsamen Geschwindigkeit, mit der neue Lizenzen für Dispensaries vergeben werden, kann nicht genügend Cannabis vor Ort gekauft werden. Erst nationale Programme zur schnelleren Vergabe von Lizenzen und insbesondere die Erlaubnis von Onlinehandel in Provinzen, die keine Lizenzen haben, konnten den Anteil des Schwarzmarktes von 80 auf unter 50 % senken. Dennoch ist dieser immer noch riesig. Das liegt mit daran, dass eine extrem strenge Herkunftskontrolle von Samen stattfindet.

Dadurch können die Produzenten in Kanada nur mit dem arbeiten, mit dem sie angefangen haben. Auch die Namensgebungsgesetze sind teilweise schwieriger, als man denkt. Firmen vergeben oftmals neue Namen, die Konsumenten nicht kennen. Manchmal, um sich zu differenzieren, in anderen Fällen, weil die Gesetze Probleme mit einem Namen wie “Ice Cream Cake” haben, der aus Sicht der kanadischen Regierung Marketing für Kinder wäre.

Siehe Colorado

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung ist in diesem Sinne noch restriktiv. Speziell die neutralen Verpackungen erschweren in Kanada das Geschäft und macht es kleinen Anbietern schwierig, sich von größeren zu differenzieren. Eine “Craft” Cannabis Produktion kann es nur geben, wenn “Craft” auch einen Markennamen bekommt. Es ist nahezu völlig absurd, dass wir im Supermarkt auf bunte Weine, Yellow Tail oder Shiraz Wein sehen, Smirnow, Pushkin oder Jack Daniels ein Regal mit Branding teilen, dies aber bei Cannabis nun nicht erlaubt sein soll. Insbesondere, wenn Cannabisprodukte ohnehin wie eine Spielhalle hinter getöntem Glas in einem eigens dafür eingerichteten Shop mit Ausweiskontrollen stattfindet, sind so manche Regelungen eher absurd.

Der Staat, der den Schwarzmarkt am ehesten besiegt hat, ist Colorado. Auch Nevadas Branche scheint stabil, hat jedoch nach einem Wechsel zu legalem Genusscannabis ebenso hohe Steuern und Bearbeitungsgebühren eingeführt, die die Branche lähmen und speziell kleinen Unternehmen das Leben erschweren. Die Daten aus allen Ländern zeigen ein klares Bild: Je weniger Kosten für Lizenzen, je niedriger die Steuern und je weniger strikt die Auflagen, desto kleiner wird der Schwarzmarkt und das Geld, das dort hinfließt. Wenn es um Konsumenten, Jugendschutz und ihre Sicherheit geht, dann kann hier nur ein liberaler Markt den Schwarzmarkt wirklich besiegen. Das haben Bundesstaaten wie Colorado gezeigt. Und Staate und Regionen wie Kalifornien, die Niederlande und Kanada, wie man es nicht macht und sich daran die Zähne ausbeißt. 

Faktencheck 8: senkt Die Legalisierung Kriminalität allgemein?

Da Cannabis legal ist, sinkt in jedem Fall die Zahl an Straftaten in Bezug auf Cannabis Besitz und Verkauf. Eine Frage bleibt jedoch: Sinkt die Zahl an Straftaten insgesamt? Prohibitionsbefürworter zeigen da gerne nach Holland, wo ein großes Problem mit der organisierten Kriminalität herrscht. Hollands spezielles Modell ist jedoch, wie bereits beschrieben, wie gemacht für ein System, das den Schwarzmarkt aus Not am Laufen erhält. Wenn nicht jede Pflanze getrackt wird, weiß auch niemand, wo sie hingeht. 

In Colorado haben wir nun ein Jahrzehnt Daten über Kriminalität. Die Anzahl Vergehen, die mit Cannabis selbst zu tun hatten, sind zwischen 60 und 84 % gesunken. Die restlichen Vergehen sind dann dem übermäßigen Besitz oder Konsum in der Öffentlichkeit oder Besitz im jugendlichen Alter zuzuordnen. Am wenigsten sind die Straftaten in Verbindung mit Jugendlichen zurückgegangen, hier sind ein Drittel weniger Jugendliche mit Cannabis Besitz aufgefallen. Dieser ist auch in Colorado weiterhin illegal. Die Menge Polizisten die gezielt darauf geschult wurde, Cannabis Intoxikation bei Autofahrten zu erkennen, hat sich in Colorado seit der Legalisierung verdoppelt. Die vorliegende Studie des Staates umfasst den Zeitraum von 2013 bis 2019. Trotzdem wurden Fahrten unter Einfluss von Cannabis nicht soviel häufiger, wie man es erwartet hätte.

Unfälle und Strafzettel

DUI Citations (Strafzettel wegen Fahren unter Einfluss) im Zusammenhang mit Marihuana sind von 359 auf 417 gestiegen, obwohl die Anzahl Experten der State Police sich verdoppelt hat. Insgesamt sind solche Strafzettel gesunken. Die Anzahl Alkohol DUI ist dabei von 4820 Fällen auf 2670 gesunken. Sie machen aber immer noch bei Weitem die größte Menge aus. Colorado hat eine Grenze von 5ng/ml im Blut bei Autofahrten und nutzt sog. Swish Tests für Speichelproben. Fahrten mit Intoxikation sind generell zurückgegangen in Colorado, wobei nur 8,7 % aller Fahrten nur Marihuana konsumiert haben, in den anderen Fällen sind andere Substanzen und vorwiegend Alkohol involviert.

In Colorado wurden bei ca. 70 % aller Unfälle die Fahrer auf Drogen und Alkohol getestet. Todesfälle mit Fahrten, bei denen der Cannabis Grenzwert überschritten wurde, machten 13 % der Gesamtmenge aus, während 27 % aller Todesfälle mit Blutalkoholwerten über 0.8 Promille registriert wurden. Die Anzahl Todesfälle mit Einfluss von Cannabinoiden hat sich allerdings von 47 auf 132 erhöht, insgesamt sind die Todesfälle auf den Straßen allerdings auch von 627 auf 866 gestiegen. Der Anteil Todesfahrten bei denen nur Cannabinoide festgestellt wurden, sind jedoch am Gesamtteil gering, mit 18 im Jahr 2013 und 39 in 2020. Der große Anteil dieser Fahrten involviert entweder Cannabinoide und Alkohol und/oder Cannabinoide im Zusammenhang mit anderen Drogen. Straftaten in anderen Bereichen haben sich durch die Legalisierung in Colorado kaum verändert.

Kanada: zahlen drastisch gesunken

In Kanada sind Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis drastisch gesunken. Die Daten deuten zwar auch eine Reduktion von Straftaten wie Überfällen an, die Daten sind jedoch nicht ausreichend klar, um diese konkret zu überprüfen. Ähnlich wie in Colorado sind die Gesamtzahlen zu gering auf die Gesamtbevölkerung, um Trends letztendlich festzustellen.

Anhand der bisher verfügbaren Daten zeigt sich vor allem ein Trend in der Reduktion der Kriminalität bezogen auf Cannabis. Effekte auf andere Kriminalitätsarten sind kaum zu verzeichnen. Eine schlechte Legalisierung, die kein Tracking erzeugt oder zu restriktiv ist, heizt den Schwarzmarkt weiter an und hat daher ebenso kaum einen Effekt auf Kriminalität. Beschaffungskriminalität und Gewalt sinken kaum durch die Legalisierung. Das ist allerdings nicht verwunderlich, dass Cannabis kaum Beschaffungskriminalität ausmacht und aufgrund der sedativen und euphorischen Effekte nicht zur Förderung von Gewaltverbrechen beiträgt.

Der Effekt einer Legalisierung dürfte daher zu vernachlässigen sein. Sie erzeugt richtig umgesetzt weder einen massiven Anstieg an Kriminalität und Fahrten unter Einfluss, noch eine Reduktion von Straftaten, die eben nicht im Zusammenhang mit Cannabis stehen.

Faktencheck 9: Cannabis heutzutage ist ein völlig anderes Produkt als früher! (Ist es potenter?)

Ein Argument gegen die Legalisierung, das immer wieder auftaucht, ist, dass Cannabis deutlich potenter sei als früher. Mit dieser erhöhten Potenz des Produkts werden Gesundheitsgefahren in Verbindung gebracht, insbesondere Suchterkrankungen und Psychosen. Auf beide wollen wir noch später eingehen, die Frage der Potenz ist jedoch nicht ganz einfach zu lösen.

Marihuana auf dem Markt ist heutzutage definitiv potenter als in den 70ern. Dies liegt jedoch nicht an modernen Züchtungen, sondern bereits in den 90ern und Anfang 2000ern erfolgten Züchtungen. Es wird immer wieder behauptet, dass in den 60er Jahren Marihuana nur einen THC Gehalt von 2 bis 5 % gehabt hätte. Das ist nachweislich falsch. Sorten, die in den 60ern populär waren, vornehmlich aus Thailand und Mexico, werden auch heute noch angebaut. Beispiele sind das genannte “Thai”, Durban Poison oder Acapulco Gold. Sie werden regelmäßig mit THC Gehalten zwischen 12 und 14 % gemessen. Besonders potente in der Natur vorkommende Sorten von Cannabis sind Afghani oder Hindu Kush. Hindu Kush ist eine besonders potente Sorte, die es auch bereits in den 60ern gab.

Werte von unter 5 % waren auch damals ein Indikator für niedrig potente Blüten. Nach dem Vietnam-Krieg gab es einen regen illegalen Handel zwischen den USA und Thailand. Ein Produkt, das dadurch populär wurde, waren sog Thai Sticks. Bei Thai Sticks handelt es sich um Joints, genauer Blunts, in der Größe von Zigarren. Damit diese zusammenhalten, werden Blüten und Harze gepresst, um Cannabis Öl zu erlangen, mit welchem die Blüten dann klebrig werden und Blätter der Pflanze zum Einrollen verwendet werden können. Da Cannabis Öle bis zu 70 % und mehr THC enthalten können, waren auch diese Thai Sticks damals bereits besonders potent. Es wird vermutet, dass nahezu alle Sorten von diesen sogenannten Landrassen abstammen.

Blütenprodukte wurden in den 2000ern besonders potent

Blütenprodukte wurden in den 2000ern besonders potent, Sorten wie Super Skunk und Jack Herer wurden gezüchtet. Heutige High THC Blüten sind deutlich potenter als viele der älteren Sorten, so scheint es. Doch ist es tatsächlich weniger, als man denkt. Ein Problem sind die Messmethoden der 60er und 70er. Diese haben THC oftmals deutlich niedriger und weniger genau erfasst als heutige Flüssigchromatografie. Dazu kommt, dass gerade in den USA viele Firmen hohe THC Werte als ein Qualitätskriterium sehen. Eine Untersuchung in Colorado kam zu dem Schluss, dass viele THC Werte auf den Packungen viel zu hoch angegeben seien, insbesondere bei Edibles. Eine weitere Untersuchung in Kalifornien kam ebenso zu dem Schluss, dass Hersteller am liebsten mit den Laboren zusammen arbeiten, die ihnen die höchsten THC Gehalte zusichern. 

Ein Umstand, der völlig außer Acht gelassen wird, ist, dass Blüten oftmals verarbeitet werden. Haschisch existiert ebenso einige tausende Jahre. Charas aus Indien ist älter als das Christentum. Die Harzprodukte, ebenso wie die Thai Sticks, haben deutlich höhere Anteile an THC als Blüten. Der “schwarze Afghane”, Haschisch, welches sehr harzig aus Afghani gepresst wurde, galt lange als eine der potentesten Sorten Harz auf dem Markt. Das ist insofern besonders amüsant, als die schwarze Farbe vor allem ein Effekt der Herstellungsart ist. Bei einer starken Pressung, die zu lange dauert, zu heiß ist oder mit unzureichenden Geräten durchgeführt wird, oxidieren Produkte im Harz. Das sonst eher helle bis gelbe Kief wird zuerst braun und dann schwarz. 

Effekt nicht so groß wie viele meinen

Viele heute als Qualitätskriterium betrachtete Stoffe werden durch zu starke Hitze und mechanische Belastungen zerstört, die schwarze Farbe ist ein guter Indikator dafür. THC geht dabei jedoch nicht verloren. Haschisch kann problemlos bis zu 60 % THC haben, was heutzutage auch noch ein starker Wert ist. Höhere Werte erreichen nur Extrakte und Resins, die mit speziellen Methoden verarbeitet wurden oder im Labor mit Lösungsmitteln extrahiert worden sind. Diese sind tatsächlich relativ neu auf dem Markt, da die Legalisierung auch eine Vereinfachung und Industrie geschaffen hat, welche sich auf höher qualitative Extrakte spezialisiert. Ebenso sind Cannabisextrakte in Vape Pens neue Produkte, die es vorher so nicht gab. 

Auch wenn die heutigen Sorten durchaus etwas oder teils um einiges potenter sind als früher, ist der Effekt bei Weitem nicht so groß wie einige Kommentatoren meinen. Haschisch war auch in den 60ern bereits enorm potent und Thai Sticks haben sich ihren Ruf vor allem wegen der Nutzung von Cannabisölen als Klebstoff für die Blätter erarbeitet. Ja, Blüten sind heutzutage definitiv stärker. Aber Cannabis war auch damals schon sehr potent und besonders Extrakte mit hoher Potenz sind seit tausenden Jahren verfügbar und werden auch bei uns bereits sehr lange konsumiert. Es ist somit kein “Frankenweed” oder “genetisch verändertes Superweed” im Umlauf, welches sich stark von früheren unterscheidet.

Ein Problem:

Dieses Fazit könnten wir stehen lassen, müssen aber auf ein Problem eingehen. Auf dem Schwarzmarkt sind heutzutage enorme Mengen an sog. Synthetikweed verfügbar. CBD Blüten sind oftmals auch unter Prohibition legal, sodass sie für CBD Öl gezüchtet werden können oder aber aufgrund ihres niedrigen THC Gehalts auch bei einer Razzia nur zu sehr geringen Strafen führen. Blüten mit hohem CBD Gehalt werden daher oft mit synthetischen Cannabinoiden besprüht, welche im Labor hergestellt werden.

Da es eine enorme Anzahl von diesen gibt, ist bis heute völlig unbekannt, welche Wirkungen diese Stoffe haben. Bekannt ist jedoch, dass unter anderem Stoffe wie das als Hu-210 bezeichnete Cannabinoid eine deutlich höhere Affinität für die CB1 Rezeptoren haben. Hu-210 wirkt 100x so stark wie THC. Das macht es attraktiv für Dealer, die Blüten mit wenig Gefahr schnell mit synthetischen Produkten bearbeiten können, die dann auch als besonders potent wahrgenommen werden.

Synthetische Cannabinoide sind jedoch eine völlig andere Situation und werden regelmäßig mit Todesfällen, Psychosen, Suchterfahrungen, Halluzinationen und vielen anderen Problemen in Verbindung gebracht. Viele der Erfahrungen mit “Superweed” sind daher vermutlich auf die Kontakte mit diesen Substanzen zurückzuführen. Synthetische Cannabinoide sollten auf keinen Fall zugelassen werden, da sie im Gegensatz zu THC keine 12.000 Jahre Erfahrungen mit sich bringen.

Während es keinen einzigen Todesfall aufgrund von THC gibt, gibt es bereits eine Menge Todesfälle in Verbindung mit synthetischen Cannabinoiden. Eine Legalisierung kann daher helfen, diese zu unterbinden, in dem Marihuana Blüten getrackt und getestet werden, ein Händler, der synthetische Cannabinoide verkauft, sollte auf jeden Fall seine Lizenz abgeben. 

Faktencheck 10: Cannabis und Auto fahren: Schlechte idee

Entgegen den Behauptungen bleibt das Fahren unter Einfluss von Cannabis in jedem Fall illegal. Die Schwierigkeit ist eher, wie man die Grenzwerte festsetzt. Der jetzige Grenzwert im Blut liegt bei 1 ng/ml, das entspricht fast der Nachweisgrenze. Colorado hat höhere Grenzwerte festgelegt, mit 5 ng/ml. Der verlinkte Kriminalreport aus Colorado zitiert einige Studien, nach denen das Rauchen von Cannabis einen Peak an THC Werten im Blut erzeugt, der danach schnell und stetig sinkt. Im Schnitt wird ein Wert von 10 ng/ml innerhalb von zwei Stunden erreicht, ein Wert von 5 ng/ml innerhalb von drei Stunden.

Dies entspricht beim Verzehr durch Inhalation auch ungefähr der Realität. THC ist allerdings fettlöslich und dies auch im menschlichen Fettgewebe. Das kann dazu führen, dass Konsumenten die mehr als einmal wöchentlich konsumieren, eine permanente Restmenge im Blut haben, die teilweise zwischen 3 und bis zu 9 ng/ml betragen kann. Eine Studie aus dem Jahr 2022 hat den Time Course von Cannabis-Werten im Blut untersucht. Bei 16 der 74 Teilnehmer konnten bereits vor der Studie nach über 12h Abstinenz Werte von 5 ng/ml und bei 25 Teilnehmern über 2 ng/ml gefunden werden. Die Teilnehmer wurden ebenso nach ihrer Wahrnehmung gefragt und es zeigte sich, dass die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten, wann diese aus eigener Sicht wieder hergestellt waren, nicht mit THC, sondern nur mit Abbauprodukten korreliert.

Menge von THC iM Blut schlechter indikator

Aus der Menge THC im Blut kann somit nicht auf die Selbstwahrnehmung geschlossen werden. Die THC Menge im Blut sank im Schnitt nach ungefähr drei Stunden unter die Grenze von 10 ng/ml, nicht jedoch bei jedem Teilnehmer unter 5 ng/ml. Es ist denkbar, dass diese Grenze von einigen Teilnehmern auch am nächsten Tag nicht erreicht wurde. Interessant ist dabei, dass Teilnehmer mit den höchsten Werten, also diejenigen, die bereits aktiv konsumierten, die kürzeste Zeit berichteten, in ihrem Bewusstsein eingeschränkt zu sein. Alle Teilnehmer wurden über Augenuntersuchungen geprüft.

Horizontale willkürliche Bewegungen des Auges gelten als ein Indikator für einen Rausch durch verschiedene Substanzen, unter anderem Cannabis. Im Ergebnis zeigten sich diese Augenbewegungen in Korrelation mit dem Gefühl, high zu sein. Diejenigen, die mehr konsumierten, zeigten allerdings auch schneller eine entsprechende Reduktion der willkürlichen Bewegungen. Es scheint somit, dass medizinische Konsumenten und Dauerkonsumenten trotz der höheren Blutwerte weniger Einschränkungen aufweisen. Das führt zum Paradoxon, dass Konsumenten, die zum ersten Mal oder kaum Cannabis konsumieren, deutlich stärkere Einschränkungen aufweisen können, obwohl ihre Blutwerte niedriger sind. Ein Wert von 5, und auf gar keinen Fall 1 ng/ml ist daher kaum geeignet, die Fahrtüchtigkeit zu beschreiben.

Wie stark schränkt Cannabis die Fahrtüchtigkeit überhaupt ein?

Die Frage ist somit auch: Wie stark schränkt Cannabis die Fahrtüchtigkeit überhaupt ein? Ein aktueller Review in Frontiers in Psychology von Pearlson und Kollegen nimmt sich dieser Frage an. Sie kommen in erster Linie zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls bei Cannabis Konsumenten generell leicht erhöht ist, mit einer Odds Ratio von 1:1.36. Das bedeutet, das ein Unfall 36% wahrscheinlicher unter Cannabis Einfluss ist. Andere Studien zeigten Werte von bis zu 2.3. Um diese Zahl einzuschätzen, sollten wir sie mit Alkohol vergleichen. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Promillewert von 1.0 in einen Unfall verwickelt zu werden, ist 1:20. Und damit 2000 % wahrscheinlicher. Auf epidemiologischer Basis spielt Cannabis somit eine deutlich niedrigere Rolle bei Verkehrsunfällen im Generellen, die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls nach Konsum ist jedoch verdoppelt, während sie bei einem Promille sich verzwanzigfacht. 

Pearlson und Kollegen listen eine Reihe von in Studien gemessenen Einschränkungen nach akutem Cannabis Konsum, dies betrifft somit die ersten zwei Stunden nach Konsum. Dazu gehören höhere Reaktionszeiten, verschlechtertes Erkennen von Signalen, Distanzwahrnehmung und andere kognitive Fähigkeiten. Die wenigsten dieser Studien wurden jedoch in Autos durchgeführt, vor allem Studien zur Signalverarbeitung wurden beim Autofahren in einem Testgelände geprüft. Der akute Konsum schränkt den Fahrer somit ausreichend ein. Das sollte jeder, der mal Cannabis konsumiert hat, für die Zeit danach bestätigen können. Studien, die explizit in Fahrsimulatoren und auf Fahrgelände durchgeführt wurden, zeigen ein deutlich differenzierteres Bild.

Negative Auswirkungen

Es zeigten sich Effekte bei der Zeit bis zum Stoppen, verändertes Verhalten beim Überholen, eine längere Zeit bis an der Ampel losgefahren wird und eine schlechtere Genauigkeit und Stabilität bei schnellen Kurven. Es gab jedoch keinen Effekt bei Feinmotorik, Genauigkeit von Bewegungen des Lenkrades, Geschwindigkeitsvarianz und auch keine Effekte bei Simulatorfahrten auf die Wahrscheinlichkeit und Anzahl an Kollisionen. Bei einem direkten Vergleich mit Alkoholstudien bei denen zwischen 0.5 bis 1 Promille konsumiert wurden, zeigten sich auch bei akuten Konsumenten deutlich bessere Fahrfähigkeiten bei Cannabis Konsumenten. Ein besonderer Umstand ist die Bewusstheit der eigenen Einschränkung.

Während Cannabis Konsumenten sich ihrer Einschränkung bewusst sind und mit vorsichtigerer Fahrweise kompensieren, ist dies bei Personen mit einem Blutalkohol von 0.8 Promille und mehr noch nicht gegeben.  Es besteht ebenso eine deutlich bessere Fähigkeit für die eigenen Defizite zu kompensieren und die Menge risikoreicher Entscheidungen ist unter Alkohol, jedoch nicht unter Cannabis Einfluss deutlich erhöht. Ein gewaltiges Problem stellt hingegen der Mischkonsum dar. Wer beide Substanzen mal zusammen kombiniert hat, stellt relativ schnell fest, dass auch kleiner Cannabis Konsum unter Alkoholeinfluss einen fröhlichen Abend rasant beenden kann. Pearlson zitieren hier eine Reihe Studien, die am Ende nur eines zeigen: Die Kombination von Alkohol und Cannabis sorgt für eine akute völlige Unfähigkeit, ein Fahrzeug zu führen. 

Das Hauptproblem bei Cannabis ist der zeitliche Rahmen

Wie beschrieben sind die kognitiven Einschränkungen und Wirkdauer verschieden, der Abbau von THC folgt keiner linearen, sondern einer exponentiellen Kurve. Ramaekers und Kollegen haben Studienprobanden Cannabis verabreicht und sie dann in einem Zeitraum 15 Minuten bis zu 6h nach Einnahme regelmäßig auf ihre kognitiven Fähigkeiten geprüft. Die Probanden waren keine Erstnutzer, hatten somit schon Cannabis Erfahrung. Nutzer mit häufigem Konsum wurden jedoch von der Studie ausgeschlossen.

Es zeigte sich, dass bei Nutzern mit einem normalen Profil, die vielleicht einmal im Monat Cannabis konsumieren, Werte von 2-5 ng/ml mit einer sehr minimalen Einschränkung einhergehen. Werte bis 10 ng/ml zeigten deutlichere Einschränkungen. Bei über 30 ng/ml hingegen waren die Konsumenten in jedem Fall fahruntauglich. Ein interessanter Effekt der Studie ist, dass selbst bei 0-1 ng/ml sich noch in den Graphen Effekte zeigen, die als eingeschränkt wahrgenommen werden. Daraus lässt sich auch schließen, dass in vielen Studien schlicht auch schlechte Fahrer unter Normalbedingungen bereits als eingeschränkt wahrgenommen werden können. Eine Normalisierung der als Tests genutzten Effekte zeigte sich im Schnitt bei Werten von 1-5 ng/ml bei nicht täglichen Nutzern.

In der Studie wurden Werte von unter 5 ng/ml bei Konsum von 500 mg THC durch Inhalation nach im Schnitt 2,5 Stunden erreicht, nach dem Konsum von 250 mg THC bereits nach 2 Stunden. Werte unter 2 ng/ml brauchten bei den Teilnehmern jeweils 4 Stunden respektive 3 Stunden. Nach 6 Stunden wiesen die Teilnehmer jeweils 0.9 bzw. 0.5 ng/ml auf. Diese Werte sind DEUTLICH niedriger als die von Konsumenten, die medizinisches Cannabis konsumieren und in Tests von Verkehrsmedzinern als fahrtauglich getestet werden.

Bluttest unnötig

Ein Gutes haben alle die genannten Studien: Sie zeigen, dass Bluttests unnötig sind. Die Studien haben orale Tests aus dem Speichel und Atem eingesetzt und dabei eine sehr starke Korrelation zwischen oralen Tests und Bluttests gezeigt. Es ist für die Polizei somit nicht nötig, Konsumenten bei einer Verkehrskontrolle sofort ins Krankenhaus zu bringen, ein Test vor Ort ist weniger intrusiv und völlig ausreichend. Bedenkt man, dass zwischen Blutabnahme und Eintreffen der Polizei nach einem Unfall durchaus einige Zeit vergehen kann, ist ein Test vor Ort auch deutlich sicherer. Der Abfall der THC Werte gerade bei erfahrenen Konsumenten ist exponentiell deutlich stärker, höhere THC Werte im Blut aber weniger aussagekräftig.

Aus den Studien ergibt sich, dass ein Grenzwert bei 10 ng/ml Sinn ergibt, um eine allgemein Fahruntüchtigkeit festzustellen. Bei Werten über 5 ng/ml sollten die Umstände geprüft werden, ob der Konsum eine Rolle gespielt hat. 

Die Grenzwerte von 1ng/ml, welche in Deutschland gelten, sind hingegen völlig sinnfrei. Einige Konsumenten werden diesen Wert auch einige Tage nach dem letzten Konsum nicht erreichen und es wird durchaus auch Menschen geben, die sich wundern, obwohl sie gar nicht mehr konsumieren, aber dann während einer Diät positiv auf THC getestet werden, da es sich für einige Zeit im Fett ablagert.

Keine Frage: Nie unter einfluss von Substanzen Auto fahren!

Generell ist zu sagen, dass Fahrten unter Einfluss von Substanzen schlicht abzulehnen sind. Da besteht keine Frage. Die Gefahr, die von Cannabis alleine ausgeht, ist im Schnitt jedoch gering. Konsumenten fühlen sich im Vergleich mit Alkoholkonsumenten selbst nicht fahrtüchtig, gehen auch weniger Risiken ein. Dadurch entstehen weniger Fahrten unter Einfluss. Ein Grenzwert von 10 ng/ml und die Nutzung von oralen Tests reichen aus, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu prüfen.

Bedenken wir zusätzlich, dass in Gebieten mit legalem Genusscannabis die Menge Fahrer unter Einfluss insgesamt eher gering angestiegen ist, dürfte die Legalisierung keine signifikanten Probleme für unseren Strassenverkehr bedeuten. Schwieriger ist es, eine Empfehlung zu geben, wann jemand wieder fahrtüchtig ist. Während einige der Studien dies bereits in einem Zeitraum von 2 bis 3 Stunden suggerieren, sollten 3 Stunden auf Risikominimierungsbasis das Minimum sein, 4 Stunden deutlich sicherer. Da nicht jeder gleich auf die Substanzen reagiert und es sehr heterogene Reaktionen gibt, sollte mit einem zusätzlichen Sicherheitsaufschlag gerechnet werden, der die Zeit am besten verdoppelt bis verdreifacht. Mit einem solchen Ansatz sind 8-12 Stunden ein Minimum Puffer, der zwischen Teilnahme am Straßenverkehr und Cannabis Konsum liegt. 

Cannabis und die Gesundheit – Abhängigkeit und Psyche

Wie bereits oben erwähnt, sind viele der Claims, dass Cannabis eine Wunderheilung ist, extrem schwach oder gar nicht belegt. Die Frage, die sich stellt, ist welche negativen Auswirkungen Cannabis hat. Bekannte von mir fürchten bereits eine Überfüllung der psychiatrischen Notaufnahmen, auch Unionspolitiker haben diese Linie oft argumentiert. Insbesondere warnen sie vor Psychosen und ein besonderer Faktor ist das Thema “hirnorganische Schäden” vor denen auch unser Gesundheitsminister in der Talkshow mit Herrn Lanz gewarnt hat. Sehen wir uns also an, was es damit auf sich hat. So simpel ist es am Ende nicht.

Für den Anfang sollte uns wieder eines bewusst werden: Der größte Teil der zukünftigen Cannabiskonsumenten nach einer Legalisierung konsumiert bereits jetzt Cannabis. Der maximal zu erwartende Anstieg liegt bei ca. 20 %. Wenn Probleme auftreten, kann davon ausgegangen werden, dass sie das bereits jetzt tun. Auch wenn Prohibitionisten argumentieren, dass Cannabis, weil es verboten ist, ja nicht permanent verfügbar sei, haben sie damit Unrecht. Für gut vernetzte Konsumenten ist Cannabis heutzutage einfach verfügbar.

Faktencheck 11: Macht Cannabis abhängig?

Welche Probleme kann Cannabis mit sich bringen? Eine Aussage, die auch ich aus Befürworter Kreisen seit meiner Jugend immer wieder gehört und verbreitet habe, ist das Cannabis nicht abhängig macht. Das ist allerdings so nicht ganz korrekt. Es stimmt, dass Cannabis keine typische stoffgebundene Sucht erzeugt. Ein Entzug wie nach Kokain, Opiaten, Nikotin oder Benzodiazepinen gibt es bei Cannabis nicht. Ebenso gibt es keine Form von Verlangen und physischer Abhängigkeit des Körpers von Cannabis. Die Euphorie und Sedierung von Cannabis durch die Modulation von Dopamin über den CB1 Rezeptor kann jedoch definitiv eine psychisch wahrgenommene Abhängigkeit mit problematischem Konsum erzeugen.

Dies ist bei gelegentlichem Konsum nicht gegeben, aber gerade Personen, die täglich Cannabis konsumieren, haben eine hohe Chance auf eine psychische Abhängigkeit von Cannabis. Davon gefährdet sind ca. 9 % der Konsumenten. Ein regelmäßiger, täglicher Cannabis Konsum führt zu einer Desensibilisierung gegenüber der Substanz und einem Abstumpfen der Rezeptoren. Bereits nach 2 Tagen beginnen sich die Rezeptoren wieder zu sensibilisieren und nach 4 Wochen ist ihre Sensibilität wieder vollständig hergestellt. Entgegen der Argumente, die ich in meiner Jugend oft gehört hatte, sind Studien heutzutage durchaus in der Lage, die Effekte im Gehirn darzustellen.

Dabei zeigt sich, dass Cannabis ähnlich wie andere Substanzen wie Alkohol, und auch genau wie Smartphones, Nahrungsmittel und viele andere mögliche Trigger für Suchtverhalten, bestimmte Pathways im Hirn aktiviert, die typisch für Suchtverhalten sind. Allerdings zeigen sich die Effekte deutlich kleiner als bei anderen Substanzen. Die Details können in der verlinkten Studie nachgelesen werden. Verglichen mit anderen Entzugssymptomen sind diese bei Cannabis etwas harmloser. Erfahrungsberichte sprechen von innerer Beklemmung und Ängsten, Irritierbarkeit, Schlafproblemen, Wutausbrüchen und Appetitverlust.

Physische Symptome kommen selten vor

Physische Symptome kommen selten vor, allerdings gibt es manche Menschen, denen schlecht wird. Eine generelle depressive Stimmung ist für einige Tage möglich. Hierzu ist auch wieder zu erwähnen, dass in Regionen ohne legales Cannabis solche Entzugserscheinungen deutlich öfter auftreten, da synthetische Cannabinoide sie in deutlich stärkerem Ausmaß erzeugen. Ein Beispiel ist in der verlinkten Vice Dokumentation beschrieben, ein Marihuana Ersatz, Tiburon gezeigt, der sich in Honduras ausbreitet, vermutlich auch synthetischen Cannabinoiden besteht und ähnliche Entzugserscheinungen zeigt wie Kokain. 

Ein wichtiger Faktor ist jedoch immer wieder die Genetik. Ebenso wie es psychische Vulnerabilität gibt, ist diese auch oftmals genetisch. Suchtverhalten ist komplex. Zum einen wird Sucht als Hirnkrankheit beschrieben, zum anderen gibt es starke Evidenz, dass Suchtverhalten eine Adaption an die vorherrschende Umgebung ist. Im verlinkten Buch sind einige Ansätze zu finden, ein wichtiger Punkt ist jedoch, dass heutzutage eine Sucht nie nur als eine von Person und Umgebung losgelöste Problematik gesehen werden kann. Suchtverhalten ist somit immer sozial, emotional und biologisch zugleich. Personen, die deutlich vulnerabler gegenüber einer Substanz sind, haben hierbei dann in Situationen, die Sucht fördern, eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit abhängig zu werden.

Arme Menschen stärker betroffen?

Dr. Anna Lembke beschreibt etwa den Effekt, dass ärmere Menschen, die aufgrund ihrer Armut von Tag zu Tag oder Woche zu Woche leben, dass der fehlende Zukunftsfokus ein typischer Effekt für Personen mit einem Abhängigkeitsproblem darstellen. Fehlender sozialer Support und Einbettung stehen ebenfalls für eine Situation, in der Abhängigkeitsprobleme entstehen können. In einer Welt, in der Menschen wenig Gutes haben, soziale Wärme fehlt und sie von anderen möglicherweise aufgrund ihres Konsums gemieden oder ausgestoßen werden, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit stark an. Ein weiterer Grund, warum die Prohibition von Substanzen in ihrer heutigen Form samt der Ächtung und Kriminalisierung der Konsumenten zu mehr Problemen führt, als sie jemals lösen oder vermeiden könnten.

Cannabis Abhängigkeit ist daher ein reales Problem, allerdings ein vergleichbar kleines. Verglichen mit Kokain, Alkohol und Tabak ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer. Nach Kontakt mit der Substanz werden doppelt so viele Menschen abhängig von Cannabis und siebenmal so viele Menschen von Tabak. Die Steuern, die durch Cannabis eingenommen werden, sollten daher wie in Colorado gezielt für die Gesundheit und Aufklärung von Menschen eingesetzt werden, anstatt in einem großen Topf zu verschwinden.

Faktencheck 12: Macht Cannabis dumm? Schadet es dem Hirn?

Die eingangs genannte Neigung zur Introspektion und metaphysischen Gedanken nach dem Konsum in Kombination mit einer gewissen Euphorie und Trägheit ist eine Art Statussymbol und Meme geworden. Der Kiffer, der high ist und Blödsinn redet, diesen aber als total tiefgehend wahrnimmt, ist ein Archetyp vieler Filme und Popkultur geworden. 

In den letzten Jahren hat jedoch die Forschung Alarm geschlagen, dass Cannabiskonsum den Konsumenten tatsächlich dümmer machen würde und insbesondere jugendliche Konsumenten irreparable Hirnschäden davon tragen würden. Auch unser Gesundheitsminister erzählt diesen Umstand gerne. Eine sehr aktuelle Zusammenfassung der Studien und Evidenz zu diesem Thema stammt von Prof. J.C. Scott von der University of Pennsylvania. In seinem aktuell frisch veröffentlichten Paper wird die Auswirkung von Cannabis bei Jugendlichen auf kognitive Leistungen und Hirnentwicklung beleuchtet. Ein großes Problem, das Scott beschreibt, ist, dass viele Studien zu Cannabis Nutzung Ursache und Wirkung nur selten belegen können. Es wird dazu geraten, alle Studien noch sehr mit Vorsicht zu behandeln, etwas, was wir unserer Politik wohl ans Herz legen sollten.

keine einschränkenden Effekte bei Gelegenheitsnutzern

Studien, die die kognitiven Fähigkeiten jugendlicher Konsumenten untersucht haben, fanden keine einschränkenden Effekte bei Gelegenheitsnutzern, definiert als 1-2x pro Woche. Sie fanden hingegen Einschränkungen bei Nutzern, die deutlich öfter konsumieren. Je früher ein Jugendlicher mit dem regelmäßigen Konsum beginnt, desto stärker waren die messbaren Einschränkungen. Dies gilt jedoch im Gegensatz nicht für den gelegentlichen Konsum, der keine Folgen aufwies. Die Effektstärken, die in den Studien für regelmäßigen Konsum gemessen wurden, waren jedoch vergleichsweise gering. Es war zwar ein Effekt nachweisbar, von einem starken Schaden kann jedoch nicht die Rede sein. Eine Langzeitstudie zeigte, dass regelmäßige bis tägliche Konsumenten von Cannabis über die Jahrzehnte der Nutzung im Schnitt 6 IQ Punkte weniger in Tests erlangen.

Gleichzeitig zeigte sich jedoch, dass eine Zeit von Abstinenz die kognitiven Fähigkeiten wiederherstellt. Es ist eine andauernde Debatte, ob die verringerten Fähigkeiten entweder der Effekt von Neurotoxizität, von andauernder Wirkung oder komplett anderen Faktoren darstellen. Es ist ebenso möglich, dass Menschen, die etwas weniger kognitive Leistung haben, öfter zu Cannabis greifen. Der Abstinenzeffekt ist jedoch besonders deutlich für Menschen, die über 18 mit dem Konsum begonnen haben. Ein kleiner verminderter IQ Effekt bleibt auch nach einigen Wochen Abstinenz bei Personen, die mit einem starken regelmäßigen Konsum vor dem 18. Lebensjahr begonnen haben. Dies bekräftigt die Pläne, Cannabis nicht an Jugendliche auszugeben. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass bei einem gelegentlichen Konsum KEINE dieser Effekte nachzuweisen sind.

der geregelte, gelegentliche Konsum von einigem Bier oder Wein

Ein guter Vergleich ist hier vielleicht der geregelte, gelegentliche Konsum von einigem Bier oder Wein. Alkohol ist gesichert neurotoxisch, dennoch besteht ein massiver Unterschied zwischen einem Feierabendbier zweimal die Woche und ständigem Komasaufen. Für Cannabis scheint sich dieser Trend somit fortzusetzen. Auf der anderen Seite sind Zwillingsstudien völlig außerstande, einen Effekt von Cannabis nachzuweisen. Zwar zeigten sich in Zwillingsstudien ebenso Effekte, bei denen regelmäßige Konsumenten im Jugendalter später niedrigere IQ Werte und schlechteres Arbeitsgedächtnis aufwiesen. In Zwillingspaaren, in denen jeweils ein Zwilling Konsument war, der andere nicht, verschwanden diese Effekte jedoch. Da IQ ein sehr stark genetisch beeinflusster Wert ist, gibt dies auch der These Gewicht, dass manche Menschen mehr und regelmäßiger Cannabis konsumieren. 

Kommen wir zu Lauterbachs hirnorganischen Schäden. Scott kommt zu dem Schluss, dass es mehr als schwierig ist, diese nachzuweisen. Die Resultate der verschiedenen Studien sind oftmals inkonsistent und widersprechen sich. Während einige Studien einen kleineren präfrontalen Cortex nachweisen, eine Hirnregion, die mit exekutiven Fähigkeiten wie bspw. Aufmerksamkeit verbunden ist, haben andere Regionen einen größeren Cortex nachgewiesen. Würdigt man die Gesamtheit der Evidenz, ist vor allem eines beständig: Die Varianz und fehlende Aussagekraft der Querschnittstudien.

Schwache Hinweise, dass jugendliche Konsumenten, die insbesondere regelmäßig konsumieren, kognitiv schwächer sind.

Meta-Analysen, die besonders stringente Qualitätskriterien ansetzen, kommen zu dem Schluss, dass Hirnveränderungen durch Cannabis auch bei Jugendlichen nicht nachweisbar sind. Die wenigen Studien, die jugendliche Konsumenten über mehrere Jahre beobachtet haben, konnten keine Veränderungen finden, die sich rein auf Cannabis Konsum beziehen. Sie konnten jedoch Veränderungen feststellen, die beim gemeinsamen Konsum von Alkohol und Cannabis und Alkohol alleine nachweisbar waren. Dabei wurde auch festgestellt, dass viele der diskutierten Hirnschäden entweder ein Messartefakt sein könnten, oder aber ein Produkt von kombiniertem Konsum von Cannabis UND Alkohol. Studien sollten Probanden somit nicht nur nach ihrem Cannabis Konsum befragen und Probanden mit bereits moderatem Konsum möglicherweise ausschließen. Wenn man das tut, verschwinden jegliche belastbaren Ergebnisse.

Fazit: Es gibt schwache Hinweise, dass jugendliche Konsumenten, die insbesondere regelmäßig konsumieren, kognitiv schwächer sind. Belastbare Nachweise für die, beispielsweise von Lauterbach, Lanz und Klaus Holotschek, immer wieder propagierten Hirnschäden sind nach wissenschaftlichen Kriterien mehr als schwach. Nach den neusten Erkenntnissen ist anzuzweifeln, ob es diese überhaupt gibt. Die gesenkten kognitiven Fähigkeiten könnten entweder auf den Konsum und Desensibilisierung der CB1 Rezeptoren zurückzuführen sein oder aber auf einen Gruppeneffekt. Die chronische Neurotoxizität von Cannabis kann zwar heute nicht ausgeschlossen werden, ihr Nachweis ist aber heute noch sehr fraglich.

Faktencheck 13: Werden die psychiatrischen Ambulanzen mit Psychosen geflutet?

Eine öfter genannte Angst ist die, dass Cannabis Psychosen auslösen kann und nach einer Legalisierung eine besonders hohe Menge dieser Psychosen auftreten wird. Das ist zum Glück sehr unwahrscheinlich, auch wenn das Auftreten von Psychosen nach Cannabis Konsum absolut real ist. Eine Psychose ist ein eher unscharfer Begriff, der einen akuten psychischen Zustand beschreibt, in dem Wahn, Halluzinationen und ein gewisser Realitätsverlust stattfinden. Dieser Zustand kann zudem mit Angstzuständen, Paranoia und Wutausbrüchen einhergehen. Die genauen Ursachen von Psychosen sind umfangreich, da sie ein Effekt vieler Krankheiten sein können. Bei einer Psychose unter Konsum handelt es sich um eine substanzinduzierte Psychosen. Im Normfall sind sie akut und heilen spontan aus. Im schlechtesten Fall triggert eine Substanz eine bereits vorhandene Disposition und die Psychose bezeichnet den ersten Ausbruch einer bisher nicht ausgebrochenen und unerkannten psychischen Störung, wie bspw. Schizophrenie. 

Wir erinnern uns: Die meisten Konsumenten konsumieren bereits, legal oder nicht. Im verlinkten Bericht aus Colorado wurde diese Frage ebenso gestellt. Obwohl mehr Menschen und auch mehr Jugendliche Cannabis konsumieren, ist die Menge cannabisinduzierter Psychosen nicht stärker gestiegen als in Staaten ohne legales Cannabis. Das ist wichtig zu erwähnen, denn leider sind cannabisinduzierte Psychosen insgesamt zunehmend. Eine Studie in verschiedenen Ländern fand eine Lebenszeit Prävalenz von 0,47 %, das bedeutet zumindest 1 in 200 Cannabis Konsumenten wird in seinem Leben mal eine Episode erleben, die mindestens eine leichte Form einer cannabisinduzierten Psychose darstellt.

Dies entspricht insgesamt auch der Prävalenz von Schizophrenie in der Bevölkerung, was die Diagnostik etwas schwieriger macht. Ein Gefühl von starker Paranoia und Halluzinationen werden in einigen Studien als cannabisinduzierte Psychose gewertet. Diese Logik ist etwas schwierig, da sonst jeder Konsum von Psychedelika, die gemeinhin von Experten als die am wenigsten gefährlichen psychotropen Substanzen eingeschätzt werden, als Psychose gewertet werden könnte.

Psychose von cannabis oder förderung von bereits vorhandener neigung?

Eine schon lange geführte Debatte ist die, ob Cannabis die Psychose selbst auslöst, oder aber eine unterliegende psychotische Neigung zutage fördert. Diese Debatte kann ich in diesem Artikel noch nicht beenden, denn das ist ein Thema der modernen Forschung. Ganesh und D’Souza argumentieren, dass Cannabis aus Auslöser die meisten Kriterien als Ursache zwar erfüllt, aber die bisherigen Modelle unzureichend sind, dies auch zu belegen. Modelle, die sog. “Counterfactuals” nutzen, stellen die Frage: Ist Cannabis alleine ausreichend oder muss etwas anderes vorhanden sein, damit die Psychose passiert? Eine zweite Frage ist: Wenn Cannabis in dieser Situation weggelassen wird, wird es trotzdem irgendwann eine Psychose geben? 

Die Henne/Ei Problematik der Wirkungsrichtung wird insbesondere dadurch bedingt, dass Personen mit einer Neigung und Genetik in Richtung Schizophrenie und psychotischen Störungen in der Familie zu einem deutlich häufigeren Substanzkonsum neigen. Die Prävalenz von Cannabis Konsum ist dabei doppelt so hoch wie im Rest der Bevölkerung. Genau diese Menschen neigen aber auch dann nach aktueller Datenlage am stärksten zu genau diesen Cannabis induzierten Psychosen. Hierzu gehören bestimmte Genetiken wie Varianten des COMT1 Gens und die Familienhistorie. Ebenso bedeutsam ist eine selbst bereits erlebte Psychose in der Vergangenheit des Konsumenten. 

Dosierung, Set und Setting

Ein Faktor, der seltener genannt wird, ist das Thema Dosierung, Set und Setting. Letztere sind manchen vielleicht aus der Literatur zu Psychedelika bekannt. Diese im Vergleich zu Cannabis und Alkohol deutlich potenteren Substanzen führen zu Halluzinationen und oftmals Realitätsverlusten. Sie sind heute in der Forschung jedoch vor allem als erstaunliche Methoden zur Linderung von psychischen Erkrankungen bekannt. Eine Studie über den einmaligen Einsatz in schweren behandlungsresistenten Depressionen zeigte einen Effekt von Psilocybin, dem Wirkstoff in “Zauberpilzen”, der sofort nach der Behandlung eintrat und alle Effektstärken von anderen Substanzen bei Weitem übertraf.

LSD wird ebenso in der Schweiz gerade in der Forschung in seinen Wirkungen auf PTSD, Depressionen und sogar Clusterkopfschmerzen erfolgreich getestet. Ein wichtiger Faktor im Umgang, der seit von Nutzern propagiert wird, ist jedoch die Umgebung, in der eine Person die Substanz konsumiert und das Gefühl und die emotionale Lage des Nutzers bei der Nutzung. In den Zeremonien der Native American Church Meskalin enthaltende Kakteen konsumiert, auch hier zeigt sich der Effekt als langfristig kurativ bei Alkoholikern. Eine Gemeinsamkeit der Studien und der traditionellen Rituale von Ureinwohnern ist ein Setting, in dem sich der Konsument wohl genug fühlt. Bei Cannabis wird dies oftmals völlig ignoriert. Bedenken wir, dass heutzutage oft sehr potente Cannabisblüten oder Extrakte konsumiert werden, könnte das Thema Set und Setting auch für Cannabis Konsumenten wichtig werden. 

Das Thema Dosierung ist ein eigenes

Das Thema Dosierung ist ein eigenes. Gerade bei essbaren Cannabisprodukten unterschätzen Konsumenten oft die mögliche Wirkung und den THC Gehalt. Marihuana oder Haschisch zu rauchen, hat einen nahezu sofortigen Effekt. Auf die Wirkung von Edibles kann ein Konsument zwischen 30 und 90 Minuten warten. Wer sich dann nicht gut einschätzt, konsumiert schnell eine Menge, die die Toleranz übersteigt. Insbesondere wenn die THC Werte in den Produkten entweder sehr variabel sind, nicht stimmen oder aber überhaupt nicht angegeben. Zur Illustration passt vielleicht eine Anekdote aus meinem erweiterten Bekanntenkreis. Ein Bekannter von mir wurde in seinen 30ern mit seiner Form von Krebs diagnostiziert. Zum Glück sehr früh, so konnte er mit einer kleineren OP und einer Chemotherapie bis heute vollständig geheilt werden.

Die Nebeneffekte einer Chemo sind allerdings nicht zu unterschätzen und er verlor rasant Gewicht. Sein Arzt verschrieb ihm Bedrocan, eine Sorte mit 22 % THC, die er dann auch gut und gerne und täglich konsumierte. Das löste sein Gewichtsproblem, allerdings hatte er auch einen sehr ordentlichen Konsum von einigen Gramm täglich, hatte also eine gewisse Resistenz. Nach seiner Erholungszeit, in der er noch fleißig konsumierte, besuchte er mit einer engen Freundin Amsterdam. Sie kauften beide jeweils einen sog. Space Cookie, mit einer undefinierten Menge Hasch im Keks. Während er Cannabis gewohnt war, war es für die Freundin der erste Konsum in ihrem Leben. Er beschrieb die Wirkung des Kekses dann aus der Sicht eines regelmäßigen Konsumenten in seinen Worten als “Ein langsamer, aber richtiger Schlag mit dem Hammer.”

Negative Erfahrung

Seine Begleiterin hingegen hatte nicht mit einer solch heftigen Wirkung gerechnet und wurde über den Zeitraum der Wirkung zunehmend paranoider und machte sich sehr viele Gedanken um ihren Herzschlag, Gesundheit und durchlitt mehrere Panikattacken. Ihre Erfahrung war somit durchweg negativ, seine eigentlich ganz positiv, und das, obwohl er sie mental stützen musste. THC kann zwar kaum überdosiert werden, die letale Dosis ist praktisch nicht erreichbar. Dennoch können gerade für Menschen ohne Konsumerfahrung hohe Dosen Angst und psychotische Situationen auslösen, insbesondere wenn sie zum ersten Mal konsumieren. Sie generisch die Geschichte ist, habe ich sie nicht zum ersten Mal gehört. Der Nichtraucher, der in Amsterdam lieber mal einen Keks isst und dann einen echt schlechten Tag hat, ist mir schon oft begegnet.

Ein letzter Faktor, der in den bisher genannten Studien auch angesprochen wird: Synthetische Cannabinoide sind deutlich potenter als Cannabis selbst. Psychosen und Zusammenbrüche unter synthetischen Cannabinoiden sind im Vergleich deutlich häufiger, ebenso wie die Not zur Medikation. Wir sollten aus meiner Sicht somit darauf bauen, dass legales Cannabis dieses Problem nicht hat. Zum Vergleich: Professionelle Alkoholhersteller haben in den letzten Jahren keine einzige Vergiftung mit Methanol ausgelöst, da die Produkte einen Mindeststandard haben und über Technik und Überprüfungen dafür gesorgt wird, dass das nicht passiert. Schwarzbrenner haben hingegen besonders in der Türkei schon die eine oder andere Klassenfahrt vergiftet und alleine 2021 26 Menschen getötet.

Fassen wir zusammen: Ja, Cannabis KANN Psychosen auslösen.

Fassen wir zusammen: Ja, Cannabis KANN Psychosen auslösen. Die Lebenszeitprävalenz ist niedrig. Da in Staaten, die legalisieren, die Menge an Psychosen nicht stärker steigt als in denen, die es nicht tun, kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil der vulnerablen Bevölkerung schon konsumiert. Auch wenn einige Faktoren dafür sprechen, sind vor allem genetische Vulnerabilität und die eigene wie Familiengeschichte ein Faktor, der zu Psychosen unter Einfluss führt. Und der letzte Faktor ist die Dosis: Insbesondere cannabis-naive Personen sollten, wenn sie konsumieren, mit sehr niedrigen Dosen beginnen, insbesondere wenn sie mit Edibles beginnen. Und viel Geduld haben, da die Wirkung ihre Zeit braucht.

Tatsächlich stellt eine Legalisierung in diesem Fall allerdings auch einen Fortschritt dar. Wie bereits erwähnt, erlaubt eine Legalisierung, eine Standardisierung und Labeling von Edibles, die sonst schwer einzuschätzen sind. In den USA gibt es Edibles mit 10, 25, 50 und 100 mg Dosen. Eine Beratung in einer Dispensary führt rasant dazu, dass lieber die doppelte Menge 10 mg Edibles verkauft werden, als dass sich unerfahrene Konsumenten mit einem 100 mg Weingummi ins Aus befördern. 

Diese Beratung gibt es auf dem Schwarzmarkt genausowenig wie Qualitätstests. Ebenso gibt es auf dem legalen Markt keine synthetischen Cannabinoide, solange der Produzent noch eine legale Herstellung besitzen möchte. Ein Dealer hingegen verliert seine Lizenz nicht. Ebenso ist in einem legalen Setting das Rufen von Hilfe deutlich weniger stigmatisieren. Eine Ächtung, weil man einen Fehler gemacht hat, findet nicht mehr statt und auch um den Führerschein muss niemand bangen. Deswegen ist ein legaler Markt dem jetzigen Modell aus meiner Sicht zu bevorzugen.

Fazit: Cannabis ist weder eine heilende Wunderpflanze noch der Teufel, der den Kindern ihre Gehirne grillt

Dieser Artikel ist unglaublich lang geworden. Die Hoffnung ist, dass alle möglichen Fragen zum jetzigen Wissensstand beantwortet werden. Manche sind unklar, manche bereits gut geklärt. Beide Lager haben aus meiner Sicht einen Haufen Mythen auf Lager, die aber faktisch gut geklärt werden können. Die Prohibition von Drogen hat keinerlei Einfluss auf ihre Verbreitung gehabt, daher ist eine Cannabis-Legalisierung der erste Schritt in eine Welt, in der wir einen anderen Umgang mit diesen Substanzen finden. Cannabis ist weder eine heilende Wunderpflanze noch der Teufel, der den Kindern ihre Gehirne grillt.

Cannabis gehört nicht in Kinderhände und das sage ich als jemand, der früh Kontakt mit der Substanz hatte und den Konsum ebenso früh auch wieder beendet hat. Als eine psychoaktive Substanz sollte sie mit Respekt behandelt werden, niemandem aufgezwungen und nicht unterschätzt werden. Sie ist jedoch bereits ein ganz normaler Alltagsbegleiter weltweit und das seit mehr als fünf Jahrtausenden. Eine Katastrophe ist somit nicht ansatzweise zu erwarten. Die Hoffnung ist jedoch, dass wir die Steuergelder so nutzen, wie es die Menschen in Colorado tun: Mit Bedacht, zweckgebunden für Gesundheit, Prävention und zum Bau und Renovierung von Schulen.

Artikelbild: Oleksandrum