Update: Die Infos in diesem Artikel sind eventuell stellenweise veraltet. Wir haben hier ein Update veröffentlicht:
Der Parkplatz neben dem Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt wurde kürzlich von einer Raketenexplosion getroffen. Es handelt sich dabei um das einzige christlich-geleitete Krankenhaus im Gazastreifen, welches am Dienstagabend gegen 20:30 Uhr Ortszeit getroffen wurde. Das genaue Ausmaß der Opfer ist bisher noch nicht vollständig geklärt, es spricht einiges dafür, dass es deutlich weniger waren, als zuerst überall berichtet wurde. Nach Auswertung der Faktenlage scheint es sich nicht um einen gezielten Raketenangriff gehandelt haben, sondern um Teile einer defekten oder abgeschossenen Rakete, die von Palästinensern auf Israel abgefeuert wurde, entgegen der ersten Behauptungen durch Hamas.
Medienversagen zu den Krankenhaus-Berichten
Während die Behauptung, dass es sich um eine israelische Rakete handelte (eine unbelegte Behauptung von Hamas, die viel zu schnell nach dem Anschlag verbreitet wurde, ohne verifiziert worden zu sein) sich schnell auch von seriösen Medien verbreitete, gibt es derweil etliche Beweise, dass das nicht stimmen kann. Es scheint klar zu sein: Keine der beiden Seiten wollte das Krankenhaus gezielt unter Beschuss nehmen – und es wurde auch nicht direkt getroffen.
Nach derzeitigen Informationen scheint deutlich zu sein: Eine von einer palästinensischen Gruppe abgefeuerte Rakete explodierte in der Luft (Grund unbekannt) und ein Teil fiel auf den Parkplatz vor dem Krankenhaus und verursachte eine Explosion. Verschiedene unabhängige Details und Analysen sprechen dafür. Bei den Behauptungen der Hamas scheint es sich um voreilige Propaganda gehandelt zu haben. Ob es die Hamas direkt war oder einer ihrer Verbündete, wie der islamische Dschihad, wie Israel behauptet, ist nicht klar.
HAMAS HAT ISRAEL BESCHOSSEN
Dass dem Einschlag beim Krankenhaus zeitlich ein Beschuss durch die Hamas voranging, hatten beide Seiten bestätigt, dafür sprechen auch unabhängige OSINT-Recherchen. Das erklärten auch die israelischen Streitkräfte. Und das soll auch in den eigenen Kanälen der Hamas zuvor bestätigt worden sein.
Dieses Video zeigt den verifizierten aktuellen Einschlag. Es gab viele Fake-Videos, aber das hier ist verifiziert. Danach sieht man eine Explosion an der geolokalisierten Position des Krankenhauses.
Die Geolokalisierung des Videos bestätigt: Eine von palästinensischen Gruppen abgefeuerte Rakete explodierte in der Luft und eines der Teile fiel auf den Hof des Al-Ahli Arab Hospital. Am Ende des Videos ist sogar die nächste Barrage sichtbar:
Ein weiteres Video bestätigt das. Dieses Video ist ebenfalls lokalisiert und zeigt klar die Raketen-Barrage und daraufhin eine große Explosion im Gazastreifen:
Hier ein Video des israelischen Senders Channel 12, das ebenfalls das Sperrfeuer der Palästinenser und die darauffolgende Explosion am Krankenhaus zeigt:
DAS AUSMASS DES SCHADENS UND DIE ZAHL DER TOTEN SIND kleiner als gemeldet
Natürlich ist jedes verlorene Leben eine Tragödie, aber auch hier wurden viele Opfer vorschneller Meldungen. Erste Fotos des Schadens am Boden zeigen relativ kleine Schäden im Parkplatz des Krankenhauses:
Man sieht, dass nur wenige Autos in der Mitte tatsächlich kinetisch beschädigt sind, der Rest hat Brandschaden. Das Krankenhaus selbst scheint gar nicht direkt getroffen worden zu sein.
Angesichts dieser Fakten scheint es unplausibel, dass mehrere hundert Todesopfer zu beklagen sind, wie von Hamas-Behörden behauptet. Auch ist der Schaden nicht konsistent mit Bombardierung aus der Luft. Der Schaden ist allerdings konsistent mit Hamas-Raketen, die in Israel eingeschlagen sind.
Der Einschlagkrater ist ebenfalls sehr klein. Laut Waffenexperten kann er unmöglich von JDAMs der israelischen Armee stammen:
Hier zum Vergleich das Ergebnis russischen Bombardements auf ein ukrainisches Krankenhaus in Mariupol mit fünf Toten:
Um tatsächlich auf diese Zahl zu kommen, hätte es auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus eine dichte Menschenmenge geben müssen. Allein die dort stehenden Autos dürften das allerdings verhindert haben.
Es kann also durchaus sein, dass es zu dutzenden Todesopfern gekommen ist. Allerdings sind höhere Todeszahlen zum jetzigen Zeitpunkt unglaubwürdig. Auch bei Aufnahmen von lokalen Bürger vor Ort zeigt sich nur ein kleiner Krater und nur limitierter Schaden.
OSINT bestätigt Darstellung von Israel
OSINT-Experten (Open Source Intelligence), die Bildmaterial und andere öffentlich zugängliche Quellen analysierten, bestätigen die Darstellung von Israel. Videomaterial scheint eine Explosion in der Nähe des Krankenhauses zu zeigen, die durch eine Rakete verursacht wurde, die aus den palästinensischen Gebieten abgeschossen wurde. Ein besonders auffälliges Merkmal in den Videos ist eine Solaranlage, die sich neben dem Krankenhaus befindet und durch die Explosion beschädigt wurde. Es wird vermutet, dass die Rakete in der Luft auseinanderbrach, wobei der Raketenmotor eine kleinere Explosion und der Sprengkopf eine größere am Parkplatz des Krankenhauses verursachte.
Die Hamas, eine von der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation eingestufte Gruppe, machte Israel für den Angriff verantwortlich und sprach von rund 500 Todesopfern. Es werden jedoch Zweifel an dieser Darstellung geäußert, insbesondere nachdem mehrere Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Explosion in Umlauf gebracht wurden.
Viele auf vorschnelle Propaganda hereingefallen
Dass das jetzt wahrscheinlichste Szenario ist, dass eine palästinensische Rakete auf dem Parkplatz vom Krankenhaus einschlug, war schon am Dienstagabend nach ersten OSINT-Recherchen abzusehen. Dennoch nutzten viele bereits die Hamas-Propaganda unkritisch als Rechtfertigung, was sogar offenbar zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen führten, die zu keinem Zeitpunkt zu rechtfertigen gewesen wären. Sogar seriöse Medien wie der DLF oder der Guardian verbreiteten die Hamas-Meldungen ungeprüft.
Wie wir in unserem gestrigen Faktencheck bereits schrieben, ist es gerade in solchen aufgeheizten Debatten, in denen die Faktenlage nicht eindeutig ist und noch nicht eindeutig sein kann, extrem wichtig, die Ruhe zu bewahren und nichts vorschnell zu glauben.
Hier geht es nicht darum, alles einseitig in Gut und Böse einzuteilen – das führt nur zu Gewalt und zu Hass. Teilt nicht jede Meldung, die euer Freund-Feind-Bild bestätigt, ohne es unabhängig überprüft zu haben. Im Zweifel lieber nichts posten. Diese aufgehetzte Stimmung ist das letzte, was dabei hilft, Frieden und Sicherheit für alle Menschen zu schaffen. Wir sind auf keiner Seite, wir gucken uns die Fakten an. Wer Frieden will, bekämpft Falschinformationen.
Dennoch scheint sich in diesem Fall die Darstellung von Israel bewahrheitet zu haben: Eine palästinensische Rakete oder zumindest ein Teil davon hat aus unbekannten Gründen versehentlich einen Parkplatz eines Krankenhauses getroffen. Wem an der Wahrheit gelegen ist, sollte sich darum bemühen, bereits verbreitete Fake News richtigzustellen. Diese Falschmeldung dazu zu nutzen, um Antisemitismus zu verbreiten, ist noch verwerflicher.
Artikelbild: Mohammad Abu Elsebah/dpa