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Nein, Wagenknecht-Mitarbeiterin war nicht bei Putin-Rede

von | Mrz 1, 2023 | Faktencheck

Mit über 2000 Likes und knapp 470 Retweets verbreitete ein Anonymous letzte Woche Desinformation über Sahra Wagenknecht. Womöglich lustig gemeint, sorgte ein Post des Twitter-Accounts für eine Falschmeldung, die viele für bare Münze nahmen. Da hieß es fälschlicherweise, „die russischstämmige Mitarbeiterin von #Wagenknecht war heute auch bei der #Rede von #Putin zur ‚Lage der Nation‘“. [sic]

Auf dem beigefügten Bild ist aber nicht Sahra Wagenknechts Mitarbeiterin, sondern die russische Abgeordnete Rima Batalova zu sehen. Mit Satire, mit der der Account nach einigen kritischen Einwürfen den Tweet später rechtfertigte, hat das aber wenig zu tun. Falschmeldungen bleiben Falschmeldungen. Das machen auch die Reaktionen deutlich: Die allermeisten Nutzer:innen haben die ‚Satire‘ nicht verstanden und die Nachricht über Wagenknechts vermeintliche Mitarbeiterin fröhlich weiterverbreitet.

Faktencheck: Es handelt sich um die russische Abgeordnete Rima Batalova

Sahra Wagenknechts Mitarbeiterin war nicht bei der Rede von Wladimir Putin zur Lage der Nation zugegen. Das Bild, das die Falschmeldung begleitete, zeigt stattdessen die russische Duma-Abgeordnete Rima Batalova. Hintergrund war, dass Wagenknecht eine russischstämmige Mitarbeiterin habe. Das war aber den allermeisten Nutzer:innen offenbar nicht bewusst. Sowohl das Recherchezentrum Correctiv als auch Mimikama mussten eigens Faktenchecks anfertigen, um die kursierende Fehlmeldung aufzuhalten.

Nein, es handelt sich nicht um Satire, es ist Fake

Was dieser Anonymous Germany-Account hier im Nachhinein als Satire darstellt, ist tatsächlich nur eine Falschmeldung, die im bestenfalls als schlechter Scherz durchgehen kann. Satire zeichnet sich für gewöhnlich durch ihre offensichtlich überspitzte Art und Weise aus. Diese ist beim Tweet von Anonymous Germany nicht gegeben. Die große Mehrheit wusste nicht, wer die Frau auf dem Foto tatsächlich ist und verstand die Anspielung des Accounts daher nicht. Viele hielten es einfach für echt. Wenn ein Account, der nicht üblicherweise Satire macht, nicht offensichtlich überspitzt und es nicht als Satire kennzeichnet, ist das Fake News.

Die ‚Satire‘ wurde also vom Großteil der Nutzer:innen nicht verstanden und von anderen – auch mit dem Wissen um Rimi Batalova – nicht als Satire anerkannt. Denn Satire, die nicht als solche zu erkennen ist, ist letztlich nur Desinformation. Das wird schon dadurch offensichtlich, dass mehrere Faktenchecker:innen kostbare Zeit in das Debunken des Fakes gesteckt haben. Übrigens: Korrigiert hat Anonymous Germany die Meldung selbst nicht. In Kommentaren „Satire“ zu rufen, während reihenweise weitere Leute die Falschinformation weiter teilen, ist sinnlos.

Andere Anonymous Accounts distanzieren sich davon.

Eine Richtigstellung bleibt aus

Unmittelbar nach dem Post meldeten sich erste Stimmen zu Wort, die den Tweet von Anonymous Germany kritisierten. Investigativjournalist Daniel Laufer antwortete mit einem Link zum Wikipedia-Eintrag über die tatsächlich abgebildete russische Abgeordnete Rimi Batalova. Daraufhin schrieb Anonymous Germany (umrahmt von einer Ansammlung lachender Emoticons): „Das war als Satire gedacht!! Es ist ja wohl klar, dass die russischstämmige Mitarbeiterin von Wagenknecht kaum Mitglied der Duma oder einer anderen staatlichen Einrichtung in Russland sein kann! Oder vielleicht doch ??“ [sic]

Eine Antwort, die die vorangegangene Falschmeldung nicht wirklich negiert und die neben Laufer auch der Volksverpetzer sowie alle anderen Nutzer:innen zu hören kriegten, die ebenfalls auf die Falschmeldung hinwiesen. Laufer gab daraufhin zu bedenken: „Aber habt ihr das Gefühl, dieser satirische Charakter eures Tweets mit >70T Views wurde ausreichend deutlich?“ Anonymous Germany blieb eine Antwort schuldig.

Screenshot twitter.com

Auf den Einwand vom Volksverpetzer, dass es sich nicht um Satire handele, entgegnete Anonymous Germany lediglich: „Wer glaubt das die russischstämmige Mitarbeiterin von Wagenknecht in der Duma oder einer anderen staatlichen [russischen] Einrichtung sitzt, der sollte dringend den Bundestag darüber informieren!!“ [sic] Eine Richtigstellung sieht anders aus.

Screenshot twitter.com

Satire ist kein Freifahrt-Schein für Fake News

Der Volksverpetzer hat sich in der Vergangenheit bereits mit rechten Fake-News unter dem Deckmantel der Satire beschäftigt – denn sie sind keine Seltenheit. Aber das macht sie nicht weniger gefährlich. Denn die Desinformation zieht nach Verbreiten der vermeintlichen ‚Satire‘ erst mal ihre Runden. Bis dann irgendwann jemand darauf hinweist, dass das ein Fake ist und der/die Autor:in zu verstehen gibt, dass das doch alles nur ‚Satire‘ sei.

Bis dahin haben aber unter Umständen schon eine Unmenge Leute den Fake gesehen – und viele davon werden die Auflösung niemals zu hören kriegen. Satire darf kein Freifahrtsschein für Fake News sein. Und ist darüber hinaus auch kein Synonym für ‚Scherz‘ oder ‚Witz‘. Stattdessen bezeichnet der Begriff Satire pointierte, zugespitzte Kritik, die für gewöhnlich als solche erkennbar ist. Fake News gehören nicht dazu.

Fake News bleiben Fake News

Nein, Sahra Wagenknechts Mitarbeiterin war nicht bei Putins Rede zur Lage der Nation zugegen. Dennoch wird es weiterhin Menschen geben, die nach dem Lesen von Anonymous Germanys Tweets davon ausgehen. Dieser Fake ist nur noch bedingt bei denen aufzuhalten, die einer der Faktenchecks erreicht. Umso wichtiger ist es, Fake News als solche zu erkennen und zu benennen – und nicht unter dem falschen Deckmantel der Satire zu dulden.

Denn nur weil sie vielleicht (nachträglich) mit einem Augenzwinkern überbracht werden, sind sie nicht weniger gefährlich. Wenn der Postillon – eine bekannte Satire-Seite – meldet, Wagenknecht habe 500 Millionen Teilnehmer gehabt, ist das Satire, weil es auf die tatsächliche Übertreibung der Demo-Teilnehmerzahlen anspielt – aber es ist so absurd übertrieben, dass jeder sieht, dass es unrealistisch ist.

Artikelbild: photocosmos1, Screenshot