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Windräder: Klimaleugner widersprechen sich versehentlich gegenseitig

von | Jul 11, 2023 | Faktencheck

Windräder sind in Deutschland schon lange Grund zur hitzigen Debatte. Diese wird darüber hinaus noch von vielen Lügenmärchen befeuert, die in den sozialen Medien kursieren und sich dort verbreiten. Windräder sind grüner als fast jede andere Energiegewinnungsmethode. Keine Energiegewinnungsmethode ist besser für das Klima, außer vielleicht Wasserkraft. Und: In tropischen und subtropischen Ländern werden 73 Prozent der abgeholzten Flächen für die Landwirtschaft gerodet. Der größte Teil der Entwaldung steht im Zusammenhang mit Fleisch, Sojabohnen für Futtermittel und Palmöl. Und du denkst es dir: Die Klimawandelleugner wollen Windräder dafür verantwortlich machen – und das mit Lügen, die sich sogar gegenseitig widersprechen.

Zum einen wird behauptet, dass die Rotorblätter, ähnlich wie Atommüll, „Sonderabfall“ seien und auf umweltschädliche Art und Weise im Boden vergraben würden. Zum anderen seien Windräder irgendwie Schuld an der Regenwaldrodung, da ebenfalls für die Rotorblätter große Mengen an sogenanntem Balsaholz, das zum größten Teil aus Ecuador stammt, verwendet würde.

Beide Aussagen stimmen so definitiv nicht. Und wie sollten die Rotorblätter Sondermüll sein, wo Holz doch zu 100 % abbaubar ist? Ein Blick auf die Faktenlage zeigt: Fast alle Materialien aus den Rotorblättern können wieder- oder weiterverwertet werden und dürfen nicht im Boden vergraben werden. Und auch die Verwendung von Balsaholz ist mittlerweile weniger relevant als in Facebook-Beiträgen angeprangert.

Fake-„Umweltschützer“ verbreiten Desinformation zur Umweltbilanz von Windrädern

Kommen wir zum ersten Fake. Hier erst einmal die Wahrheit: Rotorblätter sind zwar schwer recycelbar. Rotorblätter sind aber definitiv nicht „Sondermüll“ oder dergleichen – es ist nicht Atommüll – und auch das Vergraben in den Boden wird grundsätzlich nicht praktiziert. Dennoch behaupten Fake-Beiträge genau das wahrheitswidrig:

Ende März erschien dieser Facebook-Beitrag, der im Netz viral geht. Gleich zwei Lügen werden dir hier mithilfe des Bildes aufgetischt – Spoiler: Beide davon ziemlich aus der Luft gegriffen … Das Faktencheck-Portal Correctiv hat den Beitrag bereits auseinandergenommen:

Nein, der Sockel der Windkraftanlage bleibt nicht einfach so am Boden stehen. Schon der Gesetzgeber verpflichtet die Betreiber von Windkraftanlagen, das Fundament von Windrädern bei deren Abbau komplett zu beseitigen, das schreibt ein entsprechender Paragraf im Baugesetzbuch vor. Nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn das Windrad zusätzlich durch einen Pfahl im Boden verankert wurde, muss dieser Pfahl nicht komplett dem Boden entnommen werden. Die allermeisten Windräder sind jedoch nicht so konstruiert.

Auch, dass man die Rotorblätter der Windräder einfach im Boden vergraben würde, ist eine dreiste Lüge. Es stimmt zwar, dass vor allem die Rotorblätter schwer recycelbar sind; das liegt daran, dass deren Materialien, ein Verbund aus Fasern und Harz, schwer trennbar sind und ein vollständiges Recyceln aufwändig ist. Sondermüll sind Rotorblätter aber definitiv nicht und auch deren Vergrabung in den Boden wird grundsätzlich nicht praktiziert. Dies ist in der Vergangenheit in Einzelfällen mal passiert, aber per Gesetz strengstens verboten.

Solltest du trotzdem Rotorblätter auf Freiflächen herumliegen sehen, dann liegt das in den allermeisten Fällen daran, dass sie dort nur vorübergehend deponiert wurden, bis sie weiterverwendet werden. Sie werden zumeist geschreddert, um die darin enthaltenen Metallreste verwerten zu können. Die übrigen Abfälle werden bislang als Brennstoff und Sandsubstitut in der Zementindustrie thermisch eingesetzt oder in konventionellen Müllverbrennungsanlagen verbrannt.

Aufgepasst, Windkraftgegner: Windräder sind grüner als fast jede andere Energiegewinnungsmethode

Genauso fatal wie die aneinander gepaarten Lügen des Facebook-Beitrages, der übrigens mittlerweile gelöscht ist, ist der Eindruck, der dadurch bei den Leser:innen generiert wird. Damit soll vertuscht werden, wie umweltfreundlich und klimafreundlich Windräder in Wahrheit sind, in dem man genau das Gegenteil erzählt. Dabei wird davon abgelenkt, dass Windräder eigentlich unter den Top-Green-Energieerzeugern gerankt ist:

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Wichtig: Keine Methode der Energiegewinnung ist komplett frei von CO₂-Ausstoß. Heißt im Klartext: Auch bei der Produktion und beim Transport von Windrädern zu ihrem Einsatzort wird CO₂ freigesetzt. Jedoch hat eine Windkraftanlage bereits innerhalb von drei Monaten ihren CO₂-Ausstoß bei der Produktion amortisiert, d.h. wieder wettgemacht. Auch in Hinblick auf den „Erntefaktor“, also wie lange es dauert, bis man die investierte Energie wieder zurückerhält, hat sich eine typische Windkraftanlage an Land (Erntefaktor 30 mit 20 Jahre Laufzeit) nach ca. acht Monaten energetisch amortisiert. Da kann kaum eine Methode mithalten.

klimalügner führen dich bewusst in die irre

Schon mal von Whataboutismus gehört? Dieser Fachbegriff beschreibt eine kommunikative Strategie, die darauf abzielt, vom eigentlichen Thema abzulenken. Auf die Windräder-Debatte angewendet heißt das, dass beispielsweise Klimalügner:innen durch Behauptungen und Lügen vom eigentlichen Kern der Diskussion, zum Beispiel die positiven Beiträge von Windrädern zur Erneuerbaren-Energien-Bilanz, ablenken wollen.

„Aber was ist denn mit den Rotorblättern, die die Umwelt verseuchen?“ oder „was ist mit dem Sockel, der einfach so stehengelassen wird“ sind genau solche Aussagen, die vom Kern der Sache ablenken. Dadurch wird versucht, Raum für die eigenen Lügen zu schaffen und davon abzulenken, dass Windräder enorm wichtig sind für die Energiewende.

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faktenverzerrung und fehlender kontext in der balsaholz-debatte

Zuerst die Fakten: Balsaholz ist eine sehr regenerative Ressource und der Regenwald wird überwiegend für Fleisch und Palmöl abgeholzt. Windräder haben damit nichts zu tun. Wie absurd die Faktenverzerrung von Klimaleugnern in den sozialen Medien sind, zeigt auch dieser (mittlerweile wieder gelöschte) Facebook-Beitrag:

Balsaholz kann manchmal ein Bestandteil von Windrädern sein, jedoch schwenken viele Hersteller mittlerweile zu Alternativen, gleich dazu mehr. Balsaholz kommt zum Großteil aus Ecuador und wird in den dortigen Wäldern abgeholzt, es ist jedoch ein im Vergleich sehr schnell nachwachsendes Holz. Rund fünf Jahre nach der Pflanzung kann der Baum abgeholzt werden und ist damit eine sehr regenerative Ressource.

Dennoch kam es in der Vergangenheit zu Missständen beim Abbau des Rohstoffs, die von verschiedenen sozialen Akteuren kritisiert wurden. Es entstanden durch den Boom in der Nachfrage des Rohstoffs vor allem wirtschaftliche Abhängigkeiten bei der indigenen Bevölkerung Ecuadors, die oftmals die bisher praktizierte Subsistenzwirtschaft aufgaben, um Balsaholz anzubauen. Die stark gestiegene Nachfrage führte in der Vergangenheit teils auch dazu, dass Wald für den Anbau von Balsaholz illegal gerodet wurde.

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Die wahren Heuchler:innen sind all diese, die Posts wie diesen ohne Kontext publizieren und sich Daten beliebig herauspicken, um daraus ihr eigenes zusammen gelogenes Narrativ zu konstruieren.

Balsaholz wird in Zukunft aus der Windradproduktion verschwinden

Aber von vorne: Laut Einschätzung von verschiedenen Expert:innen der Branche, beispielsweise dem Bundesverband WindEnergie, spielt Balsaholz bei der Rotorblattproduktion mittlerweile eine untergeordnete Rolle. Balsaholz ist sehr leicht und biegsam und wurde deswegen in der Vergangenheit gerne in Windrädern eingesetzt. Stand 2022 kommt jedoch lediglich bei rund 30 Prozent der heute produzierten Rotorblätter Balsaholz überhaupt noch zum Einsatz. Viele Hersteller haben bereits vor mehreren Jahren damit begonnen, Balsaholz durch speziellen PET- bzw. PVC-Schaum zu ersetzen. Warum das? Zum einen weil diese Materialien gut recycelbar sind, zum anderen, weil sich so die Schwankungen bei Preis, Verfügbarkeit und Qualität, denen Balsaholz als natürlicher Rohstoff unterliegt, umgehen lassen.

Fairerweise muss man zugeben, dass durch den Boom in der Nachfrage nach Balsaholz in den vergangenen 10 Jahren die illegalen Rodungen, der Raubbau und der Schwarzhandel zugenommen haben. Seitdem Hersteller jedoch vermehrt auf alternative Materialien setzen, nimmt die Nachfrage wieder ab – jedoch löst das die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von indigenen Bevölkerungsgruppen nicht von heute auf morgen auf.

Und man muss auch bedenken: Die Alternative zu Windrädern sind ja nicht keine Windräder, sondern klimaschädlichere Energiegewinnungsmethoden – mit ganz ähnlichen und schlimmeren Problemen.

Aus ökologischer Sicht unbedenklich

Wird Balsaholz jedoch in geringen Mengen und auf legalem Weg gehandelt, ist es aus ökologischer Sicht unbedenklich: Es ist schnell nachwachsend und steht nicht auf der Liste von gefährdeten Arten. Nach eigenen Angaben bezieht die europäische Windbranche Balsaholz lediglich aus FSC-zertifiziertem Ursprung. Das Label soll einen nachhaltigen Abbau und die Zusammenarbeit mit langjährigen lokalen Partnern sicherstellen. Hersteller gehen davon aus, dass das Material mittelfristig ganz aus der Herstellung von Rotorblättern verschwinden wird.

Lasst uns nochmal zusammenfassen: Balsaholz ist regenerativ, nicht für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich und nimmt stark an seiner Bedeutung in der Herstellung der Rotorblätter ab. Wie wir oben schon gesehen haben: Keine Energiegewinnungsmethode ist frei von CO₂-Ausstoß, aber kaum eines ist besser als Windräder. Die Windenergie ist eine der saubersten, die wir Stand heute kriegen können.

Fleischkonsum ist die größte Bedrohung für den Regenwald

Wer uns schon länger liest, weiß, dass es uns wichtig ist, Fakten einzuordnen. Und in der Debatte um Balsaholz und dessen Rodung geht oft unter, wie sehr die Rodung des Regenwaldes durch andere Faktoren vorangetrieben wird. Spoiler: unsere Ernährung spielt dabei eine große Rolle. Tatsächlich werden die meisten Bäume nicht aufgrund von hoher Nachfrage nach Papier oder Holz gefällt – oder für Windräder -, sondern aufgrund der Landwirtschaft. Aufgrund von Soja-Plantagen für Tierfutter, Viehweiden und Palmölplantagen wird weltweit Regenwald gerodet.

So werden in tropischen und subtropischen Ländern 73 Prozent der abgeholzten Flächen für die Landwirtschaft gerodet. Der größte Teil der Entwaldung steht im Zusammenhang mit Fleisch, Sojabohnen für Futtermittel und Palmöl. Die Fleischproduktion treibt die Entwaldung besonders stark voran, denn neben der Rodung von Tropenwald für Viehweiden werden auch riesige Flächen für den Anbau von Futterpflanzen abgeholzt. 

Illegaler Raubbau an Balsaholz und die Ausbeutung von indigenen Gruppen muss zurecht angeprangert werden. Der obige Facebook-Post geht aber dramatisch an der Realität vorbei, weil er dir 1. nicht erklärt, dass Balsaholz schon längst wieder nachrangig geworden ist in der Windradproduktion, 2. weil er dir suggerieren möchte, dass Regenwald zum Großteil wegen Windrädern abgeholzt wird und 3. weil er nicht in den Kontext setzt, welche Faktoren die eigentlichen Treiber der Regenwaldabholzung sind. Eine perfide Taktik.

Und was von beiden ist jetzt wahr? Keins!

Na ja, zumindest freuen sich diejenigen Klimaleugner:innen, die dachten, dass Rotorblätter als Sondermüll in der Erde vergraben werden. Weil Holz baut sich ja gut von alleine ab und das ist gut für die Umwelt – da sollten sich die sogenannten „Umweltschützer“ doch eigentlich freuen, oder? ODER?

Hier sieht man auch ein fundamentales Problem hinter diesen vielen Fake News: Viele derjenigen, die aus ideologischen Gründen gegen Windräder hetzen, teilen vermutlich beide Fakes, die wir hier debunked haben. Und sind sich nicht mal bewusst, dass diese sich komplett widersprechen. Windräder sollen gleichzeitig das super abbaubare Holz sein, und gefährlicher Sondermüll? Was von beiden jetzt? Plottwist: Keins von beiden. Es geht auch nicht darum, die Wahrheit abzubilden, sondern um mit Desinformation Menschen zu indoktrinieren. Das Ziel: Die Energiewende weiter blockieren. Damit Fossile Konzern weiter Kasse machen können – durch dich.

Fazit: Windräder sind eine der besten Energiequellen

Egal, was Klimalügner:innen auch behaupten wollen: Deutschland und die Welt brauchen Windkraft, um im Bereich „Erneuerbare Energien“ erfolgreich zu sein. Im ersten Quartal dieses Jahres war Windkraft sogar vor Kohle wieder der wichtigste Energieträger für elektrischen Strom in Deutschland.

Quelle

Wollen wir also weiterhin weg von den fossilen Energieträgern und die Erneuerbaren ausbauen, brauchen wir nicht weniger Windräder, sondern bitte mehr davon! Auch wenn sich Klimalügner:innen mit ihren Faktenverzerrungen gegenseitig widersprechen – Windräder sind aus der Energieerzeugung nicht mehr wegzudenken und das ist auch gut so.

Sorry, Klimaleugner: Ihr seid keine Umweltschützer!

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, warum du bei Anti-Windräder-Bürgerinitiativen vorsichtig sein solltest, dann schau gern in diesen Artikel rein: Dort zeigen wir dir, wie Klimalügen-Profiteure und Verschwörungsideologen gezielte Desinformationskampagnen gegen Windräder starten.

Einen weiteren Artikel zum Thema Windkraft findest du hier:

Und hier ein weiterer krasser Fake-Fail zum Thema Windkraft & Wale:

Artikelbild: canva.com