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„Wahnsinn“, „Irrer“: Darum betonen Rechte eine psychische Krankheit beim Hanau-Täter

von | Feb 20, 2020 | Aktuelles, Hintergrund, Politik

Rechtsextremer Terroranschlag von Hanau: So versuchen sich AfD & co herauszureden

Der rechtsextreme Anschlag von Hanau macht fassungslos. Während alle Hinweise darauf deuten, dass der Täter sich mit seinem Rassenhass in einer Reihe mit Christchurch und Halle Attentäter befindet, machen die Rechten und Rechtsextremen mit einer Erzählung mobil. Deren Ziel: Bloß keine Zusammenhänge zwischen Hanau, dem Lübcke Mord, dem Halle-Attentäter und dem wachsenden Rassismus aufkommen lassen. Stattdessen argumentieren sie: Das war ein psychisch kranker Amokläufer („Einzeltäter“). Er habe nichts mit einer radikalisierenden rechtsextremen Szene zu tun, für die sie mit ihrer Hetze und Verschwörungstheorien mitverantwortlich sind. Hier einige Beispiele.

Björn Höcke (AfD)

„Wir gedenken der Opfer des schrecklichen Amoklaufs von Hanau. […] Der Wahnsinn scheint sich in diesem Land immer mehr auszubreiten.“

Pikantes Detail: Der Attentäter von Hanau spricht in einem Bekenner Schreiben von einer „Grob-Säuberung“ und einer „Fein-Säuberung“ und will ganze Völker vernichten (Quelle). Höcke spricht in seinem Buch „Niemals zweimal in denselben Fluss“ von zentralem Ziel seiner Partei eine Säuberung Deutschland von „kulturfremden“ Menschen einzufordern (Quelle). Erst vor wenigen Tagen rief Höcke in Dresden zu einem „Kampf“ auf. Ein „Kampf“ – unter anderem gegen Muslime.

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Hans Georg Maaßen (ehemals Verfassungsschutz-Chef)

„Nach den bish Infos scheint der entsetzliche Anschlag in #Hanau Ähnlichkeiten mit den Anschlägen von Christchurch, El Paso, Halle ua zu haben, bei denen Einzeltäter auf Grund einer Self-Made-Ideologie mit ua. REX- Versatzstücken töteten.“

Jörg Meuthen (AfD)

„Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren.“

Besonderes Detail: Sobald ein mutmaßlicher Täter bei einer Messerverletzung einen „dunklen Teint“ hat, hat Meuthen allerdings keine Skurpel spöttisch von „Einzelfall“ zu reden und die völlig unpolitische Tat politisch zu instrumentalisieren.

Martin Sellner (rechtsextreme Identitäre Bewegung)

„Der Täter war kein politischer Terrorist, sondern ein klassischer, geisteskranker Amokläufer.“

Beatrix von Storch (AfD)

„Dieser psychotische Amokläufer glaubte laut Manifest, „Geheimorganisationen“ könnten „Gedanken lesen“ und ihm Traum mit ihm sprechen.“

Tichys Einblick (rechtspopulistisches Medium)

„In sozialen Medien kursieren Hinweise auf Postings, die angeblich vom Schuldigen stammen sollen und Hinweise auf eine massive Verwirrung wären, wenn sie sich bestätigen.“

Warum wiederholt ein geistig kranker Mörder eure rechtsextremen Narrative?

In seinem Manifest und seinem Video verwendet der Hanau-Terrorist Begriffe wie „drohende Islamisierung Deutschlands“, „drohende Umvolkung“ und andere Begriffe aus dem Vokabular der völkisch nationalistischen AfD sind auch Verschwörungsmythen. Auch Beatrix von Storch spricht über einen „Massenaustausch der Bevölkerung“.

Auch die „Identitäre Bewegung“ von Martin Sellner schreibt über diesen Quatsch:

Um seine falschen Behauptungen nicht zu verbreiten, sind Ausschnitte zensiert

Andere in der AfD verwenden auch den NS-Begriff „Umvolkung“:

Chrupalla: Was wirklich hinter dem Nazi-Begriff „Umvolkung“ steckt

Ja, das Pamphlet legt den Schluss nahe, dass der 43-jährige Täter von Hanau psychisch auffällig oder schwer krank war. Er spricht von Manipulation der Gedanken durch Geheimdienste oder Zeitreisen. Er war jedoch auch militanter Rassist, der vom Islam behauptet, dass dieser „destruktiv“ sei und dass es „bestimmte Volksgruppen“ gibt, deren Verhalten „schlecht“ sei. Die AfD sieht im Islam auch eine „Bedrohung“ (Quelle). Deshalb tötete der Terrorist von Hanau auch in zwei Shisha-Bars. Die AfD hatte dieses Ziel zuvor deutlich gemacht.

Ja, seine rechtsextremen Wahnvorstellungen sind krank und absurd. Aber sie beinhalten die gleichen rassistischen & rechtsextremen Begriffe, Verschwörungstheorien & Feindbilder wie die der AfD, Pegida & Identitäre Bewegung. Genau die gleichen wie der Christchurch-Attentäter oder der Terrorist von Halle. Ich würde nicht damit hausieren gehen, dass psychisch Kranke Menschen die gleichen Dinge behaupten, die die Basis meines politischen Weltbildes darstellen.

Vielleicht war er psychisch krank, aber dann haben sie ihm deutlich gemacht, wen er umbringen muss. Sie haben seine Paranoia bestätigt und gefüttert. Sie verurteilen die Morde, nicht die Auswahl der Ziele.

Stochastischer Terrorismus

Wir vom Volksverpetzer halten es mit dem Statement von Marina Weisband:

„Stochastischer Terrorismus funktioniert so: niemand wird ausgebildet. Niemand gibt einen Befehl. Es wird nur so lange alle radikalisiert, bis die WAHRSCHEINLICHKEIT, dass etwas passiert, wächst. Und dann schlägt jemand zu. Irgendwann. Irgendwo. Und wir haben keine Terrorzelle, keine Schuldigen, die einen Auftrag gegeben hätten. Wir sagen „Einzeltäter“. Aber das ist es nicht. Es ist systematischer Terror. Und jeder, der ihre Geschichten erzählt, hilft ihnen bei der Fortsetzung. Wisst ihr, was ihn aufhält? Die Menschlichkeit der Opfer zu verteidigen. Um sie angemessen zu trauern. Solidarisch mit denen sein, die Angst haben müssen. Wenn das Ziel von Terroristen Entmenschlichung ist, muss Menschlichkeit unsere Maxime sein.“



Text: Andreas Bergholz, Thomas Laschyk. Artikelbild: pixabay.com, CC0