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Klimakrise: Die menschen- und wissenschaftsfeindlichen Narrative der AfD

von | Okt 1, 2020 | Aktuelles, Hintergrund, Umwelt/Klima

Rechte Narrative zur Klimakatastrophe

Der „Earth Overshoot Day“ oder auch Erdüberlastungstag/Welterschöpfungstag jährte sich Ende August. Dieser Tag weist darauf hin, dass die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen und damit nachhaltig verfügbar machen kann. Auch wenn der diesjährige Welterschöpfungstag aufgrund der Corona-Krise und des wirtschaftlichen Lockdowns etwas später als zuvor prognostiziert (Ende Juli 2020) eingetreten ist, bedeutet dies noch immer keine Trendwende, sondern eine weitere Warnung davor, dass unser verschwenderischer Konsum- und Lebensstil die unwiederbringliche Zerstörung natürlicher Ökosysteme, biologischer Vielfalt und damit auch der Lebensgrundlage und Gesundheit von Milliarden Menschen bedeutet. (Quelle)

Dass die globale Erwärmung eine massive Bedrohung darstellt und es höchste Zeit ist, diese Entwicklung zu stoppen, scheint heutzutage nur noch wenig umstritten zu sein – seit den 1990er Jahren herrscht ein Konsens in der Wissenschaft, welcher besagt, dass es keine Zweifel an einer anthropogen beeinflussten, globalen Erwärmung gibt. Dennoch polarisiert das Thema Klimakatastrophe noch immer massiv und spaltet die Gesellschaft in verschiedene Lager. So gibt es sowohl lokal als auch international vernetzte Gruppen und Personen, die eine klimafreundliche Politik aus unterschiedlichen Beweggründen ablehnen und die globale Erwärmung leugnen.

Vor allem die AfD setzt sich für die Klimakatastrophe ein

Auf dem Parkett der deutschen Klimawandelleugnerszene werden solche Positionen von unterschiedlichen Akteuren getragen, um verschiedene Interessen durchzusetzen. Neben Konservativen, Marktradikalen, Neoliberalen und fraktionslosen Klimaschutzgegnern in Allianz, setzt sich vor allen Dingen die AfD gegen Klimarettung und eine umweltfreundlichere Politik ein. Einige Strömungen der Partei erkennen die Klimarettungspflicht nicht als moralische Pflicht an und halten es somit nicht für notwendig, diese, weder für die gegenwärtige Bevölkerung noch für zukünftige Generationen, zu betreiben. Sie entziehen sich dem von dem Philosophen Hans Jonas begründeten Prinzip der Verantwortung und des ökologischen Imperativs, welcher besagt:

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“

Klimawandelleugner*innen verkennen die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. So erkennen manche AfD Anhänger*innen zwar die Veränderung des Klimas größtenteils an, aber leugnen den anthropogenen Aspekt, der dazu maßgeblich beiträgt und die moralische Verpflichtung, Maßnahmen gegen eine voranschreitende globale Erwärmung einzuleiten. Für sie ist der Klimawandel ein natürlicher, vom Menschen unabhängiger Vorgang, eine Art Naturschauspiel.

Diese Ansicht ist der Kern der Positionen der AfD zum Klimawandel, wie folgendes Zitat von Karsten Hilse zeigt:

„Natürlich gibt es seit Jahrmillionen einen Klimawandel. Wir sagen einfach nur, dass der menschengemachte Anteil daran so gering und nicht messbar ist, dass aufgrund dessen keine Maßnahmen erfolgen müssen. […] Also: Wir leugnen nicht den Klimawandel, sondern nur den menschengemachten Anteil daran.“ (Quelle)

Karsten Hilse ist ein AfD Politiker, das sogenannte „umweltpolitische Gesicht der AfD“ und bezeichnete den Klimawandel als „ein aus kranken Gehirnen ausgeschwitztes Weltuntergangs-Szenario“ oder „Religion der Klimaschützer“. (Quelle)

Es gibt jedoch noch radikalere Positionen innerhalb der AfD. Andere Abgeordnete leugnen die Klimakrise in seiner Gesamtheit und unterstellen der Wissenschaft eine ideologische, politische Agenda, die darauf basiert die Bevölkerung und Wirtschaft einzuschränken und ihrer Freiheit zu berauben. Sie haben die verschwörungstheoretische Ansicht, dass der Klimawandel vorgetäuscht wird, um wirtschaftliche und politische Interessen durchzusetzen und stellen sich vehement dagegen. Auch der Umweltbeauftragte der AfD Rainer Kraft äußerte sich ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage, obwohl er studierter Chemiker ist:

„Ich weiß nicht, welcher Effekt das sein soll, dass CO2 zur Erwärmung beiträgt. […] Den Treibhauseffekt gibt es nicht.“ (Quelle)

AfD: „Den Treibhauseffekt gibt es nicht“

Kraft verneint hiermit, dass CO2 ein Treibhausgas ist und leugnet jegliche wissenschaftliche Erkenntnisse darüber. Damit streitet er nicht nur die menschengemachten Klimakrise, sondern Klimawandel per se, ab. Da er sich auf keinerlei Studien oder Zahlen berufen kann, ist diese Aussage eine schlichte Falschinformation und dient der Provokation und Spaltung. Diese Äußerung ist jedoch keine Ausnahme für die AfD, wie man auch ihrem Wahlprogramm entnehmen kann, sondern geltender Konsens innerhalb der Partei.

Ein prominentes Sammelbecken für solche Positionen ist „Das Europäische Institut für Klima & Energie e. V.“ (kurz: EIKE), welches den wissenschaftlichen Konsens darüber, dass die globale Erwärmung menschengemacht ist, ablehnt.

EIKE – Thinktank für Klima-Desinformation

EIKE wurde von der AfD ins Leben gerufen und stilisiert sich selbst als wissenschaftsbasiert, rational und faktengestützt, obwohl es sich um eine Lobbygruppe handelt, die eine Seite voller Falschinformationen betreibt und offenbar Kontakte zu US-Think-Tanks wie CFACT pflegt. Trotz des Namens (Europäisches Institut für Klima und Energie) handelt es sich weder um ein wissenschaftliches noch ein europäisches Institut, das weder Klimawissenschaftler*innen beschäftigt, noch über ein eigenes Büro verfügt. EIKE ist eine durch nachweislich gekaufte Studien Wissenschaftlichkeit simulierende Desinformationskampagne und unterhält damit die Narrative der Klimawandelleugner*innen.

Als Beleg ihrer nachweislich falschen Thesen wenden sie täuschende Trickgrafiken an, betreiben Fakten-Rosinenpickerei, indem sie voneinander unabhängige Erkenntnisse so zusammenwürfeln, dass diese ihre These stützen, lassen umgekehrt Fakten aus und verfälschen eine wahre These durch Unvollständigkeit oder driften gar ins Verschwörungstheoretische ab. Sie bauen darauf, dass Laien ihre Tricks nicht bemerken und die hübsch präsentierten Thesen und Studien schlucken. Von den Standards guter wissenschaftlicher Praxis, wie der mehrstufigen Qualitätssicherung und -überprüfung sowie der „peer review“, fehlt hier jede Spur. (Quelle). Dadurch schützen sie Lobby-, Branchen- und Profitinteressen, beeinflussen die Festlegung von Grenzwerten und Gesetze für Produktion und wälzen die Verantwortung klimaneutral zu leben auf Einzelne ab. (Quelle)

Der Vizepräsident von EIKE Michael Limburg ist AfD Politiker. Darüber hinaus gibt es weitere personelle Verbindungen der AfD zu EIKE. Mitglied der AfD und Mitglied des AfD-Bundesfachausschusses für Energie Horst-Joachim Lüdecke ist Pressesprecher von EIKE und Karl-Heinz Krause, Mitglied der AfD, Mitglied des AfD-Bundesfachausschusses für Energie und stellvertretender Vorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, veröffentlicht regelmäßig Artikel bei EIKE.

AfD verteidigt wirtschaftliche Erkenntnisse gegen die Wahrheit

EIKE agiert dabei besonders über das Betreiben einer Internetseite, das Organisieren von Tagungen sowie das Entsenden von Referenten zu Vorträgen und hält jährlich stattfindende Konferenzen mit dem „Berlin Manhattan Institut“ ab, zu welchem wiederum personelle Verbindungen bestehen. (Quelle) Anhand der Parteigeschichte der AfD lässt sich das Interesse an der Wirtschaft gut erklären, da diese zum Zeitpunkt ihrer Gründung als rechts-wirtschaftsliberal galt. So verteidigt die AfD gewisse wirtschaftliche Interessen und Berufsbranchen gegen klimafreundliche Politik und die damit einhergehenden Maßnahmen.

EIKE und Konsorten versuchen mit solchen Narrativen einer Energiewende entgegenzuwirken, die Millionen kosten würde, um die vermeintliche Deindustrialisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland aufzuhalten, Jobs in der fossilen Branche zu erhalten und an der Industrie aus dem 20. Jahrhundert festzuhalten, während sie klimafreundlichere Lösungen als ideologisch gesteuert diffamieren. Das ist eine klassische rechtspopulistische Agenda, um zum Beispiel „die einfachen Bürger*innen“, die um ihre Jobs bangen, als Wähler*innen für sich zu gewinnen und gegen vermeintlich „ideologisch getriebene Eliten“ zu hetzen, während man eigene Lobbyinteressen schützt.

Paradoxerweise treten viele AfD Abgeordnete für den Schutz von Heimat und Natur ein, während sie jedoch durch ihre unwissenschaftlichen Klimathesen den anthropogegen Klimawandel leugnen und Klimaschutzmaßnahmen ablehnen, damit folglich der Umwelt und Natur schaden und Fluchtursachen weltweit verschärfen. Wie passt das zusammen?

AfD: „Naturschutz“ ja, Klimaschutz nein?

Obwohl die Natur- und Umweltschutzbewegung in der Öffentlichkeit als eher junge, linke Bewegung wahrgenommen wird, war dem nicht immer so. Die Naturschutzbewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts und wurde zunächst von konservativen, nationalistischen und reaktionären Strömungen getragen. Auch im Dritten Reich verschränkten sich Naturschutz und rechte Ideologie durch das Reichsnaturgesetz von 1935. (Quelle) Deshalb ist es zum Beispiel auch nicht verwunderlich, dass Esoterik und Rechtsextremismus Überschneidungen haben (weiterführend). Erst in den 70er Jahren wurde die Naturschutzbewegung eher links geprägt, jedoch gibt es auch heute noch Überschneidungen mit nationalistischen oder faschistischen Ideologien.

Der Naturschutz rechter Bewegungen, darunter der AfD, ist nicht mit Klimaschutz gleichzusetzen, schließt lediglich „einheimische Tier- und Pflanzenarten ein“ und stellt sich gegen sogenannte „invasive Arten“, wie zum Beispiel Springkraut, Bärenklau und Kalikokrebse. Hier wird auffallend gezielt die narrative Struktur der Migrationskritik bemüht.

„Was nützt es, wenn Deutschland Milliarden für den Klimaschutz ausgibt, wo doch unser Anteil an den weltweiten Emissionen oder am Plastikmüll in den Weltmeeren so verschwindend gering ist?“

So äußert sich auch Rainer Kraft zu den vermeintlich sinnlosen Klimaschutzmaßnahmen. Jedoch widerspricht er hier seiner zuvor angeführten These, in der er die Existenz von Treibhausgasen verneinte. Widersprüche solcher Art sind nicht untypisch für einen populistischen Diskurs, welcher nicht auf dem Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern populistischer Polarisierung und Hetze beruht.

Umweltschutz als politisches Mittel gegen Migration

Der rechte Natur- und Umweltschutz ist mit biologistischen, völkischen und rassistischen Weltbildern verknüpft, wie zum Beispiel mit dem Mythos von der Überbevölkerung, welcher von Pfarrer Thomas Malthus entwickelt wurde. Darin wird davon ausgegangen, dass es nicht genug Ressourcen für alle Menschen gibt und die vermeintliche Überbevölkerung als Grund für Hunger, Armut und Zerstörung herangezogen. Er entzieht sich jeder wissenschaftlichen Grundlage und dient dazu, Grenzschließungen zu legitimieren und rassistische, irrationale Ängste zu schüren.

So versucht zum Beispiel die AfD Umweltschutz als politisches Mittel gegen Migration zu instrumentalisieren. Rainer Kraft äußerte erneut widersprüchlich wie folgt:

„Der CO₂-Abdruck eines Mitteleuropäers ist zehnmal so groß wie der eines Menschen in Afrika. Die eine Million, die Sie zu uns holen, erzeugen zehnmal so viel CO₂.“ (Quelle)

Um die Natur zu erhalten sei ein massiver Bevölkerungsrückgang notwendig und die Einwanderung in reiche Länder zu unterbinden, da arme Menschen aus dem globalen Süden und Migrant*innen den Konsumstil der dortigen Bevölkerung übernehmen würden. (Quelle) Es wird Stimmung gegen diejenigen gemacht, die den Klimawandel nicht einmal verschuldet haben und im Gegenteil als erstes und am meisten davon betroffen sind.

Die menschenfeindlichen Tendenzen der AfD

Diese Position des vermeintlichen Naturschutzwillens legt erneut die rassistischen und menschenfeindlichen Tendenzen der AfD offen. Diese versucht, wie sich unter anderem auch hier zeigt, unter dem Deckmantel des vermeintlichen Natur- und Umweltschutzes ihre migrationsfeindliche Politik voranzutreiben, gegen Zugewanderte und Geflüchtete zu hetzen und Naturschutz lediglich auf nationaler Ebene zu betreiben. Umweltschutz funktioniert jedoch nicht innerhalb der Grenzen von Nationalstaaten, sondern muss darüber hinaus gehen. Rechte Naturschützer verkennen die notwendige globale Perspektive, die beim Schutz der Umwelt, die keine Grenzen kennt, unabdingbar ist.

Ein komplexes Problem bedarf komplexer Lösungsansätze, die das einfache Nationale übersteigen und die Zusammenarbeit aller Länder erfordern. Das eigentliche Problem besteht in der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise, der ungerechten Verteilung von Reichtum und Ressourcen und dem übersteigerten Konsum und dem CO2-Ausstoß von Ländern des globalen Nordens, wie uns durch tägliche Schlagzeilen zum Klimawandel und den Earth Overshoot Day schmerzlich in Erinnerung gerufen wird.

Zum Thema:

19 Belege, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel leugnet.

Artikelbild: Spreefoto


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