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CDU-Tabubruch durch Merz: Ablenkung von der deutschen Schuld am Holocaust

von | Jan 28, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Nats Analyse

Nats Analyse: Tabubruch durch Merz

Wir müssen uns darüber unterhalten, was zur Hölle den rechten Flügel der CDU und insbesondere Friedrich Merz da gerade reitet, derartig auf den Tag der Befreiung von Auschwitz zu reagieren. Das ist aus meiner Außensicht selbst für konservative Kreise ein Tabubruch: das Ablenken von der deutschen Schuld an Auschwitz.

Screenshot twitter.com

Screenshot ntv.de

Schauen wir uns den Tweet von Merz einmal an. Was mir als Erstes ins Auge springt, ist, dass Auschwitz den „muslimischen Antisemitismus“ rahmt, schon optisch. Hashtag Auschwitz – muslimischer Antisemitismus  -Hashtag We remember. Das ist perfide. Das ist wortwörtlich Framing.

Er leitet uns also gedanklich zu Auschwitz und wir haben sofort die Bilder im Kopf. Die Rampe, die Gaskammer, die Gleise, all die menschlich kaum zu erfassende Grausamkeit. Dann wirft er Muslime in die Debatte. Und dann leitet er uns wieder zu Auschwitz. Was macht das?

Es verknüpft Auschwitz mit Muslimen.

Und damit lenkt es von den Schuldigen weg. Es suggeriert, dass ein „neues Auschwitz“ oder „etwas wie Auschwitz“ von „Muslimen“ ausgehen würde und dies eine reale Möglichkeit und Gefahr ist. „Muslime“ stehen in der Tradition der Täter von Auschwitz. Da steht auch einfach „muslimisch“, nicht einmal „politischer Islam“ oder irgendein anderer Code, sondern es wirft die Tradition von Auschwitz einfach allen Muslimen vor. Einzig die Zäsur 2015/16 darf nicht fehlen. Am Tag des Gedenkens der Befreiung von Auschwitz.

Er erwähnt „rechts“ auch. Es gibt eine rhetorische Regel in der politischen Kommunikation, die besagt, dass alles vor dem „aber“ hinfällig ist. „Das tut mir sehr leid, aber ich war sehr aufgebracht“ heißt, dass es einem nicht leid tut. Und genauso lese ich auch das „rechts“. „Nationalsozialismus“ oder „Deutschland“ kommen nicht einmal im Tweet vor. Die historischen Täter bleiben ungenannt. Von ihrer (ungebrochenen wie gebrochenen) Tradition im Hier und Jetzt wird schlicht abgelenkt. Sie wird neu zugeteilt auf eine marginalisierte gesellschaftliche Gruppe.

Eine Gruppe, die ohnehin quasi niemand mag und die unter rhetorischem Dauerbeschuss ist. Mit diesem rhetorischen Kniff sind sie keine Opfer, sondern werden zu Tätern gemacht. Wer mag sich schon für die einsetzen, die gerne ein neues Auschwitz hätten? Gleichzeitig nimmt es die, die wirklich ein neues Auschwitz wollen und ihre geistigen, sowie politischen Vorarbeiter_innen völlig aus der Diskussion. Als gäbe es keine Gefahr von der extremen Rechten. Oder als hätte diese keine Vernichtungs- und Reinheitsfantasien. Als würde die nicht morden.

Als wäre Halle nie passiert.

Ich bin wirklich erschrocken über die sprachliche Erosion. Ob wirklich aus Überzeugung oder aus Kalkül, weil sich politisches Kleingeld damit schlagen lässt tut nichts zur Sache. Es ist unwürdig. Es lenkt ab und weg von den Tätern und ihren politischen Nachkommen.



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