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Neonazismus & Neofaschismus in Deutschland von 1945 bis 1980 – Netzwerke, Strukturen, Verbindungen, Spender

von | Dez 28, 2021 | Aktuelles

Diese Recherche ist dem Antifaschisten und Gewerkschafter Hein Kolberg gewidmet.

Double Merssi Hein! – Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Aus einer Rede von Hein Kolberg 2010: „Liebe Freunde, es gibt nur einen Kampf, das ist die Gemeinsamkeit, über alle Parteien hinweg muss der Kampf gegen den neuen Faschismus geführt werden. In diesem Lande ist seit dem 8 Mai 1945 nicht mit dem verbrecherischen Nationalsozialismus abgerechnet worden. Ich bin 1946 dafür verprügelt worden, als ich als Gewerkschafter gegen Neugründungen von NS-Gruppierungen vorgehen wollte.“ – Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ in Aachen

Hein Kolberg wuchs in den 20er Jahren in einer Aachener Arbeiterfamilie auf. Bittere Armut und die zunehmend repressive Nazi-Diktatur prägten seine Kinder- und Jugendjahre. Er wurde in die Wehrmacht einberufen und kämpfte in Russland. Nach anderthalbjähriger Gefangenschaft kehrt er nach Aachen zurück. Aufgrund seiner Erfahrungen ist er politisch „links“ geworden und bis ins hohe Alter geblieben. Die Verbesserung der Situation arbeitender Menschen und die damit verbundene Gewerkschaftsarbeit waren sein Lebensthema.

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In tiefer Verneigung und Dank an das Apabiz, dem VVN-BDA,dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestags, dem Volksverpetzer Team und vielen Antifaschist:innen. Ein besonderer Dank an die Internationale antifaschistische Recherchegruppe FoiaResearch  und US-Antifaschisten (u.a. New York City Antifa).

Vorwort

In den letzten drei Jahren ist es schon fast eine Tradition, dass wir am Ende des Jahres, und zwar immer am dreißigsten Dezember eine Jahresende Recherche abliefern. Und auch diesmal wird es wieder um das Thema Neonazismus, und zwar ab dem Zeitraum 1945 gehen. Wir werden diese Recherche komplett chronologisch aufbauen. Die Ereignisse in Göttingen um Conny und Alex werden wir diesmal auch nochmal neu sortieren und als Teil dieser Recherche neu aufbauen.

Das neurechte Netzwerk der AfD Teil 3: Thorsten Heise und Björn Höcke

Wer die AfD verstehen will, der muss verstehen, welche Wege die Aktionsformen der tiefbraunen Parteienlandschaft genommen hat. Geändert hat sich vieles, aber es ist immer noch derselbe Weg den alle rechtsextremen Parteien gehen.

Das gesamte Neonazi-Netzwerk hinter der AfD: Verbindungen zu NSU, NPD & dem Lübcke-Mörder

Auch wenn die AfD aufgrund ihrer internen Strömungen nicht direkt als neonazistische Partei beschrieben werden sollte, so ergeben sich doch Netzwerke und Strukturen, die verschiedenen Ebenen mit neonazistischen Strukturen zusammenarbeiten.Vielfach sind es Strukturen, die auf den ersten Blick nichts mit der Partei zu tun haben, aber auf den zweiten Blick direkte Kontakte aufweisen.

Die AfD will nicht, dass ihr diese Fakten über ihre Netzwerke & Geldgeber teilt

Ob nun zum III Weg oder zur Partei – Die Rechte. Die Verbindungen sind ersichtlich, hier sei genannt das Holocaustleugnerzentrum Guthmannshausen, die Verehrung von Höcke zu Ursula Haverbeck, bis zu direkten Kontakten von AfD Personal zu Holocaustleugnern oder Rechtsextremisten.

Im ersten Teil der Recherche geht es aber um Neonazismus und Neofaschismus seit 1945 bis in die 80er Jahre.

Gerade dieser Zeitraum ist vielen vielleicht gerade nicht bewusst. Auch hier gab es NS-Gruppen die nachweislich auch Strategien entwickelten die auch bis heute von der AfD und anderen Parteien und Gruppierungen genutzt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1945-1949
    • Ausgewählte Seiten aus der Jüdischen Chronik von 1951 (Zur Gründung von NS-Nachfolgeorganisationen)
    • Das KIBITZ Programm
    • Walter Kopp
    • Schnez-Truppe
    • Organisation Gehlen/Der BND
    • FDP: Die Bruderschaft; Naumann Kreis; Gauleiter-Kreis; Hugo Stinnes
    • Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DReP)
    • Deutsche Partei (DP)
    • Sozialistische Reichspartei (SRP)
    • Witikobund
  • 1950er Jahre
    • Volksbund für Frieden und Freiheit e.V.
    • Das LCPROWL-Projekt
    • Interdoc
    • Wiking-Jugend
  • 1960er Jahre
    • Aginter Press
    • NPD
    • Dietmar Munier
  • 1970er Jahre
    • Aktion Neue Rechte
    • Kampfbund Deutscher Soldaten
    • DVU
    • Hansabande
    • Gary Lauck
    • Wehrsport (Wehrsportgruppe Hoffmann und weitere)

1945-1949

Die ersten neonazistischen, neofaschistischen und rechtsextremen Strukturen wurden schon nach dem 8 Mai 1945 wieder aufgebaut. Das ist die Erkenntnis dessen, was man auch zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland wissen muss.

Ausgewählte Seiten aus der Jüdischen Chronik von 1951, die sich u.a. mit der Wiedereinstellung von Nazis durch die Bonner Regierung befassen. Die Seiten 35ff. bieten eine kurze Einführung in die verschiedenen rechtsextremen Nachkriegsparteien in Deutschland.

Schon 1945-1946 wurden aktive Antifaschisten wie der Gewerkschafter und Antifaschist Hein Kollberg aus Aachen massiv daran gehindert, gegen neofaschistische und neonazistische Gruppierungen und Zusammenschlüsse vorzugehen.

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Wir haben direkt nach dem Krieg eine Situation, dass selbst Kriegsverbrecher vom CIA für Organisationen im Kampf gegen den Kommunismus gewonnen werden konnten. Aufgearbeitet wurde auch nur marginal der Organisation Gehlen. Auch die Verbindungen von Globke in den NS-Staat wurden unter anderem von der Adenauer Regierung verschwiegen, und Recherchen dazu unterbunden. Das ist die Ausgangslage für unsere Recherchen in dem wir diese Gruppen, Personen und Organisationen mithilfe von CIA Unterlagen belegen.

Das KIBITZ Programm

KIBITZ war ein CIA-Programm, das von der Karlsruher US-Basis aus geleitet wurde, um ein Stay-Behind-Netz in Deutschland zu entwickeln (1949-53).

Ein identifiziertes Teilprojekt war KIBITZ-15 net, das von Wehrmachtsoberstleutnant Walter Kopp geleitet wurde. Hans Rues und Eduard Woellner waren ebenfalls an der Operation beteiligt.

Research Aid: Cryptonyms and Terms in Declassified CIA Files Nazi War Crimes and Japanese Imperial Government Records Disclosure Acts – https://www.archives.gov/files/iwg/declassified-records/rg-263-cia-records/second-release-lexicon.pdf

Nato-Geheimdienstarmeen in Europa

Die NATO betrieb von 1947 bis 1991 ein geheimes Terrornetzwerk in Europa dessen hauptsächliches Ziel der Kampf gegen den Kommunismus war. Durch Anschläge dieser zivilen und militärischen Einheiten, konnten in einzelnen europäischen Staaten in den 1970ern das Kriegsrecht ausgerufen und Regierungen gestürzt werden. Außerdem dienten sie als als Legitimierung für unzählige Hausdurchsuchungen und Bespitzelungen von Linken (Telefone abhören, Observation, Inhaftierung etc.) in ganz Westeuropa. Westliche Geheimdienste die paramilitärische Untergrundarmeen aufbauen, sie mit Waffen versorgen, militärisch ausbilden und dann Terroranschläge ausüben lassen – was sich liest wie ein Polit- Krimi mit Hang zu Verschwörungstheorien, beschäftigte Anfang der 1990er neben dem Europäischen Parlament so ziemlich alle Parlamente der damaligen EU-Mitgliedsstaaten.

………..

Laut New York Times vom 10. Oktober 1952 wurden diese beiden Netzwerke vom CIA finanziert. In den beiden Organisationen sammelten sich ehemalige Wehrmachts- und SS-Angehörige, Neonazis und Konservative um sich für den »Fall X«, also eine Invasion der Warschauer-Pakt-Armeen, vorzubereiten. Sie legten z.B. so genannte schwarze Listen über bekannte Personen an um diese im »Fall X« zu eliminieren. Neben Mitgliedern der KPD fanden sich auf diesen Listen zahlreiche Sozialdemokraten, wie etwa Herbert Wehner, der Bremer Oberbürgermeister Wilhelm Kaisen, oder der damalige Innenminister Hessen Heinrich Zinnkann.

Im Mai 1950 schrieb Kopp einen Brief an den Hohen Kommissar John McCloy, in dem er erklärte, dass er und eine Gruppe befreundeter ehemaliger Reichswehroffiziere besorgt darüber seien, was im Falle einer russischen Invasion in Deutschland geschehen könnte, und sich den Amerikanern zur Verfügung stellen wollten. Das Angebot muss der CIA gefallen haben, denn Walter Kopp wurde zum Chefagenten des Stay-behind-Netzwerks KIBITZ gemacht.

Kopp wurde von seinen eigenen nordamerikanischen Vorgesetzten in CIA-Dokumenten, die im Juni 2005 veröffentlicht wurden, als „nicht rekonstruierter Nazi“ bezeichnet.

Im Jahr 1952 gab es 63 aktive Agenten, zumeist WT-Operatoren. Das KIBITZ-15-Netz wurde 1953 offiziell aufgelöst.

Liste der 63 Agenten im KIBITZ-15-Netz – Bildquelle https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/KOPP,%20WALTER%20VOL.%202_0026.pdf

Wer kennt wen im KIBITZ-15-Netz

KIBITZ-15 teams

Mitglieder

KIBITZ-11a: hatte Betriebserlaubnis; wurde im Dezember 1952 verworfen
KIBITZ-15: Kryptonym für Walter Kopp; zugehörige FOIA-Akten (179 Dokumente, Stand: Juni 2013)
KIBITZ-16: Kryptonym für Hans Rues; zugehörige FOIA-Akten (11 Dokumente, Stand: Juni 2013)
KIBITZ-17: Kryptonym für Eduard Woellner; zugehörige FOIA-Akten (13 Dokumente ab Juni 2013)
KIBITZ-109: Verantwortlich für die Entwicklung von KIBITZ-176; hatte eine allgemeine Idee hinter dem KIBITZ-15-Netz, kannte aber weder Personennamen noch Safehouses
KIBITZ 122, 123, 127, 136, 145, 150, 156, 161, 173, 177, 180, 182, 185, 190, 192, 197, 198, 199/200: Mitglieder des Netzes KIBITZ-15;8 meist WT-Betreiber6
KIBITZ-136 verheiratet mit der Schwester von KIBITZ-171, mit der er sich nicht gut verstanden hatte. Der Agent wurde im November 1952 wegen des vermuteten Sicherheitsrisikos durch Ims fallen gelassen.
KIBITZ-150: Walter Kopps Stellvertreter; verantwortlich für die Entwicklung von KIBITZ-187
KIBITZ-156: Vollständig ausgebildeter W/T-Operator
KIBITZ-171: Kryptonym für Horst Otto Herbert Ims; Walter Kopp trieb die Umsiedlung von Ims voran. Ims Schwester war mit KIBITZ-136 verheiratet. Der Agent war und die Entwicklung von KIBITZ-1095

CIA-Sitzungsprotokoll vom 30. Oktober 1952 – Quelle: https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/KOPP,%20WALTER%20VOL.%202_0005.pdf

KIBITZ-176: Keine persönlichen Daten;
KIBITZ-180: Vollständig ausgebildeter W/T-Operator
KIBITZ-182: Weiblich; Ausbildung zur Sekretärin für Walter Kopp?
KIBITZ-187: Keine Angaben zur Person; vor der Einsatzfähigkeit ausgeschieden; persönliche Bekanntschaft mit 150, der für die „Entwicklung“ zuständig war. Der Agent war laut Walter Kopp ein ehemaliger Wehrmachtssignalkorpsangehöriger als Triangulationsexperte und eine persönliche Kriegsbekanntschaft
KIBITZ-188: Keine persönlichen Daten, vor dem Einsatz abgeworfen; Der Agent wurde von Walter Kopp entwickelt und galt als W/T-Funker
KIBITZ-189: KIBITZ-201 war Adjutant von KIBITZ-189 in Bosnien während des Zweiten Weltkriegs; Charakterreferenz verfügbar
KIBITZ-190: PRQ Teil I, MGQ-A-522; PRQ Teil II, MGQ-A-523; vorläufige Einsatzfreigabe erhalten in MGQ-W-13629; volle Einsatzfreigabe gemäß WASH L9262 (10. Juli 1952); abgeworfen im Dezember 1952; kannte KIBITZ-137 und KIBITZ-171 (Ims)
KIBITZ-201: Kryptonym für Anton Dukavits; zugehörige FOIA-Akten (4 Dokumente, Stand Juni 2013); KIBITZ-201 war Adjutant von KIBITZ-189 in Bosnien im Zweiten Weltkrieg
KIBITZ-2216

KIBITZ-bezogene Projekte

DYCLIMB: Schulungsprogramm für das KIBITZ-Stay-Behind Programms
VULTURE: Vergraben/Verstecken der W/T-Ausrüstung des KIBITZ-Programms

Ressourcen

„Forschungshilfe: Cryptonyms and Terms in Declassified CIA Files Nazi War Crimes and Japanese Imperial Government Records Disclosure Acts“, National Archives and Records Administration, Juni 2007, http://www.archives.gov/iwg/declassified-records/rg-263-cia-records/second-release-lexicon.pdf.
Timothy Naftaly, „New Information on Cold War Stay-Behind Operations in Germany and on the Adolf Eichmann Case“, Universität von Virginia, http://www.fas.org/sgp/eprint/naftali.pdf.
Deklassierte Dokumente über KIBITZ (422 Dokumente, Stand: April 2019).

Walter Kopp

Kopp, Walter : K

Walter Kopp (Kryptonym: KIBITZ-15) war Oberstleutnant der Wehrmacht im Dritten Reich. Nach dem Krieg wurde er Leiter eines Stay-Behind-Netzes in Westdeutschland mit dem Codenamen KIBITZ-15 net, das ein Teilprojekt von KIBITZ war, einem CIA-Programm, das vom Stützpunkt Karlsruhe aus geleitet wurde und zum Ziel hatte, ein Stay-Behind-Netz in Deutschland aufzubauen (1949-53).

Im Mai 1950 schrieb Kopp einen Brief an den Hohen Kommissar John McCloy, in dem er erklärte, dass er und eine Gruppe seiner Freunde besorgt darüber seien, was im Falle einer russischen Invasion in Deutschland geschehen könnte, und sich den Amerikanern zur Verfügung stellen wollten. Das Angebot muss der CIA gefallen haben, denn Walter Kopp wurde zum Chefagenten des KIBITZ-Netzwerks ernannt.

Laut dem Geheimdienstspezialisten und Historiker Erich Schmidt-Eenboom:

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„Walter Kopp war in Bonn gut vernetzt, hatte aber vor allem hervorragende Beziehungen zu vielen kämpferischen Veteranenverbänden. Er hatte sich und Teile seines Netzwerkes bewaffnet. Wir hatten also die Situation, dass es ohne das offizielle Wissen der Adenauer-Regierung und ohne die offizielle Genehmigung des Vorgängers des Verteidigungsministeriums diese gefährliche paramilitärische Organisation gab. Und nicht einmal die amerikanischen Nachrichtendienste hatten diese Apparate vollständig unter Kontrolle.“

Die Operation KIBITZ war in Heidelberg stationiert und operierte unter dem Deckmantel einer Presseagentur namens Cosmo Press,(Stoll, „Die Schattenkrieger der NATO,“ 3:00.) wie ein Dokumentarfilm von Ulrich Stoll für das ZDF zeigt.

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In CIA-Dokumenten, die im Juni 2006 veröffentlicht wurden, wurde Walter Kopp von seinen eigenen nordamerikanischen Vorgesetzten als „unverbesserlicher Nazi “ und das KIBITZ-15-Netzwerk als „eine Gruppe mit Nazi-Tendenzen „ bezeichnet.

Im Mai 1953 wurde Kopps Vertrag mit der CIA „unter den freundlichsten Bedingungen“ gekündigt.

Literaturverzeichnis

Deklassierte CIA-Akten zu Walter Kopp (248 Dokumente, Stand: April 2019)

Schnez-Truppe

Nach Dokumenten, die der Bundesnachrichtendienst 2014 veröffentlicht hat, beschlossen 1949 rund 2000 Veteranen der Wehrmacht und der Waffen-SS, in Deutschland eine Geheimarmee namens Schnez-Truppe aufzubauen. Die Vorbereitungen wurden ohne Mandat der deutschen Regierung und ohne Wissen des Parlaments durchgeführt.

Ziel war es, das im Entstehen begriffene Westdeutschland in der Anfangsphase des Kalten Krieges gegen Angriffe aus dem Osten zu verteidigen. Die Stay-behind-Armee sollte im Falle eines Bürgerkriegs gegen die sowjetische Armee eingesetzt werden, wobei sie den Dokumenten zufolge 40.000 Kämpfer umfassen sollte.

Die Schnez-Truppe war Teil einer größeren Bewegung in Westdeutschland, die damals unter dem Codenamen Windhund-Bewegung firmierte und sich an den Abzeichen der 116. Panzerdivision. Gerhard von Schwerin, ehemaliger Kommandeur der Division, diente als Berater in militärischen und sicherheitspolitischen Fragen für die westdeutsche Regierung unter Adenauer. Westdeutschland, das zu dieser Zeit nicht bewaffnet war, war nach dem Ausbruch des Koreakrieges (1950-1953) besorgt über seine eigene Unfähigkeit, sich zu verteidigen. Das Hauptziel bestand darin, der Kasernierten Volkspolizei der DDR im Falle eines Korea-ähnlichen Szenarios eine Gegenmacht zur Seite zu stellen, falls der Osten angreifen sollte.

Nach damaligen Geheimdienstberichten verfügte die Kasernierte Volkspolizei über fast 1.300 Panzer, davon 47 schwere und 480 mittlere Kampfpanzer. Die Schnez-Truppe sollte vier Panzerdivisionen aufstellen, die im Falle eines rein deutschen Krieges zwischen Ost und West ohne Einmischung von außen zum Einsatz kommen sollten. Die Panzer für diese Panzerdivisionen hätten jedoch von der US-Armee gestellt werden müssen, da Westdeutschland zu dieser Zeit keine besaß und Schnez vor allem in Süddeutschland, insbesondere in Württemberg und Bayern, in der ehemaligen US-Besatzungszone aktiv war. Der Historiker Agilolf Keßelring kam zu dem Schluss, dass die Aktivitäten der Schnez mit ziemlicher Sicherheit den US-Geheimdiensten bekannt waren. Die Schnez-Truppe war bis auf Kompanieebene organisiert und bestand überwiegend aus Angehörigen ehemaliger deutscher Elite-Panzerdivisionen.

Aus freigegebenen Dokumenten geht hervor, dass die US-Geheimdienste mindestens seit 1952 über Schnez‘ Aktivitäten Bescheid wussten. Sie zeigen außerdem, dass Schnez Kontakte zum „Bund Deutscher Jugend“ und seinem paramilitärischen Arm, dem Technischen Dienst, unterhielt, die beide ehemalige Nazi-Offiziere zu ihren Mitgliedern zählten und sich auf einen Partisanenkrieg gegen die Sowjets vorbereiteten. Beide Gruppen, die von den Vereinigten Staaten heimlich finanziert wurden, wurden 1953 von der westdeutschen Bundesregierung als rechtsradikale Organisationen verboten. Aus einem freigegebenen CIA-Dokument geht hervor, dass die Tarnorganisation der Schnez-Truppe als Soldatenselbsthilfe in Süddeutschland, kurz Selbsthilfe, tätig war.

Die zentrale Figur der Geheimorganisation war Albert Schnez, der im Zweiten Weltkrieg als Oberst der Wehrmacht diente, bevor er in die Ränge der 1955 gegründeten westdeutschen Streitkräfte, der Bundeswehr, aufstieg. Ende der 1950er Jahre gehörte Schnez zum Gefolge des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß (CDU) und diente später als Chef der Bundeswehr unter Bundeskanzler Willy Brandt und Verteidigungsminister Helmut Schmidt (beide SPD).

Anton Grasser, ein ehemaliger Infanteriegeneral der Wehrmacht und nach dem Krieg Generalinspekteur der deutschen Polizei, kümmerte sich um die Waffen. 1950 begann er seine Laufbahn im Bundesinnenministerium in Bonn, wo er Generalinspekteur wurde und die Koordinierung der taktischen Einheiten der deutschen Polizei in den deutschen Bundesländern für den Kriegsfall leitete. Er wollte diese polizeilichen Mittel nutzen, um die Schnez-Truppe für den Ernstfall auszurüsten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der damalige Innenminister Robert Lehr über diese Pläne informiert worden wäre. Schnez organisierte auch den Straßentransport für seine Truppen durch Logistikunternehmen.

Das Projekt des Aufbaus einer Geheimarmee wurde auch von späteren Führungspersönlichkeiten der Bundeswehr unterstützt, darunter Adolf Heusinger, erster Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses von 1961 bis 1964, und Hans Speidel, Oberbefehlshaber der NATO-Bodentruppen in Mitteleuropa von 1957 bis 1963.Auch Albert Schnez stieg bis zum Generalinspekteur der Bundeswehr auf und ging schließlich 1971 in den Ruhestand, nachdem er zum Hindernis für die Streitkräftereform des damaligen Verteidigungsministers Helmut Schmidt geworden war.

Die meisten Mitglieder der Schnez-Truppe lebten in Süddeutschland. Eine Übersicht in den Unterlagen zeigt, dass Rudolf von Bünau, ein pensionierter Infanteriegeneral, von Stuttgart aus einen „Gruppenstab“ leitete. Weitere Untereinheiten gab es in Ulm (unter der Leitung von Generalleutnant a.D. Hans Wagner), Heilbronn (Generalleutnant a.D. Alfred Reinhardt), Karlsruhe (Generalmajor a.D. Werner Kampfhenkel), Freiburg (Generalmajor a.D. Wilhelm Nagel) und in vielen anderen Städten.

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Aus US-Dokumenten, die der Spiegel eingesehen hat, geht hervor, dass Schnez mit dem ehemaligen SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny verhandelt hat. Der SS-Offizier wurde während des Zweiten Weltkriegs zum Nazi-Helden, nachdem er eine erfolgreiche Mission zur Befreiung des abgesetzten italienischen Diktators Benito Mussolini durchgeführt hatte, der vom italienischen König inhaftiert worden war. Der ehemalige SS-Mann verfolgte ähnliche Pläne wie Schnez. Im Februar 1951 vereinbarten die beiden eine „sofortige Zusammenarbeit in der Region Schwaben“. Was genau aus dieser Vereinbarung geworden ist, ist bis heute unbekannt.

Die Schnez-Truppe sammelte Informationen über linke Politiker wie den Sozialdemokraten Fritz Erler, der nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich an der Reform der SPD beteiligt war, und bespitzelte Studenten wie Joachim Peckert, der später in den 1970er Jahren hoher Beamter an der westdeutschen Botschaft in Moskau wurde. Als Schnez 1951 dem deutschen Nachrichtendienst, der Organisation Gehlen, dem Vorgänger des Bundesnachrichtendienstes, die Dienste seiner Organisation anbot, lieferte er diese schwarzen Listen mit potenziell linksgerichteten Personen. In einem Fall wurde ein Angehöriger der Polizei als Halbjude profiliert.

Den Unterlagen zufolge erfuhr Bundeskanzler Konrad Adenauer erst 1951 von der Existenz der Schnez-Truppe und beschloss offenbar nicht, sie aufzulösen. Er informierte zwar führende Oppositionspolitiker über deren Aktivitäten, ordnete aber kein entschiedenes Vorgehen gegen Schnez an und scheute den Konflikt mit den Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Stattdessen wies er den Inlandsgeheimdienst an, die Organisation zu überwachen und in geringem Umfang finanziell zu unterstützen. Innerhalb der Organisation Gehlen erhielt die Schnez-Truppe den Decknamen „Unternehmen Versicherungen“.

Der breiten Öffentlichkeit in Deutschland war die Schnez-Truppe bis 2014 unbekannt, als der BND die Akten über sie freigab, nachdem sie 2011 wiederentdeckt worden waren. Die freigegebenen Akten wurden von dem deutschen Historiker Agilolf Keßelring, einem Enkel Albert Kesselrings, ausgewertet, der Teil einer unabhängigen Kommission zur Erforschung der frühen Geschichte des deutschen Nachrichtendienstes war. Er verfasste daraufhin ein Buch zum Thema und wertete die über 300 Seiten umfassenden Akten über die Schnez-Truppe im Archiv des BND in Pullach, Bayern, aus.

Die Schnez-Truppe kam nie an einen ähnlichen Status und eine ähnliche Struktur wie das Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg heran. Der deutsche Historiker Sven Felix Kellerhoff kam zu dem Schluss, dass die Organisation Teil der Vorgeschichte der Bundeswehr war. Nach Kellerhoffs Schlussfolgerung war die Organisation der deutschen Regierung, der deutschen politischen Opposition sowie den deutschen Geheimdiensten und den US-Behörden in Deutschland bekannt. Die Schnez-Truppe war ein politisches Risiko, aber angesichts des Fehlens einer einheimischen Verteidigungsfähigkeit in Westdeutschland eine notwendige Maßnahme, um der wahrgenommenen Bedrohung durch die kommunistische DDR zu begegnen.

Der BND

Der BND hat seine eigene Dynamik im Kreis des Neonazismus nach dem 8. Mai 1945, soviel sollte in diesem Bereich, wenn man es gelesen hat erkennen. Die Vorgänger Organisation Gehlen, sollte dem einen oder anderen sicherlich ein Begriff sein, wenn nicht, wird er sich wundern wie neonazistisch eine bundesdeutsche Behörde sein kann. Alle Unterlagen sind von der CIA veröffentlicht worden und via FOIA nach US-Recht einsehbar.

Die Anfänge des BND

Hermann Baun (* 17. Dezember 1897 in Odessa, Russisches Kaiserreich; † 17. Dezember 1951, Deutschland) war ein deutscher Abwehroffizier, der während des gesamten Russlandfeldzugs der Wehrmacht die frontnahe Spionage koordinierte und der erste Leiter der Organisation Gehlen war, dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Frühe Jahre

Baun wurde in Odessa als Sohn des Kaufmanns Carl und Wilhelmine Baun geboren. Für seine gymnasiale Ausbildung zog er nach Leipzig, wo er am 11. April 1916 die allgemeine Hochschulreife erlangte. Im Alter von 18 Jahren trat er in die deutsche Armee ein, wurde im Ersten Weltkrieg zum Infanterieoffizier ausgebildet und im Spätsommer 1917 zum Leutnant befördert. Er nahm an Einsätzen an der West- und Ostfront teil und war zuletzt als Nachrichtenoffizier in einem Armeeoberkommando für die Feindaufklärung zuständig.

Zwischenkriegszeit

Nach Kriegsende schied Baun aus dem Militärdienst aus und kehrte nach Odessa in der Ukraine zurück. Dort heiratete er am 5. Februar 1920 Irma Liebmann, mit der er fünf Jahre später einen Sohn bekam. Von 1921 bis 1929 arbeitete Baun im deutschen Konsulat in Odessa, wo er zunächst das Wohlfahrtsamt für Kriegsgefangene und zivile Gefangene leitete und Mitte 1922 Konsulatssekretär wurde. Anschließend war er bis 1937 an der deutschen Botschaft in Kiew, Ukraine, tätig, wo er zuletzt als Verwaltungsangestellter arbeitete.

Wehrmacht

Anschließend kehrte Baun nach Deutschland zurück und wurde am 1. Juli 1937 in die Wehrmacht übernommen. Nach einer sechsmonatigen Probezeit als Ergänzungsoffizier (E-Offizier) wurde er am 1. Januar 1938 fest angestellt und zum Hauptmann befördert. Vermutlich wegen seiner ausgezeichneten russischen und ukrainischen Sprachkenntnisse wurde er sofort in die Amtsgruppe Ausland/Abwehr versetzt. Dort arbeitete er in der Abteilung I im Referat I H Ost/Nord, das für die „Landstreitkräfte östlicher Feindstaaten im Norden“ zuständig war. Er wertete offene Quellen, russischsprachige Literatur und Presseartikel aus.

Im Jahr 1939 war er für Polen zuständig und wertete erbeutete polnische Geheimdienstdokumente aus. Um 1940 wurde er zum Major befördert und gleichzeitig Leiter des Russland-Referats in der Abteilung I. Im Juni 1941 wechselte Baun in die Nähe von Warschau und übernahm die Leitung der Abteilung „Walli I“. Sie hatte die Aufgabe, in Frontnähe Informationen zu sammeln, geplünderte Dokumente auszuwerten und Gefangene zu befragen. Dort liefen alle feindlichen Informationen über die Ostfront zusammen. Der wesentliche Nutzer der Walli I-Nachrichten war die Abteilung Fremde Heere Ost (FHO). 1943 wurde Walli I Teil der FHO, die seit April 1942 von Reinhard Gehlen geleitet wurde, und wurde der Abteilung unterstellt. Ein offizielles Gutachten aus dem Jahr 1943 weist Baun als Schlüsselfigur des geheimen Nachrichtendienstes gegen Russland aus.

Schaubild der Hierarchie innerhalb der Fremden Heere Ost ab September 1944, mit Reinhard Gehlen und seinem Adjutanten Gerhard Wessel an der Spitze. Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes boten Gehlen und seine Konsorten den USA Zugang zu den Geheimdienstarchiven der FHO sowie zu seinem antikommunistischen Spionagenetz in der Sowjetunion an. In der Folge wurde Gehlen zum Leiter der Organisation Gehlen ernannt, dem Vorläufer des heutigen deutschen Auslandsgeheimdienstes „Bundesnachrichtendienst“ (BND), der zunächst ausschließlich aus ehemaligen FHO-Mitarbeitern bestand.

Bauns Frau Irma und andere Familienmitglieder kamen 1945 bei dem Bombenangriff auf Dresden ums Leben. Am 4. April 1945 trafen sich Baun und sein Adjutant Graber mit Gehlen und dessen Stellvertreter Gerhard Wessel in Bad Elster. Sie kamen überein, den Amerikanern nach Kriegsende wichtiges Personal und Material zur Verfügung zu stellen. Dieses Treffen wird auch als „Pakt von Bad Elster“ bezeichnet. Sie gaben allen FHO-Mitgliedern den Decknamen „Fritz“, den Abwehrmitgliedern „Otto“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Am 29. Juli 1945 stellte sich der damalige Oberstleutnant Baun in Hinterberg bei Sonthofen freiwillig den Amerikanern und wurde bis September 1945 im Allgäu gefangen gehalten. Die Amerikaner, die gezielt nach Baun gesucht hatten, erhofften sich von ihm profunde Kenntnisse über die Sowjetunion, die Rote Armee und Kontakte zu intakten Agentennetzen. Gehlen und andere FHO-Mitglieder („Fritz“) wurden in die USA gebracht, wo sie ausgiebig verhört wurden. Das erste Vorverhör von Baun fand am 16. August 1945 im Vernehmungszentrum der 3. US-Armee in Freising bei München statt. Am 20. September 1945 wurden Gehlen und drei Mitarbeiter aus der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland in die USA ausgeflogen, um als Spione für die US-Regierung zu arbeiten.

Am 10. Oktober 1945 präsentierte Baun den Amerikanern ein von ihm entwickeltes Konzept für eine Spionage- und Gegenspionageorganisation (Codename: Keystone). Im November 1945 reiste Baun durch die amerikanische Besatzungszone, um ehemalige Mitarbeiter der Abwehr („Otto“) zu suchen. Sie wurden in einem kleinen Hotel in Oberursel untergebracht, in der Nähe des US-Militärnachrichtendienstzentrums im Camp King, Oberursel. Am 10. Dezember 1945 erteilte das US-Kriegsministerium eine Genehmigung für Spionagetätigkeiten der „Gruppe Baun“. Der Brigadegeneral Edwin L. Sibert, G2 der United States Forces European Theater, war direkt für den Einsatz von Baun verantwortlich. Sibert fasste „Fritz“- und „Otto-Mitglieder“ in der sogenannten „Organisation X“ zusammen.

Nach Angaben von Giles Scott-Smith1:

Im Sommer 1945 versuchten der G-2-Offizier John Boker und sein Vorgesetzter General Sibert, die „Operation X“ einzuleiten, damit sich Gehlens Gruppe wieder zusammenfinden und zeigen konnte, was sie zu leisten imstande war. Als Gehlen und sechs andere plötzlich nach Washington geflogen wurden, um im Hauptquartier des US-Armee-Nachrichtendienstes verhört zu werden, fuhr Sibert damit fort, andere Mitarbeiter von Gehlen und ehemalige Angehörige der Abwehr (des deutschen militärischen Nachrichtendienstes) im US Detention and Interrogation Center in Oberursel zusammenzubringen. Aus der Operation X wurde die Operation Rusty. Nach Siberts Abreise 1946 behielt der G-2-Apparat über seine Verbindungsoffiziere John Deane und Eric Waldman seine Kontrolle über die Gehlen-Organisation.

Anfang 1946 konzentrierte sich Baun auf die Spionageabwehr, um die sowjetische Spionage in der amerikanischen Besatzungszone aufzudecken. Alfred Bentzinger wurde von Baun mit dem Aufbau der „Dienststelle 114“ in Karlsruhe beauftragt.

Ab dem 1. April 1946 wurde der Schwerpunkt auf die militärische Aufklärung in der sowjetischen Besatzungszone verlagert. Dieses Datum war auch der offizielle Startschuss für die „Operation Rusty“, den Aufbau der Keimzelle eines zukünftigen deutschen Geheimdienstes, dessen erster Leiter Baun war. Baun (Deckname: „Berndt“) bezog beim Aufbau der Organisation zunächst lose ehemalige Strukturen der Frontaufklärung der Wehrmacht gegen die Sowjetunion ein, für die er im Zweiten Weltkrieg verantwortlich gewesen war. Er baute einen Stab unter seiner Leitung sowie mehrere zentral organisierte Abteilungen auf. Der Stab war in einem eigenen Bereich innerhalb des U.S. Military Intelligence Service Center in Camp King, Oberursel, untergebracht. Nach August 1946 wurde der Beschaffungsstab in ein ehemaliges Hotel im 15 Kilometer entfernten Schmitten (Deckname: „Dustbin“) verlegt.2 Bei der personellen Besetzung stützte sich Baun vor allem auf ehemalige Angehörige der Abwehrzentrale „Walli I“. Die Auswertungsabteilung des Stabes unter der Leitung von Gustav-Adolf Tietze analysierte die von den Feldorganisationen beschafften Berichte nach Neuigkeitswert und Glaubwürdigkeit. Die Überprüfung wurde in vier Themenbereiche unterteilt: Militär, Wirtschaft, Politik und Spionageabwehr/Abwehrspionage.3

Im Spätsommer 1946 hatte er 124 Vollzeitmitarbeiter (keine Quelle). Die Reaktivierung alter Agentennetze der Abwehr und Walli I gelang jedoch nicht. Die wichtigsten Informationsquellen waren Verhöre von zurückkehrenden Kriegsgefangenen und Flüchtlingen. Hinzu kam eine bescheidene Fernmeldeaufklärung.4

Gehlen kehrte im Juli 1946 aus den USA zurück und wurde in die Operation Rusty integriert. Mit ihm wurde die Operation Rusty um eine Auswertungskomponente erweitert, die er leitete.

Kevin Ruffner liefert in Eagle and Swastika die folgende Beschreibung der Operation Rusty: CIA and Nazi War Criminals and Collaborators5:

Im Sommer 1946 schickte die Armee General Gehlen und die übrigen FHO-Mitglieder nach Deutschland zurück. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Oberstleutnant John R. Deane, Jr., der Einsatzoffizier des Military Intelligence Service Center, seine Pläne, Gehlens BOLERO-Gruppe mit Bauns bereits bestehendem Stab, bekannt als KEYSTONE, zusammenzulegen. Gehlen sollte die Funktionen beider Teile der deutschen Organisation koordinieren, während er die direkte Verantwortung für die Intelligence Group trug, die wirtschaftliche, militärische und politische Berichte auswertete, die von Agenten der Information Group von Baun erhalten wurden. Die Armee bezeichnete die gesamte Organisation als Operation RUSTY, die unter der Gesamtaufsicht von Oberst Russell Philp, Oberstleutnant John R. Deane, Jr. und Hauptmann Eric Waldman stand, die Gehlens Rückkehr aus Washington nach Deutschland vorausgegangen waren.

Im Februar 1947 übernahm Gehlen die Gesamtleitung der Operation Rusty, aber Baun blieb bis April 1947 für die Beschaffung zuständig. Das Verhältnis zwischen Gehlen und Baun verschlechterte sich zusehends, so dass Gehlen offenbar sogar erwog, Baun zu töten. DieWelt schreibt dazu6:

„Warum bringen Sie Baun nicht um, wenn Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren können?“ Nach dem Tagebuch von Gerhard Wessel sagte Reinhard Gehlen dies im März 1948 zu seinem Vertrauten und Stellvertreter. … Weil Gehlen die ehemaligen Mitarbeiter von Bauns Leitstelle dringend für den Aufbau seiner „Organisation Gehlen“ benötigte, musste er mit dem charismatischen, aber schwierigen Offizier zusammenarbeiten. Baun wiederum war durchaus kooperationsbereit, „hatte aber andere Vorstellungen von einem deutschen Nachrichtendienst gegen den Osten“, sagt der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller.

Baun wurde schließlich von Gehlen abgesetzt und sollte sich fortan mit der Aufklärung gegen die Sowjetunion (Tiefenaufklärung / strategische Aufklärung) befassen. Die Aktivitäten sollten im Nahen Osten angesiedelt werden, weshalb Baun Ende 1948 seine Abreise nach Teheran vorbereitete. Am 31. Januar 1950 verließ er die Organisation Gehlen. Am 17. Dezember 1951 starb Baun an seinem 54. Geburtstag an den Folgen einer Krebserkrankung.

Bibliography
  • Kevin C. Ruffner (Ed.), Forging an Intelligence Partnership: CIA and the Origins of the BND, 1945-49, CIA History Staff, Center for the Study of Intelligence, 1999, https://archive.org/stream/GermanNaziAndJapaneseWarCrimesDisclosureFinalReport2007/Nazi-War-Crimes-Disclosure_Forging-A-Partnership_CIA-and-BND_Volume-1-intro.
  • Magnus Pahl, „Hermann Baun (1897-1951) – Failed Spy Chief,“ in Helmut Müller-Enbergs, Armin Wagner (eds.), Spies and Intelligence Traders – Intelligence Careers in Germany 1939-1989 (Berlin: Ch. Links Verlag, 2016), ISBN 978-3-86153-872-1, pp. 38-77.
  • Thomas Wolf, The Making of the BND. Aufbau, Finanzierung, Kontrolle (= Jost Dülffer et al. (Ed.), Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968. vol. 9) (Berlin: Ch. Links Verlag, 2018), ISBN 978-3-96289-022-3.
Dokumentationen in US-Archiven

Dokumente zu Kevin C. Ruffner (Hrsg.) – Forging an Intelligence Partnership: Die CIA und die Anfänge des BND, 1945-49 (Mai 2002)

Im Jahr 2005 hat das US National Security Archive unter der Überschrift „The CIA and Nazi War Criminals“ eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, die die Entstehung deutscher Geheimdienste mit Hilfe von US-Geheimdiensten skizzieren, darunter „relevante Dokumente der CIA, des Army Intelligence und der CIA-Vorgängerorganisationen“. Die Dokumente wurden im Zuge der Recherchen für die agenturinterne Publikation „Forging and Intelligence Partnership“ gesammelt: CIA and the Origins of the BND, 1945-49, herausgegeben von Kevin C. Ruffner aus dem Jahr 1999, die im Mai 2002 im Rahmen des Nazi War Crimes Disclosure Act (NWCDA) veröffentlicht wurde:

Heute veröffentlichte das National Security Archive die geheime dokumentarische Geschichte der CIA über die Beziehungen der US-Regierung zu General Reinhard Gehlen, dem Geheimdienstchef der deutschen Armee an der Ostfront während des Zweiten Weltkriegs. Nach Kriegsende baute Gehlen eine enge Beziehung zu den USA auf und konnte sein Geheimdienstnetz (aus dem schließlich der westdeutsche BND hervorging) erfolgreich aufrechterhalten, obwohl er zahlreiche ehemalige Nazis und bekannte Kriegsverbrecher beschäftigte. Der Einsatz von Gehlens Gruppe, so die CIA-Geschichte Forging an Intelligence Partnership: CIA and the Origins of the BND, 1945-49, ein „zweischneidiges Schwert“, das „die Propagandabemühungen des Warschauer Paktes förderte“ und „verheerenden Durchdringungen durch den KGB ausgesetzt war“.

Band 1: Einleitung

Band 1: Teil I – Berichte aus erster Hand

  • Dokument 1: Erklärung von Gerhard Wessel zur Entwicklung der deutschen Organisation [undatiert]
  • Dokument 2: Erklärung von General Winder über die Geschichte der Organisation [ohne Datum].
  • Dokument 3: Erklärung von Hans Hinrichs zur Frühgeschichte der Organisation [undatiert]
  • Dokument 4: Erklärung von Heinz Danko Herre. 8. April 1953.
  • Dokument 5: Erklärung von General Gehlen zur Geschichte von Walter Schellenberg (Widerstand nach der Niederlage) [ohne Datum].
  • Dokument 6: Bericht über die ersten Kontakte mit General Gehlens Organisation von John R. Boker, Jr. 1. Mai 1952.
  • Dokument 7: Erklärung von Oberstleutnant Gerald Duin zu den ersten Kontakten mit der Organisation Gehlen [undatiert]
  • Dokument 8: Bericht über ein Gespräch mit General Edwin L. Sibert über die Organisation Gehlen. 26. März 1970.
  • Dokument 9: Nachbesprechung von Eric Waldman über die Treuhänderschaft der US-Armee für die Organisation Gehlen in den Jahren 1945-1949. 30. September 1969.

Band 1: Teil II – Stunde Null

  • Dokument 10: Vernehmungszentrum der Siebten Armee, „Notizen über die Rote Armee – Nachrichtendienst und Sicherheit“. 24. Juni 1945.
  • Dokument 11: Hauptquartier, Third Army Intelligence Center, Vorläufiger Vernehmungsbericht, Baun, Hermann. 16. August 1945.
  • Dokument 12: Captain Owen C. Campbell, Evaluation Section, an Oberstleutnant Parker, unter Beifügung der Vernehmungsberichte Nr. 5724 und 5725. 29. August 1945.
  • Dokument 13: Crosby Lewis, Leiter der deutschen Mission. 25. Oktober 1945.
    .

Band 1: Teil III – Der Vandenberg-Bericht

  • Dokument 14: SAINT, AMZON an SAINT, Washington, „Russische Experten des deutschen Geheimdienstes“. 8. Januar 1946.
  • Dokument 15: Hauptquartier, US Forces European Theater (USFET), Military Intelligence Service Center (MISC), „Operation of the Blue House Project“. 11. Mai 1946.
  • Dokument 16: Hauptquartier, USFET, MISC, CI Consolidated Interrogation Report (CI-CIR) Nr. 16, „Deutsche Methoden zur Bekämpfung des sowjetischen Geheimdienstes“. 3. Juni 1946.
  • Dokument 17: Hauptquartier, USFET, MISC, Lt. Col. John R. Deane, Jr. an Assistant Chief of Staff, G-2, USFET, „Plan for the Inclusion of the Bolero Group in Operation Rusty“. 2. Juli 1946.
  • Dokument 18: Lewis an Chef, Auslandsabteilung M (FBM), „Operation KEYSTONE“. 9. September 1946, mit Beilage von Lewis an Brigadegeneral Sibert, G-2, 6. September 1946.
  • Dokument 19: Generalmajor W.A. Burress, G-2, an Generalleutnant Hoyt S. Vandenberg, Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes, „Operation RUSTY – Nutzung der Ostabteilung des ehemaligen deutschen Nachrichtendienstes.“ Mit Anhängen. 1. Oktober 1946.
  • Dokument 20: Lewis an Richard Helms, Acting Chief of FBM, 8. Oktober 1946, in der Anlage Lewis an Donald H. Galloway, Assistant Director for Special Operations, 22. September 1946.
  • Dokument 21: Entwurf an Deputy A, „Operation Rusty“. 16. Oktober 1946.
  • Dokument 22: Galloway an DCI, „Operation Rusty“, 17. Oktober 1946, mit Beilage von Heidelberg Field Base an Chief, IB, „Agent Net Operating in the Bamberg Area“, mit Anhang, 17. September 1946.
  • Dokument 23: DCI an Generalmajor Stephen J. Chamberlin, Direktor des Nachrichtendienstes, Kriegsministerium, „Operation Rusty-Use of the Eastern Branch of the Former German Intelligence Service“, 20.
  • November 1946, mit Beilage Burress an Vandenberg, „Operation RUSTY-Use of the Eastern Branch of the Former German Intelligence Service“, 1. Oktober 1946.
  • Dokument 24: Oberst W.W. Quinn an Galloway, „Operation RUSTY“, 19. Dezember 1946.
  • Dokument 25: Helms, Memorandum für das Protokoll, „Operation RUSTY“. 19. Dezember 1946.

Band 1: Teil IV – Der Bossard-Bericht

  • Dokument 26: Kabel, Special Operations an [ausgeschnitten]. 31. Januar 1947.
  • Dokument 27: Telegramm, SO an [ausgeschnitten]. 10. Februar 1947.
  • Dokument 28: Oberstleutnant Deane an den deutschen Leiter der Operation RUSTY, „Zuweisung von Verantwortlichkeiten“, 25. Februar 1947.
  • Dokument 29: Kabel, SO nach Frankfurt. 6. März 1947.
  • Dokument 30: Telegramm, Heidelberg an SO. 11. März 1947.
  • Dokument 31: Bericht, „Operation KEYSTONE“. 13. März 1947.
  • Dokument 32: Telegramm, SO an Heidelberg. 14. März 1947.
  • Dokument 33: Samuel Bossard an [Galloway]. 17. März 1947.
  • Dokument 34: Memorandum an Helms, „American Intelligence Network“, mit Anhang. 18. März 1947.
  • Dokument 35: Bossard an [gestrichen] Leiter der deutschen Mission. 20. März 1947.
  • Dokument 36: Kabel, Heidelberg an SO, 21. März 1947.
  • Dokument 37: Bericht, „American Intelligence in Bayern“. 29. März 1947.
  • Dokument 38: SC, AMZON an FBM für SC, Washington, „KEYSTONE: LESHCINSKY.“ March 31, 1947.
  • Dokument 39: Memorandum an [Galloway] und Bossard, „Evaluation of RUSTY CI Reports“, mit Anhängen. 1. April 1947.
  • Dokument 40: Kabel, Heidelberg an SO. 8. April 1947.
  • Dokument 41: [Bossard] an [Galloway]. 5. Mai 1947.
  • Dokument 42: Bossard an DCI, „Operation Rusty“. 29. Mai 1947.
  • Dokument 43: Galloway an DCI, „Operation RUSTY“, 3. Juni 1947, mit Beilage von Bossard an DCI, „Operation Rusty“, mit Anhängen, 29. Mai 1947.
  • Dokument 44: Memorandum für [nicht näher bezeichnet], „Operation RUSTY“, mit Anhang, [undatiert]
  • Dokument 45: DCI an Außenminister, u.a., „Operation Rusty“, [undatiert], mit Anlage „Memorandum über Operation RUSTY“, 6. Juni 1947.
  • Dokument 46: Kabel, Central Intelligence Group an ACS, G-2, European Command, 5. Juni 1947.
  • Dokument 47: Telegramm, EUCOM an CIG, 6. Juni 1947.
  • Dokument 48: Galloway, Bossard, Memorandum für das Protokoll, 20. Juni 1947.
  • Dokument 49: Brigadegeneral E.K. Wright, Memorandum für das Protokoll, 20. Juni 1947.
  • Dokument 50: Galloway, Bossard, Helms, „Bericht über das Treffen im Kriegsministerium am 26. Juni 1947“. 26. Juni 1947.
  • Dokument 51: Bossard, „Auf Ersuchen von General Chamberlin ausgearbeitete Empfehlungen zu Händen von General Walsh“. 27. Juni 1947.
  • Dokument 52: Kabel, SO an Heidelberg, 27. Juni 1947.
  • Dokument 53: Telegramm, SO an Heidelberg, 27. Juni 1947.
  • Dokument 54: Telegramm, Heidelberg an SO, 25. Juli 1947.
  • Dokument 55: Stationschef, Heidelberg an FBM, „RUSTY“. 1. Oktober 1947.
  • Dokument 56: Hauptquartier, Erster Militärbezirk, US Army, General Orders Number 54, „Organization of 7821st Composite Group“. 1. Dezember 1947.

Band 2: Einleitung

Band 2: Teil V – Der Critchfield-Bericht

  • Dokument 57: Chief of Station; Heidelberg an Chief, FBM, „Russischer Zeitungsangriff auf amerikanische Geheimdienstaktivitäten“, mit Anhang. 6. Februar 1948.
  • Dokument 58: Memorandum an Helms, „Operation RUSTY“, 18. März 1948.
  • Dokument 59: Helms an ADSO, „Rusty“, 19. März 1948.
  • Dokument 60: Chief, Foreign Broadcast Information Branch an ADSO, „PRAVDA Report of US Spy Group in USSR Zone of Occupied Germany“. 30. März 1948.
  • Dokument 61: Chef, FBIB an ADSO, „PRAVDA-Bericht der US-Spionagegruppe in der UdSSR-Zone des besetzten Deutschlands“. 31. März 1948.
  • Dokument 62: Chief, Munich Operations Base an Acting Chief of Station, Karlsruhe, „Rusty“. 7. Juli 1948.
  • Dokument 63: Stellvertretender Chef, Einsatzzentrale Karlsruhe an Chef, FBM, „RUSTY“. 19. August 1948.
  • Dokument 64: DCI an Chamberlin, 31. August 1948.
  • Dokument 65: Stationschef, Karlsruhe an Chef, FBM, „RUSTY“. 15. Oktober 1948.
  • Dokument 66: Kabel, SO an Karlsruhe, 27. Oktober 1948.
  • Dokument 67: [Helms] an COS, Karlsruhe, „RUSTY“. 2. November 1948.
  • Dokument 68: [ausgeschnitten] an COS, Karlsruhe, „RUSTY“. 18. November 1948.
  • Dokument 69: Chef, MOB [Critchfield] an Chef, FBM, „Zweiwöchentlicher Brief“, (Auszüge), 4. Dezember 1948.
  • Dokument 70: Kabel, SO nach Karlsruhe, 14. Dezember 1948.
  • Dokument 71: Telegramm, Karlsruhe an SO, 17. Dezember 1948.
  • Dokument 72: Chief, MOB [Critchfield] an Chief, OSO, „Report of Investigation-RUSTY“, mit Anhängen, (Auszüge), 17. Dezember 1948.
  • Dokument 73: Galloway an DCI, „Empfehlungen in Bezug auf die Operation Rusty“. 21. Dezember 1948.
  • Dokument 74: Kabel, SO nach München, Karlsruhe. 22. Dezember 1948.
  • Dokument 75: Chef, FBM an COS, Karlsruhe, „Operation Rusty“. 24. Dezember 1948.
  • Dokument 76: Chef, FBM an COS, Karlsruhe, „Operation Rusty“, 28. Dezember 1948, unter Beifügung von DCI an Maj. Gen. William E. Hall, USAF, „Operation Rusty“. 22. Dezember 1948.

Band 2: Teil VI – Ein Jahr der Beschlüsse

  • Dokument 77: Generalmajor S. LeRoy Irwin an DCI, „Operation ‚RUSTY'“. 19. Januar 1949.
  • Dokument 78: Helms, Memorandum für die Akten, „Operation Rusty“. 1. Februar 1949.
  • Dokument 79: Chef, FBM an COS, Karlsruhe, „[Organisation Gehlen]“, 2. Februar 1949.
  • Dokument 80: Kabel, SO nach Karlsruhe. 8. Februar 1949.
  • Dokument 81: Kabel, SO nach Karlsruhe. 9. Februar 1949.
  • Dokument 82: Chef, FBM an COS, Karlsruhe, „[Organisation Gehlen]“, 9. Februar 1949.
  • Dokument 83: Chief, FBM an COS, Karlsruhe, [ohne Titel], 10. Februar 1949, unter Beifügung von Alan R McCracken, ADSO, an Irwin, „Operation Rusty“. 9. Februar 1949.
  • Dokument 84: [Critchfield] an Chief, FBM, „Brief an General Hall“, mit Anlagen, 10. Februar 1949.
  • Dokument 85: [Critchfield] an Chef, FBM, „[Organisation Gehlen]: Verfahren für den Umgang mit Geldern. 14. März 1949.
  • Dokument 86: Kabel, SO nach Karlsruhe, 16. März 1949.
  • Dokument 87: [Critchfield] an Chef, FBM, „[Organisation Gehlen]: Aktuelle finanzielle Situation.“ 21. März 1949.
  • Dokument 88: Executive Officer an Chief of Operations und Chief, FBM, „[Organisation Gehlen]“, 1. April 1949.
  • Dokument 89: [Critchfield] an Chef, FBM, „[Organisation Gehlen]: Aktuelle Situation.“ 18. April 1949.
  • Dokument 90: Robert A. Schow, ADSO an Direktor, CIA, „EUCOM-Unterstützung für die 7821 Composite Group (Operation Rusty)“, 21. April 1949.
  • Dokument 91: [Critchfield] an COS, Karlsruhe, „Organisation und individuelle Sicherheitsprobleme des [Gehlen-Organisations-]Stabes“, 4. Mai 1949.
  • Dokument 92: Hauptquartier, EUCOM an Stabschef, US Army Director of Intelligence, 6. Juni 1949.
  • Dokument 93: [Critchfield] an Chef, FBM, „Grundsatzvereinbarung mit [Organisation Gehlen]“, 13. Juni 1949.
  • Dokument 94: [Critchfield] an Chief, FBM, „[Gehlen Organization] General Policy,“ mit Anlagen, 7. Juli 1949.
  • Do kument 95:[Critchfield] an Chief, FBM, „Basic Considerations in Reviewing the Concept and Mission of [Gehlen Organization]“, 21. September 1949.
  • Dokument 96: [Critchfield] an Chief, FBM, „[Organisation Gehlen] – Schneider’s Negotiations with Third Parties“, 22. September 1949, mit Beilage von [Critchfield] an Dr. Schneider, „The Coordination and
  • Control of Negotiations with German Political and Economic Circles and Representatives of Western European Intelligence Services“, 20. September 1949.
  • Dokument 97: [Critchfield] an Chief, FBM, „Dr. Schneider’s Reply to Recent Policy Guidance Letters“, mit Beilagen, 12. Oktober 1949.

Liste der BND-Tarnfirmen ab 1956

Ausführliche Liste der BND-Tarnfirmen (CIA-Kryptonym: CATIDE).

FDP: Die Bruderschaft; Naumann Kreis; Gauleiter-Kreis; Hugo Stinnes

Die Bruderschaft, und als Fortführung der Naumann-Kreis, bildeten den am meisten Aufsehen erregenden geheimbündlerisch organisierten Versuch von Faschisten, unter guten Beziehungen zu Wirtschaftskreisen, neofaschistische Konzepte in die Tagespolitik der noch jungen Bundesrepublik einzubringen.

„Ob man eine liberale Partei am Ende in eine NS-Kampfgruppe umwandeln […] kann, möchte ich bezweifeln, wir müssen es aber auf einen Versuch ankommen lassen. […] Gäbe es keine FDP, müßte sie noch heute gegründet werden.“

Nicht unerwähnt wollen wir aber das Thema der Jungdemokraten in dieser Zeit benennen. Denn Leute wie Gerhard Baum und auch viel früher Hildegard Hamm-Brücher haben sich klar gegen die NS Netzwerke in der FDP gestellt. Wir wollen dies Thema nicht unter den Tisch kehren, denn es ist sehr wichtig, dass hier endlich auch von der FDP eine absolut richtige Aufarbeitung ihrer neonazistischen und neofaschistischen NS Vergangenheit betrieben wird.

Ohne die Erinnerung können wir unsere Demokratie nicht retten. – Hildegard Hamm-Brücher

Das gleich gilt aber auch für die CDU und SPD und auch hier werden wir die Strukturen im Nachkriegsdeutschland erklären und aufzeigen. Die Zeiten in denen man sich „verstecken“ kann und zu diesem Thema der Aufarbeitung schweigt, sind endgültig vorbei. Der Faschismus muss benannt werden. Er hätte aber schon ab dem 8 Mai 1945 benannt werden müssen. Viel zu lange haben auch Politiker der FDP versucht sich reinzuwaschen von ihrer abscheulichen NS Tätigkeit.

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Gründung: 1945

Auflösung: 1953

Funktionäre: Werner Naumann, Alfred Franke-Gricksch, Karl Kaufmann, Dr. Ernst Achenbach, Siegfried Zoglmann

Die Bruderschaft bildete sich bereits 1945/46 um Helmut Beck-Broichsitter und Alfred Franke-Gricksch in einem britischen Kriegsgefangenenlager als ein Netz von »Zellen« heraus.

Helmut Beck-Broichsitter und die Bruderschaft:

1945/46 entstand in einem britischen Kriegsgefangenenlager unter der Führung von Beck-Broichsitter ein Zusammenschluss ehemaliger Angehöriger der Division Großdeutschland, welche nach der Entlassung Beck-Brochsitters aus der Kriegsgefangenschaft ab Juli 1949 offiziell als „Bruderschaft“ firmierte. Beck-Broichsitter war mindestens seit 1949 neben Alfred Franke-Gricksch Organisationsleiter dieser „Bruderschaft“, als Zusammenschluss ehemaliger Offiziere und Soldaten. Deren Wirkungsbereich reichte zunächst kaum über Hamburg hinaus. Nachdem 1949 in der Auslandspresse erste Berichte über die „Bruderschaft“ erschienen, die als „verschworene Generalsclique mit großdeutschen, neofaschistischen Machtbestrebungen“ dargestellt wurde, übernahmen deutsche Zeitungen die Meldungen und machten diese Vereinigung damit öffentlich bekannt.Im Februar 1951 kam es zum Zerwürfnis innerhalb der Organisation, da Beck-Broichsitter als bezahlter Informant für den Nachrichtendienst gearbeitet hatte. Er trat wie einige andere aus der Bruderschaft aus und gründete die Bruderschaft Deutschland. In der Folge suchte Beck-Broichsitter die Nähe zur rechtsextremistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) und deren Vorsitzendem Fritz Dorls.So konnte er 1951 als unabhängiger Kandidat für die SRP kandidieren. Es kam aber auch hier zum Zerwürfnis. In der Folge gelang es aber Beck-Broichsitter, weitere Unterstützer an seine Bruderschaft zu binden. So war im April 1951 der Anwalt Ernst Achenbach in den Bruderrat aufgenommen worden. Seine Aktivitäten gingen sogar soweit, dass er für seine Bruderschaft einen eigenen Nachrichtendienst aufbauen wollte. Hiermit hatte er einen ehemaligen Major aus Münster beauftragt. Die Ostkontakte von Beck-Broichsitter wurden bekannt. Bereits seit längerem war er in Kontakt mit Walter Lehweß-Litzmann und einem sowjetischen Agenten aus Lübeck. Damit wurde Beck-Broichsitter für die Bruderschaft Deutschland untragbar und ein Beschluss der Bruderschaft zwang ihm zum Austritt. Sein Nachfolger wurde der ehemalige SS-Brigadeführer Walter Schröder.

Alfred Franke-Gricksch und die Bruderschaft:

Ab den späten 1940er-Jahren lag Franke-Grickschs Haupttätigkeit in dem Aufbau und der Führung einer Kaderorganisation unter dem Namen „Bruderschaft“, die ganz programmatisch auch als „Europäische Bruderschaft Deutscher Nation“ auftrat. Diese hatte sich bereits unmittelbar nach Kriegsende gebildet als „Zellen“-Organisation in britischer Kriegsgefangenschaft um ihn und Helmut Beck-Broichsitter (1914–2000), einen ehemaligen Major der Division Großdeutschland. Zunächst reichte der Wirkungsbereich der „Bruderschaft“ kaum über Hamburg hinaus. 1949 erschienen in der Auslandspresse erste Berichte über die Vereinigung, die als „verschworene Generalsclique mit großdeutschen, neofaschistischen Machtbestrebungen“ dargestellt wurde. Deutsche Zeitungen übernahmen die Meldungen und machten die „Bruderschaft“ damit öffentlich bekannt.

Nach außen gab sich die in ihrer Hochzeit nicht mehr als etwa zweihundert Mitglieder und einige tausend Unterstützer zählende Organisation als rein militärpolitisch orientierte Offiziersvereinigung. In der Presse wurde deshalb gemutmaßt, die „Bruderschaft“ habe den Zweck, die Remilitarisierung Deutschlands vorzubereiten.Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass das „Aushängeschild“ der „Bruderschaft“, der Ex-Panzergeneral Hasso von Manteuffel, Kontakte zum Kanzler Konrad Adenauer hatte.

In Wahrheit arbeiteten Franke-Gricksch und Beck-Broichsitter aber an einer weltanschaulich untermauerten Konzeption zur Neuordnung Deutschlands und Europas, mit der „Demokratie und Parlamentarismus“ überwunden werden sollten.Erste Aufgabe der „Bruderschaft“ sollte die Konservierung einer „Führungselite“ sein um „die Tradition deutschen Führertums in eine spätere Zeit hinüberzuretten und die Leitung der Geschicke unseres Volkes wieder in die Hand zu nehmen“.Nach Meinung des als „Kanzler“ der Organisation firmierenden Franke-Gricksch würde der Zusammenbruch des „parlamentarischen Systems und die Übernahme der Macht durch die Bruderschaft“ schon im Winter 1952/53 erfolgen.

Zusammen mit dem Forstwirtschaftsprofessor Franz Losimfeldt Heske entwickelte Franke-Gricksch darüber hinaus ein ideologisches Modell der „gestuften Ordnung“. Danach sollte es keine demokratische Volksvertretung mehr geben, sondern ein ständisch gegliedertes Parlament. Geführt werden sollte der Staat durch einen nach Begabung und Leistung in Rangstufen unterteilten Eliteorden. Die westlich-demokratische Ordnung mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen lehnte die Gruppe ab. Ferner forderte man die Überwindung des nationalstaatlichen Denkens und die Schaffung einer „Nation Europa“ als eigenständige politische Kraft. Dazu nahm Franke-Gricksch auch Kontakte zu Otto Skorzeny, dem englischen Faschistenführer Oswald Mosley und dem amerikanischen Kulturphilosophen Francis Parker Yockey auf.

Die Initiatoren stellten, unter guten Beziehungen zu Industriellen wie Hugo Stinnes, den Kontakt zwischen größeren Kontingenten ehemaliger Wehrmachtsteile her und erarbeiteten ein ideologisches Konzept zur antikommunistischen Neuordnung Europas.

Heuss: die Nazi-FDP

Achenbach konnte trotz allem in der Politik weiter reüssieren, weil er über seinem Freund und Mandanten Hugo Stinnes der unentbehrliche Mittelsmann zwischen Schwerindustrie und FDP war. Durch einen aussichtsreichen Listenplatz schaffte er 1957 den Sprung in den Bundestag, dem er bis 1976 angehörte. Als einflussreicher Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses war es ihm Anfang der siebziger Jahre möglich, die Ratifizierung eines Zusatzabkommens zwischen der Bundesrepublik und Frankreich „systematisch zu verschleppen“, um so NS-Kriegsverbrecher zu schützen. Laut Buchna war Middelhauve „alles andere als ein dumpfer Rechtsradikaler“, jedoch auch kein „naives Opfer“ einer von Altnazis betriebenen Unterwanderung des NRW-Landesverbands, als den ihn die FDP im Zuge der „Naumann-Affäre“ nachsichtig hinstellte. Weiterhin muss Middelhauves Ideal von einer Parteistruktur – „Führungsdemokratie“ mit völliger Handlungsfreiheit des gewählten Vorsitzenden – befremden. Dadurch wird allerdings das bekannte scharfe Diktum von Bundespräsident Theodor Heuss aus dem Jahr 1956 über seine Düsseldorfer Parteifreunde abschreckend bestätigt: „Nazi-FDP“.

Enge Verbindungen bestanden u.a. zu dem um den ehemaligen Reichsjugendführer Arthur Axmann gruppierten Herrenklub in Hamburg, der Deutschen Partei und der FDP.

Der Hamburger „Herrenclub“ diente jedoch für Naumann als Sprungbrett, um seinen Einfluss auf Norddeutschland auszudehnen und Kontakt zu ehemaligen Gauleitern wie Karl Kaufmann und anderen Angehörigen des Kreises herzustellen. Hatten die Briten Scheel zunächst zu den aktiven Verschwörern gerechnet, bekamen sie während der Verhöre ein anderes Bild. Scheel gab Kontakt zu 200 Personen zu, erklärte aber, dass die Initiative zu diesen politischen Verbindungen selten von ihm selbst gekommen sei. Im Gegensatz zu Naumann vermittelte er den Briten den Eindruck eines Mannes, dem die Entscheidungsfreudigkeit und Willenskraft fehlte, selbst eine neue politische Bewegung zu initiieren. Zahlreiche Telefonate während des Jahres 1952 zeigten jedoch klar, dass er Naumann gefolgt wäre, hätte dieser einen Putsch angeführt.509  Die Briten nahmen an, Scheels Vorgesetzter im Berufsleben, Professor Kunstmann sei die stärkere Persönlichkeit der beiden gewesen. Dieser habe seinen Einfluss auf Scheel ausgedehnt, um Naumanns Ansatz zu unterstützen.

Als der letzte Reichspropagandaminister Werner Naumann 1950 wieder auf der politischen Bühne erschien, wurde ihm die Führung angetragen und das Netz durch seine umfassenden Kontakte zu ehemaligen SS-, SD- und Propagandistenkreise ergänzt.

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Der innere Kreis der Konspiranten wurde ab 1951 Naumann-Kreis genannt. Systematisch unterwanderten ehemalige Nazifunktionäre nun schwerpunktmäßig den Landesverband Nordrhein-Westfalen der FDP. So konnte u.a. Wolfgang Diewerge persönlicher Referent des Landesvorsitzenden Friedrich Middelhauve werden. Am 15. und 16. Januar 1953 griff die britische Hochkommission in Bonn ein und verhaftete Naumann und sieben weitere Angehörige des Kreises, dessen Bestrebungen damit offen- und lahmgelegt waren.

Die FDP muß erkennen, daß es rechts von der CDU/CSU nicht viel zu holen gibt

Im ersten Bundestag von 1949 bis 1953 spielte die FDP die Rolle einer schwarz-weiß-rot gefärbten Rechtspartei, die teilweise sogar vom Ungeist des Nationalsozialismus angekränkelt schien. In den wesentlichen Fragen der Innen- und Außenpolitik stimmte sie mit dem Koalitionspartner CDU/CSU überein. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs unterstützte sie wie diese die Wiederaufrüstung und Westintegration der Bundesrepublik. Beide verband auch der schroffe Gegensatz zur oppositionellen SPD unter Kurt Schumacher. Unterschiede zur Union gab es vor allem in Fragen der Schul-, Wirtschafts-, Sozial- und Deutschlandpolitik. Während die Unionsparteien die Klerikalisierung des Staates betrieben, empfahl sich die FDP den Wählern als laizistische Partei, die beispielsweise die Einführung von Konfessionsschulen ablehnte. Ferner profilierte sich die FDP als kompromißlose Vertreterin von Kapital- und Eigentumsinteressen, während die CDU damals noch vom „Ahlener Programm“ geprägt war, das zumindest verbal einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Marxismus propagierte.

Nicht zuletzt zeigte sich die FDP offener für gesamtdeutsche Kontakte und Fragen der Deutschlandpolitik. Jedem Einsichtigen war damals klar, daß die politische und militärische Integration der Bundesrepublik in den Westen mit dem Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung auf lange Sicht unvereinbar war. Sie mußte vielmehr zur Zementierung der beiden deutschen Staatsgebilde führen, die vorläufig noch unter Kuratel der Besatzungsmächte standen. Die SPD unter Kurt Schumacher lehnte deshalb die Remilitarisierung und Westintegration ab, während die Unionsparteien unter Konrad Adenauer diesen Widerspruch einfach leugneten und mit gesamtdeutschen Lippenbekenntnissen übertünchten. Als die Sowjetunion im März 1952 die Wiedervereinigung Deutschlands für den Preis der Neutralität anbot, wurde dieser Vorschlag nicht einmal ernsthaft geprüft, obwohl die Österreicher unter ganz ähnlich gearteten Verhältnissen drei Jahr später tatsächlich ihre nationale Einheit und Souveränität wiedererlangen konnten. – Die FDP trug diese Widersprüche von Adenauers Deutschlandpolitik grundsätzlich mit. Zugleich umwarb sie aber solche Wähler, die sich noch immer mehr im alten Nationalstaat als im neu entdeckten „christlichen Abendland“ zuhause fühlten. Zum Beispiel stimmte sie 1952 dem EVG-Vertrag zu, der die neu aufzustellenden westdeutschen Streitkräfte vollständig in eine „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ integrieren wollte. Zugleich erwirkte sie aber die Streichung einer Klausel, die auch ein wiedervereinigtes Deutschland an den EVG-Vertrag gebunden hätte.

Fraktionsgemeinschaft mit der DP

Im ersten Bundestag verfügte die CDU/CSU mit 139 Sitzen nur über einen geringen Vorsprung vor der SPD mit 131 Sitzen. Die erste Bundesregierung unter Konrad Adenauer stützte sich deshalb auf eine Koalition mit FDP und Deutsche Partei (DP), die über 52 bzw. 17 Mandate im Bundestag verfügten. FDP und DP waren politisch verwandte Parteien, die auch eine gemeinsame Fraktion bildeten. Untereinander unterschieden sie sich vor allem dadurch, daß es in der mehrheitlich rechts angesiedelten FDP immer noch liberale Residuen gab, während die DP durchweg eine schwarz-weiß-rote Färbung hatte. Anders als bei der FDP beschränkte sich die Anhängerschaft der DP im wesentlichen auf Niedersachsen und Norddeutschland.

Ende 1949 beantragte die SPD im Bundestag die Aufhebung der Immunität des DP-Abgeordneten Wolfgang Hedler, weil dieser erklärt hatte: „Man kann offenkundig geteilter Ansicht darüber sein, ob die Gaskammern das geeignete Mittel waren, um sich der Juden zu entledigen. Vielleicht hatte es noch andere Möglichkeiten gegeben, um diesen Zweck zu erreichen.“ – Die Affäre war typisch für die Fortdauer und das Wiederaufleben nazistischen Ungeistes bis in die Reihen der Regierungsparteien. Dem Antrag wurde immerhin stattgegeben und der DP-Abgeordnete erhielt neun Monate Gefängnis.

Naumann und die Nationale Sammlung

Ende Februar 1956 überschlugen sich in der NRW-Landespolitik die Ereignisse. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum wurde Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) gestürzt. Abgeordnete der FDP und des Zentrums waren aus der Regierungskoalition mit der Union ausgeschert und hatten den SPD-Kandidaten Fritz Steinhoff (SPD) ins Amt gehoben. Der Koalitionsbruch kam einem kleinen politischen Erdbeben gleich.

Zum einen stellte der Seitenwechsel der Liberalen die kaum zu erschüt­tern­de Stabilität des auf Bundes­ebene regieren­den Bürgerblocks unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) in Frage. Zum an­deren hätte noch einige Monate zu­vor kaum jemand eine Koalition zwi­schen SPD und Liberalen in NRW für möglich gehalten. Die Politik der NRW-FDP war nicht nur von einer Frontstel­lung gegenüber der Sozial­demokratie ge­prägt, sondern auch durch Versuche, sich rechts von der Union zu profilieren. Verwundert vom sich anbahnenden Ko­alitions­bruch zeigte sich daher der vor­ma­lige FDP-Vorsitzende und amtie­rende Bundespräsident Theodor Heuss. In ei­nem privaten Brief be­zeich­nete er An­fang Februar 1956 die Freien Demokra­ten an Rhein und Ruhr abschätzig als „Nazi-FDP“.

„Wiederergreifung der Macht“? Die Naumann-Verschwörung

Heuss bezog sich dabei auf einen poli­tischen Skandal, der drei Jahre zurück­lag. Im Januar 1953 waren in Düsseldorf, Solingen und Hamburg insgesamt acht ehemals hochrangige NS-Funktionäre von britischen Sicherheitsoffizieren auf Grundlage des Besatzungsstatuts festge­nommen worden. Unter ihnen be­fan­den sich der frühere Staats­sekre­tär im Reichs­propaganda­mini­steri­um Werner Naumann, der vormalige Reichs­stu­den­ten­führer und Gauleiter von Salzburg Gustav Scheel, der frühere Gauleiter von Hamburg Karl Kaufmann, der ehemalige SS-Briga­de­führer Paul Zimmermann und Karl Bornemann, der als HJ-Ge­biets­führer fungiert hatte. Die bri­ti­schen Be­hörden verdächtigten die Grup­pe, die „Wiederergreifung der Macht in Westdeutschland“ geplant und „anti­west­liche Anschauungen und Rich­t­linien“ verbreitet zu haben.

Obgleich keiner der Festgenom­menen der FDP angehörte, bewegten sich eini­ge von ihnen im Umfeld des NRW-Lan­des­verbandes. Vorangegangene Obser­va­tionen und beschlagnahmte Doku­men­te nährten den Verdacht, dass der Kreis um Naumann geplant habe, den Parte­ivor­stand systematisch zu unter­wa­ndern. Diese Vorgänge sind als „Nau­mann-Affäre“ oder „Gauleiter-Ver­schwö­rung“ in die Geschichte der Bun­desrepublik eingegangen. Mit Blick auf die erste Hälfte der 1950er Jahre wird oftmals auch von der „unterwanderten FDP“ (Heinz-Georg Marten) gesprochen. Die massen­hafte Aufnahme belasteter National­sozialisten in die FDP verlief jedoch keineswegs heimlich. „Nationale Sammlung“ lautete das in aller Offen­heit verkündete politische Konzept, mit dem der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Friedrich Middelhauve ei­nen „dritten Block“ rechts der Union schaf­fen wollte. Tatsächlich ent­wickel­te sich seine Partei zu einem zeitweiligen Biotop extrem rechter Demo­kra­tie­feinde.

„Nationale Sammlung“ – Liberalismus ohne Liberale?

Die Voraussetzungen hierfür waren be­reits in der Entstehungsgeschichte des im Mai 1947 gegründet Landesver­ban­des angelegt. Im Gegensatz zu den Freien Demokraten in Südwest­­deutsch­land, die nach 1945 an die Traditio­nen eines an Rechtsstaatlich­keit, parla­men­ta­rischer Demokratie und indivi­du­el­ler Freiheit orientierten Honoratio­ren­­liberalismus anzuknüpfen ver­such­ten, fehlten derartige Bezüge der FDP in NRW fast vollständig. In ihrer scharfen Abgrenzung zum katholischen und so­zial­demo­kra­tischen Milieu re­prä­sen­tier­ten die „Liberalen“ dort vor allem jene bürger­lichen Schichten, die schon der Weimarer Demokratie distan­ziert ge­gen­übergestanden und seit dem Ende der 1920er Jahre dem NS den Weg zur Macht geebnet hatten. Zudem gerierte sich die Partei als Sprachrohr für all jene, die sich zu Opfern angeblicher al­li­ier­ter „Will­kür­herrschaft“ stilisierten. Im Millionenheer der durch den Zusam­men­bruch des NS Enttäu­schten und De­klas­sierten erblickte Middelhauve die Massenbasis seiner national ausgerich­te­ten FDP.

Der Verleger, der sich am Ende der Wei­marer Republik in der auto­ri­tären Deut­schen Staatspartei engagiert hatte, propa­gierte schon im Dezem­ber 1945 die Grün­dung einer antiklerikalen und anti­sozialis­tischen Partei, in der „die na­tür­lich national und vaterländisch empfin­denden Kräfte unseres Volks […] eine po­litische Heimat finden“ sollten.

In seiner Rede auf dem Münsteraner Lan­desparteitag postulierte Middel­hauve im Juli 1951 die Öffnung der Par­tei für alle, die „den guten Willen hat­ten und haben, dem Vaterland beim Auf­bau einer zukunftsstarken Demo­kra­tie als einer echten Lebens­form in einer echten Volksgemein­schaft zu dienen“. Die FDP sei die „Wahrerin des Reichs­gedankens, des Gedankens der deut­schen Einheit, die einzige Partei, die als gro­ße Sam­mel­partei hierfür in Frage kommt“.

Zum inhaltlichen Schwerpunkt des Lan­des­verbandes avancierte die Forde­rung nach einem rigorosen Schlussstrich un­ter die Ausei­nan­der­setzung mit der NS-Vergangenheit. Die FDP polemisierte gegen die von ihr als „Unrecht“ und „Un­fug“ denunzierten Entnazifizie­rungs­ver­fahren und präsentierte sich als laut­starke Fürsprecherin einer breit an­ge­legten Kampagne für eine „Gene­ral­amnestie“, die der Ahndung von NS-Verbrechen ein Ende setzen sollte.

„Unterwanderung“ oder „systematisch betriebene Integration?

Ausgearbeitet wurden diese Posi­tio­nen nicht nur vom Landesvor­sitzen­den, son­dern von einer Reihe ehe­mals hochran­g­iger NS-Funktionäre, die unter dem Dach der FDP oder in deren Umfeld Ver­gan­genheitspolitik in eigener Sache be­trieben. Eine zen­trale Rolle kam bei­spiels­weise Wolfgang Diewerge zu, der als per­sön­licher Sekretär Middelhauves firmierte. Er entwarf dessen Reden, be­teiligte sich an der Formulierung pro­gram­matischer Positionen und organ­i­sier­te parteiinterne Schu­lun­gen. Sein Hand­werk hatte der Jurist beim Völ­kischen Beobachter gelernt, bevor er im Propagandaministerium zum Leiter der Rundfunkabteilung aufstieg. Als Verfas­ser zahlreicher antisemitischer Traktate kann Diewerge, so der Historiker Ulrich Herbert, als „einer der radikalsten anti­jü­dischen Publizisten“ des NS-Regimes bezeichnet werden. Sein Engagement für die FDP war auf Ver­mit­tlung von Friedrich Grimm zustande gekommen. Der Rechts­an­walt hatte sich in natio­na­listischen Kreisen schon während der Wei­ma­rer Republik als Verteidiger von Frei­korpsaktivisten einen Namen ge­macht. Als Stichwortgeber besonders für deren vergangenheitspolitischen Po­sitionen erfreute sich der Mitbe­gründer der extrem rechten Zeit­schrift Nation und Europa in der FDP-Führung höchster Wertschätzung.

Die einflussreichste Figur der „Natio­na­len Sammlung“ war jedoch Ernst Achen­bach. Der Landtagsabge­ordne­te, der bis 1953 auch als außenpoli­tischer Sprecher der Partei firmierte und über beste Kon­tak­te sowohl zu Ruhrindustriellen als auch zum Kreis um Naumann verfügte, konnte eben­falls auf eine NS-Karriere zurück­blicken. Zwischen 1940 und 1943 hatte er die Politische Abteilung der Deutschen Botschaft in Paris geleitet und war in diesem Kontext organi­sa­torisch in die Deportationen der franzö­si­schen Jüdinnen und Juden eingebun­den gewesen. Nach 1945 eröffnete er in Essen eine Rechtsan­waltskanzlei und pro­filierte sich als einer der umtrie­big­sten Lobbyisten der Kampagne für eine General­am­nestie. Unterstützung erhielt er von seinem Mitarbeiter Werner Best. Der ehemalige hochrangige Funktionär des Reichssicherheitshauptamtes baute nicht nur eine effektive Kame­ra­denhilfe für NS-Täter auf, sondern war zudem als Rechtsberater des FDP-Landesverbandes beschäftigt.

Diese Beispiele waren keineswegs Ein­zel­fälle. Insgesamt habe es sich, urteilt der Historiker Kristian Buchna, bei der Personalpolitik der NRW-FDP um „eine systematisch betriebene Integration, nicht aber um eine unwillentliche oder gar unwissentliche Unterwanderung durch unliebsame Kräfte gehandelt“.

Der Kurs der „Nationalen Samm­lung“ wurde auch von jenen mitge­tragen, die im Februar 1956 der SPD in NRW zur Macht verhelfen sollten. Dies galt so­wohl für Willy Weyer – ehemals NSDAP-Mitglied und später NRW-Finanz- und Innenminister – als auch für die ehe­ma­ligen Wehr­machts­offiziere Wolfgang Döring und Erich Mende. Letzterer hat­te bereits 1947 die Partei aufgefordert, „den Gedanken des Reiches in den Vor­dergrund“ zu stellen.

Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DReP)

Gründung: 1946

Auflösung: 1954

Zahl der Mitglieder: 1950 ca. 5.000 Mitglieder

Funktionäre: Wilhelm Jaeger (Vorsitzender 1946, 1947-1948), Hermann Klingspor (Vorsitzender 1946, 1949)

Aktivitäten: Die Deutsche Rechtspartei (DReP) entstand 1946 in der britischen Zone aus der Deutschen Konservativen Partei und der Deutschen Aufbau-Partei und nannte sich ab 1948 Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei, die Landesverbände traten unter beiden Namen auf.

Quelle unbekannt vermutlich Bundearchiv? – Aufruf aus 1947

Ihre Publikationen waren Rundbrief, Mitteilungen der Deutschen Konservativen Partei, Der Konservative Bote, Der Konservative Ruf, Bonner Mitteilungen, Deutsche Rechtspartei und Rechts heran!. Bei Landtags- und Kommunalwahlen erhielt sie vereinzelt über 10 Prozent und errang 1949 fünf Bundestagsmandate.

Eine Abspaltung gründete die Sozialistische Reichspartei. 1950 gründeten die DReP-Niedersachsen und die Nationaldemokratische Partei (NDP) die Deutsche Reichspartei. 1954 löste sich die Rest-DReP zugunsten der Freien Demokratischen Partei (FDP) auf.

Bedeutung: Die DReP knüpfte im wesentlichen an die antidemokratischen Strömungen der Weimarer Republik an. Das Ziel, diese wiederzubeleben, scheiterte an dem Erfolg der CDU, der eigenen Heterogenität und der veralteten Programmatik. Dennoch bot die DReP national-konservativen bis rechtsextremistischen Gruppen eine Organisations- und Sammlungsplattform.

Deutsche Partei (DP)

Gründung: 1947

Funktionäre: Heinrich Hellwege, Herbert Schneider, Dr. Hans-Joachim Merkatz, Dr. Hans-Christoph Seebohm, Friedrich Thielen

Aktivitäten: Die Deutsche Partei (DP) entstand aus der 1945 gegründeten Niedersächsischen Landespartei, die gleichzeitig mit ihrer Umbenennung in DP versuchte, organisatorisch zu expandieren und so ihren Charakter als Regionalpartei zu verändern. Nach den Bundestagswahlen 1949 avancierte die DP zum Bündnispartner der bürgerlichen Regierungskoalition. Die Orientierung aufs Bürgertum ließ ihre Mitglieder nach den Bundestagswahlen 1957 zur CDU wechseln. Die Reste der Partei vereinten sich 1961 mit dem Gesamtdeutschen Block/BHE zur Gesamtdeutschen Partei, die aber nach den Bundestagswahlen 1961 schon wieder zerfiel. Es kam zu regionalen DP-Reaktivierungsversuchen, u.a. 1962 bzw. 1967 in Bremen unter Friedrich Thielen. 1993 greift die DP-Neugründung unter Wolf von Zworowsky und Johannes von Campenhausen die alte DP-Tradition wieder auf und arbeitet aktuell u.a. mit der Deutschen Sozialen Union und dem Bündnis Konstruktiver Kräfte Deutschlands eng zusammen.

Bedeutung: Während sich die Bündnispolitik auf Bundesebene auf den Bürgerblock konzentrierte, machten sich in den Landesverbänden Tendenzen für eine nationale Sammlungspartei bemerkbar. Maßgeblich daran beteiligt waren ehemalige Mitglieder der Deutschen Rechtspartei, von der ganze Landesverbände in die DP wechselten.

Sozialistische Reichspartei (SRP)

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Gründung: 1949

Auflösung: Vom Bundesverfassungsgericht am 23.10.1953 verboten.

Zahl der Mitglieder: 10.000

Funktionäre: Fritz Dorls, Otto Ernst Remer, Gerhard Krüger, August Finke, Wolf Graf von Westarp, Ulrich Frhr. von Bothmer, Wolfgang Sarg, Hans Henning Kaps, Adolf Manns

Otto Ernst Remer im Januar 1945. (Bild: Bundesarchiv, Bild 183-2004-0330-500 /CC BY-SA 3.0

Als Gründer der Gemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Frühjahr 1949 hatten sich Fritz Dorls, Otto Ernst Remer und Gerhard Krüger kurz vor den Bundestagswahlen in die Deutsche Rechtspartei integriert. In der eher deutschnationalen Partei bildeten sie eine Oppositionsgruppe, die sich mit ihren aus dem Nationalsozialismus entstammenden Ideen nicht durchsetzen konnte.

So gründeten sie im Oktober 1949 die Sozialistische Reichspartei (SRP). Zwar schwächten sie, um ein Verbot zu vermeiden, ihr Parteiprogramm ab, faktisch stellte es jedoch eine Neuauflage des NSDAP-Programms dar. Dasselbe galt auch für den Organisationsaufbau. Ihren Schwerpunkt hatte die Partei in Norddeutschland, v.a. in Niedersachsen. Im Mai 1951 beschloss die Bonner Regierung, die aktivistischen Gliederungen der SRP zu verbieten, woraufhin die Partei ihre Ordnertruppe Reichsfront formal auflöste.

Analyse und Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages – https://www.bundestag.de/resource/blob/405264/1c43548de5a3630781ec4e94366e64ae/WD-1-034-13-pdf-data.pdf

Ebenfalls im Mai erhielt die SRP bei den niedersächsischen Landtagswahlen 11 Prozent und im Oktober in Bremen 7,7 Prozent.

Landtagswahl in Niedersachsen 1951. Die SRP erhielt 11% der Stimmen. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_Niedersachsen_1951

Den 16 für die SRP gewählten Abgeordneten wurde am 23. Oktober 1952 mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der Partei ihre Mandate aberkannt. Das Ergebnis der Landtagswahl wurde daraufhin am 1. April 1953 ohne Berücksichtigung der Stimmen für die SRP neu festgestellt. Hierdurch erhielten die übrigen Parteien 13 zusätzliche Sitze (CDU/DP 5, BHE 4, FDP 2, Zentrum 1, KPD 1). Darüber hinaus veränderte sich die Zusammensetzung durch mehrere Ersatzwahlen für ausscheidende direkt gewählte Abgeordnete und zahlreiche Fraktionswechsel stark. Die Sitzverteilung am Ende der Wahlperiode war 1955: SPD 59, DP/CDU 43, BHE 20, FDP 15, LP 4, KPD 3, Zentrum 2, DRP 2, FSU 1, GVP 1, Liberaler Bund 1, Parteilose 3. Ein Sitz war vakant. 

Die nationalsozialistische Sozialistische Reichspartei erzielte also 11 Prozent der Stimmen, was in der Öffentlichkeit großen Unmut auslöste und als Zeichen einer weiterbestehenden nationalsozialistischen Einstellung in Teilen der Bevölkerung gewertet wurde.

Publikationen der SRP waren: Deutsche Wacht (später Deutsche Opposition), Reichszeitung, Die Fanfare.

Die SRP war die größte und bedeutendste rechtsextremistische Nachkriegspartei der Bundesrepublik und bezog sich programmatisch direkt auf die NSDAP. Nach ihrem Verbot betätigten sich die SRP-Mitglieder in mindestens 60 Nachfolge- und Tarnorganisationen, meist mit dem Charakter scheinbar überparteilicher Wählergemeinschaften. Viele SRP-Funktionäre fanden unter dem Motto der »antimarxistischen Blockbildung« Aufnahme in Listenverbindungen rechts der SPD.

Otto Ernst Remer

Otto Ernst Remer ist heute fast vergessen, obwohl er nach 1945 zu den wichtigsten Personen am »rechten Rand« zählte. Seine Biographie ist einmalig und unterscheidet sich von anderen vor allem durch kontinuierliches nationalsozialistisches Engagement über eine Zeitspanne von fast sechzig Jahren. Aufgrund seiner herausragenden Stellung unter den Altnazis der Nachkriegsjahre und seinen Bemühungen diese Rolle auch in der späteren Neonaziszene zu erlangen, lässt er sich nicht in die gängigen Kategorien einordnen.

Otto Ernst Remer 1944

1990 im Mövenpick – München

Er war sowohl Alt- als auch Neonazi und kann daher auch nach 1945 als Nationalsozialist bezeichnet werden. Ob 1950 oder 1990, ob in Parteipolitik oder Publizistik, Remers Aktivismus war facettenreich und anpassungsfähig, aber seine ideologischen Überzeugungen blieben unverändert. Gern provozierte er und suchte das Rampenlicht, so als stelle die entsetzte Reaktion der Gesellschaft für ihn einen besonderen Nervenkitzel und somit die Triebfeder für jahrzehntelangen Aktivismus dar.

Geboren 1912 in Mecklenburg, entschied sich Remer nach dem Abitur für eine Karriere als Berufssoldat. Während des Zweiten Weltkrieges streifte ihn ein Hauch von Weltgeschichte, als er am 20. Juli 1944 in Berlin für das endgültige Scheitern der Umsturzpläne Stauffenbergs sorgte: Als Kommandeur des Berliner Wachbataillons blieb Remer »hitlertreu«, ließ die Beteiligten verhaften und wurde anschließend zum Vorzeigesoldaten aufgebaut. Er wurde u.a. Kommandant der »Führerbegleitbrigade« und bis Kriegsende zum Generalmajor befördert. Die NS-Medien machten aus Remer einen deutschlandweit bekannten Mann. Er genoss die Aufmerksamkeit und gab sich spätestens seit diesen Tagen als überzeugter Nationalsozialist.

Witikobund

Der noch heute bestehende Witikobund ist eine völkisch-sudetendeutsche Vereinigung, die von ehemaligen Anhängern der kollaborierenden tschechoslowakischen Sudetendeutschen Partei (SdP) gegründet wurde. Er entstand 1947 als Keimzelle, obwohl seine offizielle Gründung auf den 1. Oktober 1950 datiert ist.

Noch 1990-91 zahlte der  Bund an die Rechtsextremen Jungen Witikonen“ und NPD- bzw. REP-Referenten aus dem  Bundeshaushalt mehr als 72000 DM- https://taz.de/!1691011/

Der Witikobund war jahrzehntelang die rechtsextreme Kaderorganisation der Sudetendeutschen Landsmannschaft, einer Organisation der sudetendeutschen Vertriebenen und Flüchtlinge aus den ehemals deutsch besetzten Gebieten in der Tschechoslowakei, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland niedergelassen hatten. Zugleich sollte die Organisation den überlebenden Faschisten der Sudetendeutschen Partei politisches Gewicht verleihen.

Beurteilung des „Witikobundes“ und des „Witikobriefes“ durch die Bundesregierung (G-SIG: 14012458) – https://dserver.bundestag.de/btd/14/078/1407865.pdf

Die sieben Gründungsmitglieder des Witikobundes hatten alle zuvor eine Karriere in der NSDAP oder SS hinter sich, und die Gründung war für den 9. November 1947 geplant, genau 24 Jahre nach dem Bierhallenputsch.

In der vom Hessischen Landtag herausgegebenen Publikation „NS-Geschichte ehemaliger Mitglieder des Hessischen Landtags“ wird der Witikobund wie folgt beschrieben:

„Ziel des Witikobundes war es – und ist es offenbar auch heute noch -, innerhalb der Vertriebenenverbände eine deutschnationale, wenn nicht gar ‚völkische‘ Linie zu vertreten. Ziel war es nicht, eine Massenorganisation zu sein, sondern eine Kaderorganisation, die ihren Einfluss durch aktive Mitgliedschaften in verschiedenen Organisationen sowie durch die Zusammenarbeit mit dem politisch rechtsextremen Spektrum ausübte. Um in die Organisation aufgenommen zu werden, musste jedes neue Mitglied zwei Bürgen aus den Reihen der Gewerkschaft vorweisen. Bis 1967 wurde die Witiko-Union im Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern als rechtsextremistische Organisation eingestuft, 2008 sah die Bundesregierung in ihr „eine Verdichtung tatsächlicher Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen“.

Laut dem Politikwissenschaftler Richard Stöss war der „völkisch-nationalistische“ Witikobund in den 1950er und 1960er Jahren eine „einflussreiche elitäre Traditionsgemeinschaft“, die sich vor allem aus ehemaligen führenden Nazis aus dem Sudetenland zusammensetzte. Der Witikobund übte großen Einfluss auf den Sudetendeutschen Heimatbund, den Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) und die „Gesamtdeutsche Partei“ (GDP) aus.

Benannt wurde die Organisation nach der Romanfigur „Witiko“, dem Helden des gleichnamigen historischen Romans von Adalbert Stifter aus dem Jahr 1867. Ausgangspunkt des Romans ist die Ruine der Burg Wittinghausen im Böhmerwald, die Adalbert Stifter seit seiner Jugend fasziniert hatte. Im Roman wird sie zur Burg Witikohaus, die der Held am Ende des Romans erbaut. Das Geschlecht der Witigonen und ihr Wappen mit der fünfblättrigen roten Rose sind historisch belegt, ebenso wie die Herrscher des Romans und die Figur des Witiko, der Mitte des 12. Jahrhunderts oberster Truchsess von Böhmen war. Die Nebenfiguren des Romans sind fiktiv.

Die Herren der fünfblättrigen Rose von Mikoláš Aleš (nach 1890). – http://en.wikipedia.org/wiki/V%C3%ADtkovci#/media/File:Lords_of_the_Rose_by_Mikolas_Ales.jpg

Die rund 1000 Mitglieder des Witikobundes werden alle gewählt und sind in Landes- und Kreisverbänden sowie einem Jugendverband, den „Jungen Witikonen“, organisiert. Die Mitgliedschaft gilt grundsätzlich auf Lebenszeit: „Wer heute die alten Pflichten verachtet, verachtet auch die kommenden.Der Verband gibt viermal im Jahr die Publikation Witikobrief heraus. Im Witikobund engagierten sich vor allem Manuel Ochsenreiter und der spätere AfD-Politiker Andreas Kalbitz.

Im CIA-FOIA-Archiv gibt es nur eine Handvoll Suchergebnisse zu „Witikobund“. Es gibt jedoch einen Hinweis auf eine Akte über Siegfried Zogelmann (1913-2007), ein NSDAP-Mitglied und Landesleiter der Hitlerjugend in Böhmen und Mähren und später prominenter sudetendeutscher Aktivist und Politiker (FDP, später CSU).

Zogelmann saß nach einer offiziellen Anfrage der SPD ab 1998 im „Senat“ des Witikobundes. Aus den 18 vorliegenden Aktenvermerken geht lediglich hervor, dass die CIA ein starkes Interesse an den Aktivitäten von Zogelmann hatte, es gibt jedoch keine Hinweise auf Projekte der Behörde, an denen er beteiligt war.

Geschichte

Emblem der Sudetendeutschen Partei (1933-1938)

Dem Witikobund ging eine Sammlungsbewegung voraus, die 1947 von Anhängern der Sudetendeutschen Partei (SdP) ins Leben gerufen wurde, die in den 1930er Jahren unter der Führung des Freikorpsführers Konrad Henlein (1898-1945) stand, einer wichtigen pro-nazistischen Kraft in der Tschechoslowakei mit dem ausdrücklichen Auftrag, das Land zu zerschlagen und mit dem Dritten Reich zu verschmelzen.

Auf Einladung des Unternehmers Emil Lode und des ehemaligen Henlein-Vertrauten Walter Brand trafen sich am 9. November 1947 in Waldkraiburg sieben ehemalige Nationalsozialisten und gründeten die Vorläuferorganisation des Witikobundes mit dem Ziel, Vertreter des völkisch-nationalistischen Lagers der Sudetendeutschen zusammenzuführen.

Neben Emil Lode und Walter Brand waren der ehemalige Hitlerjugendführer Rudolf Bayer, der ehemalige Vorsitzende des NS-Verbandes Deutscher Technik im Sudetenland Rupert Glaas, Konstantin Höß, der ehemalige Gestapo-Chef von Belgrad Karl Kraus und der ehemalige Senator der Sudetendeutschen Partei Hugo Liehm anwesend.

Die offizielle Eintragung des Vereins Witikobund e.V. datiert auf den 1. Oktober 1950 in Stuttgart.

Ehemalige NS-Mitglieder
Viele Mitglieder des Witikobundes waren während des Dritten Reiches NS-Funktionäre gewesen. Der Journalist Thilo von Uslar stellte 1966 in einem Zeit-Artikel fest, dass von 634 Witikobund-Mitgliedern auf einer Mitgliederliste von 1958 mehr als 600 Personen vor 1945 solche Funktionen ausgeübt hatten.

Zu den Gründungsmitgliedern des Witikobundes gehören zum Beispiel:

  • Walter Brand (1907-1980), einst Vorstandsmitglied der Sudetendeutschen Partei, Leiter der Anwaltskanzlei von Konrad Henlein und ab 1938 erster Generalberater für den Vierjahresplan. Infolge der sogenannten Dresdner Prozesse, in denen die NSDAP mit dem Kameradschaftsbund abrechnete, verbrachte Brand die Jahre 1939 bis 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern. Von 1950-1952 war er Bundesvorsitzender des Witikobundes und Mitglied des Sudetendeutschen Rates.
  • Konstantin Höss (1903-1970), NSDAP-Kreisleiter in Prag, Gitschin und Königgrätz.
  • Karl Kraus, SS-Obersturmbannführer im SD und Gestapo-Chef von Belgrad.
  • Walter Becher (1912-2005), bayerischer Abgeordneter der Parteien Deutsche Gemeinschaft (1950-1954) und Gesamtdeutscher Block/Liga der Vertriebenen und Entrechteten (1954-62) sowie Bundestagsabgeordneter der CSU (1965-80). Er war Bundesvorsitzender des Witikobundes (1956-1958) und Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft (1968-82). Vor 1945 war er Leiter der NSDAP-Gauzeitschrift Die Zeit, später Mitglied des Bayerischen Rundfunkrats.
  • Walter Stain (1916-2001), ein ehemaliges Mitglied des Sudetendeutschen Freikorps, der von 1986-89 Vorsitzender des WB war. Vor 1945 war er Leiter der Hitlerjugend im Sudetenland, dann Staatsminister und ab 1982 mehrere Jahre lang Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
  • Frank Seiboth (1912-1994), war 1939 Gauausbildungsleiter der NSDAP und von 1953 bis 1955 Vorsitzender des Witikobundes. Von 1953 bis 1957 war er Bundestagsabgeordneter und von 1958 bis 1966 Mitglied des Hessischen Landtags für den Gesamtdeutschen Block/Liga der Vertriebenen und Entrechteten und die GDP, deren Vorsitzender er seit 1961 war. 1966 trat er in die SPD ein und wurde Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium.
  • Siegfried Zoglmann (1913-2007), ehemaliger Landesleiter der Hitlerjugend im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren und seit 1942 Freiwilliger der Waffen-SS. In der Bundesrepublik war Zoglmann FDP-Abgeordneter und stellvertretender Landesvorsitzender der FDP in Bayern, der nach einem Parteiwechsel für die CSU im Bundestag saß.
  • Ernst Lehmann (1906-1990), sudetendeutscher völkischer Aktivist und Pädagoge. In seinen Memoiren Um tiefere Wurzeln beschreibt er 1979 die Transformation völkischer Ideologien aus der NS-Zeit in die Ideologie der Vertriebenen.

Neben den Gründungsmitgliedern hatten beispielsweise auch zahlreiche andere führende Mitglieder des Witikobundes eine NS-Vergangenheit:

  • Ernst Anrich (1906-2001), SS-Historiker und zeitweise Dekan der Philosophischen Fakultät der Reichsuniversität Straßburg, dort Stabsplaner der Nazis, später in der NPD;
  • Franz Karmasin (1901-1970), NS-Volksgruppenführer, Führer der Deutschen Partei, Waffen-SS-Offizier, Unterstaatssekretär in der Regierung von Jozef Tiso in der Slowakei, nach 1945 in der Tschechoslowakei zum Tode verurteilt, von 1957 bis zu seinem Tod 1970 Geschäftsführer des Witikobundes;
  • Albert Smagon, Kreisleiter der NSDAP und Berater an der deutschen Botschaft in Bratislava;
  • Rudolf Staffen, Gauamtsleiter der NSDAP (Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945)

Radikalisierung und Unterwanderung von Vertriebenenorganisationen

Der Witikobund vertrat stets den rechten Flügel der sudetendeutschen Vertriebenengemeinschaft und radikalisierte andere Vertriebenenorganisationen, indem er versuchte, diese auf eine „völkisch-nationalistische Linie“ zu führen2.

Mitglieder des Witikobundes versuchten – oft erfolgreich – „bestimmte Ämter in Parteien oder anderen Organisationen zu besetzen. “ Dazu gehörten die NPD, kommunale Parteiämter, Landtagsmandate, der Sudetendeutsche Heimatbund, der Bund der Vertriebenen, andere rechtsextreme Organisationen, Verlage, Medien sowie Ämter in Regierung und Wirtschaft.

Die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft bestand „über Jahrzehnte zu über fünfzig Prozent“ aus Witikobund-Mitgliedern. In vielen Fällen wurde das in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland eingeführte Schulfach „Ostkunde“ beeinflusst oder usurpiert. (Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945)

Der Witikobund e.V. bezeichnet in seiner Satzung die „Förderung und Unterstützung der berechtigten Anliegen von Flüchtlingen und Vertriebenen“, die „Wiedergutmachung von Vertreibungsunrecht auf der Grundlage des Völkerrechts“ und die „Rückgabe entzogenen Eigentums auf der Grundlage einer gerechten Entschädigung“ als seine Hauptaufgaben.

Nach Ansicht von Kritikern deuten diese Forderungen auf die Zustimmung zu einer Wiederaneignung des Sudetenlandes, das heute zur Tschechischen Republik gehört, durch Deutschland hin. Das „Sudetenland soll heim ins Reich geholt werden“, und die deutschen Grenzen von 1939 sollen wiederhergestellt werden.

In diesem und anderen Punkten wird dem Witikobund vorgeworfen, Fremdenfeindlichkeit zu schüren. So sagte der langjährige Witikobund-Bundesvorsitzende Horst Rudolf Übelacker im Witikobrief u.a.: „Die Deutschen, zusammengedrängt in den verbliebenen Gebieten West- und Mitteldeutschlands und in Österreich und belagert von einem ‚Millionenheer‘ von Ausländern, stünden vor einer allmählich bröckelnden Fassade der Zeitgeschichte.“ Darüber hinaus gibt es mehrere Berichte über Holocaust-Leugnung unter den WB-Mitgliedern. Diesbezüglich findet sich im Witikobrief von 1974 folgende Behauptung „Zu den mächtigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit gehören die 6 Millionen Juden.

Bundesvorsitzende des Witikobundes:

1950-1952: Walter Brand
1953-1955: Frank Seiboth
1956-1958: Walter Becher
1959-1983: Heinz Lange
1984-1985: Reinfried Vogler
1986-1989: Walter Stain
1990-1996: Walter Staffa
1996-2006: Horst Rudolf Übelacker
2006-2009: Hans Mirtes
2009-2012: Roland Schnürch
seit 2012: Felix Vogt-Gruber

Verbindungen zur NPD

In den 1960er Jahren unterhielt der Witikobund enge Beziehungen zur NPD, und mehrere Parteimitglieder wie Heinz Flöter und Ernst Anrich gehörten 1967 dem Vorstand des Witikobundes an. Diese Verbindungen bestehen zum Teil bis heute.

Der NPD-Bundespressesprecher und ehemalige Bundesvorsitzende des „Nationaldemokratischen Hochschul-Bundes“ (NHB) und der „Jungen Nationaldemokraten“, Karl-Heinz Sendbühler, und der ehemalige NHB-Bundesgeschäftsführer Günter Schwemmer sind „Witikons“, ebenso wie die beiden ehemaligen NPD-Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag Rolf Kosiek und Karl Baßler.

Verbindungen anderer rechtsextremer Parteien und Politiker

Neben der NPD sind oder waren mehrere Witikonen ehemalige Kandidaten der Partei „Die Republikaner“ für den Bayerischen Landtag, darunter Henning Lenthe, Carl-Wolfgang Holzapfel (*1944), Horst Rudolf Übelacker (*1936) und Hellmut Diwald (1924-1993). Alfred Ardelt, Publizist und Funktionär des Bundes der Vertriebenen, war viele Jahre Mitglied der CDU, die er in den 1990er Jahren verließ.

Mehrere im bürgerlichen Lager anerkannte Personen sind oder waren WB-Mitglieder, wie der langjährige CDU-Funktionär Rüdiger Goldmann (1965 bis Mitte der 1990er Jahre), der ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU im Hessischen Landtag Wolfgang Egerter (1930-2008) (stellvertretender Bundesvorsitzender des WB) und Herbert Fleissner (1928-2016).

Beziehungen zu rechtsgerichteten Publizisten und Schriftstellern

Im Witikobund und insbesondere unter seinen Vorstandsmitgliedern waren und sind zahlreiche rechte und rechtsextreme Schriftsteller und Publizisten, wie z.B.:

Alfred Ardelt (1931-2011)
Ernst Frank (1900-1982)
Wigbert Grabert (geb. 1941)
Bernd Kallina (geb. 1950)
Günther Kissel (1917-2011)
Hans-Ulrich Kopp (geb. 1962)
Walter Staffa (1917-2011)

Viele WB-Mitglieder haben in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit veröffentlicht. Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Jungen Freiheit und Organisator der Sommeruniversität der Jungen Freiheit von 1993, Hans-Ulrich Kopp, ist seit 1983 WB-Mitglied und seit 1992 Redakteur des Witikobriefs, der Publikation des Witikobundes. Ein WB-Mitglied, das eine recht beeindruckende Redaktionskarriere hingelegt hat, ist der rechtsextreme „Neo-Eurasier“ Manuel Ochsenreiter, der Redakteur der Deutschen Militärzeitschrift und später von Zuerst! wurde, einem Nachfolgeorgan von Nation Europa (1951-2009), einem zentralen Organ der NS-Diaspora nach dem Zweiten Weltkrieg.

Deutsches Seminar

Aktivisten aus dem WB, wie Walter Staffa und Werner Nowak, gründeten am 4. Juli 1970 das „Deutsche Seminar“, das Vorträge von überwiegend rechten Referenten organisierte.

Quelle Apabiz: Das Deutsche Seminar ist eine kleine rechtsextreme Denkfabrik. Ein großer Teil der Vorstandsmitglieder waren/sind in rechtsextremen Organisationen, vor allem der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), tätig. Die Bedeutung des DS liegt in der Zusammenführung namhafter Referenten aus unterschiedlichsten Spektren des rechten Randes, von Vertretern der »Alten-Rechten« um die NPD, über rechte Ökologen und Führungsfiguren der »Neu-Rechten« bis hin zu Christdemokraten und Konservativen. So referierten u.a. Bernhard Willms, Alain de Benoist, Werner Georg Haverbeck, Bernd Friedmann, Andreas Mölzer, Karl Steinbuch, General-Leutnant a.D. Franz Uhle-Wettler, Karl Richter, Alfred Mechtersheimer, Karl Hahn, General a.D. Günter Kießling, Richard Pemsel, Thor von Waldstein, Franz Pahl, Reinhard Hoffmann, Dekan Michael Ertz, Klas Lackschewitz, Rolf Kosiek, Felix Buck, Horst Rudolf Übelacker, Bernd Dröse u.a. Mit Themen zur Bedeutung der Konservativen Revolution, den Problemen des EG-Zusammenschlusses, zu Fragen der Ökologie und der nationalen Identität stellt das Deutsche Seminar für Rechtsextremisten ein wichtiges Diskussionsforum dar. (HS/UJ)

Walter Staffa, Funktionär verschiedener Vertriebenenorganisationen, war bis zu seinem Tod im November 2011 Vorsitzender des Deutschen Seminars, einer Organisation, die wegen ihrer rechtsextremistischen Tendenzen auf dem Radar des Verfassungsschutzes stand.

Werner Nowak war 26 Jahre lang Landesobmann des Sudetendeutschen Heimatbundes in Baden-Württemberg. Die Zentrale befindet sich seit 1984 in Nürtingen. 1988 kam mit Rolf Kosiek ein ebenfalls in Nürtingen ansässiger NPD-Politiker und Neonazi-Funktionär in den Vorstand.

VVN-BdA – Archiv zum Thema Witikobund – https://nrw-archiv.vvn-bda.de/ai/antifa_2011-5.pdf

VVN-BdA – Archiv zum Thema Witikobund – https://nrw-archiv.vvn-bda.de/ai/antifa_2011-5.pdf

Wesentlicher Bestandteil des Programms des Deutschen Seminars war die Verbreitung seines geschichtsrevisionistischen Geschichtsbildes, u.a. die Freisprechung Deutschlands von der Schuld am Zweiten Weltkrieg und die Verrechnung der NS-Verbrechen mit den „Verbrechen der Siegermächte“, darunter die Vertreibung der deutschen Bevölkerung zwischen 1944 und 1948.

Bis 1981 gab das Deutsche Seminar monatlich den Politischen Zeitspiegel heraus, der 1982 zusammen mit den Klüter Blättern in den Deutschen Monatsheften (=Nation und Europa) aufging. Im Politischen Zeitspiegel grassierten geschichtsrevisionistische und antidemokratische Thesen („… durch die Einrichtung eines vollberechtigten Direktoriums halten wir eine vorübergehende Ausschaltung des parlamentarischen Mehrheitskampfes für unerlässlich.“ (Politischer Zeitspiegel, Nr. 7/1978).

1997 gründete Staffa zusammen mit den Rechtsextremisten Werner Nowak, Karl Bassler und Rolf Kosiek einen „Aktionskreis“ des WB im Haus der Heimat in Nürtingen. Später arbeitete er in der „Deutschen Studiengemeinschaft“, einer rechtsextremen Denkfabrik mit Sitz in Leonberg.

Die Deutsche Studiengemeinschaft (DSG) mit Sitz in Leonberg wurde im August 2000 von bekannten Rechtsextremisten gegründet. Dem baden-württembergischen Verfassungsschutz zufolge ist sie einer der rechtsextremen Zirkel, die zum Ziel haben, die Szene auf breiter Front mit einem möglichst einheitlichen und intellektuellen Rüstzeug an ideologisch-theoretischer Grundausstattung zu versehen. Sie habe sich zum Ziel gesetzt, „durch gegenseitige Information und gemeinsame Studien politische Problemstellungen zu untersuchen und inhaltliche Schlussfolgerungen zu erarbeiten sowie den Meinungsbildungsprozess zu unterstützen.“ Zu diesen Zwecken bilde sie „Studienkreise“, die sich mit einzelnen Fragestellungen gezielt befassen.

Rechtsextremistische Vereine, Organisationen und Parteien in Baden-Württemberg – https://web.archive.org/web/20071026093531/http://www.landtag-bw.de/wp13/drucksachen/1000/13_1171_d.pdf

Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremen Gruppen

In den 1970er Jahren nahmen mehrere Aktivisten der Wiking-Jugend an den „Gründungsfeiern“ des Witikobundes teil, die an die Ausrufung des Deutschen Reiches erinnerten. In den 1980er Jahren gab es auch Beziehungen zum „Hilfskomitee Südliches Afrika“.

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Jüngste Aktivitäten

2000s

Einschätzungen des BfV

In den Jahren 2001, 2008 und 2011 teilte die Bundesregierung in Antworten auf parlamentarische Anfragen mit, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Witikobund eine „Verdichtung von Hinweisen auf rechtsextremistische Bestrebungen“ sieht. Ein solches Indiz sei zum Beispiel die „Häufung insbesondere antijüdischer Passagen“ in der Publikation Witikobrief.

Andreas Kalbitz als Autor im “Witikobrief” (Ausschnitt) – Quelle Apabiz

Andreas Kalbitz als Witikone (Faksimile aus “Der Rechte Rand”)

Andreas Kalbitz (AfD) als Autor für die “Junge Landsmannschaft Ostpreußen” 2003 (Ausschnitt) – Die JLO hatte seit mitte der 90er Jahre direkte Kontakte zum Witikobund

2003

Im Jahr 2003 reaktivierte der Verein den „Arbeitskreis Witikobund Österreich“ unter der Leitung des FPÖ-Politikers Martin Graf als österreichischen Landesverband. (Siehe *Stefanie Mayer, “Totes Unrecht”?: die “Beneš-Dekrete2 – eine geschichtspolitische Debatte in Österreich (Peter Lang, 2009), 113. )

Im November 2003 trat Alfred Mechtersheimer, Politiker und Autor der Neuen Rechten, als Referent bei Veranstaltungen des WB auf.

1950er Jahre

Gerade die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren geprägt von Gründungen neonazistischer und rechtsextremer Gruppierungen, die klar in der Nachfolge der NSDAP standen.

Volksbund für Frieden und Freiheit e.V.

Der „Volksbund für Frieden und Freiheit e.V.“ (VFF) war eine 1950 gegründete deutsche antikommunistische Propaganda- und Nachrichtenorganisation, deren Aktivitäten sich vor allem gegen die DDR und die Sowjetunion richteten. Da es personelle und ideologische Kontinuitäten zwischen den Mitarbeitern des VFF und der Abteilung Anti-Komintern des Propagandaministeriums von Joseph Goebbels in der NS-Zeit gab, die ähnliche Ziele verfolgte, wird der VFF als Quasi-Nachfolger der NS-Organisation angesehen.

Der VFF verstand sich als „die zentrale antikommunistische Organisation der Bundesrepublik „** und wurde sowohl vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen*** (dem Vorläufer des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen) als auch von der **** CIA subventioniert Friedrich Winterhager charakterisiert die Organisation als „Erledigung der McCarthy’schen Geschäfte in Deutschland, d.h. des fanatischen Antikommunismus“*****.

** Lorna L. Waddington „The Anti-Komintern and Nazi Anti-Bolshevik Propaganda in the 1930s,“ Journal of Contemporary History, 2007, 42 (4): 573–594.

*** „Gudrun Hentges im Interview mit Felix Klopotek,“ Kölner Stadtrevue, 12/2002, p. 33.

**** In an interview on 21 November 1969, the managing chairman H. Hämmerle stated the budget from 1951 to 1956 was about 700,000 DM annually, from 1957 to 1967 about 1.1 million DM annually.

***** Friedrich Winterhager, Günther Gereke. Ein Minister im Spannungsfeld des Kalten Krieges. Biografischer Essay (Ludwigsfelde, 2002), 73.

Der Volksbund versuchte, kommunistische Verstrickungen in bürgerlichen und nationalistischen Parteien aufzuspüren und öffentlich zu brandmarken. Zu diesem Zweck gab er zahlreiche Broschüren und Flugblätter heraus. So warf die Organisation dem damaligen niedersächsischen Landtagsabgeordneten Günther Gereke vor, er habe sich „dem Ultrabolschewisten Ulbricht für die Bolschewisierung der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellt“. Das Flugblatt endet mit dem Appell: „Hüten Sie sich vor Günther Gereke! Fallen Sie nicht auf seine Täuschung herein. Sorgen Sie dafür, dass dem Spiel dieses gefährlichen Agenten Moskaus ein Riegel vorgeschoben wird!“*

  • Friedrich Winterhager, Günther Gereke. Ein Minister im Spannungsfeld des Kalten Krieges. Biografischer Essay (Ludwigsfelde, 2002), 73.

Auch in anderen europäischen Ländern wurden dem VFF vergleichbare Organisationen gegründet. Im September 1950 gründete der Politiker Jean-Paul David mit Hilfe von Premierminister René Pleven in Frankreich die Organisation Paix et Liberté, um dem Einfluss der kommunistischen Partei im Land entgegenzuwirken.

In den Niederlanden wurde 1951 mit offizieller Unterstützung der Regierung die Organisation Vrede en Vriijheid (dt. Frieden und Freiheit) gegründet. Im Jahr 1953 wurde ein italienischer Ableger, Pace e Liberta, gegründet. Diese Organisationen gelten als Vorläufer von Interdoc, einer transnationalen „Clearingstelle“ für Organisationen, die sich mit antikommunistischer psychologischer Kriegsführung befassten und im Februar 1963 in Den Haag gegründet wurde.

Geschichte

Der VFF entstand vor allem vor dem Hintergrund der Gründung der DDR im Jahr 1949 und des Beginns des Koreakrieges im Juni 1950, der die weit verbreitete Angst der westlichen Regierungen vor einer weiteren Ausbreitung des Kommunismus begründete. Ihr späterer Mitbegründer, Eberhard Taubert (1907-1976), hatte jedoch bereits 1947 der US-Besatzung in Deutschland „die Blaupause“ für den VFF vorgeschlagen.**

** Giles Scott-Smith, Western Anti-Communism and the Interdoc Network (London: Palgrave Macmillan Transnational History Series, 2012), 22.

Gegründet wurde der VFF am 29. August 1950 in der Gaststätte „Zum Patzenhofer“ in Hamburg. Die Initiative ging von dem Nazi-Verleger Franz Wilhelm Paulus (Hamburger Allgemeine Zeitung) und dem ehemaligen Ministerialdirektor im Propagandaministerium von Joseph Goebbels und Geheimdienstmitarbeiter Eberhard Taubert unter dem Pseudonym „Erwin Kohl“ aus. Am selben Tag schrieb der amerikanische Hochkommissar John McCloy ein Telegramm an das Außenministerium, in dem er die Maßnahmen zur Intensivierung der Kommunismusbekämpfung in Deutschland darlegte.8 Nur wenige Tage später gründete Jean Paul David die französische antikommunistische Organisation „Paix et Liberté“, die die gleichen Ziele verfolgte und einen fast identischen Namen trug, wobei jedoch keine Einzelheiten über die Koordination dieser Organisationen bekannt sind.

Nach Ansicht von Bernard Ludwig:

Anfang September [1950] gab Dr. Arthur Ruppert, Gründungsmitglied und Vizepräsident des VFF (1950-1953), dem Minister für gesamtdeutsche Angelegenheiten, Jakob Kaiser, die Gründung des VFF bekannt und übermittelte dessen Statuten. Er hatte auch ein Treffen mit dem Staatssekretär des Ministeriums, Franz Thedieck. Ende des Monats kam es nach einem ausführlichen Gespräch zwischen einem Berater des Ministeriums, Ruppert und Jürgen Hahn-Butry, dem Präsidenten des VFF, zu einer langjährigen ideologischen und finanziellen Zusammenarbeit. Ende Oktober wurde Ewert von Dellingshausen mit der Aufsicht über den VFF betraut. Der 1907 geborene Deutschbalte, der gerade aus der sowjetischen Besatzungszone geflohen war, unterstützte den Verein nahezu uneingeschränkt.

Es gab eine beträchtliche Kontinuität zwischen den Anti-Komintern, einer Abteilung von Goebbels‘ Propagandaministerium, die für die antisowjetische Propaganda zuständig war, was Historiker wie Matthias Friedel dazu veranlasste, den VFF als eine „Replik“ des VFF zu bezeichnen. Eberhard Taubert zum Beispiel „hatte den Antikommunismus bereits als Beruf in Goebbels‘ Propagandaministerium ausgeübt, wo er … die „Antikomintern e. V.“ leitete. Er trat 1931 in die Nazipartei ein und engagierte sich schnell sowohl in der antikommunistischen als auch in der antijüdischen Propaganda. Sein Spitzname in Nazikreisen war Dr. Anti. Er arbeitete 1940 am Drehbuch für den antisemitischen Propagandafilm Der ewige Jude“ mit und war für das Gesetz verantwortlich, das Juden zum Tragen des gelben Abzeichens (Judenstern) verpflichtete. Alfred Gielen, der in der NS-Zeit auch für das Propagandaministerium von Goebbels gearbeitet hatte, wurde ein Funktionär des VFF sowie des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen“ (BGF), das später den VFF finanzierte.**

** Matthias Ritz & Erich Schmidt-Eenboom, Im Schatten des Dritten Reiches: der BND und sein Agent Richard Christmann (Ch. Links Verlag, 2011), 117.

Der VFF und die Anti-Komintern verfolgten auch das gleiche Ziel, nämlich die Produktion und Verbreitung einer heftigen antisowjetischen Propaganda. Während jedoch eines der Hauptziele der Anti-Komintern darin bestand, die antisemitische Behauptung zu verankern, dass „der Bolschewismus jüdisch sei „** , ließ der VFF dieses offen antisemitische Element aus seinem Propagandarepertoire fallen.*

* Martin Finkenberger, „Antikomintern,“ in Wolfgang Benz (ed.), Handbuch des Antisemitismus, Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen (Berlin/Boston: de Gruyter, 2012), 28.

** Lorna L. Waddington „The Anti-Komintern and Nazi Anti-Bolshevik Propaganda in the 1930s,“ Journal of Contemporary History, 2007, 42 (4): 573–594.

Im März 1952 erhielt der VFF den Status einer staatlich anerkannten Organisation.5 Vorsitzende waren Jürgen Hahn-Butry von 1950 bis 1951 und Fritz Cramer von 1951 bis 1966. Der Volksbund wurde von der CIA finanziert, erhielt aber zwischen 1951 und 1956 auch rund 700.000 D-Mark jährlich aus Bundesmitteln.10 Später erhielt er Mittel von der BGF.***

*** Gudrun Hentges im Interview mit Felix Klopotek,“ Kölner Stadtrevue, 12/2002, p. 33.

Der VFF gehörte zu den 102 von der BGF geförderten Vereinen und Organisationen, von denen einige in einer Fußnote in einem 2004 erschienenen Buch von Roland Wöller erwähnt werden. Mit diesen Mitteln finanzierte der VVF unter anderem Plakate, Broschüren, Filme und die Zeitschrift „Die Wahrheit“.

In: 2004 Roland Wöller, Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands 1952-1975 – Zur politischen und wissenschaftlichen Diskussion der Wiedervereinigung (Düsseldorf: Droste Verlag, 2004), 30. – Bildquelle: https://archive.org/details/derforschungsbei0000woll/page/30/

In einem Bundestagsprotokoll vom Oktober 1952 wird erwähnt, dass der VFF Gelder an den 1950 gegründeten „Bund Deutscher Jugend“ (BDJ), einen rechtsextremen deutschen Verband mit antikommunistischer Ausrichtung, überwiesen hatte.14 Anfang 1953 wurden der BDJ und sein paramilitärischer Arm, der Technische Dienst (BDJ-TD), wegen der Bildung einer Geheimorganisation zur Guerillaausbildung verboten. Erst später stellte sich heraus, dass der BDJ-TD ein Projekt der CIA war (Kryptonym: LCPROWL).

Nach dem Bekanntwerden von Tauberts NS-Verstrickungen, insbesondere seiner Beteiligung an Todesurteilen des Volksgerichtshofs, musste er am 24. August 1955 von seinem Amt als zweiter Vorsitzender des VFF zurücktreten. Eine Woche vor seinem Rücktritt sagte Ewert von Dellingshausen, der zuständige Beamte im „Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten“, der die Aktivitäten des VFF überwachte und finanziell kontrollierte, in einem Interview: „Ich kann Ihnen versichern, dass das Ministerium keine solchen Konsequenzen gegenüber Taubert ziehen wird; denn Taubert ist ein Mann, den wir brauchen und der auch unverzichtbar ist. (…) Taubert hat Erfahrung. „

Ab 1957 war die VVF mit der Asian Peoples‘ Anti-Communist League (APACL) verbunden, die später in die World Anti-Communist League (WACL) umgewandelt wurde.

1957 erwähnte der Leiter des NTS, Wladimir Poremski, bestehende Kontakte zwischen dem NTS, der APACL und dem VFF. – https://archive.org/details/scopeofsovietact5861unit/page/3806/

Mit den grundlegenden politischen Veränderungen, die mit der Ostpolitik Willy Brandts einhergingen, stellte der VFF 1970 seine Tätigkeit ein.

Literaturverzeichnis

Links

In den digitalen Archiven Deutschlands (Deutsche Digitale Bibliothek) gibt es verschiedene Plakate und Flugblätter, die der VFF produziert hatte, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/searchresults?query=%22Volksbund+f%C3%BCr+Frieden+und+Freiheit%22&thumbnail-filter=on&isThumbnailFiltered=true&rows=20&offset=0.

Das LCPROWL-Projekt

Das LCPROWL-Projekt (1950-53) in Deutschland war eine US-amerikanische Operation zur antikommunistischen psychologischen Kriegsführung, die vom Bund Deutscher Jugend (kryptonym: KMPRUDE) durchgeführt wurde. Ein Teilprojekt sah den Aufbau einer Stay-behind-Organisation vor, die im Falle eines Krieges mit der sowjetischen Armee paramilitärische/Sabotage-Aktivitäten durchführen sollte (LCPROWL BDJ Apparat).

Der Apparat bestand aus etwa 2000 Mitgliedern und war nach freigegebenen CIA-Dokumenten für jede Art von politischer Kriegsführung verfügbar. Erhard Peters, Rudolf Radermacher, Otto Rietdorf, Friedrich Karl Kleff, Paul Lüth, Alarich Bross, Friedrich Carsten, Heinz Debrassine, Ulrich Gmelin, Karl Jobke, Franz Krombholz, Walter Menke, Hans Otto, Christian Schwarting, Eberhard Tellkamp, Helmut Vogt und Willi Weinsberg waren an dem Projekt beteiligt.

Nach der Zerschlagung der Organisation 1953 genossen die BDJ-Partisanen Straffreiheit, und viele ehemalige Nazis heuerten beim US-Geheimdienst an, der auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr ausgebildet wurde.

Erklärte Ziele

Ein deklassierter Projektentwurf vom Januar 1951 nennt die Hauptziele der Organisation:

(1) Die Nutzung der Liga während der Wahlen vom 15. Oktober [1951] in Ostdeutschland
(2) Die Konsolidierung der Liga als ständige, landesweite Organisation
(3) Einsatz der Liga in Operationen der politischen Kriegsführung
(4) Guerilla-Kriegsführung und Sabotage-Ausbildung ausgewählter Teile der Liga-Mitglieder

Phase 4 wurde am 29. August 1950 genehmigt.

Haushalt

Die am 3. Juli 1951 genehmigte Projektänderung Nr. 2 bewilligte dem LCPROWL-Apparat ein Budget von 125.000 Dollar zur Deckung der Organisations-, Schulungs- und Betriebskosten für dreizehn Monate ab dem 1. Juni 1951.

Verbotsverfahren

Als 1951 ein ehemaliges Mitglied des BDJ die Politik über die Aktivitäten der Organisation informierte, wurde das darauf folgende Verbotsverfahren vom amerikanischen Geheimdienst aufmerksam verfolgt. Ein deklassierter Bericht vom Januar 1953 beschreibt, wie die Organisation aufgedeckt wurde:

„Das Ermittlungsverfahren ging davon aus, dass der Kaufmann Hans Otto, ehemaliges Mitglied der BDJ-Landesleitung und selbst Mitarbeiter der Guerilla-Organisation, am 9. September 1952 vor dem Polizeipräsidium Frankfurt/M. im Zusammenhang mit einer Anzeige wegen Bestechung gegen einen Beamten der Kriminalpolizei in Frankfurt vertrauliche Angaben über eine 1951 von Erhard Peters, dem ehemaligen 2.

Diese Organisation heiße „Technischer Dienst des BDJ“ und beschäftige sich mit der militärischen Ausbildung ihrer Mitglieder, um für den Fall einer sowjetisch-russischen Besetzung Westdeutschlands für Gurillenkrieg und Sabotage gerüstet zu sein. Am 13. September leitete das Polizeipräsidium Frankfurt/M. auf Anordnung des hessischen Ministerpräsidenten großangelegte Maßnahmen gegen die in Hessen lebenden Führer und Mitglieder des „Technischen Dienstes“ ein, die in der Festnahme des Schatzmeisters und Adjutanten, des Kaufmanns Otto Rietdorf aus Frankfurt/M., des hessischen Landesvorsitzenden, des kaufmännischen Angestellten Rudolf Radermacher aus Neu-Isenburg bei Frankfurt/M., und des Ausbildungsleiters der Organisation, des Kaufmanns Friedrich Karl Kleff aus Hamburg, mündeten. Die Beschuldigten wurden dem Amtsgericht Frankfurt/M. vorgeführt, das einen Haftbefehl erließ:

„dass sie an einer Organisation mitgewirkt haben, deren Existenz, Satzung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim zu halten war, und dass sie als Ringführer an einer Organisation mitgewirkt haben, deren Zweck und Tätigkeit auf die Begehung strafbarer Handlungen, auf Vergehen im Sinne der §§ 128, 129 des Strafgesetzbuches, gerichtet war.“

Eine Razzia örtlicher Polizeieinheiten in den Räumlichkeiten des BDJ im Jahr 1952 ergab, dass die USA die Organisation mit monatlich 50.000 Dollar finanziert und mit Waffen, Munition und Sprengstoff versorgt hatten. Ein Waffenlager mit Maschinengewehren, Granaten, leichten Artilleriegeschützen und Sprengstoff wurde im Odenwald in der Nähe von Frankfurt am Main gefunden **. Die beschlagnahmten Dokumente enthielten auch eine Attentatsliste mit den Namen von 40 führenden deutschen Politikern – vor allem aus der SPD. Darunter befanden sich Herbert Wehner, der ehemalige SPD-Parteivorsitzende, Erich Ollenhauer, der hessische Innenminister, Heinrich Zinnkann und die Bürgermeister von Hamburg und Bremen. Für den „Ernstfall“ hatte der BDJ bereits Mitglieder in die SPD eingeschleust.

** „Partisans in Germany: An Arms Dump in the Odenwald,“ The Times, October 11, 1952.

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Ulrich Stoll, „Die Schattenkrieger der NATO“, Dokumentation, ZDF Info, 25. März 2014, 21.45 Uhr.

Die amerikanische Seite gab eine offizielle Erklärung ab, in der sie behauptete, die Organisation beruhe auf der Initiative und den Weisungen einer militärischen Stelle der amerikanischen Besatzungsmacht und sei daher keine Geheimorganisation, die auf privater Initiative der betroffenen deutschen Personen gegründet worden sei. Nach dieser Erklärung wurden die Angeklagten am 13. September 1952 ohne weitere Anklage aus der Haft entlassen.

Der CIC nahm die deutschen BDJ-Mitglieder in Gewahrsam und verweigerte den deutschen Behörden, die eine Anklage wegen unerlaubten Waffenbesitzes und geplanten Mordes erheben wollten, in der Folgezeit jeglichen Zugang zu ihnen. Die CIC-Agenten beschlagnahmten weiterhin alle noch verfügbaren Dokumente und weigerten sich, sie an die deutschen Behörden herauszugeben. Als Ergebnis der laufenden Ermittlungen gaben die US-Behörden schließlich zu, den BDJ für die Ausbildung von Guerillas im Falle eines Krieges mit der Sowjetunion finanziert zu haben. **

** „German Saboteurs Betray U.S. Trust,“ New York Times, October 10, 1952.

Kryptonyme

Namen

Bross, Alarich: RNMOOSEY, KM-64, JG-3534 (Kryptonyme). In Verbindung mit dem LCPROWL-Projekt.
Carstenn, Friedrich: JG-7091 (Kryptonym). Zugehörig zum Projekt LCPROWL Apparat.
Debrassine, Heinz: JG-7300 (Kryptonym). Assoziiert mit LCPROWL Apparat.
Gmelin, Ulrich: JG-8955 (Kryptonym). Verbunden mit dem LCPROWL Projekt.
Jobke, Karl: JG-6024 (Kryptonym). Assoziiert mit dem LCPROWL-Projekt Apparat
Kalich, Helmut: JG-7749 (Kryptonym). Assoziiert mit dem Projekt LCPROWL.
Krombholz, Franz: Assoziiert mit dem LCPROWL/Apparat-Projekt
Lüth, Paul9
Menke, Walter: JG-4796 (Kryptonym). Assoziiert mit LCPROWL Apparat.
Otto, Hans: JG-6734 (Kryptonym). Beteiligt am LCPROWL Apparat Projekt.
Schwarting, Christian: JG-6628 (Kryptonym). Assoziiert mit LCPROWL Apparat.
Tellkamp, Eberhard: JG-7653 (Kryptonym). Zugehörig zum LCPROWL/Apparat-Projekt.
Vogt, Helmut: JG-2633 (Kryptonym). Merrit C. CRASKE (Deckname). Mitarbeiterin des Bundes der Deutschen Jugend (BDJ) im Projekt LCPROWL.
Weinsberg, Willi: Assoziiert mit dem LCPROWL-Projekt.

Andere

QKFENCE: Das LCPROWL-Projektteam an der Station in Deutschland

Literaturverzeichnis

Suchergebnisse für LCPROWL in den Archiven der CIA (260 Dokumente, Stand: April 2019)

Interdoc

Interdoc, die Abkürzung für Internationales Dokumentations- und Informationszentrum, wurde im Februar 1963 in Den Haag gegründet und war eine länderübergreifende „Clearingstelle“ für Organisationen, die sich mit antikommunistischer psychologischer Kriegsführung befassten, wobei der Schwerpunkt auf der Suche nach Möglichkeiten lag, „die anhaltende Anziehungskraft der kommunistischen Ideologie, insbesondere unter Jugendlichen und Intellektuellen“ zu beeinträchtigen.Die Organisation diente als Drehscheibe für ein weit verzweigtes Netz national und international tätiger antikommunistischer Einrichtungen in Europa, Nordamerika und später zunehmend auch in Ländern der „Dritten Welt“.

Das Dokumentationszentrum in Den Haag verfügte über ein umfassendes Indexsystem, das auch Verweise auf Material außerhalb von Interdoc enthielt, und seine Bibliothek verfügte über eine Sammlung von Zeitschriften, Sonderberichten und Unterlagen über angeschlossene antikommunistische Organisationen.

Obwohl Interdoc nur über einen kleinen ständigen Mitarbeiterstab verfügte, der von einem Direktor und einem stellvertretenden Direktor geleitet wurde, gab es einen internationalen Vorstand und einen beratenden Ausschuss. Jedes Land, das sich an Interdoc beteiligte, hatte sein eigenes angeschlossenes nationales Forschungszentrum, zum Beispiel hieß der deutsche Zweig von Interdoc „Verein zur Erforschung sozial-politischer Verhältnisse im Ausland“.

Den Vorständen dieser nationalen Zentren gehörten Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Presse und Militär an, von denen einige auch im internationalen Vorstand und Beirat von Interdoc saßen. Die für den Betrieb von Interdoc erforderlichen Mittel wurden von den nationalen Zentren bereitgestellt, die sich bereit erklärt hatten, einen Teil ihres Budgets für diese gemeinsame internationale Arbeit zu verwenden. Mit diesen Mitteln wurden auch die zweimal jährlich stattfindenden Gipfeltreffen von Interdoc finanziert.

Historischer Hintergrund

Nach der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg wurde die Sowjetunion, der ehemalige Verbündete der Westmächte im Kampf gegen das Naziregime, schnell selbst zum Feind Nummer eins erklärt. Der „Eiserne Vorhang“, ein Begriff, den Winston Churchill in seiner berühmten Rede von 1949 prägte, begann sich in die Köpfe der Menschen einzubrennen. Selbst mit der sich abzeichnenden russischen Strategie einer „friedlichen Koexistenz“ nach Stalins Tod im Jahr 1953 sah sich der noch nicht konsolidierte „Westen“ nicht nur durch territoriale Übergriffe, sondern auch durch eine sowjetische Kulturübernahme in Form der kommunistischen Ideologie bedroht.

Um die „Rote Gefahr“ abzuwehren, wurde eine beispiellose psychologische Kriegskampagne gestartet, um die westliche Öffentlichkeit von allem abzuschrecken, was auch nur entfernt nach Kommunismus roch, vor allem durch groß angelegte Propagandakampagnen, die die Sowjetunion auf grobe Weise in entmenschlichender und rassistischer Weise verunglimpften. Diese Strategie funktionierte zwar, um eine Mehrheit mitzureißen, war aber nicht ganz erfolgreich, vor allem nicht bei jungen Intellektuellen.

So begann eine wachsende Zahl von Propagandisten des „westlichen Blocks“ an der Wirksamkeit der vorherrschenden „negativen antikommunistischen“ Sichtweise und ihres Schwarz-Weiß-Ansatzes zu zweifeln. Ein freigegebenes CIA-Memo aus dem Jahr 1965 beschreibt solche Überlegungen als Hintergrund für die Gründung von Interdoc:

Es wurde auch immer deutlicher, dass eine Lösung für die neue Herausforderung nicht in einem negativen Antikommunismus zu finden war, sondern dass ein positiverer Antikommunismus erforderlich war, der eine genauere Untersuchung der grundlegenden Werte des Westens und deren Verbreitung in der kommunistischen Welt und in den Entwicklungsländern beinhaltete.

Vorläufige Treffen

Während verschiedene europäische Geheimdienste bereits intensiv an geheimen antikommunistischen Aktivitäten beteiligt waren, gab es nur wenige internationale Foren für den Informationsaustausch zu diesem Thema. Die Popularität des kommunistischen Denkens bereitete vielen konservativen westeuropäischen Führern dieser Zeit zunehmend Sorge, da sie befürchteten, dass dies den Weg für eine Kulturrevolution ebnen würde. Ein Europa, das durch die Feindseligkeiten zwischen ehemaligen Kriegsgegnern, insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland, zerrissen war, würde ein solches Szenario nur begünstigen.

Die Wiederherstellung der intereuropäischen Kommunikation war daher ein notwendiges Vorrecht für jede potenzielle transnationale antikommunistische Initiative. Einer der Wegbereiter der „Annäherung“, der Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, war die Bilderberg-Gruppe, die 1954 mit dem Segen des Kollaborateurs4 Prinz Bernhard der Niederlande gegründet wurde. Bereits bei ihrem zweiten Treffen im März 1955 beschloss die Bilderberg-Gruppe, in Barbizon bei Paris über den „kommunistischen Einfluss im Westen, europäische kommunistische Parteien und politische, ideologische und wirtschaftliche Gegenmaßnahmen gegen die Rote Gefahr“ zu diskutieren.*

*Luis M. González-Mata, Les vrais maitres du monde (Paris, Éditions Grasset & Fasquelle, 1979), 26.

Prinz Bernhards Zugehörigkeit zur Bilderberg-Gruppe scheint in der Anfangsphase der Gründung von Interdoc von entscheidender Bedeutung gewesen zu sein. So war er beispielsweise im Februar 1962 Gastgeber eines Treffens „einer Reihe angesehener Industrieller“ auf Schloss Soestdijk. Das niederländische „Institut für das Studium der menschlichen Ökologie“ (Stichting voor ondersoek van ecologische vraagstukken, SOEV), eine CIA-Tarnorganisation, hatte den Plan für ein solches Zentrum vorgelegt. Laut Giles-Smith, dem wahrscheinlich sachkundigsten Wissenschaftler in Sachen Interdoc,

Die Unternehmen, die sich am meisten für den Vorschlag von SOEV begeisterten, waren Shell, Unilever und die Niederländischen Eisenbahnen. SOEV entwickelte auch eine enge Arbeitsbeziehung mit dem internen Informationsdienst der niederländischen Luftwaffe.

Weitere Hinweise darauf, dass Interdoc im Umfeld von Prinz Bernhard und der Bilderberg-Gruppe entstanden ist, liefert auch der Forscher David Teacher:

Interessant ist, dass die Bilderberg-Konferenz im März 1955 in Barbizon stattfand, demselben Ort wie die bahnbrechende Interdoc-Gruppe im Jahr 1961. Prinz Bernhards Rolle ist bezeichnend für die Unterstützung, die die Bilderberg-Gruppe, die selbst gerade erst gegründet worden war, der jungen Interdoc-Organisation zukommen ließ.

Diese beiden Treffen sind auch in dem bereits erwähnten CIA-Memo von 1965 dokumentiert:

Im Herbst 1957 fand in Südfrankreich ein Treffen zwischen einer französischen und einer deutschen Gruppe statt, die sich aus Vertretern der Wissenschaft, der Industrie, der Presse und der Streitkräfte zusammensetzte und die, à titre privé, Ost-West-Probleme erörtern wollte, insbesondere im Hinblick auf die neue kommunistische Herausforderung: die friedliche Koexistenz. Im Herbst 1958 stieß eine niederländische Gruppe mit ähnlicher Zusammensetzung und gleichen Interessen zu den anderen hinzu. In den folgenden Jahren zeichnete sich in den Diskussionen eine Tendenz ab, konkretere, praktische Punkte anzusprechen, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Ost-West-Konfrontation.

Ein wichtiger Impuls zur Gründung von Interdoc ging vom französischen SDECE-Oberst Antoine Bonnemaison aus, der unter dem Deckmantel einer SDECE-Tarnorganisation namens Centre de Recherches du Bien Politique für die Koordinierung aller vom Cinquieme Bureau durchgeführten psychologischen Operationen verantwortlich war.

David Teacher schreibt über Antoine Bonnemaison in seinem bahnbrechenden Buch Rogue Agents: Habsburg, Pinay und der private Kalte Krieg 1951-1991:

Ab 1955 fungierte Bonnemaison als Organisationssekretär für eine Reihe von informellen Treffen, die abwechselnd in Frankreich und in Deutschland stattfanden und bei denen hochrangige Geheimdienstveteranen aus drei Ländern zusammenkamen: Frankreich, Deutschland und Holland. „Die Mischung der ‚Delegierten‘ (1959) war in allen drei (nationalen) Gruppen im Grunde die gleiche: Geheimdienstler, sowohl zivile als auch militärische, führende Akademiker, nicht-akademische politische oder wirtschaftliche Spezialisten, ein oder zwei vertrauenswürdige Politiker, Industrieführer, Gewerkschaftsführer und Geistliche verschiedener Konfessionen … diese Treffen … waren sehr produktiv in Bezug auf Fakten, Hintergründe, Analysen und intelligente Diskussionen.

Die Idee eines verdeckten europäischen Bündnisses zur Bekämpfung des Kommunismus wurde 1957 erörtert, als eine deutsch-französische Gruppe in Südfrankreich zusammentraf, um darüber zu beraten, welche Schritte zur Bekämpfung des Kommunismus unternommen werden könnten. Ihr erster Beschluss war, ihr Netzwerk zu verstärken; im folgenden Jahr wurde der Kreis um Vertreter aus Holland, Italien, der Schweiz und Belgien erweitert.

Von zentraler Bedeutung für die anglo-französischen Beziehungen war laut Teacher das Treffen zwischen dem französischen Colonel Bonnemaison und dem englischen Propagandisten Brian Crozier:

Eine weitere Ausweitung auf das Vereinigte Königreich erfolgte 1959, nachdem Bonnemaison im Jahr zuvor zufällig dem damaligen Herausgeber des Economist Foreign Report begegnet war, einem Mann, der später zweifellos der prominenteste Propagandist für mehrere westliche Geheimdienste und die Schlüsselfigur im britischen Anti-Subversionskomplex werden sollte – Brian Crozier. … Nachdem er Crozier 1958 kennengelernt hatte, lud Antoine Bonnemaison Crozier als ersten britischen Besucher überhaupt zu einem seiner Kolloquien ein, das diesmal in der Nähe von Frankfurt stattfand. Es waren drei Delegationen aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden anwesend, denen jeweils hohe Geheimdienstoffiziere angehörten. Die französische Delegation wurde von General Jean Olie, de Gaulles Generalstabschef, angeführt und von Oberst Bonnemaison vom SDECE unterstützt.

Auch die deutsche Delegation bei diesen Vorbesprechungen war gespickt mit Geheimdienstlern, darunter Hermann Foertsch, ein ranghoher Stellvertreter von Reinhard Gehlen, dem Gründer des deutschen Nachkriegsgeheimdienstes, des Bundesnachrichtendienstes (BND). In einem Dokument vom August 1959 erklärte Foertsch, dass die Finanzierung einer solchen Organisation „idealerweise (…) durch die Autorität eines oder mehrerer ‚Hauptförderer‘ (eine Persönlichkeit der katholischen Kirche, eine prominente jüdische Persönlichkeit, kein Amerikaner) geregelt werden“ sollte.

Neben Foertsch gehörten der Delegation zwei weitere BND-Mitarbeiter an, Professor Hans Lades und Dr. C. D. Kernig, die beide wegen ihres Fachwissens über den ostdeutschen Kommunismus eingestellt wurden und an einer Tarnorganisation nach dem Vorbild von Bonnemaisons Centre de Recherches du Bien Politique, der „Deutschen Vereinigung für Ost-West-Beziehungen“, beteiligt waren. Laut Crozier hatte sie ihren Sitz in München, „in angemessener Nähe zum Hauptquartier des BND in Pullach“. Teacher schreibt über die deutsche Interdoc-Tochtergesellschaft:

Obwohl über diese von Crozier zitierte Vereinigung nichts weiter bekannt ist, gehörten Professor Hans Lades und Dr. C. D. Kernig auch einer anderen geheimnisvollen Vereinigung an, dem Verein zur Erforschung sozial-politischer Verhältnisse im Ausland, der praktischerweise ebenfalls in München ansässig war. Zu den Mitgliedern des Vereins gehören. Professor Lades und Dr. Kernig nahmen regelmäßig an den Treffen von Bonnemaison teil, während Dr. Norman von Grote 1963 als drittes deutsches Gründungsmitglied von INTERDOC zu ihnen stoßen sollte. Von Grote war Offizier in der FHO (Fremde Heere Ost) der Wehrmacht16 mit besonderer Verantwortung für die Verbindung zum russischen General Wlassow und seiner Armee von Nazi-Kollaborateuren, dem NTS. Nach dem Krieg sollte der NTS die Mutterorganisation der IGfM sein.17 Die FHO wurde ab dem 1. April 1942 von General Gehlen befehligt; Gehlen selbst hatte Wlassow adoptiert und die Idee einer antikommunistischen Armee unter Wlassow gegen den starken Druck Himmlers verteidigt.*

*Heinz Höhne and Hermann Zolling, The General was a spy (London: Pan, 1973), 33-36, quoted in Teacher, Rogue Agents, 15.

Verbindung zu Gladio

Die niederländische Delegation bei diesen Vorbesprechungen ist von besonderem Interesse, weil hier erste Verbindungen zu Gladio auftauchen:**

** Teacher, Rogue Agents, 15.

Die niederländische Delegation wurde durch zwei hochrangige Veteranen des Binnenlandse Veiligheidsdienst (BVD), des niederländischen Dienstes für innere Sicherheit, vertreten: Louis Einthoven und C. C. ‚Cees‘ Van den Heuvel. Einthoven war in den 1930er Jahren Hauptkommissar der Polizei in Rotterdam gewesen. Nach dem Krieg wurde er von General H. J. Kruls zum Leiter des Bureau Nationale Veiligheid ernannt, das 1946 in BVD umbenannt wurde; Einthoven wurde dann der erste Direktor des BVD und trat erst 1961 in den Ruhestand. Er spielte eine Schlüsselrolle in der niederländischen Gladio-Komponente Operaties 85 Inlichtingen (O&I – Operations and Intelligence), die ebenfalls 1946 von General Kruls gegründet worden war. Einthoven leitete die Operationsabteilung der O&I, die für die Vorbereitung des bewaffneten Widerstands zuständig war, aber auch die entscheidende Aufgabe hatte, „die Menschen in Friedenszeiten für die Gefahr des Kommunismus zu sensibilisieren“.

Van den Heuvel war Beamter im niederländischen Innenministerium und ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung des BVD, in der er eng mit der O&I zusammenarbeitete. Van den Heuvel, der während der Nazi-Okkupation eine „heldenhafte Rolle im niederländischen Widerstand“ gespielt hatte, war mit den Grundsätzen der Stay-behind-Netzwerke bereits gut vertraut.

Die Teilnehmer dieser beiden von Bonnemaison organisierten Vorbesprechungen spiegeln das Bestreben von Interdoc wider, eine Schnittstelle zwischen den niederländischen, deutschen und französischen Geheimdiensten im Bereich der psychologischen Kriegsführung zu sein, nicht so sehr gegen die Sowjetunion, sondern gegen die Erfolge der kommunistischen Ideologie:

  • Antoine Bonnemaison (fr); unter dem Deckmantel einer SDECE-Tarnorganisation, dem Centre de Recherches du Bien Politique, ist er bis 1963 für die Koordinierung aller psychologischen Operationen des Cinquieme Bureau verantwortlich
  • Jean Olie (fr); Generalstabschef von de Gaulle, der von Oberst Bonnemaison von der SDECE unterstützt wird
  • Norman von Grote (de); ehemaliger Offizier der Auslandsarmee Ost mit besonderer Verantwortung für die Verbindung zum russischen General Wlassow und seiner Armee von Nazi-Kollaborateuren, der NTS
    Hermann Foertsch (de); Stellvertreter von Reinhard Gehlen, Leiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND
  • Hans Lades (de); „Deutsche Vereinigung für Ost-West-Beziehungen“, „Gesellschaft zum Studium ausländischer gesellschaftspolitischer Beziehungen“
  • Dr. C. D. Kernig (de); „Deutsche Vereinigung für Ost-West-Beziehungen“, „Gesellschaft zur Erforschung ausländischer gesellschaftspolitischer Beziehungen“
  • Louis Einthoven (nl); Veteran des Binnenlandse Veiligheidsdienst (BVD); Schlüsselrolle in der niederländischen Gladio-Komponente, Operaties & Inlichtingen
    Cees Van den Heuvel (nl); ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung des Binnenlandse Veiligheidsdienstes (BVD)
  • Brian Crozier (UK); Propagandist, Geheimdienstagent.
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Gesellschaft für die Erforschung der Humanökologie

Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst wurden über die Society for the Investigation of Human Ecology (SIHE) geknüpft, die 1955 von zwei Professoren des Medical College der Cornell University, Harald Wolff und Lawrence Hinkle, gegründet wurde. Obwohl die Gesellschaft als legitimes Forschungszentrum auftrat, erhielt sie Gelder von der CIA und teilte ihre Forschungsergebnisse mit der Behörde, die diese in ihren eigenen Projekten zur psychologischen Kriegsführung, insbesondere MKULTRA, berücksichtigte und anwendete. Die Society war auch ein Kanal für Gelder, die für geheime Projekte zur psychologischen Kriegsführung bestimmt waren, wie z. B. für die (teilweise tödlichen) Experimente von Dr. Ewen Cameron in der psychiatrischen Einrichtung der McGill-Universität.**

** John Marks, The Search for the “Manchurian Candidate”: The CIA and Mind Control (London: Allen Lane, 1979), 32.

Cameron führte umfangreiche Tests mit Elektroschocks und Medikamenten an psychiatrischen Patienten durch, ein Verfahren, das er „Depatterning“ nannte. Laut John D. Marks, der ein Buch über diese Experimente geschrieben hatte: ***

*** Marks, Manchurian Candidate, 133.

Er [Cameron] postulierte, dass, nachdem er bei einer Versuchsperson eine „vollständige Amnesie“ hervorgerufen hatte, die Person schließlich die Erinnerung an ihr normales, aber nicht an ihr schizophrenes Verhalten wiedererlangen würde. So behauptete Cameron, er könne eine „differenzielle Amnesie“ erzeugen. Die Schaffung eines solchen Zustands, in dem ein Mensch, der zu viel wusste, zum Vergessen gebracht werden konnte, war seit langem eines der Hauptziele der Programme ARTICHOKE und MKULTRA.

Ein weiteres Ziel war es, einen „mandschurischen Kandidaten“ zu schaffen, d. h. eine Person zu „depattern“ und dann zu „repattern“, so dass sie zu einem „Attentäter wird, dessen Geist von einer feindlichen Regierung kontrolliert wird“.** Marks, Manchurian Candidate, 9.

** Marks, Manchurian Candidate, 9.

Das SIHE pflegte auch regelmäßige Kontakte zu gleichgesinnten Instituten. Anfang 1959 besuchte eine niederländische Delegation, bestehend aus dem Ausbildungsleiter des niederländischen Geheimdienstes BVD, Cees van den Heuvel, und vier weiteren Personen, die Vereinigten Staaten, um sich über die psychologischen Abwehrstrategien des Landes gegen den sowjetischen Einfluss zu informieren. Der Kontakt wurde von CIA-Verbindungsmann John Gittinger hergestellt, der den Leiter des niederländischen BVD, Louis Einthoven, mit der Gesellschaft in Verbindung brachte, die wiederum die Reisekontakte der Delegation vermittelte.

Scott-Smith beschreibt den Besuch der niederländischen Geheimdienstler bei der SIHE in seinem Artikel Interdoc and West European Psychological Warfare: The American Connection wie folgt:

** Scott-Smith, “Interdoc,” 362.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Anfälligkeit der westlichen „Arbeiterklassen, Intellektuellen, Jugendlichen und des Militärs“ für die sowjetische kulturelle Offensive im Rahmen der friedlichen Koexistenz gelegt, mit dem Ziel der „Immunisierung unseres Volkes gegen diesen – oft sehr refinierten – Einfluss, beginnend mit der Beseitigung der Unwissenheit“. Auf dem Programm stand auch eine „Sonderkonferenz“ zum Thema Gehirnwäsche, die am Sitz der Gesellschaft in der Connecticut Avenue in Washington DC stattfand und an der verschiedene Wissenschaftler teilnahmen, die mit den Forschungsprogrammen der US Air Force über Kriegsgefangene in Verbindung standen. Der Bericht machte deutlich, dass die Aufmerksamkeit für dieses Thema der Tatsache geschuldet ist, dass man davon ausgeht, dass Gehirnwäsche im engeren Sinne (wie sie von chinesischen und russischen Kommunisten an Gefangenen angewandt wird) in irgendeiner Weise mit Gehirnwäsche im weiteren Sinne (wie der politischen Indoktrination des chinesischen Volkes) und mit Gehirnwäsche im weitesten Sinne (wie der kommunistischen Propaganda gegenüber der nichtkommunistischen Welt) zusammenhängt.

Das politische Umfeld des Westens wurde aus dieser Sicht vom Kommunismus beeinflusst – es war „ein Objekt des aktiven Interesses“ – und es war notwendig, diesen Trend umzukehren, indem die kommunistischen Methoden studiert und umgekehrt angewendet wurden.

Die Gehirnwäsche hatte Potenzial, wenn sie Blaupausen für die Anwendung von Beeinflussung auf gesellschaftlicher Basis bieten konnte. Der Schlüssel lag in der Verknüpfung der Mikro- und Makroebene der Analyse – in der Untersuchung der Kräfte, die zur Aufrechterhaltung des Zusammenhalts kommunistischer Gesellschaften eingesetzt wurden, aus der Perspektive des Einzelnen in einer kontrollierten Umgebung. So wurde in dem Bericht angeregt, die Techniken der Gehirnwäsche zu untersuchen, um „die Makrosituation des Kommunismus in der Weltpolitik von einer Mikrountersuchung aus anzugehen“, an der „Psychologie und Psychiatrie“ beteiligt waren, die in den 1950er und frühen 1960er Jahren in der amerikanischen positivistischen Sozialwissenschaft zu den Spitzenreitern zählten.

Die Gruppe kehrte in die Niederlande zurück und war von der Notwendigkeit überzeugt, zu diesem Zweck ein Institut zu gründen und über die Medien, die Gewerkschaften, die Universitäten, die Kirchen und die Streitkräfte „politische Aufklärung“ über westliche Werte und die kommunistische Bedrohung zu betreiben. Diese niederländische Initiative – die Stichting voor Onderzoek van Ecologische Vraagstukken (Stiftung zur Erforschung ökologischer Probleme), die im April 1960 gegründet und zunächst von van den Heuvels Wohnzimmer in Den Haag aus geleitet wurde – wurde drei Jahre später zur nationalen Basis für die Bildung des internationalen Interdoc-Netzwerks.

Die Niederländer blieben in Kontakt mit dem Geschäftsführer des SIHE, James Monroe. Monroe besuchte 1959 die Niederlande, wo er Pläne für die Zusammenarbeit mit der holländischen Gruppe ausarbeitete und eine erste Reihe von Kontakten in Skandinavien erhielt. Mit dem Ausscheiden von Monroe aus der Gesellschaft im Januar 1962, die sich inzwischen in Human Ecology Society umbenannt hatte, erlosch der Kontakt. Laut Scott-Smith:

** Scott-Smith, “Interdoc,” 364.

Trotz der vielversprechenden Anfänge der transatlantischen Kontakte ist es bemerkenswert, dass daraus wenig wurde. (…) Bevor sie sich zu Interdoc verpflichteten, drängten die Deutschen 1960-61 auf einen Apparat für psychologische Kriegsführung innerhalb der NATO, um die westlichen Aktivitäten zu koordinieren und zu verhindern, dass die Sowjetunion von den Spaltungen im Bündnis im Zusammenhang mit der Berlin-Krise profitierte. Die Amerikaner weigerten sich ebenso wie die Briten, diesen Vorschlag zu unterstützen, so dass der Interdoc-Plan vollständig in den zivilen Bereich verlagert wurde. Aber auch dort kam es nicht zu der erhofften Zusammenarbeit. In einem Brief von Einthoven an Prinz Bernhard vom Anfang des Jahres 1962 erklärte der inzwischen pensionierte Leiter des BVD, dass er die Aufgabe der Gründung von Interdoc aufgrund von Bitten „französischer, deutscher und amerikanischer Freunde (Allen Dulles)“ übernommen habe, um seine bemerkenswerten Kontakte sowohl in der NATO als auch bei den Neutralen (Schweden und Schweiz) zu nutzen. Dies führte jedoch weder zu einer direkten Unterstützung durch die CIA noch durch den Privatsektor. Ein Hauptgrund dafür waren zwei große Skandale, die den BND zwischen 1961 und 1962 erschütterten. Heinz Felfe, ein ehemaliger SS-Offizier und Mitglied von Walter Schellenbergs Abteilung für Auslandsaufklärung des RHSA (Reichssicherheitshauptamt), wurde 1951 vom KGB angeworben. Bald darauf trat er in die Abteilung für Spionageabwehr des BND von Reinhard Gehlen ein und manövrierte sich in den nächsten zehn Jahren an der Seite von Gehlen in eine Position höchster Vertraulichkeit. Trotz wachsender Verdachtsmomente im Laufe des nächsten Jahrzehnts dauerte es bis zu den Enthüllungen des polnischen Geheimdienstüberläufers Michal Goleniewski im Jahr 1961, bis die CIA endgültig davon überzeugt war, dass Felfe ein Verräter war – und damit auch Gehlen. Die Verhaftung und das Verhör von Felfe im Laufe des Jahres 1962 fielen dann mit einer ernsten Konfrontation zwischen dem BND und dem deutschen Verteidigungsministerium zusammen, die damit endete, dass Gehlen im November in Adenauers Kanzleramt vorgeladen wurde, weil er angeblich an der Weitergabe von Informationen an den Spiegel beteiligt war, um Franz Joseph Strauß zu untergraben. Die Kombination dieser beiden Faktoren sorgte dafür, dass der BND wie schwer beschädigte Ware aussah, und es überrascht nicht, dass die CIA damals zögerte, eine neue Kooperation einzugehen.

Gründung

Interdoc wurde schließlich im Februar 1963 offiziell in Den Haag als Zusammenarbeit zwischen französischen, westdeutschen und niederländischen Geheimdiensten und Vertretern des privaten Sektors in Westeuropa gegründet. Trotz des gesamteuropäischen Auftretens stand die Operation von Anfang an unter amerikanischem Einfluss, der im Laufe der Zeit immer stärker wurde.

Bereits im Jahr 1963 verlor Interdoc einen wichtigen Unterstützer. Anfang 1963 beendete Charles de Gaulle alle psychologischen Operationen des Cinquieme Bureau unter Antoine Bonnemaison und schloss damit dessen Leiter von jeder weiteren Beteiligung an Interdoc aus. Der Rückzug der französischen Unterstützung hatte mehrere Gründe:

  • Frankreich strebte unter de Gaulle eine Strategie der „Annäherung“ an Russland an, ein Ziel, das von den Interdoc-Bündnispartnern nicht geteilt wurde. Die Beteiligung an einer internationalen Organisation für antikommunistische psychologische Kriegsführung würde nicht in ein solches diplomatisches Projekt passen.
  • De Gaulle traute den beteiligten Militärs und Geheimdiensten der angeschlossenen Länder nicht, die seinem Kurs zur Unterdrückung der algerischen Unabhängigkeitsbestrebungen ablehnend gegenüberstanden.

Frankreichs Versuch, die Nabelschnur vom amerikanischen und europäischen militärischen Einfluss zu durchtrennen und die volle Kontrolle über seine eigenen militärischen Angelegenheiten zu erlangen, gipfelte 1966 in der Verweisung des NATO-Hauptquartiers aus Versailles und dem Rückzug der französischen Truppen aus dem Bündnis. Diese Entscheidung wurde erst 43 Jahre später, im Jahr 2009, von Nicolas Sarkozy rückgängig gemacht.

Trotz des offiziellen Ausstiegs aus dem Bündnis unterhielt Frankreich weiterhin persönliche Kontakte zu den Interdoc-Organisationen.

So war Interdoc von seiner Gründung 1963 bis 1971 hauptsächlich eine deutsch-niederländische Zusammenarbeit, aber es bestanden auch wichtige Kontakte zu angeschlossenen Organisationen in Großbritannien, Belgien, Italien, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. **

** Scott-Smith, “Interdoc,” 364.

Zusammenarbeit mit der CIA

1965 erklärte sich Interdoc bereit, der CIA zu helfen, Kontakte in Schweden, der Schweiz und Dänemark herzustellen. Van den Heuvel und der niederländische CIA-Verbindungsmann Hermann Mennes stellten der CIA auch eine vollständige Liste mit Namen und Adressen zur Verfügung:

Kontakte in Schweden

1. Herr Sten Palsson, Rabyvägen 15H, BOX 729, Land (INFORN)
2. Herr Ake Sparring, Ragnebergen 33, Vondelso/Stockholm (Institut für internationale Angelegenheiten)
3. Herr B. Hagard, Danderyd (Vorsitzender der Jungkonservativen in Schweden)
4. Herr B. Hüggman, Tornavägen, Lund
5. Herr J. Rydström, Högbertstraße 30 A, Stockholm (Jernkontorot)

Kontakte in der Schweiz

1. Dr. Peter Sager, Schweizerisches Ost-Institut, Jubiläumstrasse 41, Bern
2 . Herr H. Graf, „Wahret die Freiheit“, Postfach, Zürich 34

Kontakte in Dänemark

1. Herr E. N. Svendsen*, Jaegersborgvej 3, Kgs. (Friket Og Folkostyre)
2. Herr B. Holmgaard, Information, Kongensgade 40, Kopenhagen
3. Herr H. Jensen, Landesorganizationen Demokratisk Alliance

(*Büro in Kopenhagen: c/o Herr F. Nielsen, Rosenvaengets Allé, Kopenhagen)

Der zuständige CIA-Offizier Gaither G. Stewart stimmte mit Mennes darin überein, dass Interdoc Propagandamaterial an Adressen versenden sollte, die die Agentur zur Verfügung stellen würde:3

Ich habe mit Mennes vereinbart, dass wir von Den Haag aus unter dem Namen „Niederländischer Literaturclub“ regelmäßig Post verschicken. Wir werden Adressen, Titel und einen kurzen Brief zu jedem Buch liefern. Die Sendungen werden von einer Privatadresse in Den Haag aus verschickt.

Hermann Mennes

Stewarts Verbindungsmann, der Niederländer Hermann Mennes, der als Stellvertreter des Interdoc-Direktors C. C. van den Heuvel fungierte, war Mitte der 1960er Jahre eine weitere Schlüsselfigur in der Organisation. Mennes war Mitglied des Vorstands der Nationalen Studentenvereinigung und verantwortlich für ein Ausbildungsprogramm für eine ausgewählte Gruppe von Studenten. In der Literatur finden sich nur wenige Hinweise auf die Art dieser Schulungen. In einem freigegebenen CIA-Memo von 1965 heißt es:

Er (Mennes) bildete sie für das Weltjugendfestival aus, das in diesem Jahr in Algier hätte stattfinden sollen; jetzt wird er sie für das nächste Jugendfestival weiter ausbilden. Es wird für uns interessant sein, dies weiter zu verfolgen. Wir stehen in indirektem Kontakt mit einer wachsenden Zahl von Studentengruppen in vielen Ländern.

(a) Die niederländische Sektion in Leiden des Internationalen Studentenreisebüros sponsert zwei Reisen pro Jahr in die Sowjetunion mit jeweils 30 bis 40 Studenten.

(b) Der Studentenaustausch sponsert verschiedene Studienreisen in die Sowjetunion. Gegenwärtig nimmt eine Gruppe von 60 Wirtschaftsstudenten der Universität Rotterdam an einer drei- bis vierwöchigen Studienreise nach Moskau teil. (Sie werden nach ihrer Rückkehr kontaktiert.)

(c) Es finden Treffen zwischen niederländischen und sowjetischen Studenten auf Konferenzen in Westeuropa statt.

(d). Verschiedene sowjetische Delegationen reisen das ganze Jahr über nach Holland.

Neben seiner studentischen Spionagetätigkeit unterhielt Mennes Kontakte zu sowjetischen Experten, wie z. B. zu einem

Ukrainer namens Kuschpeta, der an der Universität Tilburg lehrt, und mit einem gewissen Niederländer, der in einem Kloster in Voorburg wohnt. Die letztgenannten Herren wurden am Russicum in Rom ausgebildet. Er spricht Russisch und reist häufig in die Sowjetunion. Er ist auch „verantwortlich“ für schätzungsweise 200 russische Frauen, die Holländer geheiratet haben und derzeit in Holland leben.

Stewart wies auf eine weitere wichtige Figur im überwiegend konservativen christlichen Interdoc-Milieu hin:

Mennes machte mich mit Herrn J. R. G. Verreijdt bekannt, dem Vertreter von Inter Press in Den Haag. Inter Press, deren Hauptsitz sich in Rom befindet, wird von einem Niederländer, Dr. Hahn, und einem Italiener, Dr. Savio, geleitet. Obwohl es nicht veröffentlicht wird, wird Inter Press von der Internationalen Union der Christdemokraten gesponsert. Ihre Hauptaktivitäten scheinen derzeit in Lateinamerika zu liegen. Die Büros in Den Haag, Rom und Santiago de Chile sind durch Fernschreiben miteinander verbunden. Inter Press, Rom, sendet täglich per Telex Artikel an das Büro in Santiago, das wiederum die Artikel per Telegramm an etwa 300 führende lateinamerikanische Zeitungen weiterleitet. Das Büro in Santiago sendet Hintergrundmaterial an die europäischen Niederlassungen. Herr Verreijdt erklärte sich bereit, jede Woche einen unserer Leitartikel zu übernehmen und über Inter Press an dieselben lateinamerikanischen Zeitungen zu verteilen. Dies würde eine enorme Steigerung unserer Verbreitung bedeuten; und das alles kostenlos, wenn das klappt. Im Gegenzug für die Bereitstellung unserer Artikel werden sie uns das Hintergrundmaterial, das sie aus Lateinamerika erhalten, zur Verfügung stellen. Unsere Artikel werden jeden Dienstagnachmittag per Luftpost nach Den Haag geschickt. Sie werden von Den Haag nach Rom und von Rom nach Santiago telexiert und sollten bis Mittwoch oder Donnerstag jeder Woche bei den Zeitungen eintreffen. Wir werden die ersten Artikel am Mittwoch, den 8. Dezember, übermitteln.

Deutscher Rückzug

In den späten 1960er Jahren führte das wachsende Misstrauen der deutschen Sozialdemokraten (SPD) gegenüber den Aktivitäten des BND dazu, dass Pullach seine Unterstützung für Interdoc Ende 1970 plötzlich einstellte, wobei jedoch, wie im Falle Frankreichs, private Verbindungen aufrechterhalten wurden.

Bis 1986 setzte Interdoc seine Aktivitäten als Drehscheibe für Projekte hauptsächlich in den Niederlanden, aber auch in anderen europäischen Ländern fort.

Anschriften

Interdoc, Van Stolkweg 10, ’s Gravenhage, Den Haag, Niederlande
Verein zur Erforschung sozial-politischer Verhältnisse e.V., München, Deutschland
Stichting voor ondersoek van ecologische vraagstukken, Den Haag
Interdoc-U.K., London

Veröffentlichungen

  • Notizen über kommunistische und kommunistisch geförderte Aktivitäten, wie sie von kommunistischen Quellen berichtet werden (wöchentlich, auch auf Französisch);
  • Spiegel der kommunistischen wissenschaftlich-politischen Publizistik (monatlich, auch auf Englisch und auf Französisch);
  • Religiöses Leben in kommunistischen Ländern (monatlich, auch auf Deutsch und Französisch);
  • Beiträge zur psychopolitischen Lage der europäischen Ostblockländer (vierteljährlich, nur auf Deutsch);
  • The activities of Communist World Organisations (vierteljährlich, nur auf Englisch);
  • Interdoc Information Bulletin (vierteljährlich, hauptsächlich auf Englisch, teilweise auf Deutsch).

Angeschlossene Organisationen

Centro di Studi e Richerche sui Problemi Economico-Sociali (CESES); auch in Kontakt mit der CIA3
Internationale Union der Christdemokraten
Inter Presse
Union Mondiale des Européens
Nationale Union der Studenten der Niederlande
Niederländischer Jugendverband, die niederländische Tochtergesellschaft von WAY.

Bekannte deutsche Interdoc-Mitglieder

Bob Hindersin in Hamburg
N. von Grote in München
Dr. Claus Kernig in Freiburg
Hermann Foertsch
Hans Lades

Literaturverzeichnis

  • Scott-Smith, Giles. „Konfrontation mit der friedlichen Koexistenz: Psychological Warfare and the Role of Interdoc, 1963-72“. Cold War History Vol. 7, No. 1, February 2007, pp. 19-43, https://www.academia.edu/1880720/Confronting_Peaceful_Coexistence_Psychological_Warfare_and_the_Role_of_Interdoc_1963-1972.
  • Scott-Smith, Giles. „Psychologische Kriegsführung für den Westen: Interdoc, die westeuropäischen Nachrichtendienste und die internationalen Studentenbewegungen der 1960er Jahre“. In: Kathrin Fahlenbrach, Martin Klimke, & Joachim Scharloth (eds.). The Establishment Responds: Power and Protest during and after the Cold War (London: Palgrave Macmillan, 2011).
  • Scott-Smith, Giles. Western Anti-Communism and the Interdoc Network: Cold War Internationale (Palgrave Macmillan, 2012).
  • Van Dongen, Luc, Stéphanie Roulin, und Giles Scott-Smith, „Introduction“. In: Transnational Anticommunism and the Cold War: Agents, Activities, Networks (Palgrave Macmillan, 2014).

Wiking-Jugend

Die Wiking-Jugend war eine neonazistische Nachkriegsorganisation nach dem Vorbild der Hitlerjugend, die von 1952 bis zu ihrem Verbot im Jahr 1994 bestand. Die VJ, benannt nach einer SS-Division aus der NS-Zeit (SS-Wiking-Division), entstand, als die Jugendorganisation der Sozialistischen Reichspartei, die „Reichsjugend“, zusammen mit der Partei verboten wurde. Gründer und erster Bundesvorsitzender wurde der ehemalige Reichsjugendführer Walter Matthaei (gest. 1991), der während der NS-Zeit Beamter im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete unter Alfred Rosenberg gewesen war.

Logo der Wiking-Jugend

Am 24. Juni 1954 gründete die Wiking-Jugend neben den neonazistischen Jugendorganisationen Jugendbund Adler und Bund Heimattreuer Jugend Österreich (BHJÖ) in Hamburg den „Kameradschaftsring Nationaler Jugendverbände“ (KNJ) als Dachverband der nationalistischen Jugendgruppen in Deutschland und Österreich.

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten:

Walter Matthaei (Wiking-Jugend)
Konrad Windisch (BHJÖ / Arbeitsgemeinschaft nationaler Jugendverbände Österreichs – ANJÖ)
Richard Etzel (Jugendbund Adler)

Zu den Hauptzielen der KNJ gehörten neben der Vernetzung auch die Verbreitung von Informationen über neue Publikationen sowie die gemeinsame Organisation von Veranstaltungen. Um diese Ziele zu unterstützen, wurde die gemeinsame Zeitschrift „Der Trommler – Kampfschrift der nationalen Jugend“ herausgegeben. In den folgenden Jahren schlossen sich zahlreiche weitere Jugendverbände der KNJ an. Um 1960 gehörten ihr 18 Organisationen mit rund 20.000 Mitgliedern an.

Der Trommler Nr.51, I/1962, Verantwortlich: Fritz Danner (Nürnberg). Herausgegeben von Apabiz. Bildquelle: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/KNJ.htm

Mitgliedsorganisationen

Zu den Mitgliedsorganisationen, die erheblichen Schwankungen unterworfen waren, gehörten u.a.:

Bund Heimattreuer Jugend
Bund Heimattreuer Jugend Österreich
Bund Nationaler Studenten
Deutscher Pfadfinderbund 1911
Deutsche Reichsjugend
Deutscher Wandervogel Jungborn
Jugendbund Adler
Jungdeutsche Freischar
Jungdeutschlandbund
Jungsturm
Junge Deutsche Gemeinschaft
Nationaler Studentenbund
Schillerbund deutscher Jugend (Schillerjugend)
Wiking-Jugend

Im Jahr 1961 verlor der KNJ sein einziges österreichisches Mitglied, den BHJÖ, nach dessen Verbot wegen Nazi-Widerbetätigung und wurde daraufhin auf Deutschland beschränkt. Wenig später änderte er seinen Namen in Kameradschaftsring der Nationalen Jugend.

Mit dem Niedergang fast aller nationalistischen Jugendverbände in den 1960er Jahren aufgrund staatlicher Verfolgung und ihrer überalterten Mitglieder verlor der KNJ zunehmend an Bedeutung, bis er sich Ende der 1960er Jahre auflöste. Die Wiking-Jugend und der Bund Heimattreuer Jugend setzten ihre Zusammenarbeit innerhalb des KNJ bis etwa 1975 fort.

Nachdem Matthaei 1954 an der Gründung des KNJ beteiligt war, verließ er Deutschland, vermutlich um einer Strafverfolgung zu entgehen. Er ließ sich im französisch geprägten Spanien nieder, wurde zu einer führenden Figur in der europäischen Neonazi-Szene und arbeitete mit seinen Nachfolgern an der Spitze der VY zusammen.

In der Folge wurde die deutsche Organisation über drei Generationen hinweg von Mitgliedern der Familie Nahrath geführt. Zunächst von Raoul Nahrath, dann ab 1967 von seinem Sohn Wolfgang Nahrath (1929-2003) und schließlich ab 1991 von Wolfgangs Sohn Wolfram Nahrath (*1962).

Die Nahrath Familie

Neben ihrer Tätigkeit in der Wiking-Jugend waren sowohl Wolfgang als auch Wolfram Nahrath später in der NPD aktiv. Wolfgang Nahrath wurde 1993 zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD in Nordrhein-Westfalen gewählt und wurde Mitglied des Bundesvorstandes der Partei. Von 1992 bis 1994 arbeitete er für den NPD-nahen Deutschen Arbeiterverein als Sozialrichter, musste diese Tätigkeit aber aufgeben, weil er sich öffentlich zum Nationalsozialismus bekannte. Nachdem Wolfgang Nahrath am 27. Februar 2003 verstorben war, gedachte die rechtsextreme Szene seines fünfjährigen Todestages mit dem so genannten „Schlageter-Treffen“, das dem Andenken an das Freikorps-Mitglied Albert Leo Schlageter gewidmet war.

Udo Voigt (l.), Jörg Hähnel (m.), Wolfgang Nahrath (r.)

Wolfgangs Sohn Wolfram Narath (*1962), ist ein neonazistischer „Prominentenanwalt“. Er leitete die Wiking-Jugend von 1991 bis zu deren Verbot 1994 und engagierte sich danach in der neonazistischen Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) sowie in der NPD. Derzeit betreibt Nahrath eine Anwaltskanzlei in Berlin und wurde in das NPD-interne „Bundesschiedsgericht“ berufen. Zuletzt stand Nahrath im Rampenlicht, weil er als Pflichtverteidiger des NPD-Lokalpolitikers Ralf Wohlleben auftrat, der bei der Waffenbeschaffung für das Mördertrio des Nationalsozialistischen Untergrunds geholfen hatte.

Wolfram Nahrath war ein enger Freund des 2009 verstorbenen Holocaust-Leugners, Juristen und ehemaligen stellvertretenden NPD-Vorsitzenden Jürgen Rieger. Rieger war auch eine zentrale Figur in der Wiking-Jugend gewesen und hatte in den 1980er Jahren Einrichtungen für die paramilitärischen Lager der Organisation zur Verfügung gestellt.Nahrath hatte die Geburt seiner Kinder in Riegers „nordischer“ Zeitung Neue Anthropologie, einer Schwesterzeitschrift von Roger Pearsons Mankind Quarterly, angekündigt.***

** Andrea Röpke, Ferien im Führerbunker. Die neonazistische Kindererziehung der „Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ),“ 2nd edition, Bildungsvereinigung Arbeit und Leben, Braunschweig 2008, ISBN 978-3-932082-32-0, p. 28 f.

*** Martin A. Lee, The Beast Reawakens: Fascism’s Resurgence from Hitler’s Spymasters to Today’s Neo-Nazi Groups and Right-Wing Extremists, Routledge, 23 October 2013, ISBN 978-1-135-28124-3, p. 362.

Andere Mitglieder der Familie Nahrath sind noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv, z.B. Dirk Nahrath, ein ehemaliger Gauleiter der Wiking-Jugend und später in der HDJ engagiert, sowie seine Tochter Wiebke Nahrath, die derzeit die Würzburger Sektion von Pegida, genannt WüGIDA, unterstützt.

Gladio-Verbindungen

Die Mitglieder der Wiking-Jugend hatten zahlreiche Verbindungen zu Organisationen, die in das „Gladio“-Netzwerk eingebunden waren, darunter CEDADE, New European Order (NEO), Wehrsportgruppe Hoffmann undAktionsfront Nationaler Sozialisten. Alle diese Organisationen wurden später in terroristische Aktivitäten verwickelt.

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Bündnis der „Neuen Ordnung“

In den 1950er Jahren schloss sich die Wiking-Jugend dem neofaschistischen Bündnis Neue Europäische Ordnung (NEO) mit Sitz in Lausanne an, das 1951 von René Binet und Gaston-Armand Amaudruz als radikale Splittergruppe der Europäischen Sozialen Bewegung (ESM) und ihrer nationalen Pendants Movimento Sociale Italiano (MSI) und Deutsch-Soziale Bewegung (DSB) gegründet worden war. Die deutsche Sektion, DSB, wurde von Karl-Heinz Priester geleitet, dem ehemaligen Propagandachef der Hitlerjugend, der nach dem Krieg in der Nation Europa aktiv war. Priester stand in engem Kontakt sowohl mit René Binet als auch mit Otto Skorzeny (CEDADE).

Die NEO entstand im Rahmen einer neofaschistischen Konferenz, die 1951 in Malmö stattfand, als eine Gruppe von Rebellen unter der Leitung von René Binet sich weigerte, der Europäischen Sozialen Bewegung beizutreten, da sie der Meinung waren, dass diese in Bezug auf Rassismus und Antikommunismus nicht weit genug ging. Daraufhin beschlossen Binet und Gaston-Armand Amaudruz bei einem weiteren Treffen in Zürich im selben Jahr, eine Gruppe zu gründen, die sich radikaler im Kampf gegen Kommunisten und nicht-weiße Menschen engagierte.****

****Kurt P. Tauber, „German Nationalists and European Union,” Political Science Quarterly, Academy of Political Science, 74 (4), 1959: 564–89.

Nach ihrer Gründung richtete die NEO 1953 die „Europäische Verbindungsstelle der nationalen Streitkräfte“ (EVS) mit einem ständigen Sekretariat in Lausanne ein, das von Amaudruz und seinem Assistenten Michael Schenk-Dengg, Leiter des Deutschen Blocks, geleitet wurde. In den folgenden Jahren wurde der EFD sehr aktiv und organisierte Treffen, an denen Mitglieder der Falange, der Italienischen Sozialen Bewegung (MSI), der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und andere teilnahmen.*****

*****Kurt P. Tauber, „German Nationalists and European Union,” Political Science Quarterly, Academy of Political Science, 74 (4), 1959: 573-4.

Die Wiking-Jugend verließ zusammen mit dem Deutschen Block und der Volkspartei der Schweiz 1955 die NEO wegen der Südtirol-Frage, wobei die deutschsprachigen Delegierten die MSI wegen ihrer Unterstützung der italienischen Kontrolle über die Region angriffen. Trotz der Abspaltung wurden die Kontakte zwischen den Mitgliedern der Gruppen im Laufe der Zeit fortgesetzt.

In den folgenden Jahren wurden nationale Zweige der NEO, wie der italienische Ordine Nuovo (1957) und der französische Ordre Nouveau (1969), gegründet. Sowohl Mitglieder der NEO als auch des Ordine Nuovo waren in der Folgezeit in Terroranschläge verwickelt, die in Italien als die Jahre des Bleis bekannt wurden. In einer Kommissionsanhörung erklärte Stefano Delle Chiaie, einer der operativen Drahtzieher der Anschläge, er habe für die „schwarze faschistische Internationale“ gearbeitet, um die Voraussetzungen für eine „internationale Revolution“ zu schaffen. In diesem Zusammenhang sprach er von der Antikommunistischen Weltliga und gab zu, an der Neuen Europäischen Ordnung teilgenommen zu haben.

Delle Chiaie wurde auch in Spanien aktiv, wo er angeblich in das so genannte Montejurra-Massaker verwickelt war, bei dem zwei Anhänger des karlistischen Prätendenten Carlos-Hugo von Bourbon-Parma von einer Gruppe rechtsextremer Bewaffneter ermordet wurden, von denen damals vermutet wurde, dass sie von Carlos-Hugos erzrivalisierendem Bruder Henri-Sixtus von Bourbon-Parma angeheuert worden waren.******

******Frédéric Laurent and Nina Sutton, L’Orchestre Noir: Enquête sur les réseaux néo-fascistes, p. 357.

Andere zwielichtige Affären der NEO in den 1960er Jahren drehten sich um die Aktivitäten des berüchtigten Schweizer Finanziers und Nazi-Kollaborateurs François Genoud. In den 1960er Jahren begann Genoud, die palästinensische Befreiungsbewegung, insbesondere die PLO, mit Waffen zu versorgen, und nahm im April 1969 an einem Treffen von Mitgliedern der NEO mit palästinensischen Gruppen in Barcelona teil (siehe Bild).

Es wird behauptet, dass im Rahmen dieses Treffens palästinensische Gruppen von Genoud finanziell unterstützt wurden und dass er sie mit ehemaligen Nazis in Kontakt brachte, die ihnen bei ihrer militärischen Ausbildung helfen sollten.

Wehrsportgruppe Hoffmann

In den späten 1970er Jahren waren Mitglieder der Wiking-Jugend selbst in terroristische Aktivitäten verwickelt. Manfred Börm und Uwe Rohwer hatten 1979 Soldaten in einem Bundeswehrlager überfallen, um an deren Waffen zu gelangen. Nach dem Oktoberfestattentat im September 1980 sollen Mitglieder der Wiking-Jugend mit Teilen der Wehrsportgruppe Hoffmann , einer paramilitärischen Formation, die für den Anschlag verantwortlich gemacht wird, in den Libanon gereist sein. Obwohl die Angelegenheit nie vollständig geklärt wurde, wurde die Wehrsportgruppe Hoffmann immer wieder in Zusammenhang mit Gladio und der Strategie der Spannung gebracht.

Im Jahr 1983 wurden bei Wiking-Jugend-Mitgliedern Waffen, Bombenbauanleitungen und Zeitzünder gefunden. 1984 nahm die Wiking-Jugend verschiedene Mitglieder der paramilitärischen Neonazi-Bande „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA) um Michael Kühnen auf.*Nach Martin Lees „The Beast Reawakens “

**Lee, The Beast Reawakens, 200. In the relevant footnote Lee mentions: “Action Front of National Socialists/National Activists (ANS/NA),” U.S. Army intelligence information report, October 28, 1983; Searchlight, December 1990; Fanta Voogd, “Nazis in dienst van het koninkrijk,” Forum, February 21, 1991.

Im Dezember 1983 wurde die ANS[/NA] von westdeutschen Behörden verboten, aber in den Nachbarländern gab es weiterhin Ableger, darunter auch in den Niederlanden, wo die Aktionsfront Nationaler Sozialisten von dem SS-Veteranen [Gerrit] Et Wolsink geleitet wurde. Wolsink war während des Krieges Mitglied einer von Otto Skorzenys Spezialeinheiten für Sabotage und leitete auch die niederländische Sektion der Wiking-Jugend.

*European Parliament, Committee of Inquiry into the Rise of Fascism and Racism in Europe Report on the findings of the inquiry, December 1985, p. 34 (German version).

Laut dem deutschen Journalisten Michael Schmidt, der Wolsink im Rahmen einer Dokumentation über Holocaust-Leugner und die Neonazi-Szene der 1990er Jahre (Wahrheit macht frei) interviewt hatte, war Wolsink der internationale Verbindungsmann zu Kühnen und seinem Netzwerk und arbeitete möglicherweise mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammen.

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Dass Wolsink in den Nachkriegsjahren mit US-Geheimdiensten zusammengearbeitet hat, geht aus dem Interview hervor, auch wenn Wolsink sich weigert, Einzelheiten über seine Arbeit zu nennen.Er erklärt lediglich, dass er damals keine andere Wahl hatte und auch die antikommunistische Haltung der USA teilte. Dennoch war er bereit, seinen Mitgliedsausweis der NSDAP-AO vorzuzeigen. Schmidt konnte auch einige Schnappschüsse vom Inneren von Wolsinks Haus machen, das mit SS-Utensilien gefüllt war.

Mitgliedsausweis der NSDAP-AO von Gerrit Et Wolsink aus dem Jahr 1990. Screenshot aus dem Dokumentarfilm Wahrheit macht frei von Michael Schmidt aus dem Jahr 1991.

SS-Utensilien aus den 1990er Jahren im Haus von Wolsink. Screenshot aus dem Dokumentarfilm Wahrheit macht frei von Michael Schmidt aus dem Jahr 1991. Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=QsQsgei98sk

In den 1980er Jahren stand die Wiking-Jugend in engem Kontakt mit dem rechtsextremen Verleger, Geschäftsmann und Politiker Gerhard Frey, der einen großen rechtsextremen Dachverband namens Deutsche Volksunion (DVU, 1971-2011) leitete, der 1987 in eine Partei umgewandelt wurde. Von 1982 bis 2001 war Frey Gastgeber eines großen jährlichen Treffens von DVU-Mitgliedern und anderen rechtsextremen Kräften im bayerischen Passau, an dem auch Mitglieder der Wiking-Jugend teilnahmen. Zu den Rednern der Passauer Veranstaltungen gehörten der berüchtigte Holocaust-Leugner David Irving, der russische rechtsextreme Politiker Wladimir Schirinowski und die NS-Ikone Hans-Ulrich Rudel (1916-1982).

In einer ZDF-Dokumentation über die DVU aus dem Jahr 1993 erinnerte sich ein ehemaliges Mitglied des Sicherheitsteams der DVU, Ulrich Schwetasch, daran, dass Frey auch Macht über bestimmte militante Neonazi-Gruppen hatte. Schwetasch, dessen Neonazi-Karriere ihn von der Wiking-Jugend über paramilitärische Wehrsportgruppen zur NPD und schließlich zur DVU führte, behauptete, Frey habe ihn und seine Kameraden bei verschiedenen Kundgebungen als Schlägertrupps gegen Gegendemonstranten eingesetzt.**

**ZDF, Kennzeichen D, „Deutsche Volksunion (DVU),“ [03:00]

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ZDF-Dokumentation über die DVU aus dem Jahr 1993 mit Aufnahmen von einer der Passauer Kundgebungen von Gerhard Frey, die den Auftritt einer Militärkapelle aus jungen Wiking-Jugend-Mitgliedern zeigen.

Doch trotz der zunehmenden Beweise, die auf terroristische Aktivitäten hindeuten, sollte es noch ein weiteres Jahrzehnt dauern, bis die Wiking-Jugend 1994 verboten und schließlich als neonazistische Organisation eingestuft wurde.

Nach dem Verbot, ab 1995, setzte die Wiking-Jugend ihre Aktivitäten in den Nachbarländern fort, zum Beispiel hielt sie ihre Winterlager in Belgien und an mehreren dezentralen Orten in Deutschland ab.

Viele Wiking-Jugend Mitglieder wurden später von der rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ übernommen.

Die gesamte rechtsextreme Biografie von Andreas Kalbitz

1960er Jahre

Aginter Press

Aginter Press, auch bekannt unter dem Namen Zentraler Orden und Tradition (portugiesisch: Ordem Central e Tradição), war eine als Presseagentur getarnte Tarnorganisation des westlichen Geheimdienstes, die im September 1966 in Lissabon, Portugal, gegründet wurde, damals noch unter der Diktatur von Oliveira Salazar (Estado Novo). In Wirklichkeit handelte es sich bei Aginter Press um eine antikommunistische Söldnerorganisation mit Niederlassungen in Ländern auf der ganzen Welt. Laut dem Enthüllungsjournalisten Patrice Chairoff, der früher für die gaullistische Miliz Civic Action Service (SAC) tätig war, arbeiteten ihre Agenten unter dem Deckmantel von Reportern oder Fotografen, was es ihnen ermöglichte, frei zu reisen.*

  • Patrice Chairoff, B… comme barbouzes – Une France parallèle celle des basses-œuvres du pouvoir, Editions Alain Moreau, 1975, pp. 253-255.

Daniele Ganser zufolge war es letztlich die CIA, die Aginter Press gegründet hatte:

Die italienischen Senatoren stellten fest, dass die CIA Aginter Press in Portugal unterstützte und dass die Geheimorganisation von Hauptmann Yves Guillon geleitet wurde, besser bekannt unter seinem Adoptivnamen Yves Guerin Serac, einem Spezialisten für geheime Kriegsführung, der von den Vereinigten Staaten mit Kriegsheldenmedaillen ausgezeichnet worden war, darunter der amerikanische Bronze Star für seine Beteiligung am Koreakrieg. Aginter Press“, so die Schlussfolgerung des italienischen Gladio-Berichts, „war in Wirklichkeit, wie aus den jüngsten Dokumenten hervorgeht, die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen beschafft wurden, ein Informationszentrum, das direkt mit der CIA und dem portugiesischen Geheimdienst verbunden und auf Provokationsoperationen spezialisiert war“.

Die Agentur wurde von dem erfahrenen Hauptmann Yves Guérin-Sérac geleitet, der 1961 an der Gründung der paramilitärischen Organisation armée secrète (OAS) in Madrid beteiligt war, einer terroristischen Gruppe, die gegen Ende des Algerienkriegs (1954-1962) gegen die algerische Unabhängigkeit gekämpft hatte. Laut Stuart Christie**:

** Stuart Christie, Stefano Delle Chiaie, 39-40.

In den späten Sechzigern … wurden schätzungsweise 60 Prozent des Aginter-Personals aus den Reihen der OAS rekrutiert, während der Rest von Neonazi-Organisationen in Westeuropa rekrutiert wurde, wie dem in Frankfurt ansässigen Kampfbund Deutscher Soldaten, der von einem anderen Ex-Goebbels-Mann und Partner von „von Schubert“ in Paladin, Dr. Eberhardt Taubert, geleitet wurde …

Aginter, das von verschiedenen westlichen Geheimdiensten unterstützt wurde, schulte seine Mitglieder in verdeckten Aktionstechniken, einschließlich Bombenanschlägen, stillen Attentaten, Subversionstechniken, klandestiner Kommunikation, Infiltration und Aufstandsbekämpfung, und war an der Durchführung mehrerer Terroranschläge unter falscher Flagge in Italien beteiligt. Aginter hat angeblich auch Operationen gegen die einheimische Opposition für verschiedene rechtsautoritäre Regierungen durchgeführt, darunter Salazars Portugal, das franquistische Spanien und das griechische Regime der Obersten nach dem Putsch 1967.

Stuart Christie stellt in Stefano delle Chiaie: Portrait eines schwarzen Terroristen fest:

Nach einem Bericht des portugiesischen Nachrichtendienstes SDCI, der nach 1974 eingerichtet wurde, um die verhasste PIDE des Salazar- und Caetano-Regimes zu ersetzen, sorgte Aginter Press für:

1. Ein Spionagebüro, das von der portugiesischen Geheimpolizei und über diese von der CIA, dem westdeutschen BND oder der „Organisation Gehlen“, der spanischen Direccion General de Seguridad, der südafrikanischen BOSS und später von der griechischen KYP geleitet wurde.

2. Ein Zentrum für die Rekrutierung und Ausbildung von Söldnern und Terroristen, die auf Sabotage und Attentate spezialisiert sind.

3. Ein strategisches Zentrum für neofaschistische und rechtsgerichtete politische Indoktrinationsoperationen in Afrika südlich der Sahara, Südamerika und Europa in Zusammenarbeit mit einer Reihe von subfaschistischen Regimen, bekannten rechtsgerichteten Persönlichkeiten und international tätigen neofaschistischen Gruppen.

4. Eine internationale faschistische Organisation namens „Ordnung und Tradition“ mit einem geheimen paramilitärischen Flügel namens OACI, „Organisation Armee contre le Communisme International“.

Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst

Die Aktivitäten von Aginter Press wären vielleicht nie aufgedeckt worden, wenn der italienische Gladio-Komplex, eine geheime europäische antikommunistische paramilitärische Struktur, die von westlichen Geheimdiensten unterstützt wurde und deren Existenz der damalige Präsident Giulio Andreotti schließlich im Oktober 1990 enthüllen musste, geheim geblieben wäre. Obwohl sich später herausstellte, dass Andreottis Aussagen nur teilweise zutrafen und wichtige Akteure ausgelassen wurden, führten sie zu einer europaweiten Untersuchung über entsprechende inländische Operationen in anderen Ländern und sogar zu einer Entschließung des Europäischen Parlaments zu Gladio.

Andreotti erklärte damals, dass die italienischen Militärdienste (Vorgänger des SISMI) 1964 einem geheimen NATO-Überwachungsgremium namens Allied Clandestine Committee beigetreten seien, das 1957 von den USA, Frankreich, Belgien und Griechenland gegründet wurde und für die Leitung der Gladio-Operationen zuständig war. Den posthumen Enthüllungen von Paolo Taviani zufolge, der von 1953 bis 1958 italienischer Verteidigungsminister war, scheint dieser jedoch schon vor 1964 „die Schaffung des geheimen italienischen Nato-Netzes beaufsichtigt zu haben, das im Falle einer Invasion des Warschauer Pakts Widerstandsoperationen durchführen sollte, aber auch im Verdacht stand, sich in antikommunistischer Funktion in die Innenpolitik einzumischen“.

Im Zuge der anschließenden offiziellen parlamentarischen Untersuchung der Stragi-Kommission wurde aufgedeckt, dass Vertreter des Gladio-Netzwerks bei der Organisation mehrerer Anschläge unter falscher Flagge eng mit Aginter-Press-Agenten (AP) zusammengearbeitet hatten, bei denen Dutzende von Menschen ums Leben kamen und viele weitere verletzt wurden, darunter auch der italienische AP-Agent Stefano delle Chiaie, der mit dem neofaschistischen italienischen Geheimagenten Guido Giannettini Hand in Hand gearbeitet hatte.

Laut dem später veröffentlichten Bericht des italienischen Senats unter der Leitung von Senator Giovanni Pellegrino hatte der US-Geheimdienst Central Intelligence Agency die Aginter Press in Portugal unterstützt:

„Aginter Press war in Wirklichkeit, wie aus den letzten Dokumenten hervorgeht, die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen beschafft wurden, ein Informationszentrum, das direkt mit der CIA und dem portugiesischen Geheimdienst [PIDE] verbunden und auf provokative Operationen spezialisiert war „*.

*Senato della Repubblica, Commissione parlamentare d’inchiesta sul terrorismo in Italia e sulle cause della mancata individuazione dei responsabili delle stragi: Il terrorismo, le stragi ed il contesto storico politico, Redatta dal presidente della Commissione, Senatore Giovanni Pellegrino, Rome, 1995, pp. 204 & 241, quoted in Daniele Ganser, NATO’s Secret Armies: Operation GLADIO and Terrorism in Western Europe (London: Frank Cass, 2005), p. 115, ISBN 0-7146-8500-3.

Dass die CIA eine berüchtigte Rolle im italienischen antikommunistischen Interventionismus und beim Aufbau der Gladio-Strukturen spielte, ist inzwischen hinlänglich bekannt. So hatte beispielsweise der ehemalige stellvertretende CIA-Stationschef in Rom, Felton Mark Wyatt, in einem Interview mit den Journalisten Fabrizio Calvi und Frédéric Laurent für ihren Dokumentarfilm L’Orchestre Noir das Gladio-Netzwerk näher erläutert.

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CIA-Stationschef Felton Mark Wyatt spricht in dem Dokumentarfilm „L’Orchestre Noir“ von Fabrizio Calvi und Frédéric Laurent über Gladio in Italien. Aktivieren Sie die Untertitel (CC-Taste), um die englische Übersetzung zu sehen.

Finanzielle Unterstützung für Aginter scheint auch aus den höchsten Kreisen der deutschen Christlich-Sozialen Union (CSU) zu kommen. Dokumente, die von den renommierten deutschen Journalisten Egmont Koch und Oliver Schröm während ihrer Recherchen für eine ZDF-Dokumentation über Anschläge unter falscher Flagge in Italien ausgegraben wurden, zeigen enge Kontakte von Aginter-Presseagenten zu Marcel Hepp, der damaligen rechten Hand des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Ein Aginter-Agent stand sogar in direktem Kontakt mit Strauss. Diese Dokumente enthalten eine lange Liste von Decknamen ominöser deutscher Sponsoren unter der Überschrift „Industrie“.**

** „Kennzeichen D: BND-Schmiergeld,“ documentary by Egmont Koch and Oliver Schröm, ZDF, 16 February 2000.

Nach Angaben von Koch und Schröm unterstützte Strauss seine politischen Freunde in Spanien und Italien wiederholt mit Bargeld. Sein enger Mitarbeiter Dieter Huber diente als Geldkurier, manchmal übergab Strauss das Geld aber auch persönlich. Für seine Zahlungen von bis zu 100.000 D-Mark ließ sich der CSU-Vorsitzende sogar Spendenquittungen ausstellen.

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Aktivieren Sie die Untertitel (Schaltfläche CC), um die englische Übersetzung zu sehen. Eine Abschrift der englischen Übersetzung ist hier verfügbar.

Mitglieder

Nach einem Netzplan, der der Stragi-Kommission vorlag, waren Aginter-Vertreter in allen größeren Städten der Welt verteilt.

Die Agentur selbst wurde von Yves Guérin-Sérac geleitet, einem katholischen antikommunistischen Aktivisten, ehemaligen Offizier der französischen Streitkräfte und Veteran des Indochinakriegs (1945-54), des Koreakriegs (1950-1953) und des Algerienkriegs (1954-1962), wo er mit der paramilitärischen Dissidentenorganisation Organisation armée secrète (OAS) gegen die algerischen Befreiungsbemühungen gekämpft hatte.*** Im Juni 1962 wurde Guérin-Sérac von Franco vermutlich zur Aufstandsbekämpfung angeworben und entschied sich dann, sein Hauptquartier in Salazars Portugal einzurichten, das für ihn die letzte Bastion gegen den Kommunismus und den Atheismus war. ****

*** Paris Match of November 1974 (front page), quoted by Ganser, NATO’s Secret Armies, 117.

**** Stuart Christie, Stefano delle Chiaie, London, 1984, p.27.

Strategie der Spannung

Aginter Press war für eine Reihe von Bombenanschlägen unter falscher Flagge verantwortlich und beteiligte sich an einem von italienischen Neofaschisten organisierten Staatsstreichversuch, der als Italiens Bleijahre bekannt wurde.

Bombenanschlag auf der Piazza Fontana 1969

Der erste einer Reihe von Bombenanschlägen ereignete sich am 12. Dezember 1969 in einer Bank auf der Piazza Fontana in Mailand, bei dem 17 Menschen starben und viele weitere verletzt wurden. Ziel der Operation war es, den Anschlag den italienischen Kommunisten in die Schuhe zu schieben. Die italienischen Neofaschisten Guido Giannettini und der Aginter-Agent Stefano delle Chiaie gelten als die Drahtzieher des verheerenden Anschlags.

„Wir haben eindeutige Berichte und Beweise gefunden, die eine Zusammenarbeit von Giannettini und delle Chaie mit mehreren italienischen Geheimdiensten belegen und ihre gemeinsame Verantwortung für den Anschlag in Mailand offenbaren. Demnach war Giannettini der Verbindungsmann von delle Chiaie zu den Geheimdiensten, die ihm nach dem Anschlag auf der Piazza Fontana zur Flucht verhalfen. „10 Massimo Theodore – Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Giannettini arbeitete auch mit der CIA und dem BND zusammen. Der italienische Richter Guido Salvini, der für die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf der Piazza Fontana 1969 zuständig war, erklärte den italienischen Senatoren Folgendes:

Bei diesen Untersuchungen sind Daten aufgetaucht, die die Verbindungen zwischen Aginter Press, Ordine Nuovo und Avanguardia Nazionale bestätigen… Es hat sich herausgestellt, dass Guido Giannettini (einer der für den Bombenanschlag verantwortlichen Neofaschisten) seit 1964 Kontakte zu Guérin-Sérac in Portugal hatte. Es hat sich herausgestellt, dass Ausbilder von Aginter Press… zwischen 1967 und 1968 nach Rom kamen und die militanten Mitglieder der Avanguardia Nazionale in der Verwendung von Sprengstoffen unterwiesen.

Bombenanschlag auf den Zug 1974

Während der Nelkenrevolution im April 1974, die Salazars Estado Novo beendete, verließen Yves Guérin-Sérac, João Da Silva und andere Mitarbeiter Lissabon und gingen nach Albufereta, dem spanischen Sitz der Paladin-Gruppe (gegründet von Otto Skorzeny) in der Nähe von Alicante (Südspanien). Anschließend flohen sie mit gefälschten französischen Pässen nach Caracas, angeblich mit dem „Segen der Foccart-Netzwerke“.*****

***** Patrice Chairoff, B… comme barbouzes – Une France parallèle celle des basses-œuvres du pouvoir, Editions Alain Moreau, 1975, pp. 253-255.

1974 ging der Terror weiter, als am 4. August im Schnellzug von Florenz nach Bologna eine Bombe explodierte, die 12 Tote und 48 Verletzte forderte. Als Stefano delle Chiaie verdächtigt wurde, hinter dem Anschlag zu stecken, floh er mit einem gefälschten Pass und einem Aginter-Presseausweis auf den Namen Martelli nach Spanien. Mit der Flucht von delle Chiaie verlagerte sich die Terrorwelle nach Spanien, wo seine erklärten Feinde zu Gegnern des Diktators Franco wurden.*

*Kennzeichen D: BND-Schmiergeld, documentary by Egmont Koch and Oliver Schröm, ZDF, 16 February 2000.

„Französisches Attentatskomplott in Portugal aufgedeckt“ in The Lance, 11. Oktober 1974. – Bildquelle: https://archive.org/details/SchoolYear19741975Sept.Dec./page/n59/

Als Aginter aufgelöst wurde und Verhöre durchgeführt wurden, um mehr über die Organisation herauszufinden, stellte sich auch heraus, dass die Gruppe den Auftrag hatte, den damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing zu ermorden, der Plan aber vorzeitig abgebrochen wurde.

Strategisches Dokument von Aginter

Ende 1974 wurde ein Dokument der Aginter-Presse mit dem Titel „Unsere politische Tätigkeit“ entdeckt, in dem der Einsatz von Pseudooperationen beschrieben wird:

** Stuart Christie, Stefano Delle Chiaie, 32; Lobster Magazine, October 1989, 18; both quoted in Ganser, NATO’s Secret Armies, 118.

Wir sind der Meinung, dass die erste Phase der politischen Tätigkeit darin bestehen sollte, die Bedingungen zu schaffen, die die Errichtung eines Chaos in allen Strukturen des Regimes begünstigen. Wir sind der Meinung, dass der erste Schritt darin bestehen sollte, die Struktur des demokratischen Staates unter dem Deckmantel der kommunistischen und pro-chinesischen Aktivitäten zu zerstören. … Außerdem haben wir Leute, die diese Gruppen infiltriert haben, und natürlich müssen wir unsere Aktionen auf das Ethos des Milieus abstimmen – Propaganda und Aktionen, die den Anschein erwecken, als kämen sie von unseren kommunistischen Gegnern. (Diese Operationen) werden ein Gefühl der Feindseligkeit gegenüber denjenigen erzeugen, die den Frieden jeder einzelnen Nation bedrohen. (d.h. Kommunisten)

Siehe Dokumente von Aginter Press

Erneut Kampf gegen Oppositionsbewegungen

Die Aginter Press soll einen Untergrundkampf gegen oppositionelle Bewegungen in Spanien, Portugal und Italien geführt haben. Sie wird verdächtigt, General Humberto Delgado (1906-1965), den Gründer der Portugiesischen Nationalen Befreiungsfront, ermordet zu haben, obwohl dies umstritten ist, da der PIDE-Offizier Rosa Casaco zugegeben hat, dass er an der Ermordung Delgados beteiligt war. Umstrittenen Quellen zufolge soll Aginter Press auch für die Ermordung des antikolonialistischen Führers Amílcar Cabral (1924-1973), Gründer der PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde), und Eduardo Mondlane, Führer der Befreiungsbewegung FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique), im Jahr 1969 verantwortlich gewesen sein.  Nach anderen Versionen waren sowohl die Ermordung Cabrals als auch die von Mondlane das Ergebnis von Machtkämpfen innerhalb der Unabhängigkeitsguerillabewegungen. ***

*** Joao Paulo Guerra, „Gladio actuou em Portugal“, in O Jornal, 16 November 1990, quoted by Ganser, Nato’s Secret Armies, 119; Stuart Christie, Stefano delle Chiaie, London, 1984, p.30.

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Geheimer Treffpunkt
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Literaturverzeichnis

  • Christie, Stuart. Stefano delle Chiaie. Porträt eines schwarzen Terroristen. London: Anarchy Magazine, 1984.
  • Duarte de Jesus, Jose. A Guerra Secreta de Salazar em África. D. Quijote, 2012. ISBN 978-972-20-4935-1.
  • Ganser, Daniele. NATO’s Secret Armies: Operation GLADIO und der Terrorismus in Westeuropa. London: Frank Cass, 2005. ISBN 0-7146-8500-3.
  • Laurent, Frédéric. L’Orchestre Noir. Paris: Stock, 1978.
  • Dokumente über Aginter Press, die im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen der Stragi-Kommission gesammelt wurden (französisch)

NPD

NPD Aufmarsch mitte der 70er Jahre – Quelle: Wotans Erben 1977

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist eine 1964 gegründete rechtsextreme Kleinpartei. Nach Einschätzung zahlreicher Politikwissenschaftler, Historiker sowie des Bundesverfassungsgerichts weist sie eine programmatische und sprachliche Nähe zur NSDAP auf und vertritt eine völkisch-nationalistische und revanchistische Ideologie. Auf europäischer Ebene ist sie Mitglied der Allianz für Frieden und Freiheit.

In den Jahren nach ihrer Gründung erzielte die Partei einige Wahlerfolge und war zwischen 1966 und 1972 in sieben deutschen Landesparlamenten vertreten. Bei der Bundestagswahl 1969 verfehlte sie mit 4,3 % der Stimmen relativ knapp den Einzug in den Bundestag. Ab den frühen 1970er Jahren verlor sie stark an Bedeutung und verfügte nur noch über kommunale Mandate. Die Kooperation mit anderen rechtsextremen Parteien wie der DVU führte die NPD zunächst nicht aus der politischen Bedeutungslosigkeit, bis sie in den 2000er Jahren in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erneut in Landtage gewählt wurde, wo sie jeweils zwei Legislaturperioden vertreten blieb. Aufgrund des Wegfalls aller Sperrklauseln bei der Europawahl 2014 gelang ihr mit 1,0 % der Stimmen, einen Vertreter ins Europaparlament zu entsenden. Inzwischen sind alle Landtagsmandate und das Mandat im Europaparlament wieder verloren gegangen.

Gegen die Partei lief ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 des Grundgesetzes. Der Verbotsantrag wurde im Januar 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die NPD sei zwar eindeutig verfassungsfeindlich, wesensverwandt mit dem historischen Nationalsozialismus und wolle „die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten ‚Volksgemeinschaft‘ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen“,stelle aber aktuell angesichts ihrer Bedeutungslosigkeit im politischen Geschehen keine konkrete Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar.

Rassistische Organisationen im Umfeld der NPD (60er,70er,80er,90er Jahre)

Unter der Bezeichnung Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) wurden seit den 1980er Jahren in mehreren deutschen Ländern rechtsextreme Gruppierungen aus dem Umfeld der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) tätig, zunächst in Nordrhein-Westfalen.In den 1990er Jahren und nach 2000 treten solche Organisationen in einigen Fällen erfolgreich bei Kommunalwahlen in Bayern an. Darüber hinaus bilden sich immer wieder in verschiedenen Bundesländern Gruppierungen mit ähnlichem Namen und vergleichbaren Zielen,[2] z. B. die „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF).

Bayerische Liste für Ausländerstopp:

Sie wurde im Juni 1982 nach dem Vorbild der Kieler Liste für Ausländerstopp in München gegründet. Initiatoren waren die NPD-Landtagskandidatin Hildegard Schuller und der ehemalige Vorsitzende des -> Nationaldemokratischen Hochschulbundes, Thor von Waldstein. Ihr Programm: Einwanderungsstopp für Ausländer, Erhaltung der deutschen und ausländischen Kulturen statt Eindeutschung, »sofortiger Stopp der Flut von Scheinasylanten«.

Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA): Die BIA wurde 1980 von ehemaligen NPD-Funktionären in Bochum gegründet und arbeitete in allen Bundesländern mit der NPD zusammen. Alle zwei Monate erschien die BIA-Publikation Deutsche Zukunft. Mitinitiator war Hagen Prehl, der für ausländerfeindliche Flugblätter der Aktion Ausländerstopp Ende der 70er Jahre in München verantwortlich war. Bei den bayerischen Kommunalwahlen 1996 im Landkreis Neumarkt (Oberpfalz) erhält die »Bürgerinitiative« 2 Prozent und ein Mandat.

Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA): Die im April 1982 von ehemaligen NPD-Mitgliedern gegründete Organisaton hat Ende 1992 nach eigenen Angaben 68 Mitglieder. Seit ihrer Gründung kandidiert die NPD nicht mehr in Hamburg. Die Organisation wird einige Zeit vom ehemaligen Hamburger NPD-Vorsitzenden Ulrich Harder angeleitet. Ihre Mitglieder verteilen u.a. ein Flugblatt in einer Auflage von 100.000 Stück mit der Überschrift »Und wer spricht von den deutschen Opfern der Ausländer-Verbrechen?« Die Gruppe versteht sich als Spitze einer »vernünftigen Ausländerfeindlichkeit«. Bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen erhält die HLA 1982: 6.221 Stimmen (0,7 Prozent), 1986: 6.585 Stimmen (0,7 Prozent) und 1987 (vorgezogene Wahlen): 3.829 Stimmen (0,4 Prozent). Die Wahlen 1991 bringen ihr wieder 0,7 Prozent. 1992 läßt der stellvertretende Vorsitzende, Michael Andrejewski, in Rostock Flugblätter mit »Rostock bleibt Deutsch« verteilen, in denen zur Bildung einer »Ausländerstop«-Initiative aufgerufen wird. Die rassistischen Ausschreitungen in Rostock entstehen im Anschluß an die Protestaktion einer solchen Bürgerinitiative. 1994 startet Andrejewski in Rostock die Kampagne »Mecklenburg-Vorpommern bleibt unser«. Kurzzeitig sind zwei Gefolgsleute von Michael Kühnen, Christian Grabsch und Ulrich Thetard, im HLA Vorstand.

Hessenliste für Ausländerstopp: Die Hessenliste für Ausländerstopp wird am 1. Juni 1982 von NPD-Mitgliedern gegründet und arbeitete eng mit der BIA zusammen. Für ihre Ziele warb sie mit »Protestlisten gegen die millionenfache Überfremdung durch ausländische Gastarbeiter.«

Münchener Initiative Ausländerstopp (MIA): Die MIA wird zur Teilnahme an den Kommunalwahlen im März 1984 unter Federführung des damaligen NPD-Kandidaten zum Oberbürgermeisteramt, Oberstleutnant a.D. Georg Pemler, gegründet. Kandidaten sind außerdem der Rechtsanwalt, ehemalige Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof und Leiter der NPD-Rechtsabteilung, Wolfgang Huber, sowie der Mitbegründer der Vaterländischen Union und ehemalige Angehörige der Waffen-SS, Karl Feitenhansl. In den letzten Jahren sind keine Aktivitäten mehr bekannt geworden.

Dietmar Munier

Dietmar Munier ist der Inhaber eines rechtsextremen Verlagsimperiums in Deutschland, das für die Verbreitung rechtsextremer und geschichtsrevisionistischer Literatur bekannt ist.

Er ist Geschäftsführer und Miteigentümer der Verlagsgruppe und des Versandhandels Lesen & Schenken, zu dem weitere Verlage wie Arndt, Orion-Heimreiter, Bonus, Pour le Mérite, Edition Zeitgeschichte und der Landwehr-Verlag gehören. Lesen & Schenken gibt mehrere rechtsextreme Zeitschriften heraus, darunter die Deutsche Militärzeitung und Zuerst! Die Verlagsgruppe produziert jährlich etwa 50 Bücher, Kalender, Plakate, CDs und DVDs und vertreibt eine breite Palette von Militaria sowie neuheidnische Devotionalien.

Dietmar Munier ist verheiratet mit Gerlind Munier (* 1. Oktober 1969, als Gerlind Mörig). Sie ist Mitinhaberin und war gemeinsam mit ihrem Mann viele Jahre Geschäftsführerin des Verlagsimperiums**. Munier lebt mit seiner Frau zurückgezogen auf dem Verlagsgelände in Martensrade, einem Ort im Kreis Plön mit rund 1.000 Einwohnern. Dort wohnt auch Jens Lütke, ein Funktionär der rechtsextremen Partei NPD.

** Rena Kenzo, „Bücherfrauen und Labelmädel,“ in Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus (Ed.), Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten (= Antifaschistische Texte. Band 12) (Münster: Unrast 2005), 51.

1960er
1969 trat Munier der Gemeinschaft Junges Ostpreußen (GJO) bei, der Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen, einem 1948 in Hamburg gegründeten Verband ostpreußischer Vertriebener, der als Auffangbecken für Revisionisten und Nazis bekannt war.

1971 trat Munier den Jungen Nationaldemokraten (später „Junge Nationalisten“), der Jugendorganisation der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), bei, ohne Mitglied der Partei zu werden. Er wurde jedoch Kreisvorsitzender im Landkreis Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) und eine Zeit lang stellvertretender Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein.

1970er
1973 gründete Munier den Sturmwind-Verlag und führte die Geschäfte von einem Ladengeschäft in Kiel aus. Während seines Wehrdienstes vermietete er die Räumlichkeiten an den Holocaust-Leugner und Verleger Thies Christophersen (1918-1997), einen ehemaligen SS-Sonderführer in Auschwitz und Autor der in der Bundesrepublik verbotenen „Auschwitz-Lüge“, der von dort aus eine Zeit lang seinen Nordwind-Verlag (ab 1975) betrieb. Doch Munier kündigte den Vertrag nach wenigen Monaten wegen inhaltlicher Differenzen über das Sortiment**.

** Jens Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus (Berlin: Elefanten Press, 1996), 497.

Thies Christopherson und andere Neonazis zeigen bei einem Treffen im Jahr 1974 den Nazigruß. – Bildquelle: https://ia800502.us.archive.org/35/items/Hamburg-StadtMitHerzFrFaschisten1978/Hamburg-StadtMitHerzFrFaschisten1978Hrsg.KommunistischerBund.pdf

Danach betrieb Munier in dem Laden eine Buchhandlung namens Sturmwind. Mit wechselnden Adressen aufgrund wiederholter Kündigungen betrieb er bis 1993 Buchhandlungen in Kiel unter den Namen Rathaus-Buchhandlung und Buchhandlung am Dreiecksplatz.

Bund Volkstreuer Jugend

Ende der 1970er Jahre hatte Munier eine Führungsrolle in der neonazistischen Jugendgruppe Bund Volkstreuer Jugend (BVJ) inne.** Über die 1975 von dem österreichischen Neonazi Walter Ochsenberger gegründete Organisation mit Sitz in Lochau, Österreich, ist wenig bekannt.

** „Munier, Dietmar,“ in Jens Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus (Berlin: Elefanten Press, 1996), 497-498.

Gemeinsam mit Gunnar Pahl leitete Munier einen deutschen BVJ-Ableger, wobei er damals als Co-Leiter des „BVJ-Gau Nordmark“ bezeichnet wurde. Führende Mitglieder wie Gunnar Pahl und Thomas Günter Lange waren auch Mitglieder der NSDAP/AO von Gary Lauck.

Ochsenberger ist mehrfach wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt worden und lebte einige Zeit untergetaucht in Spanien, wo er konkrete Verbindungen zur CEDADE hatte. Vermutlich war es die BVJ, die hinter einer Reihe von „Ausbildungsschriften der Volkstreuen Jugend“ stand, die Anfang der 1970er Jahre erschien und junge Mitglieder mit nationalsozialistischem Gedankengut, oft in Form von Gedichten und Liedern, vertraut machen sollte.

Es wurde erwähnt, dass die BVJ in der Tradition des Bundes Heimattreuer Jugend (BHJ) stand, jedoch gibt es keine Details, wie sie sich zueinander verhielten. Der BHJ trug bis Ende der 1980er Jahre ebenfalls die Odal-Rune als Logo und hatte eine ähnliche Ausrichtung wie der BDJ.

Abbildung eines Ferienlagers (undatiert) vom Bund Volkstreuer Jugend in einer Ausgabe der „Ausbildungsschriften der Volkstreuen Jugend“ von 1972

„Pädagogischen Schriften“ der Volkstreuen Jugend hier undatiert

Ausgabe 1972 der „Pädagogischen Schriften“ der Volkstreuen Jugend.

1977 veranstaltete Munier im Namen der neonazistischen Gruppe Wehrwolf Kiel/Volkstreue Jugend ein Campingwochenende mit paramilitärischer Ausbildung.**

** „Munier, Dietmar,“ in Jens Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus (Berlin: Elefanten Press, 1996), 497-498.

Sonnenwendfeiern auf Privatgrundstück

Im Verlauf eines Prozesses gegen Mitglieder der einst von Michael Kühnen aus der Taufe gehobenen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) 1978 in Itzehoe wegen geplanter Sprengstoffanschläge und versuchter Raubüberfälle kam unter anderem zur Sprache, dass Muniers Buchladen in Kiel den militanten Neonazis als Treffpunkt diente. Muniers Vernetzung ging weit über Schleswig-Holstein hinaus. So wurde Anfang 1980 eine Veranstaltung mit ihm angekündigt, an der unter anderem auch Karl-Heinz Hoffmann von der Wehrsportgruppe Hoffmann teilnehmen sollte. 1980 verteilte Munier Flugblätter in Kiel, in denen er Freiheit für damals den in Berlin einsitzenden Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß forderte. In dieser Zeit suchte Munier auch bereits intensiv den Kontakt zu Vertriebenenverbänden und besuchte auch ein Treffen der sich für die Kommunalwahlen in Kiel gebildeten „Kieler Liste für Ausländerbegrenzung“.

Nach und nach vergrößerte Munier sein Geschäftsfeld, vertrieb zeitweise sogar Möbel über seinen Arndt-Verlag. 1991 gründete er die „Aktion Deutsches Königsberg“ und ein Jahr später den „Russlanddeutschen Kulturverein Trakehnen“, der sich kurz darauf in „Schulverein zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreußen“ umbenannte. Muniers Ziel war dabei die Ansiedlung Russlanddeutscher in der früheren nordostpreußischen Enklave Kaliningrad. Seit 1996 ist Munier mit einem Einreiseverbot dsdf56JKLer russischen Behörden belegt. Seine Buchtitel streut der 58-Jährige über verschiedene Verlage wie Orion-Heimreiter, Pour Le Merite, Bonus oder Europa. Zum verlegerischen Geschäftsimperium von Lesen & Schenken gehört inzwischen unter anderem auch das seit 2009 monatlich erscheinende Magazin „Zuerst!“, seit 2003 die Deutsche Militärzeitschrift (DMZ) sowie von 2011 an das Vertriebenen-Organ „Der Schlesier“.

Seit geraumer Zeit lädt Munier im Sommer zu Sonnenwendfeiern ein, die er auf seinem weitläufigen Privatgrundstück als „private Treffen“ veranstaltet. Im vergangenen Jahr zählte dabei unter anderem der Holocaust-Leugner Ernst Zündel zu seinen Gästen.

1980er Jahre

Arndt-Verlag (1963 bis heute)

1980 wurde Munier Gesellschafter des rechtsextremen Arndt-Verlags,** der 1963 von Heinz von Arndt, Mitglied der neonazistischen Deutschen Reichspartei und später der NPD, gegründet worden war. Der Verlag war ursprünglich von Vaterstetten aus tätig, verlegte aber unter Muniers Beteiligung seinen Sitz nach Kiel, Muniers damaliger Heimatstadt. ***

**“Munier, Dietmar,“ in Jens Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus (Berlin: Elefanten Press, 1996), 497-498.

*** „Arndt-Verlag,“ in Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus, 398-399.

1983 übernahm Munier die Leitung des Arndt-Verlags von dem bisherigen Leiter Karl Höffkes. Munier baute Arndt zu einem der größten und wichtigsten rechtsextremen Verlage in Deutschland auf und integrierte ihn später als Tochtergesellschaft in seine Verlagsgruppe Lesen & Schenken.

Bei Arndt erschienen zahlreiche geschichtsrevisionistische Schriften, fremdenfeindliche Pamphlete und pseudowissenschaftliche Werke von Autoren wie Günter Deckert, Franz W. Seidler, Viktor Suvorov, James Bacque, David Irving, Carl-Friedrich Berg, Helmut Schröcke sowie Nachdrucke von Schriften aus der NS-Zeit, zum Beispiel von dem NS-Dichter Erwin Guido Kolbenheyer.

Der rechtsextreme Journalist Thorsten Thaler (geb. 1963) war 1992 Chefredakteur des Arndt-Verlags.

1996 veröffentlichte der Arndt-Verlag ein Buch mit dem Titel „Dokumente polnischer Grausamkeiten“, das in verschiedenen Vertriebenenzeitungen, darunter Der Schlesier, beworben wurde. Im Anzeigentext hieß es: „Diese Dokumentation aus amtlichen Quellen schildert die grenzenlosen Qualen, denen Deutsche zwischen 1919 und 1939 unter polnischer Gewalt ausgesetzt waren, sei es in Posen und Westpreußen, in Oberschlesien oder Mittelpolen.“

Der Untertitel des Buches lautete: „Veröffentlicht im Auftrag des Auswärtigen Amtes auf der Grundlage von Dokumenten“. Dies veranlasste das heutige Auswärtige Amt, den Arndt-Verlag zu verklagen, da dieser den Eindruck erwecken könnte, Herausgeber der Dokumentensammlung sei das heutige Auswärtige Amt unter dem damaligen Bundesminister Klaus Kinkel. Das Auswärtige Amt setzte sich durch, und der Arndt-Verlag musste die Verwendung dieses Untertitels unterlassen, verlor jedoch einen weiteren Prozess, in dem er das Urheberrecht für den Text des Buches geltend machte.

Orion-Heimreiter-Verlag

Ebenfalls 1983 übernahm Munier den seit den 1960er Jahren bestehenden Orion-Heimreiter-Verlag. Ihm ging der in den 1950er Jahren gegründete Heimreiter-Verlag voraus, der von dem sudetendeutschen Schriftsteller und NS-Funktionär Ernst Frank (1900-1982) geleitet wurde und dem Witikobund, einer revisionistischen sudetendeutschen Vertriebenenorganisation, besonders nahe stand. Munier übernahm einige Titelrechte des untergegangenen Verlags. Der Orion-Verlag war bekannt für die Veröffentlichung von Berichten nazi-affiner Soldaten.

1990er Jahre

In den 1990er Jahren gründete Munier mehrere Vereine und Unternehmen, die in den Gebieten tätig waren, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg verloren hatte, und die darauf abzielten, Neonazis, Revisionisten, die ein Großgermanisches Reich anstrebten, und Russlanddeutsche auf den in diesen Gebieten erworbenen Grundstücken und Liegenschaften anzusiedeln. Munier erklärte, das Ziel sei es, „neue Fakten zu schaffen, um unserer Ostprovinz eine deutsche Perspektive zu eröffnen“.

Aktion Deutsches Königsberg

Zu diesem Zweck gründete Munier 1991 den Verein Aktion Deutsches Königsberg (ADK), der die Wiederbesiedlung des ehemaligen deutschen Ostpreußens mit Deutschen forderte. Königsberg war der Name der historischen preußischen Stadt, die heute Kaliningrad, Russland, heißt. Die ADK stand unter der Schirmherrschaft des revisionistischen Geschichtsprofessors Hellmut Diwald (1924-1993), eines bekannten Ideologen der Neuen Rechten, von dem einige Bücher im Arndt-Verlag erschienen sind. Er war eng in die Netzwerke an der Schnittstelle zwischen Rechtsextremismus und etabliertem Konservatismus eingebunden und gehörte, ohne Parteimitglied zu sein, zu den intellektuellen Protegés der Republikaner“, so Thomas Pfeiffer“**.

** Thomas Pfeiffer, Medien einer neuen sozialen Bewegung von rechts (PhD thesis) (Bochum: Ruhr-Universität Bochum, 200), 152.

Munier stellt die Pläne für seine Siedlung vor. Quelle:https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/8842841

Bekannt wurde die Organisation durch den Neonazi-Terroristen und Holocaust-Leugner Manfred Roeder, der 1995 einen umstrittenen Vortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg gehalten hatte.

Roeder hatte mit seiner Organisation „Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk“ ein Siedlungsprojekt in Gawrilowo (ehemals Herzogsrode/Gaweiten) gestartet, 30 km von Jasnaja Poljana (ehemals Trakehnen) entfernt, wo sich eine von Muniers Siedlungen befand. Von 1993 bis 1996 reiste Roeder mehrmals nach Gawrilowo, wo er den Bau von drei Häusern überwachte.

Über Kontakte zur Bundeswehr gelangte Roeder an ausgemusterte Bundeswehrfahrzeuge, die nach Gawrilowo geliefert wurden. Die taz berichtete damals, dass die ausgemusterten Fahrzeuge für die ADK bestimmt waren. 1996 wurde Roeders Einreisevisum jedoch nicht verlängert.

Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen

1992 folgte der Russisch-Deutsche Kulturverein Trakehnen in Jasnaja Poljana, aus dem 1993 der Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e. V. (SFRO) mit Sitz in Husum wurde.

„Geheimtipp“ für Patrioten

Lesen & Schenken-„Lesertreffen“ in Pommersfelden – Stargast ist Hans Püschel, Bürgermeister in Krauschwitz im Burgenland und NPD-Direktkandidat.

Zum traditionellen „Lesertreffen“ lädt die rechtsextreme „Lesen & Schenken Verlagsauslieferung und Versandgesellschaft mbH“ (Postfachadresse: Kiel; Sitz: Martensrade/Schleswig-Holstein) vom 1. bis 3. April nach Pommersfelden bei Bamberg in Oberfranken ein. Getagt und genächtigt wird wie in den Jahren zuvor im „Schlosshotel Pommersfelden“. Das Hotel gehört zum Gebäudekomplex des Barockschlosses Weißenstein von Paul Graf von Schönborn. Pächter des Schlosshotels ist das Ehepaar Manfred und Renate Haag.

„Lesen & Schenken“ zählt zum Verlagsimperium von Dietmar Munier (Jg. 1954). Munier leitet die Verlagsgruppe Arndt / Pour le Merite / Orion-Heimreiter, in der die „Deutsche Militärzeitschrift“ (DMZ), die Monatszeitschrift „Zuerst!“ und die Wochenzeitung „Der Schlesier“ erscheinen. Das „Lesertreffen“, so Munier in der Einladung, „hat sich zu einem ‚Geheimtipp’ für alle an Geschichte und Politik interessierten Patrioten entwickelt.“ Die Veranstaltung findet wie gewohnt in Kooperation mit dem 1992 auf Initiative von Munier gegründeten „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V.“ statt.

Auf der Jahrestagung 1999 der SFRO trat der ehemalige RAF-Terrorist und heutige Rechtsextremist Horst Mahler auf und hielt einen Vortrag über „die Zukunftsperspektiven des nördlichen Ostpreußen“. Im selben Jahr vertrat Mahler auch Muniers Verlag in einem Verfahren, in dem deutsche Behörden (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) ein Verbot einiger Publikationen von Munier forderten.

Von links nach rechts: Horst Mahler, Franz Schönhuber und Udo Voigt bei einer Pressekonferenz „Ja zu Deutschland – Ja zur NPD“ im September 2000. – Bildquelle: https://www.antifainfoblatt.de/artikel/alles-%C2%BBstumpfe%C2%AB-steht-im-sturm-die-npd-nach-dem-verbotsantrag

Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen

Neben den genannten Vereinen wurde 1993 eine Gesellschaft gegründet, die die Bauprojekte auf den erworbenen Grundstücken verwaltete, die Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen m.b.H. (GST).

Nach eigenen Angaben baute die GST seit 1993 zwei Dörfer für Russlanddeutsche in Jasnaja Poljana und Szirgupönen (1938 bis 1946: Amtshagen, ab 1946: Dalneye). Die SFRO betrieb dort eine Schule, in der die Kinder neben der deutschen Sprache auch nationalsozialistisches Gedankengut erlernten. Zu den Lehrern gehörten:

  • Richard Edmonds, Gründungsmitglied der rechtsextremen British National Party (BNP)
  • Herbert Fritz, Redakteur der rechtsextremen National-Zeitung von Gerhard Frey und Berater der nazi-apologetischen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP)
    Götz Eberbach, Sprecher der „Hilfsgemeinschaft der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG).

** Stephan Braun & Daniel Hörsch, Rechte Netzwerke – eine Gefahr (Wiesbaden: VS-Verlag, 2004), 110–111.

*** Wolfgang Kohrt, „‚Pflöcke in verstepptem Land.‘ Deutsche Rechtsextremisten und ihre Projekte auf russischem Boden. Eine Spurensuche im früheren Ostpreußen,“ Berliner Zeitung, Januar 24, 1998.

Von russischer Seite wurden Muniers Aktivitäten eher kritisch gesehen; 1996 verhängten die russischen Behörden ein Einreiseverbot gegen Munier. 2007 löste Alexander Mantei Munier als CEO der GST ab, und er hat diese Position bis 2021 inne.

Lesen & Schenken

Im März 1995 gründete Munier die Verlagsgruppe und den Versandhandel Lesen & Schenken. Im Laufe der Jahre hat sich Lesen & Schenken zu einem Versandhandelsimperium entwickelt. Der jährlich erscheinende, manchmal 130 Seiten starke Katalog bietet alles, was das Neonazi-Herz begehrt: Bücher, CDs, DVDs, Kalender, Militaria, Fahnen, Landkarten, Figuren, Schmuck, neuheidnische Gegenstände und vieles mehr. Heute bietet Lesen & Schenken all diese Artikel auch über einen Online-Shop an.

Angebote aus dem Katalog 2011 der Verlagsgruppe Lesen & Schenken von Dietmar Munier. – Bildquelle: https://issuu.com/lesenundschenken/docs/katalog2011/22

Angebote aus dem Katalog 2011 der Verlagsgruppe Lesen & Schenken von Dietmar Munier. – Bildquelle: https://issuu.com/lesenundschenken/docs/katalog2011/22

Olaf Rose

Der rechtsextreme Militärhistoriker Olaf Rose arbeitete ab 1996 mehrere Jahre als Redakteur für die Munier-Verlagsgruppe. Zu diesem Zeitpunkt war Rose bereits fest in der deutschen Neonazi-Szene verankert. Seit 1991 ist Rose Vorstandsmitglied der rechtsextremen Kulturvereinigung „Gesellschaft für Freie Publizistik“ (GfP).

Zusammen mit Alain de Benoist, Reinhold Oberlercher und Franz Schönhuber gab er außerdem die Zeitschrift „Opposition“ heraus und war Autor und Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Deutsche Geschichte“ der Verlagsgesellschaft Berg. Rose scheint zusammen mit Thomas Sattelberg der wichtigste Verbindungsmann der neonazistischen NPD zur neofaschistischen italienischen CasaPound-Bewegung zu sein. Beide sind auch die Hauptverantwortlichen für ein rechtsextremes Hausprojekt in der ostdeutschen Stadt Pirna, das Haus Montag Pirna (HMP).

2000er Jahre

Deutsche Militärzeitschrift

Im Jahr 2003 übernahm Munier die bereits seit 1995 bestehende Deutsche Militärzeitschrift (DMZ). Die Zeitschrift richtet sich an Militärfans und berichtet über historische und moderne Militäreinheiten und Wehrtechnik, hat aber gleichzeitig deutlich revisionistische Tendenzen. Diese reichen von der Verharmlosung bis zur Glorifizierung von Wehrmacht und Waffen-SS. In einer Publikation prangert die DMZ den „sowjetischen Mythos“ an, dass Deutsche und insbesondere „Waffen-SS-Panzerdivisionen“ in der Schlacht von Kursk besiegt worden seien, in einer anderen preist die DMZ den „Atlantikwall“ als „strategisch wichtige Festung“, ohne zu erwähnen, dass er von Sklavenarbeitern unter Aufsicht der Organisation Todt gebaut wurde.

Von 2004 bis Februar 2011 war der ehemalige Autor der Jungen Freiheit, Manuel Ochsenreiter (1976-2021), Chefredakteur der DMZ, gefolgt von Guido Kraus, während Ochsenreiter weiterhin Redakteur der Zeitschrift blieb.

DMZ-Zeitgeschichte

Seit Mitte 2012 gibt es den Ableger DMZ-Zeitgeschichte.** 2014 fusionierte die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Der Freiwillige, die 1956 von ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS gegründet wurde, mit Muniers DMZ-Zeitgeschichte. Munier hatte die Fusion in einem Brief an den ehemaligen Redakteur von Der Freiwillige, Patrick Agte (geb. 1965), und Guido Kraus, der später Chefredakteur wurde, vorgeschlagen.

** Lenard Suermann, „‚Die braune Presse‘ – ein Portrait der Zeitschrift ‚DMZ Zeitgeschichte‘ aus dem Verlag Lesen & Schenken von Dietmar Munier,“ Der Rechte Rand, Nr. 143, July/August 2013, p. 9.

Titelseite von Der Freiwillige aus einer Ausgabe von 2002.

Der Freiwillige war zunächst als Organ der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG) erschienen. Ihr letzter Herausgeber, Patrick Agte, ist ordentliches Mitglied der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“ und zeitweise Mitglied des NPD-Landesvorstands in Rheinland-Pfalz.

Die DMZ-Zeitgeschichte richtet sich ausdrücklich an eine NS-affine Leserschaft. Sie versteht sich laut Eigenwerbung als „Fachzeitschrift über die Waffen-SS“. Wie die DMZ wird sie vom Verlag Deutsche Militärzeitschrift (VDMZ; Postfachadresse in Selent, Schleswig-Holstein) herausgegeben, der zur Verlagsgruppe Lesen & Schenken von Munier gehört.

Die DMZ-Zeitgeschichte gibt jedes Jahr einen Bildkalender mit dem Titel „Männer der Waffen-SS“ heraus. Jeden Monat wird ein Angehöriger der Waffen-SS mit Bild und Biografie porträtiert, darunter auch verurteilte Kriegsverbrecher. Anton Maegerle berichtet, dass im März 2015 der ehemalige dänische SS-Obersturmführer Sören Kam abgebildet ist, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Dänemark in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden war. Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 stand Kam auf der Liste der weltweit meistgesuchten NS-Verbrecher, lebte aber seit 1956 als deutscher Staatsbürger unter seinem richtigen Namen in Kempten, Bayern, gemeldet.

Zuerst!

Im November 2009 stellte die rechtsextreme Monatszeitschrift Nation und Europa nach 59 Jahren ihr Erscheinen ein. Ende 2009 kaufte Munier den Verlag (Nation Europa Verlag), stellte die Zeitschrift ein und ersetzte sie durch das Monatsmagazin Zuerst! – Deutsches Nachrichtenmagazin („Zuerst!“) ersetzt.

Logo der Zeitschrift Zuerst! – Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Zuerst!#/media/File:Zuerst_(logo).png

Der Titel der Zeitschrift bedeutete laut Eigenwerbung des Verlags, dass „Deutschland deutsch bleiben soll“. Chefredakteur der Zeitschrift wurde zunächst der Historiker und ehemalige Leiter des Kulturressorts der Zeitung Welt, Günther Deschner. Deschner war in den 1980er Jahren Redaktionsmitglied von Nouvelle École, dem Sprachrohr der rechtsextremen französischen Organisation Groupement de Recherche et d’Études pour la Civilisation Européenne (GRECE), deren Gründer, Alain de Benoist, später mehrere Artikel für Zuerst! schrieb.***

** Christian Meyer, Das Feindbild der „multikulturellen Gesellschaft“ in der „Jungen Freiheit“ und der „Nation und Europa“ (PhD thesis) (Berlin: Freie Universität Berlin, 2013), 41-42.

*** Peter Dudek and Hans-Gerd Jaschke, Jugend rechtsaußen (Bensheim: Päd. Extra Buchverlag, 1982), 154.

Redaktionssitzung der rechtsextremen Monatszeitschrift Zuerst! mit Manuel Ochsenreiter (ganz links), Günther Deschner (vierter von links) und Dietmar Munier (zweiter von rechts). Screenshot aus einer 3sat-Dokumentation von 2010.

2010er Jahre

Im März 2011 wurde Manuel Ochsenreiter Chefredakteur des Monatsmagazins Zuerst!, arbeitete aber weiterhin als Redakteur für die DMZ. In diesem Jahr wurde der Umsatz von Muniers Verlagsimperium auf drei Millionen Euro geschätzt.

Der Schlesier

Nach dem Tod von Hans Joachim Ilgner (1933-2010), dem letzten Herausgeber der seit 1948 erscheinenden Wochenzeitung Der Schlesier, wurde diese von Munier übernommen. Die von Muniers Lesen & Schenken herausgegebene Zeitung wurde auf Deutsch umgestellt und ist seit März 2011 mit einem neuen Layout im regulären Zeitungshandel erhältlich.

Titelseite von Der Schlesier vom 20. Mai 2011. – https://www.facebook.com/Der.Schlesier/photos/166790586725323

Außerdem gibt es jetzt einen Facebook-Auftritt. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen schreibt auf seiner Website: „Hauptthemen der Publikation sind der klassische Geschichts- und Gebietsrevisionismus, zu dem die Leugnung der Schuld des NS-Regimes am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (Kriegsschuldlüge) und die Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches (Geschichtsrevisionismus) gehören. “ Chefredakteur von Der Schlesier ist seit 2017 Olaf Haselhorst.

Pour le Mérite

2011 nahm Munier einen weiteren Verlag in sein Portfolio auf: Pour le Mérite mit Sitz im schleswig-holsteinischen Martensrade, wo Munier ein Privatanwesen besitzt. Er veröffentlicht geschichtsrevisionistische Schriften, die die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg oder die Kriegsverbrechen der Wehrmacht leugnen, z. B. Franz W. Seidlers „Verbrechen an der Wehrmacht“ oder „Kriegsgreuel der Roten Armee 1941/42“.

Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum an revanchistischen Schriften und Büchern zur Vertreibung der Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland, etwa von Heinz Schön, Hugo Wellems oder Bolko Freiherr von Richthofen. Werke zur zeitgenössischen Politik von Gustav Sichelschmidt, Dietrich Schuler, Paul Stahlhofen u.a. sprechen von „kulturellem Niedergang“, „Überfremdung“ und „Entnationalisierung“, euphemistische Schlagworte, die den ihnen innewohnenden Rassismus kaum verdecken.

Alexander Dugin (rechts) und Manuel Ochsenreiter (links). Gepostet auf Facebook am 18. Mai 2015.- Bildquelle: https://www.facebook.com/EurasianArtistsAssociation/photos/576781012425579

Im Jahr 2012 veranstaltete Munier auf seinem Privatanwesen in Martensrade eine Sonnwendfeier, zu der der kanadische Holocaust-Leugner Ernst Zündel (1939-2007) eingeladen war. Zündel war im Februar 2007 wegen Volksverhetzung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden und hatte das Mannheimer Gefängnis 2010 verlassen.

Im Juni 2013 entschied das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren, dass Lesen & Schenken im Verfassungsschutzbericht 2012 des Landes Schleswig-Holstein nicht mehr als „Verdachtsfall“ namentlich erwähnt werden dürfe, also als ein Fall, der dem Verfassungsschutz die Überwachung der Aktivitäten des Verlags erlaubt.

Im Jahr 2015 veröffentlichte die Arndt-Verlagstochter Bonus eines von Alexander Dugins Büchern, „Konflikte der Zukunft – Die Rückkehr der Geopolitik“.** Der Anhang enthält mehrere von Manuel Ochsenreiter geführte Interviews mit dem russischen faschistischen Ideologen, in denen es um Themen wie die Syrienkrise, die Konfrontation zwischen Putin und dem Westen, den ukrainischen Bürgerkrieg und den NSA-Skandal geht. Manuel Ochsenreiter bezeichnete Dugin als „langjährigen und väterlichen Freund“.

** Alexander Dugin, Konflikte der Zukunft: Die Rückkehr der Geopolitik (Bonus-Verlag, 2015), ISBN: 9783887412913.

1970er Jahre

Die siebziger Jahre waren geprägt von einem Erstarkten von Nationalismus und Gegenstrukturen gegen die Regierung Willy Brand. Auch wenn viele nach den sechziger und dem nicht Einzug der NPD in den Bundestag vielleicht einen ersten Niedergang sehen wollen, so sind gerade in diesem Jahrzehnt massiv viele Strukturen aufgebaut worden, die bis heute weiterbestehen.

Aktion Neue Rechte

Die Aktion Neue Rechte (ANR) war eine Abspaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und bestand von 1972 bis 1974. Die ANR gilt als „Urzelle“ beziehungsweise als „Beginn“ einer Neuen Rechten in Deutschland.

Funktionäre: Dr. Siegfried Pöhlmann, Peter Stöckicht, Günther Bayerle, Lothar Penz, Uwe Michael Troppenz (Pseudonym Michael Meinrad), Henning Eichberg.

Gründung: 9.1.1972

Auflösung: 1974

Zahl der Mitglieder: ca. 450

Gründungsaufruf der Aktion Neue Rechte, Januar 1972. – Bildquelle: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ANR.htm

Die Aktion Neue Rechte (ANR) wurde in ihrer überwiegenden Mehrheit von ehemaligen Mitgliedern des bayerischen Landesverbandes der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) um Siegfried Pöhlmann initiiert. Ihr schlossen sich u. a. Mitarbeiter der nationalrevolutionären Basisgruppen, des Arbeitskreises Junges Forum und der Außerparlamentarischen Mitarbeit um Sven Thomas Frank an.

Zusammen mit hunderten von seinen Anhängern, hauptsächlich aus der NPD Bayern und dem „volkssozialistischen“ Zirkel um Friedhelm Busses Partei der Arbeit (PdA) gründete Pöhlmann am 9. Januar 1972 die Aktion Neue Rechte (ANR) **.

Ebenfalls im Januar 1972 schloss sich Pöhlmann dem 1972 gegründeten Freiheitlichen Rat an, einer Bündnis-Initiative von Gerhard Frey und Alfred E. Manke, die Protestaktionen gegen die anstehende Ratifizierung des Moskauer Vertrages und des Warschauer Vertrages durch den Deutschen Bundestag zum Ziel hatte; bereits hier zeigten sich aber Differenzen innerhalb des nationalen Lagers, da nationalrevolutionäre und neonazistische Kräfte, sowohl in als auch außerhalb der ANR, die Pöhlmannsche Beteiligung ablehnten und stattdessen eigene Demonstrationen gegen die Ostverträge mit der Unabhängigen Arbeiterpartei (UAP) bzw. der Blauen Adlerjugend unter Führung von Wolfgang Strauß organisierten.

Sowohl durch ihren Namen als auch durch die Beteiligung der PdA übte die ANR von Anfang an eine Magnetwirkung auf nationalrevolutionäre bzw. neurechte Kräfte wie die UAP, die Sababurg-Runde um Lothar Penz und die Zeitung Junges Forum, die Gruppe um Sven Thomas Frank in Berlin sowie das „Nationale Zentrum 1871“ und die sogenannten Nationalrevolutionären Basisgruppen diverser Hochschulstandorte. Schon Henning Eichbergs Text der Gründungserklärung der ANR war in einem dezidiert „anitiimperialistischen“, „nationalrevolutionären“ und „sozialistischen“ Stil gehalten. Diese politische Richtung widersprach allerdings den Absichten Pöhlmanns, der im FZ-Verlag Freys das ANR-Periodikum Recht und Ordnung herausgeben ließ. Die „jungen Rechten“ waren zwar sehr agil, in der ANR aber in der Minderheit (insbesondere nach der Abspaltung der PdA von der ANR im Jahr 1973); im Streit mit Pöhlmann zerfiel die ANR 1974, als nationalrevolutionäre Nachfolgeorganisation entstand aus ihr die „Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation“ bzw. unter Eichbergs Einfluss die „Sache des Volkes/NRAO“.

** Gideon Botsch: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, S. 70f.

PDI: Bericht über die neonazistischen Aktivitäten 1978. München 1979 S. 75.

Die ANR war in Orts-, Kreis- und Landesverbände unterteilt und verfügte über Bundesreferate und Arbeitskreise. Die Zeitschriften der ANR waren Recht und Ordnung und die seit April 1972 erscheinende Neue Zeit, welche ab 1975 als Zentralorgan der Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SDV/ NRAO) fortgeführt wurde.

„neue zeit“ – Monatszeitung der Aktion Neue Rechte, Ausgabe Nr.8/1973. Verantwortlich: Jürgen Kirmes. Die 1972 gegründete Zeitung wurde ab 1975 von der SDV/NRAO herausgegeben. – Bildquelle: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ANR.htm

Ihr Hauptaufgabenfeld lag weniger in Aktionen als in der Erarbeitung einer sich von der »Alten Rechten« abgrenzenden Theorie. Henning Eichberg verfasste das Manifest einer europäischen Bewegung, Lothar Penz war für die politische Bildung zuständig. Nach organisationsinternen Kursstreitigkeiten spaltete sich die ANR bereits 1974 in einen in der Bedeutungslosigkeit versinkenden Pöhlmann-Flügel und in die sich neu gründende Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (NRAO).

Die ANR bildete ein Durchgangsstadium aller mit der NPD unzufriedenen radikaleren jungen Kräfte auf dem Weg zur Ausdifferenzierung. Strebte Pöhlmann den Weg zum Freiheitlichen Rat des Gerhard Frey an, so stellte der Kern der ANR, nach Wegfall der hitleristischen Linie um Friedhelm Busse, die Basis der sich bildenden, nationalrevolutionär orientierten Organisationen SDV/NRAO und der Solidaristischen Volksbewegung dar.

Im Hippie-Style der frühen Siebziger Jahre unterwegs: Der Bezirksverband München-Oberbayern der ANR. Briefkopf aus dem Jahr 1974. – Bildquelle: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ANR.htm#nzeit

Kampfbund Deutscher Soldaten

Der „Kampfbund Deutscher Soldaten“ (KDS) war eine militante und revisionistische neonazistische Gruppe, die von Erwin Schönborn, Eberhard Taubert und anderen gegründet wurde und an der terroristischen Söldnerorganisation Aginter Press beteiligt war.

Der Kampfbund ging 1975 aus dem 1967 von Schönborn gegründeten „Frankfurter Kreis Deutscher Soldaten “ hervor, um dessen Strukturen zu festigen. Laut Stuart Christie hatte die Aginter Press (1966-1974) eine beträchtliche Anzahl von KDS-Mitgliedern unter ihren Rekruten, ebenso wie die Paladin-Gruppe von Otto Skorzeny. Getarnt als Presseagentur mit verschiedenen internationalen Büros war die in Lissabon ansässige Aginter Press mit Hilfe der CIA und des portugiesischen Geheimdienstes PIDE aufgebaut worden.

Die Paladin-Gruppe war eine rechtsextreme Organisation, die 1970 in Spanien vom ehemaligen Waffen-SS- Oberst Otto Skorzeny gegründet wurde . Es versteht sich als militärischer Arm des antikommunistischen Kampfes während und nach dem Kalten Krieg . Es war ein privates Sicherheitsunternehmen , dessen Zweck es war, Sicherheitsunternehmen zu rekrutieren und zu betreiben , um die Ausbreitung des Kommunismus weltweit zu verhindern .

Die französische Zeitschrift Nouvel Observateur vom 23. September 1974 bezeichnet die Gruppe als „seltsame Zeitarbeitsfirma von Söldnern“ ( étrange agency d‘ interimbarbouzes ); in The Great Heroin Coup (1976) nennt Henrik Krüger sie eine „ faschistische Gruppe“ oder „ neofaschistische Gruppe“, während Stuart Christie sie in Granny Made me an Anarchist als „Sicherheitsberatungsgruppe“ bezeichnet . Das Lobster Magazine beschreibt es als „kleinen internationalen Trupp von Kommandos “.

Der KDS unterhielt Kontakte zur „Wehrsportgruppe Hoffmann“, zur „Bürger- und Bauerninitiative“ des deutschen Holocaust-Leugners Thies Christophersen und zur „Deutschen Bürgerinitiative“ von Manfred Roeder. Zu den erklärten Zielen des KDS gehörten die „Durchsetzung des deutschen Nationalismus“, die „Bestrafung aller Widerstandskämpfer als Volksverräter“ und die Freilassung von Rudolf Heß.

Laut Stuart Christie hatte der Kampfbund, „gegründet von Karl Heinz Keuken, Wolfram Langer, Erwin Schonbrun [Schönborn] und Dr. Eberhardt Taubert“, seinen Sitz in der Talstraße 6, D-6 Frankfurt am Main:

Die Organisation, die etwa 1500 Mitglieder hat, von denen zwei Drittel unter dreißig Jahre alt sind, gibt die Monatszeitschrift Unser Kampf heraus, die vollständig von Nazis kontrolliert wird. Viele Mitglieder der Paladin-Gruppe wurden aus den Reihen der KDS rekrutiert, ebenso wie viele der Söldner, die in Rhodesien kämpften (39 im Juni, 21 im Juli und 34 im September 1976). Die rhodesischen Söldner wurden von Tauberts Kollegen Major Nicholas Lamprecht rekrutiert und ausgebildet.

Christie gibt einen erschreckenden Bericht über einen der Gründer, Eberhardt Taubert zu Protokoll :

Dr. Eberhardt Taubert (gestorben am 4. November 1976) trat 1931 in die Nazipartei ein – zwei Jahre bevor Hitler an die Macht kam. Während Goebbels‘ Gauleiterschaft in Berlin zum Sturmführer in der Rechtsabteilung befördert, folgte er Goebbels später ins Propagandaministerium, wo ihm die Abteilung „Kampf gegen fremde Ideologien, religiöse Einmischung und Bolschewismus im In- und Ausland“ zugewiesen wurde. Dr. Taubert übernahm später die „aktive antijüdische Propaganda“ und wurde später dem Büro „Anti-Komintern“ zugeteilt, das auf antikommunistische und antisowjetische Propaganda spezialisiert war. 1938 wurde Taubert zum Richter am „Gerichtshof der Volksjustiz“ ernannt. Später wurde er zum Ministerialrat von Goebbels ernannt und leitete ein 450-köpfiges Team von NS-Propagandaspezialisten in den besetzten Gebieten. Nach dem Krieg ging Taubert nach Südafrika und in den Iran, bevor er 1950 nach Deutschland zurückkehrte und in die Abteilung Sonderdienste des BND berufen wurde. Er wurde auch zum Vorsitzenden der von der CIA unterstützten „Nationalen Vereinigung für Frieden und Freiheit“ ernannt. Unter dem Deckmantel des gesamtdeutschen Ministeriums war Taubert Berater des Verteidigungsministers Franz Josef Strauß und der NATO in Fragen der psychologischen Kriegsführung“. Mehr als zwanzig Jahre lang war Taubert die Hauptfinanzierungsquelle für neonazistische und rechtsextreme Gruppen in Europa, indem er Gelder von Unternehmen und Stiftungen wie der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.v. in Köln und der Pelugan AG in Frankenthal weiterleitete (1977 wurde diese Gesellschaft vom ehemaligen Konsul Dr. Fritz Ries geleitet, einem der vielen Strohmänner, über die Gelder an Franz Josef Strauß geleitet wurden). Laut dem Journalisten Patrice Chairoff war Taubert auch einer der „angesehenen Korrespondenten“ der griechischen KYP durch seine „World Service“ „Presseagentur“.

Beteiligung an Aginter Press

Nach Angaben von Stuart Christie war die KDS ein wesentlicher Bestandteil der terroristischen Söldnerorganisation Aginter Press:

In den späten sechziger Jahren … wurden schätzungsweise 60 Prozent des Aginter-Personals aus den Reihen der OAS rekrutiert, während der Rest aus neonazistischen Organisationen in Westeuropa rekrutiert wurde, wie dem in Frankfurt ansässigen Kampfbund Deutscher Soldaten, der von einem anderen Ex-Goebbels-Mann und Partner von „[Gerhard Hartmut] von Schubert“ in Paladin, Dr. Eberhardt Taubert, geleitet wurde …

Aginter wurde von verschiedenen westlichen Geheimdiensten unterstützt und schulte seine Mitglieder in verdeckten Aktionstechniken , einschließlich Bombenanschlägen, stillen Attentaten, Subversionstechniken, klandestiner Kommunikation, Infiltration und Aufstandsbekämpfung, und war an der Durchführung mehrerer Terroranschläge unter falscher Flagge in Italien beteiligt. Aginter hat auch Operationen gegen die inländische Opposition für verschiedene rechtsgerichtete autoritäre Regierungen durchgeführt, darunter Salazars Portugal, das franquistische Spanien und das griechische Regime der Obersten nach dem Putsch von 1967.

Aginter Press, auch bekannt unter dem Namen Zentraler Orden und Tradition (portugiesisch: Ordem Central e Tradição), war eine internationale antikommunistische Söldnerorganisation, die als Pseudo-Presseagentur getarnt und zwischen 1966 und 1974 aktiv war. Aginter Press wurde im September 1966 in Lissabon, Portugal, unter dem Estado Novo von António de Oliveira Salazar gegründet und von Hauptmann Yves Guérin-Sérac geleitet, der an der Gründung der OAS in Madrid beteiligt war, einer paramilitärischen Gruppe, die gegen Ende des Algerienkriegs (1954-1962) gegen die algerischen Aufständischen kämpfte. Aginter Press schulte seine Mitglieder in verdeckten Aktionen wie Bombenanschlägen, stillen Attentaten, Subversionstechniken, klandestiner Kommunikation, Infiltration und Aufstandsbekämpfung.

Die Verbindung zwischen Aginter Press und der KDS ist angesichts der engen beruflichen Beziehungen des KDS-Mitbegründers Eberhard Taubert zum damaligen deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sehr wahrscheinlich.

Finanzielle Unterstützung für Aginter Press kam von der höchsten Ebene der deutschen Mitte-Rechts-Christlich-Sozialen Union (CSU) zu dieser Zeit.

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Dokumente, die von den renommierten deutschen Journalisten Egmont Koch und Oliver Schröm während ihrer Recherchen für eine ZDF-Dokumentation über Anschläge unter falscher Flagge in Italien ausgegraben wurden, zeigen enge Kontakte von Aginter Press-Agenten zu Marcel Hepp, der damaligen rechten Hand des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß.

Ein Aginter-Agent stand sogar in direktem Kontakt mit Strauss. Diese Dokumente enthalten unter der Überschrift „Industrie“ eine lange Liste von Tarnnamen ominöser deutscher Sponsoren. Nach Angaben von Koch und Schröm unterstützte Strauß seine politischen Freunde in Spanien und Italien wiederholt mit Bargeld. Sein enger Mitarbeiter Dieter Huber diente als Geldkurier, manchmal übergab Strauss das Geld aber auch persönlich. Für seine Zahlungen von bis zu 100.000 D-Mark ließ sich der CSU-Vorsitzende sogar Spendenquittungen ausstellen.

Holocaust-Leugnung

In Deutschland selbst machte die KDS mit ihren geschichtsrevisionistischen Aktivitäten Schlagzeilen. In Flugblättern setzte die KDS eine Belohnung von 10.000 DM für „jede korrekt dokumentierte ‚Vergasung‘ in einer ‚Gaskammer‘ eines deutschen Konzentrationslagers“ aus14.

KDS-Flugblatt, in dem eine Belohnung von 10.000 DM für jede „einwandfrei nachgewiesene Vergasung in einer Gaskammer eines deutschen Konzentrationslagers“ ausgesetzt wird. – Bildquelle: Richard Stöss, Politik gegen die Demokratie: Rechts-… https://archive.org/details/politicsagainstd0000stos/

In Frankfurt am Main und Nürnberg verteilten KDS-Mitglieder an Schulen, die nach Anne Frank benannt waren, Flugblätter, in denen das Tagebuch der Anne Frank als Fälschung und „Produkt jüdischer antideutscher Gräuelpropaganda“ bezeichnet wurde, die „die Lüge von den sechs Millionen vergasten Juden“ stützen sollte.**

** McFarren and Iglesias, The Devil’s Agent, 355.

Nach der Operation Entebbe, bei der israelische Spezialkräfte die Entführung eines französischen Flugzeugs gewaltsam beendeten, erklärte die KDS die dabei getöteten ugandischen Sicherheitskräfte „als Opfer zionistischer Verbrechen“ zu ihren Ehrenmitgliedern. 1977 gründete die KDS eine „Bürgerinitiative für die Todesstrafe und gegen Laster und Pornographie“, die sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland einsetzte.**

** Yvonne Hötzel, Debatten um die Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1990 (De Gruyter, 2011), 280.

Joachim Fiebelkorn

1980 war der deutsche Neonazi Joachim Fiebelkorn, mutmaßliches KDS- (und Paladin-) Mitglied, zusammen mit dem „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, an einem Putsch in Bolivien beteiligt, der General Luis García Meza an die Macht brachte.** An diesem so genannten „Kokainputsch“ war auch der italienische neofaschistische Terrorist Stefano Delle Chiaie (Ordine Nuovo, Avanguardia Nazionale, Aginter Press) beteiligt.

**Peter McFarren and Fadrique Iglesias, The Devil’s Agent: Life, Times and Crimes of Nazi Klaus Barbie (Xlibris, 2013), 354.

Laut Peter McFarren und Fadrique Iglesias in The Devil’s Agent: **

** McFarren and Iglesias, The Devil’s Agent, 332.

In ihrem Buch beschreibt Levy [die Frau des „Kokainkönigs“ Roberto Suárez Gómez] den Schutz und die enge Zusammenarbeit ihres Mannes mit Joachim Fiebelkorn und den Bräutigamen des Todes während des García Meza-Regimes.

Einem Nachruf des Economist zufolge „stellte Fiebelkorn, ebenfalls ein Rechtsextremist und Veteran der spanischen Fremdenlegion, seine [Suarez‘] Privatarmee auf „ und diente als Chef von Suárez‘ Leibwächtern, „um ihn vor der rivalisierenden Gruppe von Drogenhändlern zu schützen, die kollektiv als die Kolumbianer bezeichnet werden“, so McFarren und Iglesias.

Fiebelkorn sagte später vor der westdeutschen Polizei aus, dass Delle Chiaie der bevorzugte Mittelsmann zwischen der sizilianischen Mafia und den lateinamerikanischen Kokainproduzenten gewesen sei. Genauer gesagt war es Roberto Suárez Gómez, der das bolivianische Kokaingeschäft fest im Griff hatte, und er war es, der das Geld für den Staatsstreich bereitstellte. Ein naher Verwandter von Suárez, der damalige Innenminister Arce Gómez, war nach Suárez die Nummer zwei im Kokainhandel, für den Fiebelkorn eine Privatarmee geschaffen hatte, die sich zu einem großen Teil aus der Terrorgruppe „Bräutigame des Todes“ (Los Novios de la Muerte) rekrutierte.**

** McFarren and Iglesias, The Devil’s Agent, 354.

DVU

Gerhard Michael Frey (18. Februar 1933 – 19. Februar 2013) war ein rechtsextremer deutscher Verleger, Geschäftsmann und Politiker. Er war Vorsitzender und Hauptfinanzier der rechtsextremen Partei Deutsche Volksunion (DVU), die er 1971 zunächst als Verein und 1987 als Partei gründete, die sich zeitweise mit der neonazistischen NPD verbündete, mit der sie schließlich 2011 fusionierte.

Als Erbe eines großen Vermögens betrieb Frey zusammen mit Mitgliedern seiner Familie auch ein rechtsextremes Verlagsimperium, darunter die Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag), später die FZ Freiheitlicher Zeitungsverlag GmbH (FZ-Verlag), sowie einen Versandhandel (Deutscher Buchdienst) und ein Reisebüro (Deutsche Reisen).

Während seiner gesamten Laufbahn unterhielt Frey enge Kontakte zu rechtsextremen Kreisen in ganz Europa, aber auch in Russland, darunter der britische Holocaust-Leugner David Irving, die belgische rechtsextreme Partei Vlaams Block (später Vlaams Belang), Jean-Marie Le Pen vom französischen Front National und rechtsextreme russische Politiker wie Wladimir Schirinowski und Wjatscheslaw Daschitschew. Frey war auch eng mit CSU-Politikern wie Alfred Seidl, dem ehemaligen bayerischen Innenminister, und Theodor Maunz, dem ehemaligen bayerischen Kultusminister, verbunden.**

** Günter Platzdasch & Rainer Fromm, Die sogenannte Internationale Gesellschaft für Menschenrechte: Eine rechte Grauzonenorganisation, Wiesbaden, Büro der Stadtverordnetenversammlung, 1990, 3.

Familiärer Hintergrund

Gerhard Frey stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in der Oberpfalz, in der eine reaktionäre und militaristische Einstellung vorherrschte. Sein Vater Adalbert Frey (1889-1944) war Mitglied der Bayerischen Volkspartei und von 1919 bis 1929 Stadtrat in Cham. Er war Soldat in beiden Weltkriegen und gehörte 1919 dem Bayerwald-Bataillon an, einem der Freikorps, die von der sozialdemokratischen Regierung Johannes Hoffmann gegen die Bayerische Räterepublik eingesetzt wurden. Die Familie war wohlhabend und besaß eine Kaufhauskette (Frey), die zunächst Gerhard Freys älterer Bruder Adalbert Frey jr. erbte, ein Wirtschaftswissenschaftler.

Schon während seiner Gymnasialzeit ging Frey seiner Leidenschaft für rechtsextreme Politik, Militarismus und Schriftstellerei nach und schrieb Beiträge für die Deutsche Soldaten-Zeitung (siehe unten). Nach dem Abitur in Cham studierte Gerhard Frey Rechts- und Politikwissenschaften und absolvierte sein zweijähriges Referendariat bei der Regierung von Oberbayern. Daran schloss sich ein zweijähriges Volontariat bei der Passauer Neuen Presse an. 1960 promovierte Frey an der Karl-Franzens-Universität in Graz zum Doktor der Rechts- und Staatswissenschaften mit einer Dissertation über die Handelsbeziehungen Österreichs zu Deutschland. Freys Doktorvater war der Staatsrechtslehrer Erwin Melichar, der von 1977 bis 1983 Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs war.

Frey war ein Multimillionär. Das Vermögen seiner Familie wurde Anfang der 2000er Jahre auf 250 Millionen Euro geschätzt. Neben seinen Verlagen und Zeitungen besaß er über 30 mehrstöckige Wohnhäuser in München und Berlin mit jährlichen Mieteinnahmen von schätzungsweise 2,5 Millionen Euro.** Als sein älterer Bruder Adalbert 2006 starb, erbte Frey die Hälfte der Kaufhauskette der Familie.

**SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“

Frey war mit Regine Frey verheiratet, mit der er vier Kinder hatte, von denen zwei ebenfalls Rechtsanwälte wurden. Seine Frau Regina Frey wurde Direktorin des FZ-Verlags und leitete später den gesamten DSZ-Verlag. Freys Tochter Michaela, eine Juristin, war ebenfalls in der Verlagsleitung tätig. Sein Sohn Gerhard Frey jr. vertrat die DVU und den Verlag als Anwalt vor Gericht. Er veröffentlichte im familieneigenen FZ-Verlag ein revisionistisches Buch über „Polens verschwiegene Schuld“ und vertrat seinen Vater gelegentlich bei rechtsextremen Veranstaltungen. Heute leitet ein gewisser Matthias Frey das Kaufhaus Frey mit Sitz in Cham, dessen Jahresumsatz auf 10-50 Millionen Euro geschätzt wird.

1950er -Deutsche Soldaten-Zeitung

Seit 1951 war Gerhard Frey als freier Autor für die Deutsche Soldaten-Zeitung (DSZ) tätig, die in diesem Jahr von ehemaligen SS- und Wehrmachtsoffizieren mit amerikanischer Unterstützung gegründet wurde. Die DSZ richtete sich an ehemalige Soldaten und vertrat eine dezidiert nationalistische, militaristische und antisowjetische Linie. Sie setzte sich für die Wiederaufrüstung Deutschlands ein und warb für den Beitritt des Landes zur NATO. Darüber hinaus veröffentlichte das Blatt häufig geschichtsrevisionistische und antisemitische Artikel.

Die DSZ wurde ursprünglich 1950 in einem amerikanischen Internierungslager von dem ehemaligen NSDAP-Kreisleiter Holland Helmut Damerau, dem Wehrmachtsoberst und Landrat von Stendal Heinrich Detloff von Kalben,8 dem Waffen-SS-Oberst Joachim Ruoff und dem Waffen-SS-General Felix Steiner entwickelt. Geld für das Vorhaben kam unter anderem von der CIA.

Ausgabe der Deutschen Soldaten-Zeitung vom Oktober 1950.

Laut einer Recherche der CIA wurde die DSZ im Rahmen des Projekts KMMANLY unterstützt:

KMMANLY (1951-53) war ursprünglich als Gegenmaßnahme zu den Aktionen pazifistischer und neutralistischer Gruppen in Westdeutschland gedacht, die gegen die Ratifizierung der vertraglichen Vereinbarungen waren. In der Praxis versuchte KMMANLY, Unterstützung für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in den Bereichen Veteranenangelegenheiten und militärische Veröffentlichungen zu gewinnen. Um diese Ziele zu erreichen, wurden drei Publikationen im Rahmen von KMMANLY genutzt: Die Deutsche Soldaten Zeitung (DSZ), die Europäische Wehrkorrespondenz (EWK) und die Wehrwissenschaftliche Rundschau (WWR). Darüber hinaus unterstützte KMMANLY die Gesellschaft für Wehrkunde (GfW), eine militärwissenschaftliche Studiengruppe, die sich aus ehemaligen hochrangigen deutschen Armeeoffizieren zusammensetzt. Wilhelm Classen (PA), Eberhard Von Nostitz, Burghard Von Preussen, Felix Steiner waren mit der GfW an dem Projekt beteiligt. Josef Berschneider, Hans Iglhaut, Werner Strecker für eine mögliche Verwendung bei KMMANLY in Betracht gezogen.

1954 versiegte die finanzielle Unterstützung durch die US-Regierung und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Screenshot aus dem ersten Dokument der KMMANLY-Akte.Bildquelle: https://archive.org/details/KMMANLY/mode/1up

Screenshot aus dem ersten Dokument der KMMANLY-Akte.Bildquelle: https://archive.org/details/KMMANLY

Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag)

1958 gründete Frey den rechtsextremen Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH (DSZ-Verlag). 1959 gelang es ihm, die Hälfte der DSZ zu übernehmen. In diesem Jahr wurde Frey auch Verleger und Chefredakteur der DSZ.

1960er

Seit 1960 gehörte die DSZ vollständig Frey. Die DSZ wurde 1960-61 in Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung und 1963 in Deutsche National-Zeitung (DNZ) umbenannt. Die DNZ erschien von 1963 bis 1999, als die Zeitung mit einer anderen Publikation Freys, der Deutschen Wochen-Zeitung – Deutscher Anzeiger, zur National-Zeitung fusioniert wurde. Unter diesem Namen erschien die Zeitung 20 Jahre lang, bis sie im Dezember 2019 eingestellt wurde.

In seinem politischen Wochenorgan betonte Frey immer wieder seine Freundschaft zu Reinhard Gehlen, dem Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost im Dritten Reich, der später der erste Chef des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde. Während des Kalten Krieges wurde Gehlen von den USA für ihre Zwecke in der amerikanischen Besatzungszone Süddeutschlands übernommen und im BND eingesetzt.

1962 schlug die Gesamtdeutsche Partei (GDP) Frey als Kandidaten auf ihrer Liste für die bayerischen Landtagswahlen am 25. November 1962 vor. Wie die National-Zeitung berichtete, lehnte Frey das „ehrenvolle Angebot“ ab, weil der Aufbau der Zeitung seine Kraft erforderte.

Für die Bundestagswahl 1969 bewarb sich Frey erfolglos um eine Nominierung als Kandidat der neonazistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Im selben Jahr beantragte der damalige Bundesinnenminister Ernst Benda beim Bundesverfassungsgericht, dass Frey das Grundrecht der Pressefreiheit wegen Missbrauchs nach Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt habe. Der Antrag wurde jedoch 1974 vom Bundesverfassungsgericht endgültig abgelehnt.

1970er

FZ Freiheitlicher Zeitungsverlag GmbH

1971 gründete Frey zusammen mit dem Versandhandel Deutscher Buchdienst und dem Reisebüro Deutsche Reisen einen zweiten Verlag, die FZ Freiheitlicher Zeitungsverlag GmbH (FZ-Verlag). Zweck des Verlages war der Versand von militaristischen Devotionalien (Bücher, Fahnen, Karten, Wimpel, Schallplatten, etc.) sowie die Organisation von Leserreisen. 1986 änderte er den Namen des Unternehmens in „FZ Freiheitlicher Buch-und Zeitschriften-Verlag GmbH“. 1991 nahm Frey die „DSZ-Druck GmbH“ in seine Firmengruppe auf.

Deutsche Volksunion (Verein) (1971-1987)

Die NPD unter der Führung von Adolf von Thadden (1921-1996) hatte in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren kontinuierlich Stimmen verloren: 1,9 Millionen (1967), 1,5 Millionen (1969) bis 200.000 (1972). Zu diesem Zweck gründete Frey 1971 den Verein Deutsche Volksunion (DVU) als Sammelbecken für desillusionierte ehemalige NPD-Mitglieder, deren Aktivitäten sich vor allem gegen die Ostpolitik Willy Brandts richteten. Neben den ehemaligen NPD-Politikern Walter Brandner (1920-1998), einem SS-Obersturmbannführer in der NS-Zeit, und dem ehemaligen NS-Schriftsteller Wilhelm Pleyer (1901-1974) gehörten auch Funktionäre der Unionsparteien (CDU-CSU) zu den Mitbegründern von Freys Verein, der erst 1987 offiziell als Partei eingetragen wurde.**

** SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“

1975 wurde Frey Mitglied der NPD und versuchte vergeblich, zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt zu werden. Er wurde jedoch Beisitzer im Bundesvorstand, trat aber ein Jahr später von diesem Posten zurück. Der Mitbegründer und ehemalige Bundesvorsitzende der NPD, Adolf von Thadden, der als Informant für den MI6 gearbeitet hatte, trat aus Verärgerung über Freys Wahl in den Bundesvorstand aus der Partei aus. Auch Frey wandte sich 1979 von der NPD ab.

Die DVU hatte von Anfang an konkrete Verbindungen zum rechtsextremen Milieu. So war Harald Neubauer von 1969 bis 1972 und erneut von 1975 bis 1981 Mitglied der NPD und gleichzeitig mit Frey und der DVU verbunden. Neubauer war Redakteur von Freys Zeitung Deutscher Anzeiger (1975-1983).**

Harald Neubauer in the Ratskeller Berlin. Bildquelle: https://www.gustav-rust-berlin.de/27-meine-zeit-bei-den-republikanern-1990-2001/

Nach Angaben des bekanntesten deutschen Neonazis der 1970er und 1980er Jahre, Michael Kühnen (1955-1991), war Neubauer von Anfang der 1970er bis Mitte der 1970er Jahre in Norddeutschland Funktionär der US-amerikanischen NSDAP/AO von Gary Lauck und war Schatzmeister von Lauck in Schleswig-Holstein. Kühnen sagte außerdem, dass er 1977 Sicherheitsdienste für eine von Neubauer mitorganisierte DVU-Kundgebung geleistet habe, an der das Nazi-Fliegerass Hans-Ulrich Rudel (1916-1982) teilnahm, eine Schlüsselfigur bei der Reformation der Nazi-Netzwerke weltweit nach dem Krieg.

** Hans-Joachim Veen, Norbert Lepszy and Peter Mnich, The Republikaner party in Germany: right-wing menace or protest catchall? (Greenwood Publishing Group, 1993), 23.

Wehrsportgruppe Hoffmann

1977 leistete die faschistisch-terroristische Wehrsportgruppe Hoffmann (1973-1980) gelegentlich Sicherheitsdienste für DVU-Veranstaltungen. Im folgenden Jahr zahlte Frey eine Geldstrafe von 8000 DM für den Gruppenleiter Karl-Heinz Hoffmann.** Die National-Zeitung schrieb von einem „bizarren Hobby des Wehrsportleiters“ und seinen „Maskeraden“, um die Zugehörigkeit zu verschleiern.***

**SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 7.

*** Rainer Fromm, Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“: Darstellung, Analyse und Einordnung (PhD thesis, Verlag Peter Lang, 1998), 120 f.

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Die WSG Hoffmann wurde 1980 durch den Bundesinnenminister verboten. Zuvor hatte der Neonazi Gundolf Köhler (1959-1980), der an paramilitärischen Übungen der WSG Hoffmann teilgenommen hatte, im selben Jahr den Sprengstoffanschlag auf dem Münchner Oktoberfest verübt, bei dem 13 Menschen starben und 211 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden.

Die Wehrsportgruppe Hoffmann bei einer paramilitärischen Übung. Bildquelle: http://mvitalijus.blogspot.com/2016/02/wehrsportgruppe-hoffmann.html

1980er

Von 1982 bis 2001 war Frey Gastgeber eines großen jährlichen Treffens von DVU-Mitgliedern und anderen rechtsextremen Kräften in Passau, Bayern, das in der dortigen Nibelungenhalle stattfand. Jedes Jahr wurden mehrere tausend DVU-Mitglieder und Sympathisanten aus ganz Deutschland und dem Ausland, insbesondere aus Österreich und Italien, mit Bussen in die Stadt gebracht.

Die Kundgebung in der Passauer Nibelungenhalle war eine der wichtigsten Veranstaltungen der DVU bundesweit. Anfang der 2000er Jahre war ein deutlicher Rückgang der Teilnehmerzahlen zu verzeichnen. Während in der Vergangenheit bis zu 3000 DVU-Anhänger nach Passau kamen, waren es im September 2001 nur noch 1200. Zu den Rednern der Passauer Veranstaltungen, die seit August 1982 stattfanden, gehörten der berüchtigte Holocaust-Leugner David Irving, der russische Rechtsextremist Wladimir Schirinowski und die Nazi-Ikone Hans-Ulrich Rudel. Bei dieser Gelegenheit wurden Rechtsextremisten regelmäßig mit dem „Freiheitspreis der Deutschen National-Zeitung“ ausgezeichnet. **

**SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 16.

David Irving

Seit Anfang der 1980er Jahre gab es eine freundschaftliche Beziehung zwischen Gerhard Frey und dem Briten David Irving (geb. 1938). Irving wurde 1982 von der DVU mit dem „Europäischen Freiheitspreis der National-Zeitung“ ausgezeichnet. In den folgenden Jahren trat er mehrfach bei Vorträgen der DVU und bei Großveranstaltungen der DVU in Passau auf. Im Jahr 2004 erschien in Freys DSZ-Verlag Irvings Buch „Kampf um Europa.

David Irving bei einem Treffen mit Gerhard Frey von der Deutschen Volksunion. Screenshot aus dem Dokumentarfilm Wahrheit macht frei von Michael Schmidt aus dem Jahr 1991. Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=QsQsgei98sk

Mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Invasion 1944″, das im Juni 2004 zum Preis von 20 Euro unaufgefordert an den „Freundeskreis Buch der DSZ“ verschickt wurde. Irving, der wohl bekannteste Holocaust-Leugner der Welt, wurde vom Landgericht München wegen Beleidigung und Verunglimpfung der Verstorbenen zu einer Geldstrafe verurteilt und erhielt ein Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland. Im selben Jahr unterlag er in einem von ihm angestrengten Verleumdungsprozess gegen die Historikerin Deborah Lipstadt vor dem Londoner High Court, die ihn als „einen der gefährlichsten Holocaust-Leugner“ bezeichnet hatte. In seinem Urteil bezeichnete ihn das Gericht als Rassisten, Antisemiten und Geschichtsfälscher. **

** SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 19.

Der Journalist Michael Schmidt, der Anfang der 1990er Jahre eine Dokumentation über Holocaustleugner und die Neonaziszene drehte, erwähnte, dass Irving von den Erfolgen der DVU profitierte, da er regelmäßig als Redner auf den Veranstaltungen der Partei auftrat.

Es wurde berichtet, dass unter den rechtsextremen Gruppen, die bei den DVU-Kundgebungen anwesend waren, auch Mitglieder verschiedener nationalsozialistischer Organisationen wie der Wiking-Jugend waren.

In einer ZDF-Dokumentation über die DVU aus dem Jahr 1993 erinnerte sich ein ehemaliges Mitglied des Sicherheitsteams der DVU, Ulrich Schwetasch, daran, dass Frey auch Macht über bestimmte militante Neonazi-Gruppen hatte. Schwetasch, dessen Neonazi-Karriere ihn von der Wiking-Jugend über paramilitärische Wehrsportgruppen zur NPD und schließlich zur DVU führte, behauptete, Frey habe ihn und seine Kameraden bei verschiedenen Kundgebungen als Schlägertrupps gegen Gegendemonstranten eingesetzt.**

**ZDF, Kennzeichen D, „Deutsche Volksunion (DVU),“ [03:00]

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Als der Nazi-Kriegsverbrecher Klaus Barbie (1913-1991) schließlich 1984 angeklagt und 1987 vor Gericht gestellt wurde, spendete Frey Geld für seine Verteidigung, das der Schweizer Bankier François Genoud sammelte.

Genoud, ein überzeugter Nazi, war ein reicher Mann geworden, nachdem er nach dem Tod des Nazi-Propagandaministers mit seinen Verwandten die Verwertungsrechte an den Schriften von Joseph Goebbels ausgehandelt hatte.25 Genoud war während der Jahre des Dritten Reichs eng mit Otto Skorzeny, Karl Wolff und Klaus Barbie befreundet26 und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Finanzier von Terroristen und Waffenhändler im Nahen Osten.

Klaus Barbie spricht am 11. Mai 1987, dem ersten Tag seines Prozesses wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, im Gerichtssaal in Lyon mit seinem Anwalt Jacques Vergès. Bildquelle: https://www.la-croix.com/France/Justice/Annette-Wieviorka-memoire-proces-Klaus-Barbie-tient-singularite-2017-07-04-1200860339

Der Schweizer Bankier und überzeugte Nazi François Genoud, hier am 18. März 1965, wurde ein reicher Mann, nachdem er nach dem Tod des Nazi-Propagandaministers die Verwertungsrechte an den Schriften von Joseph Goebbels mit seinen Verwandten ausgehandelt hatte. Bildquelle: https://www.spiegel.de/fotostrecke/fran-ois-genoud-und-joseph-goebbels-tagebuecher-fotostrecke-111030.html

Laut dem deutschen Historiker Peter Hammerschmidt:

Während [Jacques] Vergès den Angeklagten in seiner Zelle kennenlernte, organisierte Genoud im „Nazi-Freundeskreis“ eine Umlage zur Deckung der Kosten für den prominenten Anwalt. Ende Oktober 1983 identifizierte das Bundesamt für Verfassungsschutz den rechtsradikalen Verleger und Bundesvorsitzenden der DVU, Gerhard Frey, als einen der Hauptfinanziers. Einem Insider des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz war es gelungen, an Geschäftsunterlagen von Freys Druckschriften- und Zeitungsverlag (DSZ) in München zu gelangen. Das Landesamt kam daraufhin zu dem Ergebnis, dass bereits am 3. Oktober 1983 5000 DM vom DSZ-Sonderkonto „S“ (Spenden) an Barbies Tochter in Kufstein überwiesen worden waren. Es blieb jedoch nicht die einzige „Anzahlung“. Aufgrund der engen Beziehung zwischen Barbies Tochter und DSZ-Verleger Frey erklärte sich dieser bereit, weitere Zahlungen zu veranlassen:
„Seit langem beteiligen wir uns an der Finanzierung von Barbies juristischem Kampf durch jährliche Unterstützungsbeiträge, in der Regel 10.000 DM. Da Frau Messner [Barbies Tochter, Anm. d. Verf.] um zusätzliche Unterstützung gebeten hat, habe ich ihr weitere 10.000,00 DM zur Verfügung gestellt.“
Zwischen 1983 und 1987 waren also mindestens 55.000 DM von Frey zur Finanzierung von Barbies Verteidigung bereitgestellt worden.
Aus seiner Freundschaft zu Gehlen hatte Frey nie einen Hehl gemacht. Auch nach Gehlens Tod soll er mit dem Geheimdienst in Kontakt gestanden haben. Ob er auch versuchte, seine BND-Kontakte zur Unterstützung Barbies zu instrumentalisieren, bleibt unklar. In einem Gespräch mit Herbert Kukuk, Mitarbeiter des BND zwischen dem 1. Februar 1947 und dem 31. März 1978, behauptete Kukuk im Oktober 1983 gegenüber Michael von der Goltz, Frey sei mit der Bitte um Unterstützung für Barbie an den Dienst herangetreten. Eine „offizielle“ Unterstützung komme aber nicht in Frage, das sei „nur auf einem parallelen Weg und unter völliger Geheimhaltung möglich“, hatte der BND-Pensionär damals erklärt. Kukuk selbst hatte sich mit Barbie solidarisch erklärt …

Thies Christophersen

1986 veröffentlichte die antisemitische Zeitschrift „Bauernschaft“ des notorischen Holocaust-Leugners Thies Christophersen (1918-1997), einem ehemaligen SS-Sonderführer in Auschwitz und Autor der in der Bundesrepublik verbotenen „Auschwitz-Lüge“, einen Brief von Frey, in dem dieser Christophersen Rechtsbeistand anbot.**

**SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 7.

Die Holocaust-Leugner Ernst Zündel (links) und Thies Christophersen (rechts). Bildquelle: http://www.revisionists.com/revisionists/christophersen.html

Deutsche Volksunion (Partei) (1987-2011)

1987 gründete Frey die DVU als Partei unter dem Namen Deutsche Volksunion – Liste D. Frey investierte beträchtliche Summen in die Werbung für die neue Partei, unter anderem in Form eines Flugzeugs mit einer Fahne, auf der der Name der Partei prangte.

Flugzeug, das für die Liste D von Gerhard Frey (DVU) wirbt. Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=GZWbNZRLTJA

Frey finanzierte seine Partei in nicht unerheblichem Maße aus seinem Privatvermögen, was ihm einen autoritären Führungsstil ermöglichte. Der DVU gelang mehrfach der Einzug in die Landesparlamente, doch viele DVU-Mitglieder kehrten der Partei aufgrund ihres Führungsstils den Rücken. Aus diesem Grund wurde die DVU oft als „Frey-Partei“ bezeichnet, manchmal auch als „Phantom“ oder „virtuelle Partei“. Die Partei wurde von vielen als ein Macht- und Wirtschaftsinstrument von Frey angesehen, da es auch keine klare Trennung zwischen dem Verleger, der Zeitung und der Partei gegeben hatte.

Die Diskurse der Partei waren nationalistisch, rassistisch, antisemitisch, antiamerikanisch, antiliberal, antidemokratisch sowie umfassend revisionistisch und reichten von der Verharmlosung bis zur Verherrlichung des Nationalsozialismus.

Die neu gegründete Partei ging bis Anfang der 1990er Jahre Bündnisse mit der NPD ein, die ab 2005 in einem Wahlbündnis namens Deutschlandpakt (2005-2009) erneuert wurden. Zwischendurch war das Verhältnis zwischen den beiden Parteien sehr angespannt.

1990er

Nach dem Tod des Juraprofessors und Grundgesetzkommentators Theodor Maunz (1901-1991) wurde bekannt, dass er eng mit Frey zusammengearbeitet hatte.** Maunz (FDP) musste als bayerischer Kultusminister zurücktreten, nachdem seine NS-Vergangenheit als Kommentator des NS-Polizeirechts bekannt wurde.**

** Günter Platzdasch & Rainer Fromm, Die sogenannte Internationale Gesellschaft für Menschenrechte: Eine rechte Grauzonenorganisation, Wiesbaden, Büro der Stadtverordnetenversammlung, 1990, 3.

Wladimir Schirinowski

Seit den 1990er Jahren unterhielt die DVU intensive Kontakte zu Wladimir Schirinowski (geb. 1946) und seiner 1991 gegründeten rechtsextremen „Liberaldemokratischen Partei Russlands“ (LDPR). 1992 war Schirinowski ein viel beachteter Redner auf der Jahresveranstaltung der DVU in Passau.

Zuvor hatte Gerhard Frey jr. auf Einladung der LDPR im April 1992 am Parteitag der LDPR in Moskau teilgenommen. Frey sen. war 1994 Gast des LDPR-Parteitags. Schirinowski und Frey brachten in ihrer fünf Punkte umfassenden „Moskauer Erklärung“ vom 29. Juni 1994 nationalistische Forderungen zum Ausdruck und bekräftigten die Freundschaft zwischen der russischen und deutschen extremen Rechten.

Quelle Spiegel 1995: Die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Verlegers Gerhard Frey, 62, rückt von dem Demagogen und Chef der Liberaldemokratischen Partei Rußlands (LDPR), Wladimir Schirinowski, 48, ab. Die DVU, kündigte ein Spitzenfunktionär intern an, werde »das Verhältnis zu Schirinowski überprüfen«. Anlaß für den Zwist der DVU mit dem Moskauer Rechtsextremisten ist ein SPIEGEL-Gespräch, in dem Schirinowski erklärt hatte, die Welt solle »Angst vor Rußland haben« und Deutschland müsse »so klein wie Österreich« sein. Die DVU hatte seit 1992 enge Beziehungen zur LDPR unterhalten. Mehrfach war Parteichef Frey zu Treffen mit Schirinowski nach Moskau gereist. Auf DVU-Veranstaltungen in Thüringen und im bayerischen Passau im Oktober 1993 propagierte Schirinowski noch einen »Kurs der deutsch-russischen Annäherung«. Inzwischen hat das DVU-Organ Deutsche National-Zeitung den Abdruck einer Serie von Interviews und Beiträgen Schirinowskis abgebrochen.

Die brandenburgischen DVU-Landesabgeordneten Sigmar-Peter Schuldt (DVU-Landesvorsitzender in Brandenburg und Fraktionsgeschäftsführer) und Markus Nonninger nahmen am 21. und 22. Februar 2004 auf Einladung von Schirinowski (in seiner Funktion als Vizepräsident der russischen Staatsduma) am Zweiten Weltkongress der europäischen und asiatischen patriotischen Parteien in Moskau teil.

Nach Angaben der DVU wurde die von der DVU-Delegation geäußerte Meinung, dass die Türkei „nicht in die Europäische Union gehört, von allen Kongressteilnehmern mit ungeteiltem Beifall aufgenommen“.**

**SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 17-18.

Gerhard Frey (rechts), der Vorsitzende der rechtsextremen Deutschen Volksunion, und Wladimir Schirinowski (links), der Vorsitzende der rechtsextremen Liberal-Demokratischen Partei Russlands. – Bildquelle: https://www.tango-noir.com/2017/09/19/chapter-2-pictures/

Wjatscheslaw Daschitschew

Eine besonders enge Beziehung pflegte die DVU zu Wjatscheslaw Daschtschew (1925-2016). Daschitschew war Gastredner auf dem Landesparteitag der DVU in Brandenburg am 27. Juni 2004 und war regelmäßiger Autor und Interviewpartner der National-Zeitung. Daschitschew war einer der Deutschland-Berater des russischen Präsidenten Michael Gorbatschow.

Zugleich war er Leiter der Abteilung für internationale Probleme am Institut für die Wirtschaft des sozialistischen Systems (1972 bis 1990) und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats im Büro der sozialistischen Länder des Außenministeriums (1987-1989). Daschitschew hat die sowjetische Deutschlandpolitik mit verschiedenen Memoranden maßgeblich beeinflusst. Nach 1990 war Daschitschew Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaften und Gastprofessor an der FU Berlin sowie an den Universitäten München und Mannheim.

Zugleich begann sein Engagement in rechtsextremen Kreisen in der Bundesrepublik Deutschland. Daschitschew war häufiger Redner bei der rechtsextremen „Kulturvereinigung“ Gesellschaft für freie Publizistik (GFP), zum Beispiel auf dem Jahreskongress der GFP im Frühjahr 2004. Gegründet von ehemaligen SS-Offizieren und NS-Funktionären, wurde die GFP zur wichtigsten rechtsextremen ideologischen Organisation in Deutschland, in der sich rechtsextreme Verleger, Redakteure, Publizisten, Schriftsteller und Buchhändler zusammengeschlossen haben.

Edit Image Helmut Kohl, Vyacheslav Dashichev (center), Karl Dietrich Bracher and Walther Hofer in Berlin at the end of August 1989. – Bildquelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/wjatscheslaw-daschitschew-eine-sowjetische-dolchstosslegende-14113400.html

Jean-Marie Le Pen

Am 15. Juni 1998 fand im Europäischen Parlament in Straßburg ein Treffen zwischen Frey und dem Vorsitzenden des Front National, Jean-Marie Le Pen (geb. 1928), statt. In einer gemeinsamen Entschließung heißt es: „Die beiden Parteien werden ihre Beziehungen ausbauen und verstärken. Beide Parteiführer sind sich über die grundlegenden Gemeinsamkeiten ihrer politischen Programme einig. Sowohl FN als auch DVU kämpfen gegen die Errichtung einer neuen Weltordnung durch Mächte, die die nationale Souveränität Frankreichs und Deutschlands geringschätzen. Sie wollen, dass die Interessen ihrer Bürger Vorrang vor denen von Ausländern in ihren Ländern haben. Sie treten für eine Begrenzung der Einwanderung ein. „**

** SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, „Die Deutsche Volksunion (DVU),“ 17.

Die DVU unterhielt freundschaftliche Kontakte zum Front National, den Le Pen 1972 als Sammlungsbewegung verschiedener rechtsextremer Organisationen in Frankreich gegründet hatte. Le Pen wurde mehrfach im In- und Ausland wegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus angeklagt und verurteilt.

2000er

Bündnis mit der NPD

Die Mitgliederzahlen der DVU waren seit der Jahrtausendwende stetig gesunken. Im Jahr 2005 wurde der Deutschlandpakt, ein Wahlbündnis zwischen der DVU und der NPD, geschlossen. Es wurde mitunter als rechte „Volksfront“ bezeichnet. 2009 wurde der Deutschlandpakt im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Brandenburg von der NPD aufgelöst. Begründet wurde dieser Schritt mit dem schlechten Abschneiden der DVU bei der Europawahl im selben Jahr. Auf dem Bundesparteitag der DVU im Januar 2009 kandidierte Frey nicht erneut für das Amt des Bundesvorsitzenden.

2010er

Ende 2010 wurde die DVU zu Gunsten der NPD aufgelöst. Frey blieb Herausgeber der National-Zeitung. Im Oktober 2010 spendete er einen Betrag von über einer Million Euro an die von ihm einst geführte DVU, indem er auf die Rückzahlung eines von ihm gewährten Darlehens verzichtete. Eine Erklärung dafür lieferte Frey nicht. Möglicherweise wollte er den Weg für die Fusion mit der NPD ebnen, da die Schulden der DVU ein Hindernis dafür waren.

Frey starb 2013 in Gräfelfing bei München, von wo aus er jahrzehntelang sein rechtsextremes Imperium geführt hatte. Seine Familie führte Freys verlegerische Tätigkeit über seinen Tod hinaus fort. Die National-Zeitung stellte jedoch 2019 ihren Betrieb ein, und auch der Verlag scheint sich aufgelöst zu haben.

Harald Neubauer

Harald Neubauer (geboren am 3. Dezember 1951 in Hamburg) ist ein deutscher Politiker und Journalist aus der rechtsextremen Szene. Er war von 1989 bis 1994 Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Seit 1992 ist er Mitherausgeber der rechtsextremen Monatszeitschrift Nation Europa.

Neubauer wurde zum Kaufmann ausgebildet und absolvierte seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Von 1969 bis 1972 und erneut von 1975 bis 1981 war er Mitglied der neonazistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und schloss sich Gerhard Frey und seiner Deutschen Volksunion (DVU) an. Obwohl die DVU bereits 1971 gegründet wurde, ließ sie sich erst 1987 offiziell als Partei registrieren. Neubauer war Redakteur bei Freys Zeitung Deutscher Anzeiger (1975-1983).**

** Hans-Joachim Veen, Norbert Lepszy and Peter Mnich, The Republikaner party in Germany: right-wing menace or protest catchall? (Greenwood Publishing Group, 1993), 23

Nach Angaben des bedeutendsten deutschen Neonazis der 1970er und 1980er Jahre, Michael Kühnen (1955-1991), war Neubauer von Anfang der 1970er bis Mitte der 1970er Jahre in Norddeutschland ein Funktionär der NSDAP/AO von Gary Lauck mit Sitz in den USA und war Schatzmeister von Lauck in Schleswig-Holstein. Kühnen sagte außerdem, er habe 1977 Sicherheitsdienste für eine von Neubauer mitorganisierte DVU-Kundgebung geleistet, an der das Nazi-Fliegerass Hans-Ulrich Rudel teilnahm, eine Schlüsselfigur bei der Reformation der ehemaligen Nazi-Netzwerke weltweit nach dem Krieg.

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(Video Oberhalb) Dokumentarfilm von Michael Schmidt über Neonazis und Holocaust-Leugner, der 1991 nach zwei Jahren umfangreicher Recherche veröffentlicht wurde.

1983 trat Neubauer der rechtsgerichteten Partei Die Republikaner (REP) bei und wurde im folgenden Jahr Pressereferent des Parteigründers Franz Schönhuber (1923-2005), einem ehemaligen Waffen-SS-Mitglied. Er unterstützte Schönhuber in seinem anschließenden Machtkampf mit Franz Handlos, und als Schönhuber 1985 Vorsitzender wurde, ernannte er Neubauer zum Schriftführer.**

Bald kamen die Ämter des Landesvorsitzenden in Bayern, des stellvertretenden Bundesvorsitzenden und des Mitglieds des Europäischen Parlaments hinzu, und Neubauer wurde weithin als möglicher Nachfolger Schönhubers angesehen.**

** Cas Mudde, The Ideology of the Extreme Right (Manchester University Press, 2000), 31.

Franz Schönhuber mit Harald Neubauer und Johanna Grund bei einer Veranstaltung der Republikaner.

Die beiden entfremdeten sich jedoch, als Neubauer einen extremeren Weg einschlug und 1990 zeitweise sogar den vorübergehenden Rücktritt seines ehemaligen Mentors erzwang. Letztlich triumphierte Schönhuber in diesem Kampf, drängte Neubauer aus der Partei und ersetzte ihn durch Rolf Schlierer als stellvertretenden Vorsitzenden.**

** Mudde, The Ideology of the Extreme Right, 34.

Neubauer und viele seiner Anhänger wurden aus den Republikanern ausgeschlossen und schlossen sich im Januar 1991 in der „Deutschen Allianz-Vereinigte Rechte“ zusammen, die noch im selben Jahr in „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ umbenannt wurde. Die neue Gruppe hatte das erklärte Ziel, die vielen Fraktionen der extremen Rechten unter einem einzigen Banner zu vereinen, und hatte anfangs einigen Erfolg, indem sie drei weitere republikanische Europaabgeordnete (Johanna Grund, Klaus-Peter Köhler und Hans-Günter Schodruch) und die Unterstützung der einflussreichen Zeitschrift Nation und Europa gewann.

Quelle und Informationen DLVH: Die DLVH trat meist erfolglos zu verschiedenen Landtags- und Kommunalwahlen an. Durch Übertritte von Mandatsträgem der Deutschen Volksunion (DVU) und den REP hat sie 1991-1993 in Bremen und 1993-1996 in Schleswig-Holstein Landtagsmandate und bildet 1991-1993 eine Fraktion im Kölner Stadtrat. Bis 1994 ist Neubauer Mitglied des Europaparlaments. Bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg 1994 erhalten Martin Mußgnug (Tuttlingen) und Jürgen Schützinger (Villingen-Schwenningen) 5,2 Prozent bzw. 6,1 Prozent. 1993 setzt die Kölner DLVH für die Ergreifung einer untergetauchten Asylbewerberin 1.000 DM Belohnung aus, die angekündigte Verbreitung von Steckbriefen wird verboten. Bei den Brandenburger Kommunalwahlen 1993 kandidiert Frank Hübner, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Alternative, für die DLVH für das Amt des Cottbusser Oberbürgermeisters. Der Landesvorstand wird daraufhin suspendiert, der Vorsitzende Frank Schwerdt aus der Partei ausgeschlossen. 1994 beginnt in Köln eine Hetzkampagne gegen Ralph Giordano. Seit Ende 1995 engagierte sich DLVH-Funktionäre u.a. mit Mitgliedern der REP und der NPD in »Runden Tischen«.

Innerhalb der DLVH gehörte Neubauer zu einem dreiköpfigen Führungsteam mit Rudolf Kendzia und Jürgen Schützinger. Auch die ehemaligen NPD-Chefs Martin Mussgnug und Franz Glasauer wurden mit Führungsaufgaben betraut, doch bei den Landtagswahlen 1992 konnte die neue Gruppierung kaum überzeugen.

Neubauer wurde 1992 Mitherausgeber von Nation und Europa und ist Vorstandsmitglied der „Gesellschaft für Freie Publizistik“, der wohl einflussreichsten Schriftstellerorganisation und Herausgeberin der extremen Rechten in Deutschland.

Nachdem sich die DLVH bereits 1996 aufgelöst hatte, kandidierte Neubauer bei der Bundestagswahl 2005 in Sachsen auf der Liste der NPD.

Hansabande

Im Herbst 1974, am 10. November, trafen sich im Hamburger „Haus des Sports“ einige Neonazis, um eine neue NSDAP in Hamburg zu gründen. Mit von der Partie waren der Amerikaner Gary Rex Lauck aus Lincoln in Nebraska/USA, der als Chef der NSDAP/AO gilt.

Aufmarsch vor dem Haus des entflohenen NS-Kriegsverbrechers Kappler in Soltau.
Von Links: Christian Worch, Frank Stubbemann, Michael Kühnen, Tibor Schwarz

Das „AO“, steht dabei entweder für Aufbau- oder Auslandsorganisation. Aus Deutschland dabei war Thies Christophersen, damals Landwirt aus Schleswig-Holstein und ehemals SS-Wachmann in einem Nebenlager von Auschwitz.

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Sein „Bericht “ „Die Auschwitzlüge“ wurde vom Neonazi Manfred Roeder veröffentlicht und prägte den Begriff „Auschwitzlüge“, der heute allgemein in der neonazistischen Szene verwendet wird, wenn Nazis die systematischen Verbrechen des historischen Faschismus leugnen. Die FR schlug vor, unter Antifaschisten in Zukunft von„Auschwitzleugnung“ zu sprechen.

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Roeder war nach Verbüßung einer langen Freiheitsstrafe als Chef dieser terroristischen Gruppe wieder in Freiheit. Thies Christophersen lebte in Dänemark (in Kollund bei Nazi-Freunden), weil er sich nach Jahren einer traurigen Justizposse einer endgültig anzutretenden Haftstrafe nur durch Flucht nach Dänemark entziehen konnte. Sein Paß allerdings wurde 1993 mit Hilfe seiner in Süddeutschland lebenden Schwester verlängert, wo Christophersen sich anmelden konnte, obwohl er auf der Fahndungsliste stand.

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Aus Hamburg war bei der Versammlung 1974 Wolf-Dieter Eckart dabei, der den ersten Stützpunkt einer neuen NSDAP in Hamburg aufmachte. Mit H. J. Neumann nahm ein weiterer Nazi teil, der wenig später wegen eines Überfalls auf den linken Göttinger Buchladen „polibula“ verurteilt wurde und nach seiner Haft nach Südafrika ging. Außerdem war mit Wilhelm Wübbels, einem Frührentner aus Bocholt, der erste „Reichsleiter“ der neuen NSDAP anwesend.


Ob die 1975/76 vor allem in Hamburg-Altona aktive „Faschistische Front“ des Michael Borchardt mit diesen NSDAP- Aktivisten in Verbindung stand, konnte nie geklärt werden.

Die „Hansa Bande“ Michael Kühnens

Im September 1977 wurden in der Hamburger Innenstadt beim Ritzen von Hakenkreuzrunen in Schaufensterscheiben drei Neonazis festgenommen, die sich als Mitglieder eines „Freizeitvereins Hansa“ ausgaben: Michael Kühnen, Lutz Wegener und Tibor Schwarz. Michael Kühnen, damals Leutnant der Bundeswehr, war noch wenige Monate zuvor als Vertreter eines Vereins „Erbe und Auftrag – Vereinigung zur Förderung des monarchistischen Gedankens e.V.“ aufgetreten, bevor er mit diesem als „Hansa-Bande“ berühmt gewordenen Verein eine für die Bundesrepublik erste öffentlich agierende Gruppe von Hakenkreuz-Nazis gründete.

Mit ihrem offenen Bekenntnis zum Nationalsozialismus, ihrer Forderung nach „Wiederzulassung der NSDAP“ etc. durchbrach diese Gruppe ein bislang für die meisten rechtsradikalen Gruppen Deutschland geltendes

Gary Lauck

Vielfach wird Lauck gerne als Spinner abgetan aber das ist er mitnichten, seine Konzepte unteranderem das Zellensystem der NSDAP/AO gilt als Vorreiter der Konzept die auch Kay Diesner nutzte aber eben auch das Kameradschaftsystem das bis heute Bestand hat.

Schon frühzeitig hatte Kühnen, Worch und die Hansabande Kontakt zu Lauck. Im obigen Text ist dies schon klar und deutlich dargestellt. Fakt ist aber auch Lauck der zwischenzeitlich mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden gewesen ist, war nach der Wahl von Trump wieder im Aufwind.

Gerhard Rex „Gary“ Lauck (geboren am 12. Mai 1953 in Milwaukee, Wisconsin, USA) ist ein amerikanischer Neonazi, Antisemit und Holocaust-Leugner, bekannt als Gründer und Leiter der neonazistischen NSDAP Aufbau- und Auslandsorganisation (NSDAP/AO), einem international vernetzten Neonazi-Netzwerk und Propaganda-Zentrum mit Sitz in Lincoln, Nebraska. Seit den 1970er Jahren widmete sich Lauck insbesondere der Herstellung von Verbindungen zwischen der US-amerikanischen und der deutschen Neonazi-Szene, vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem damals berüchtigtsten deutschen Neonazi Michael Kühnen (1955-1991).

Für Lauck und seine antisemitischen Kameraden ist die Geschichte ein nicht endender Rassenkrieg, in dem die Juden der Hauptfeind sind.

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In einer Dokumentation von Michael Schmidt sagte Gary Lauck angeblich Folgendes:

Ich habe keine Einwände gegen das jüdische Volk… aber wenn sie systematisch versuchen, meine Lebensweise auszurotten, werde ich meine Lebensweise verteidigen. Wenn ich bei der Verteidigung meiner Lebensweise ein paar von ihnen auslöschen muss, gut! Und wenn es darum geht, dass entweder der letzte Weiße auf diesem Planeten stirbt, oder ich den letzten Juden töten muss, dann heißt es: Bye, bye, Jude.

Gary Lauck. Screenshot aus dem Dokumentarfilm Wahrheit macht frei von Michael Schmidt aus dem Jahr 1991. – Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=QsQsgei98sk

Frühe Jahre

Gary Lauck wurde am 12. Mai 1953 in Milwaukee, Wisconsin, als Sohn einer deutsch-amerikanischen Familie geboren. Im Alter von elf Jahren zog er mit seiner Familie nach Lincoln, Nebraska, wo sein Vater Ingenieursprofessor an der Universität von Nebraska wurde.** Lauck übersprang das letzte Jahr der High School und besuchte dann zwei Jahre lang die Universität von Nebraska.** Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits neonazistische Überzeugungen. In einer Rede, die Lauck 1974 in Hamburg hielt, erzählte er Folgendes über seine frühe Kindheit:

** Stephen E. Atkins, Encyclopedia of Right-Wing Extremism in Modern American History (ABC-CLIO, 2011), 110.

Meine Erziehung als Kind war immer deutsch-national und völkisch. Als ich später die deutschnationale Bewegung oder den Nationalsozialismus kennenlernte, wusste ich sofort, dass meine Erziehung und Einstellung hundertprozentig damit übereinstimmte – trotz großer Entfernungen, trotz fehlender Sprache, trotz Generationen im Ausland, blieb die deutsche Seele dem deutschen Blut treu. Darin liegt die ungeheure Kraft der deutschen Nationalität, die von unseren Gegnern wie die Pest gefürchtet wird. Dieses Fehlen der Sprache ist und war sicherlich ein großer Nachteil. Denn wenn man einem Volk die Sprache nimmt, nimmt man ihm nur allzu leicht seine Kultur und sein Wesen, und so hat auch dieser Umstand zum Untergang des Auslandsdeutschtums beigetragen. Aber wir haben auch einen großen Vorteil gehabt: Die bittere Verfolgung wegen unserer Treue zum Deutschtum und zum deutschen Nationalgefühl hat uns fester denn je geeint!

1970er

Anfang und Mitte der 1970er Jahre reiste Lauck mehrfach nach Deutschland, um sich mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern zu treffen und Kontakte zu den Kreisen um Michael Kühnen (1955-1991), dem damals bekanntesten deutschen Neonazi, zu knüpfen, mit dem er ab den 1970er Jahren eng zusammenarbeitete.**

** Martin A. Lee, The Beast Reawakens (Warner Books, 1997), 246.

Im Mai 1972 schloss sich Lauck bei einem Besuch in Deutschland der neonazistischen Kampfgruppe Großdeutschland an. Angeblich gründete Lauck im selben Jahr in Deutschland die noch heute existierende neonazistische NSDAP Aufbau- und Auslandsorganisation (NSDAP/AO), die sich in den Fußstapfen der NSDAP sieht. Bereits 1972 war er der deutschen Polizei wegen des Besitzes von Tausenden von Hakenkreuzaufklebern aufgefallen, konnte jedoch in die USA zurückkehren, wo die NSDAP/AO ihr Hauptquartier eingerichtet hatte, und so die strengen deutschen Gesetze gegen Nazi-Wiederbetätigung umgehen.

1973 wurde Lauck Redakteur und Herausgeber der neonazistischen Zeitschrift NS-Kampfruf,** in der unter anderem Attentatstechniken detailliert beschrieben wurden.

Jens Mecklenburg, Handbuch Deutscher Rechtsextremismus (Elefanten Press, 1996), 486-487.

Seitdem druckt und verbreitet die NSDAP-AO weltweit NS-Propaganda, darunter Nachdrucke von Adolf Hitlers Buch Mein Kampf und den in Deutschland verbotenen antisemitischen Propagandafilm Der ewige Jude. Neben Nazi-Literatur ist Lauck dafür bekannt, dass er über seine Websites weltweit Nazi-Devotionalien versendet, darunter Reichskriegsflaggen, Hakenkreuzfahnen, Medaillen, Orden und Uniformteile. In den ersten Jahren war Lauck eng mit Mark Weber (geb. 1951) verbunden, der seit 1995 Direktor der in Kalifornien ansässigen Holocaust-Leugnerorganisation Institute for Historical Review ist.

Gary Lauck trägt eine Uniform, die an die Sturmabteilung (SA) der Nazis, auch bekannt als „Braunhemden“, den paramilitärischen Flügel der Nazipartei, erinnert. – Bildquelle: http://voelkischerbeobachter.org/?p=286

Socialist Workers Party & R.J.G. Engineering

Ein 1995 vom Nebraska Public Radio veröffentlichtes Dossier über Lauck berichtete:

Laut Unternehmensunterlagen, die dem Büro des Staatssekretärs von Nebraska vorliegen, gründete Lauck 1974 die gemeinnützige Socialist Workers Party unter seinem deutschsprachigen Namen. In der Satzung heißt es, die Gruppe fördere das Studium Deutschlands durch die Zusammenarbeit mit anderen politischen Organisationen, die nicht zu Propagandazwecken gegründet wurden. Aus den staatlichen Unterlagen geht hervor, dass Lauck auch ein gewinnorientiertes Unternehmen, R.J.G. Engineering, kontrolliert. Lauck ist als Berater aufgeführt. Sowohl die gemeinnützige Nazipartei als auch das Ingenieurbüro haben viel gemeinsam. Bei beiden sind Lauck, seine Mutter und eine Frau in Indiana als Vorstandsmitglieder aufgeführt. Beide geben dieses Haus in South Central Lincoln als ihre offizielle Geschäftsadresse an.
[Lauck:] „Der Staat Nebraska erkennt uns als gemeinnützige Gesellschaft an. Die Bundesregierung erkennt uns nicht offiziell als steuerbefreit an. Aber wir müssen die Formulare ausfüllen und wir machen alles ganz legal, das heißt…“
Lauck ist äußerst vage, was die geschäftlichen oder organisatorischen Verbindungen zwischen seiner gemeinnützigen Partei und der Ingenieurgesellschaft angeht. Es ist unklar, wie er die Propagandaverbreitung mit den kleinen, über ganz Europa verteilten Zellen der Nazipartei koordiniert.
[Lauck:] „Ehrlich gesagt, ich weiß es meistens auch nicht, denn wenn ich es nicht wissen muss, stelle ich keine Fragen. Wir machen unsere Arbeit. Wir kommen zu einem bestimmten Punkt, und sie fragen uns nicht, wie wir von Punkt A zu Punkt B gekommen sind. Und wenn sie es von Punkt B nach Punkt C bringen, fragen wir nicht, wie habt ihr das gemacht, wie heißen die Leute, die es bekommen? Das ist nicht nötig. Es ist ein Sicherheitsrisiko.“

Im November 1974 trat Lauck als Redner auf einem NSDAP-Treffen in Hamburg auf, das von dem ehemaligen Waffen-SS-Mitglied und Holocaust-Leugner Thies Christopherson (1918-1997) und seiner Bauernschaft einberufen wurde. Zu den Teilnehmern gehörten auch Wolf-Dieter Eckart mit seinem „Freundeskreis der NSDAP“ und der Rechtsextremist Hans Joachim Neumann, der in jenem Jahr unter anderem wegen Waffendiebstahls, Schändung jüdischer Friedhöfe und Brandstiftung eines linken Buchladens verurteilt wurde, aber nach Südafrika fliehen konnte. Ein Bild vom Schlot zeigt Thies Christopherson, der zusammen mit anderen Neonazis den Hitlergruß zeigt. Eine Woche später wurde Lauck festgenommen und mit einem Ausreiseverbot belegt.

Thies Christopherson und andere Neonazis zeigen bei einem Treffen im Jahr 1974 den Hitlergruß. – Bildquelle: https://ia800502.us.archive.org/35/items/Hamburg-StadtMitHerzFrFaschisten1978/Hamburg-StadtMitHerzFrFaschisten1978Hrsg.KommunistischerBund.pdf

Im Jahr 1976 gelang Lauck die illegale Einreise nach Deutschland, wurde aber in Mainz erneut festgenommen. Im Juli 1976 wurde Lauck zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt und kehrte anschließend in die USA zurück.

Im Jahr 1978 erschoss und verwundete er seinen Bruder Jerry nach einer politischen Auseinandersetzung.** Mit Genehmigung der deutschen Behörden reiste Lauck 1979 nach Deutschland, um als Zeuge der Verteidigung von Michael Kühnen aufzutreten.***

** Stephen E. Atkins, Encyclopedia of Right-Wing Extremism in Modern American History (ABC-CLIO, 2011), 110.

*** Jens Mecklenburg, Handbuch Deutscher Rechtsextremismus (Elefanten Press, 1996), 486-487.

In den 1980er Jahren waren Mitglieder der NSDAP/AO unter anderem in Kühnens „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) und im Komitee zur Vorbereitung der 100-Jahr-Feier Adolf Hitlers aktiv.

Michael Kühnen und Gary Lauck, interviewt von Michael Schmidt, vermutlich 1990/1991. Screenshot des Dokumentarfilms Wahrheit macht frei von Michael Schmidt aus dem Jahr 1991. – Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=QsQsgei98sk

Mitglieder der NSDAP-AO waren neben dem Gründer Gary Lauck unter anderem die Neonazis Gottfried Küssel, Mark Weber, Michael Kühnen, Christian Worch, Martyn Freling, Christian Malcoci und Michael Swierczek.

1990er

1990 nahm Lauck an einem NSDAP-Treffen in Kollund, Dänemark, teil, das von Thies Christopherson ausgerichtet wurde. Im selben Jahr sorgte er dafür, dass sich die NSDAP/AO mit der schwedischen Neonazigruppe Sveriges Nationella Forbund verband, die mit gleichgesinnten Aktivisten in Norwegen den „Nordischen Nationalsozialistischen Block“ bildete.** Ebenfalls 1990 spielte er eine führende Rolle bei der Unterstützung von Kühnen, Gottfried Küssel und Christian Worch beim Aufbau eines Netzwerks von GdNF-Zellen in der gesamten ehemaligen DDR nach der deutschen Wiedervereinigung.***

** Toe Bjorgo & Rob Witte, Racist Violence in Europe (St Martin’s Press, 1993), 87.

*** Bjorgo & Witte, Racist Violence in Europe, 89-90.

In der Folgezeit reiste er in die neuen Bundesländer der ehemaligen DDR und erneut 1992, um sich mit Mitgliedern der GdNF zu treffen.

In den ersten Tagen der Jugoslawienkriege (1991 bis 2001) veröffentlichte Lauck in seiner Zeitschrift Neue Ordnung eine Reihe von Artikeln zur Unterstützung Kroatiens. Sie brachten insbesondere ihre Unterstützung für die Ustaše zum Ausdruck, Ante Pavelićs brutale Miliz, die den kroatischen Nazi-Marionettenstaat unterstützte, und die Zeitschrift war maßgeblich an der Rekrutierung von neonazistischen Söldnern beteiligt, die für die kroatische Sache kämpfen sollten.****

**** Lee, The Beast Reawakens, 297-298.

Im März 1995 wurde Lauck in Dänemark bei der Teilnahme an einer Neonazi-Tagung festgenommen und aufgrund eines internationalen Haftbefehls an die deutschen Behörden abgeschoben. 1997 wurde Gary Lauck in Deutschland wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass sowie Verbreitung von Propaganda und Symbolen verfassungswidriger Organisationen zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Während seines Prozesses erklärte die Staatsanwaltschaft, dass er „zwei Jahrzehnte lang der Hauptlieferant von Nazi- und Neonazi-Literatur, Aufklebern, Armbinden, Bannern und Schildern in Deutschland war“. Am 19. März 1999 wurde er aus der Haft entlassen, kehrte dann aber in die Vereinigten Staaten zurück, zunächst nach Chicago, dann zurück nach Lincoln, Nebraska.

2000er

Dort setzte er seine Propagandaaktivitäten fort und verbreitete neonazistisches Material im Internet. In den folgenden Jahren baute Lauck ein Netzwerk von Neonazi-Websites auf und begann, Internetdienste für Rechtsextremisten anzubieten (zensurfrei.com). Lauck registrierte zahllose Weiterleitungsadressen mit Namen wie bundesrepublicofgermany, kanzleramt.biz (Bundeskanzleramt) „bundesinnenministerium.com“ (Bundesministerium des Innern) und „verfassungsschutz.org“ (Bundesnachrichtendienst), Namen von deutschen Regierungsstellen. Diese führten dann zu einer der Hauptseiten von Lauck zurück. Ab 2002 griff die deutsche Regierung jedoch ein, und Lauck musste auf die Verwendung offizieller Namen verzichten, was ihn jedoch nicht daran hindert, Websites mit Namen aus der Nazizeit zu betreiben.

2020er

Ab 2021 ist die Website nsdap.info (früher http://www.nazi-lauck-nsdapao.com) mit einer Adresse, die auf einen Briefkasten in Lincoln, Nebraska, verweist, immer noch online. Sie veröffentlicht nach wie vor den deutschsprachigen NS-Kampfruf, sein englisches Pendant The New Order sowie seltener erscheinende Ausgaben in anderen Sprachen. In den frühen 2000er Jahren betrieb Lauck auch einen Internet-Radiosender namens Nazi Radio Wolfsschanze, dessen Sendungen zum Teil von Adolf Eichmann jr. moderiert wurden, dem Sohn des Nazi-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann.

Anzeige im NS Kampfruf, Nr. 242, September 2021. – Bildquelle: http://www.nsdap.info/wp-content/uploads/2021/08/nsk-242-online.pdf

Die Renegade Tribune bietet eine Plattform für alle Arten von Antisemiten, White Supremacists und Neonazis, die sich als Autoren registrieren und Artikel beisteuern können. Darüber hinaus entstand 2021 ein deutschsprachiges Portal, der Voelkischer Beobachter, benannt nach dem Hauptorgan der Nazipartei, der rassistische und antisemitische Nachrichten für ein deutsches Publikum veröffentlicht.

Anzeige im NS Kampfruf, Nr. 242, September 2021. – Bildquelle: http://www.nsdap.info/wp-content/uploads/2021/08/nsk-242-online.pdf

Wehrsportgruppe Hoffmann

Gründung: 1973

Auflösung: Im Januar 1980 durch den Bundesinnenminister verboten.

Zahl der Mitglieder: ca. 250

Funktionäre: Karl-Heinz Hoffmann, Arndt Heinz Marx, Ralf Rößner, Odfried Hepp, Ulrich Behle, Stefan Wagner

Aktivitäten: Ab 1974 trat die Wehrsportgruppe (WSG) Hoffmann öffentlich in Erscheinung und bildete rasch bundesweit Ableger. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands und die Deutsche Volksunion setzten die WSG zeitweilig als Ordnertruppe ein. Enge Beziehungen bestanden zum Hochschulring Tübinger Studenten, der Wiking Jugend und der Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit.

Kommando, Zeitung der WSG für den europäischen Freiwilligen, Ausgabe Nr.5 vom September 1979. Verantwortlich: Karl Heinz Hoffmann. Verleger: Hans-Peter Fraas. – via Apabiz https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/WSG%20Hoffmann.htm

1976 wurde der Freundeskreis zur Förderung der WSG Hoffmann mit ca. 400 Mitgliedern gegründet, Gerhard Frey übernimmt eine Geldstrafe für Hoffmann. Am 30. Januar 1980 wird die WSG verboten. Durch Mitglieder der WSG-Auslandsgruppe im Libanon wird die Beteiligung der WSG am Mord an Shlomo Levin und Frida Poeschke im Dezember 1980 bekannt.

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Bedeutung: Bis zu ihrem Verbot war die WSG Hoffmann eine der wichtigsten Schnittstellen des neofaschistischen Lagers mit guten Kontakten ins Ausland. Durch Wehrsportübungen und paramilitärische Ausbildung bereitete sie Terroranschläge vor. Gundolf Köhler, der Attentäter des Oktoberfest-Attentates 1980 (13 Tote), erwies sich als WSG-Mitglied. (B)

Aus dem Artikel „Trainingslager im August“: „(…) Im Hof flatterte neben dem schwarzen WSG Totenkopf-Banner das gelbe mit dem flandrischen Löwen, denn diesmal waren etwa 1/3 der Lehrgangs-Teilnehmer Kameraden aus Flandern. Wegen des herrschenden Uniformverbotes mußte beim Ausmarsch der Oberkörper freigemacht werden. Die gutgewachsenen WSG-Männer, besonders die der Abteilung 9 aus Hessen hielten in tadelloser Haltung jeder kritischen Betrachtung stand.“

Quelle: Mecklenburg, Jens (Hg.): Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S.175f

Anmerkungen:

Die Angaben differieren stark. In anderen Quellen ist von geschätzten 400 Mitgliedern (Bundesinnenministerium) oder 80 Mitgliedern und über 400 Sympathisanten die Rede (Presse).

Fazit

Wie schon im Vorwort angedeutet. Es gab schlichtweg keine genügende Aufarbeitung des NS-Terrorismus, nein man deckte in der BRD Täter, mithilfe auch von US-Geheimdiensten. Finanzielle Unterstützung für nahezu alle nach NS-Gruppierungen waren in der Konrad Adenauer Ära vom Bund als auch eben Geheimdiensten gegeben. Eine Aufarbeitung der NS-Verbrechen war politisch nicht gewünscht. Nein, die BRD war von Anfang ein Staat der Täter, und man nutze in vielen NS-Organisationen von Anfang an, ihre Kenntnisse, die man in der NS-Zeit erlangt hatte, um gegen Sozialisten, aber auch gerade gegen Kommunisten vorzugehen. Auf mehreren Todeslisten stand unter anderem Herbert Wehner und weitere Parteimitglieder der SPD. Die am Tage X umgebracht werden sollten Alles mit der Deckung der CDU/CSU und auch FDP Adenauer Koalition. Als Belege gelten die CIA Akten, die über Foia freigeben sind. Das ist bisher im Jahre 2021 weder journalistisch richtig aufgearbeitet worden, noch bekannt. Kein Vergeben, Kein Vergessen!

Hier entlang zu Teil 2: 1980-2000

Neonazismus & Neofaschismus in Deutschland von 1980 bis 2000 – Netzwerke, Strukturen, Verbindungen, Spender

Artikelbild: pixabay.com, CC0

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