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Nach Greta-Scherz: Wir brauchen ein Meinungsverbot für Dieter Nuhr!

von | Okt 15, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt, Social Media

… hat absolut niemand gefordert.

Kaum kritisiert man den heiligen Dieter Nuhr, kommen schon seine Jünger angerannt und versuchen einem die Meinung zu verbieten. Eine völlige rechtsbraunversiffte Diktatur ist das, was die Nuhr-Jünger da abziehen. Völlig intolerant heucheln sie immer von Meinungsfreiheit, aber wenn es gegen ihren Propheten geht, dann betreiben sie reine Zensur!

Stellt euch vor, wir würden das so den ganzen Tag kommunizieren. Es ist völliger Schwachsinn, natürlich. Nur weil jemand Dieter Nuhr verteidigt, ist dieser kein Nuhr-Jünger. Und nur weil man sich dagegen ausspricht, ihn zu kritisieren, verbietet man niemandem seine Meinung oder betreibt gar Zensur. Oder? Es ist glaube ich schon längst klar, worauf ich hinaus will. Eine Debatte, die eine konstruktive hätte sein können, ist nur ein hirnloser Anschrei-Wettbewerb geworden.



Kritik an nuhr-kritik

Hallo, wir sind die linksgrünversifften Volksverpetzer, und wir haben heute bereits den zweiten Artikel veröffentlicht, der sich kritisch mit Aussagen des Komikers Dieter Nuhr auseinander setzt. Oder wie eigentlich alle Kritiker*innen es formulieren: Wir wollen Dieter Nuhr die Meinung verbieten und zensieren. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Framings dürfte glaube ich allen auffallen. Und dass nicht beides wahr sein kann. In unserem ersten Artikel Anfang Oktober kritisierten wir, dass Nuhrs Greta-Witz keine Satire ist, weil er auf Kosten von Schwächeren geht. Es ist natürlich immer noch Humor, aber eben keine Satire. Außerdem erklärte unser Autor darin ebenfalls deutlich:

„Nun lässt sich über Humor bekanntlich streiten und es ist auch eine wichtige Botschaft dieses Artikels, dass Dieter Nuhr sicherlich Witze reißen kann, über wen er möchte – und das darf auch so gezeigt werden (!).“

Warum Dieter Nuhr manchmal witzig, aber nie komisch ist

Heute dann veröffentlichten wir einen Gastbeitrag, der sich humorvoll (Überraschung: Die Vorwürfe waren, dass wir keinen Spaß verstehen) mit Dieter Nuhrs Erklärung zu seinem Greta-Witz auseinander setzte. Sich über Scherze echauffieren, weil andere angeblich Scherze zu ernst nehmen… es ist kompliziert. Darin erklärte der Gastautor, dass Nuhrs Vorstellungen, die ihn dazu veranlassten, den Witz zu reißen, auf ein paar falschen Annahmen beruhten. Auch der Gastautor erklärte lediglich, dass sich Nuhr nicht auf Wissenschaftler*innen berufen sollte, wenn er deren Erkenntnisse ignoriere. Von Zensurforderungen fehlte jede Spur.

Dennoch der O-Ton derjenigen, die mit der Einschätzung des Autors nicht übereinstimmten: Zensur! Beschneidung der Meinungsfreiheit! Heuchelei! Wie viel deutlicher müssen wir denn noch werden? Wir und auch sonst rein gar niemand fordert ernsthaft, dass Nuhr keine Scherze über Greta Thunberg machen darf. Oder gar dass er nicht mehr auftreten dürfte oder so einen Unsinn. Nuhr und sonst wer darf auch Vorurteile verbreiten, die nicht in der Realität fußen. Das ist ein freies Land, und daran will auch niemand etwas ändern. Das hat einen ganz einfachen Grund:

Es gibt keine Konsequenzen-Freiheit

Was hier von den „Nuhr-Jüngern“ (Nervt, so ein unfaires Framing, nicht wahr?) gefordert wird, ist, dass Nuhr seine Scherze über Greta Thunberg machen darf, ohne dafür kritisiert zu werden. Und DAS ist Zensur und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Oder wollt ihr etwa uns verbieten, dass wir Kritik mehr an Dieter Nuhr üben dürfen? Wir könnten es genau so machen wie ihr und so tun, als würde euer Gejammer über die Kritik bereits eine Form von Zensur und nicht selbst eine reine Form von Meinungsäußerung.

Mich irritiert es gewaltig, dass die Kritik Nuhrs an Greta Thunberg und Fridays For Future als legitime Meinungsäußerung wahrgenommen werden soll, aber Widerspruch dazu als etwas Schmutziges, Undemokratisches. Und das ist die wahre Heuchelei: Diejenigen, die ach so laut eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit beklagen, sind die wahren „Faschisten“ (Wurden wir heute auch genannt, wirklich), die Kritik verbieten wollen. Nicht sehr demokratisch, oder? Ihr seht, man kann das Spiel problemlos umdrehen. Wie wär’s, wir belassen es einfach dabei?

Woher kommt dieses blöde narrativ?

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass wir sehr gerne darüber diskutieren können, was Satire bedeutet, wo sie sich von anderen Stilmitteln unterscheidet. Ob die Forderungen von Fridays For Future, die Pariser Klimaziele einzuhalten, wirklich dabei helfen, die Pariser Klimaziele einzuhalten. Wer weiß. Aber dass jede Form der Kritik an Nuhr, oder sei es an anderen Personen, die von (vermeintlich) Linken oder Grünen kommt, als Zensur und Beschränkung der Meinungsfreiheit gebrandmarkt wird, ist kein Diskurs. Das ist im Gegenteil genau das Gegenteil davon: Das Zerstören dieses Diskurses. Und das Zerstören der Meinungsfreiheit.

Und bevor bei den nächsten Absätzen wieder alle Schnappatmung kriegen: Nein, nicht jeder, der dieses Framing genutzt hat, ist rechtsextrem. Natürlich nicht, dazu braucht es schon ein bisschen mehr. Aber es ist auffällig, dass diese rhetorische Taktik so extrem um sich greift. Diese Taktik, die Gegner*innen als religiöse Fanatiker darzustellen (Hier mehr dazu), und ihre Kritik als Einschränkung der Meinungsfreiheit  ist nur das: Eine Taktik. Es ist kein Argument, es ist nicht wahr und es bringt niemanden weiter, außer dass es Fronten verhärtet.

Es ist eine beliebte Taktik von Rechtsextremen. Man tut so, als hieße Meinungsfreiheit, alles sagen zu dürfen. Und das stimmt nicht. Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung, Mobbing usw. sind alle nicht umsonst illegal. Denn Äußerungen, die andere Meinungen einschränken, dürfen nicht zugelassen werden. Man muss zu Intoleranten intolerant sein. Das ist kein Widerspruch. Das steht im Grundgesetz, das ist keine linksgrünversiffte Meinung, sondern unsere Verfassung. Wer damit ein Problem hat, hat ein Problem mit der Verfassung. Doch genau diejenigen nutzen diese Taktik.

Faschisten wollen sich vor kritik immun machen

Faschisten, wie es sie in der AfD gibt, versuchen immer, sich als Opfer zu präsentieren. Sie verbreiten Lügen, sie hetzen gegen andere, sie beleidigen diese sondergleichen, aber wenn sie dafür noch so sachlich kritisiert werden, tun sie so, als wären sie hier das Opfer und ihre Meinungsfreiheit würde beschnitten werden. Was natürlich völlig unsinnig ist. Sie tun aber mit Absicht so, um uns alle zu verarschen.

Um uns dazu zu bringen, dass sie ihre Lügen und ihre Hetze ungestört verbreiten dürfen. Dass keiner mehr Kritik und die Wahrheit hört, nur noch ihre Lügen. Und ihr merkt, wenn nur noch eine Meinung zugelassen ist, ist das die wahre Diktatur. Diese rhetorische Taktik hat sich aber als so beliebt herausgestellt, dass viele Teile der Liberalen und Konservativen und auch andere sie übernommen haben. Nicht, weil sie Faschisten geil finden. (Wehe, jemand dreht mir hier das Wort im Mund um!)

Sondern weil die Rechtsextremen erfolgreich den Mythos etabliert haben, dass es eine „Political Correctness“ gäbe, die anderen die Meinung verbietet und dass Linke und Grüne keine anderen Meinungen zu lassen würden. Und währenddessen beklagen sie sich in allen Tageszeitungen und in allen Talkshows darüber, dass sie nirgendwo ihre Meinung sagen dürfen. Ja klar doch. Und weil sich manche diese Taktik (auch unbewusst) abgeschaut haben, halten sie wiederum jede Kritik, die aus dieser Ecke kommt für Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Können wir uns jetzt wieder einkriegen?

Also: Niemand fordert, dass Dieter Nuhr keine Witze über Greta Thunberg machen darf. Es ist ja nicht so, als wären jetzt reihenweise Auftritte von ihm abgesagt worden oder als hätte er irgendwelche Konsequenzen zu spüren bekommen. Und nein, kritisiert worden zu sein ist keine Konsequenz. Es ist kritisiert werden. Eigentlich war es ja sogar kostenlose PR für sein Programm. Mehr als genug Zeitungen und Kolumnisten sind ihm auch zur Seite gesprungen. Also tut nicht so, als wäre irgendetwas Schlechtes für ihn passiert. Nicht Nuhr und auch sonst niemand hat das Recht, nicht kritisiert zu werden.

Er darf Scherze machen, den lieben langen Tag, wie er will. Gerne auch über Greta Thunberg, das ist mir völlig egal. Über einen guten Scherz über Greta Thunberg oder Fridays For Future kann ich auch lachen. Aber wenn die Punchline ist, dass Greta Thunberg „nur ein Kind“ sei, oder „krank“ oder eben, dass ihr Dinge vorgeworfen werden, die sie nie gefordert hat, dann kann ich halt nicht darüber lachen. Aber das heißt auch nicht, dass ich verbieten will, was ich nicht lustig finde. Das heißt aber auch nicht, dass ich dazu nichts sagen darf. Wer uns dazu auffordert, „leise zu heulen“, der soll doch bitte das tun: Leise heulen. Oder wahlweise mal sachliche Argumente bringen.

Artikelbild: Euku, CC BY-SA 3.0 / nakaridore, shutterstock.com