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Querdenker-Urteile der Woche (KW 52): mehrere Haftstrafen ohne Bewährung

von | Jan 1, 2023 | Serie

Neues Jahr, neues Glück. Aber bevor wir voller Hoffnung in ein neues Jahr starten, kommen hier noch einmal Urteile der letzten Kalenderwoche 2022. Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen „Querdenker“ – es gibt auch immer mehr Urteile. Da es mittlerweile so viele sind, fassen wir die Urteile regelmäßig in einem Sammelartikel zusammen. Den Artikel der letzten Woche findet ihr hier:

Kommunalpolitiker schon wieder bedroht: diesmal Haftstrafe!

Stefan Borggraefe war bei uns bereits schon einmal Thema – als bedrohter Kommunalpolitiker. Er sitzt in Witten für die Piratenpartei im Stadtrat und wird immer wieder für sein Engagement für Geflüchtete (und gegen Rechtsextremismus) angefeindet. Im damaligen Fall, siehe hier, wurde der Bedroher zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Grund waren unzählige Vorstrafen, sowie die Morddrohungen gegen den Kommunalpolitiker.

Bereits vergangene Woche gab es ein deutlich milderes Urteil für den Vorstand von ‚die Basis‘ in Osnabrück, die den Kommunalpolitiker Andre Klekamp (SPD) bedrohten, auch hier berichteten wir bereits. Siehe dazu auch den eingebundenen Artikel weiter oben.

Zurück zu Stefan Borggraefe: mit der Aktion der „Impfpatenschaften“ sorgte seine Partei dafür, dass die Querdenker-Spaziergänge immer kleiner wurden, ihr erinnert euch:

Klar, dass Querdenker die Aktion gar nicht guthießen und ihn daraufhin bedrohten. Stefan Borggraefe war aber couragiert und hat alle Bedroher angezeigt, nun stand Michael E., ein weiterer Täter vor Gericht. Genau genommen stand er bereits vor dem Amtsgericht Witten und wurde zu drei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, aber er wollte das Urteil nicht akzeptieren. So sah man sich mit Verteidiger in der nächsten Instanz wieder. Diesmal vor dem Landgericht Bochum, doch auch dort wurde das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Der Richter wies noch darauf hin, dass das Urteil aufgrund der konkreten Drohungen (Screenshot unten, Triggerwarnung Gewaltfantasien!) noch zu milde ausgefallen sei. Der Angeklagte verteidigte sich, dass er nicht davon ausging, dass Stefan Borggraefe die Drohung ernst nehmen würde.

Nachricht mit Gewaltandrohungen an Stefan Borggraefe, Gegenstand der Verhandlung

Der Bedroher muss nun für drei Monate ins Gefängnis, da er diese Straftaten unter laufender Bewährung begangen hat. Die Kosten beider Prozesse kommen noch hinzu.

Weiteres Verfahren kündigte sich direkt im Gerichtssaal an

Doch damit dürfte es noch nicht abgeschlossen sein, denn während des Prozesses wurden diesmal auch seine weiteren öffentlichen Postings thematisiert. Nicht nur rief er zu Gewalt gegen Polizeibeamte auf, er äußerte auch gewaltsame Umsturzfantasien. Gepostet wurden diese, bereits bevor Michael E. eine Gefährderansprache seitens der Polizei erhielt:

Screenshot Facebook-Profil von Michael E.

Auch nach der Gefährderansprache scheint er nichts begriffen zu haben und fordert zu Gewalt gegen die Polizei auf:

Dies rief wiederum den Vertreter der Staatsanwaltschaft auf den Plan und ein weiteres Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Nachdem er nun also bereits eine Haftstrafe absitzen muss, wird zeitnah eine weitere folgen. E., der Vater eines kleinen Babys ist, wird sehr wahrscheinlich länger in der Justizvollzuganstalt verweilen. Diese Berufung ging also voll und ganz nach hinten los, dabei hatte der Richter zu Beginn noch geraten, die Berufung zurückzunehmen. Tja.

Unsere Kolleg:innen von HateAid haben kürzlich eine Kurzreportage über „Hass im Netz“ und die Auswirkungen auf das Real Life veröffentlicht:

YouTube player

Noch mehr gefälschte Maskenatteste: Geldstrafe für Ärztin

Großer Querdenker-Auflauf am Amtsgericht Köln. Allerdings saß nur eine auf der Anklagebank: Stefanie L., Ärztin. Alle anderen waren als „Unterstützung“ für ihre „unbeugsame Lieblingsärztin“, die mehrfach auch auf Querdenker-Demos auftrat, gekommen. Sie ist schon seit Februar 2021 immer wieder auffällig geworden, wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet. Dort hieß es: „Die Ärztin soll den Beamten gegenüber behauptet haben, die Stadt Köln sei keine Behörde, sondern eine Firma. Sie würde außerdem erst eine Maske tragen, wenn man ihr beweisen könne, dass zurzeit eine Pandemie herrsche. „

Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz gefüllt. L. wurde vorgeworfen, Maskenatteste ohne medizinische Notwendigkeit ausgestellt zu haben.

Es wurde gleich zu Beginn skurril

Bereits zu Beginn des Prozesses wurde es skurril. Bei der Frage nach ihrem Namen soll sie angegeben haben „Tochter Gottes“ zu sein, auch sprach sie von sich selbst nur in der dritten Person. Ob das einer dieser querdenkenden taktischen Gründe ist, dass ja dann gar nicht sie direkt verurteilt wurde, sondern nur die „Person Stefanie L.“, die sie ja in dem Moment gar nicht war, ist nicht klar. Sie bestritt sowohl die Tatvorwürfe als auch den Fakt, dass es eine Pandemie gibt bzw. gegeben habe. Wieso sie dann Maskenatteste für den Gebrauch während der Pandemie ausstellte, unklar.

Final konnte ihr nur einer der 15 angeklagten Fälle nachgewiesen werden, für den sie am Ende eine Geldstrafe in Höhe von 4.000€ erhielt.

Notbremsung wegen Warnplakaten über Bahngleisen: Haft- und Freiheitsstrafen

Ein 38 Jahre alter Mann und eine 61 Jahre alte Frau waren angeklagt, da sie im Januar 2021 geholfen haben sollen, fünf an Holzlatten befestigte Plakate über die Gleise auf der Bahnstrecke Gemünden-Waigolshausen aufzustellen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Auf den Plakaten stand: „Achtung Gleisbruch 2km“, auf dem Plakat danach dann: „Diesmal Fake“. Für den Lokführer gab es kein Zögern, er führte umgehend eine Schnellbremsung durch um den ICE vor einer möglichen Entgleisung mit unzähligen Unfall- bis Todesopfern zu retten. Trotz Schnellbremsung verletzte sich zum Glück niemand der 62 Fahrgäste. Das Amtsgericht Gemünden am Main sprach beide Angeklagte schuldig, weitere Mittäter konnten bislang noch nicht ermittelt werden. Die Urteile wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr und Nötigung lauten: für den Mann eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung, da er bereits wegen eines anderen Delikts vorbestraft war. Für die Frau gab es neun Monate Freiheitsstrafe, allerdings ausgesetzt zur Bewährung (3 Jahre), da sie bisher noch nicht in Erscheinung trat. Als Geldauflage muss sie zudem eine Strafe in Höhe von 1500€ (10 Raten zu je 150€) zahlen.

Artikelbild: shutterstock