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So hat sich dieser Journalist gegen einen massiven, rechten Shitstorm gewehrt

von | Nov 9, 2019 | Aktuelles, Gastkommentar, Kommentar, Social Media

Rechte Trolle ausgelacht

Angestachelt vom AfD-Fanboy DonAlphonso aus dem Axel-Springer-Verlag ernte ich seit dem Wochenende einen riesigen Shitstorm aus der rechten Szene, werde (vorrangig auf Twitter) verbal angegriffen, beleidigt, mit Hass und Häme überzogen – und auch bedroht. Meine Beobachtungen dazu, auch reflektierend über mich: Zunächst bin ich beruhigt, dass ich robust genug bin, den Hass nicht an mich heranzulassen und die Attacken nicht persönlich nehme.

Im Gegenteil: Ich habe nach drei Tagen einen Muskelkater vom zu vielen Lachen (!), weil die allermeisten Accounts und Tweets so schrecklich dumm und billig sind. Bisher hat es mich etwas Zeit gekostet, mehr nicht. Ich weiß, dass diese Resilienz nicht alle besitzen. Immer mehr verlassen aus diesen Gründen die sozialen Netzwerke, sie müssen sich Therapien suchen, um den Hass der Arschlöcher verarbeiten zu können, sie müssen sich juristischen und polizeilichen Schutz holen, weil sie und ihre Familie bedroht werden. Das verkraften nicht alle. Und es sind leider keine Einzelfälle.



Die Zeiten der Euphemismen sind vorbei: Nazis bedrohen uns

Dass Rechte, (Neo)Nazis, EU-Feinde, Rechtsradikale und Rechtsextreme auch nicht vor Gewalt und Morden zurückschrecken, ist keine neue Erkenntnis. Immer noch von Rechtspopulisten zu sprechen, verharmlost ihre Intention. Die Zeiten der Euphemismen sind vorbei! Eine große Mitschuld am Hass trägt allerdings auch Twitter, denn das Verhalten von gemeldeten Inhalten ist, wenig überraschend, mangelhaft und zu oft nicht im Einklang mit den deutschen Gesetzen und auch nicht mit den Nutzungsbedingungen von Twitter.

Auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat daran nichts geändert. Wer schon mal rassistische Tweets und anderen Hatespeech gemeldet hat, wird verblüfft gewesen sein, wie selten das soziale Netzwerk sanktioniert. Oder: Dass Twitter (aufgerundet) nie etwas unternimmt. Das freut natürlich die rechten Trotteltrolle und sie fühlen sich bestärkt, richtig zu handeln, und nutzen genau diese Schwachstelle in dem Ökosystem aus. Twitter hätte ein wundervoller Ort werden können. Aber Twitter hat es aber selbstverschuldet, höflich ausgedrückt verkackt.

Twitter hat es verkackt

Wohingegen Twitter schnell reagiert, das sind Verstöße gegen das Urheberrecht. Natürlich haben die rechten Idioten das Internet nach neuen und alten Fotos von mir durchforstet, veränderten sie dann besonders kreativ mit Paint und twitterten dann das schwachsinnige Ergebnis als Reply. Hier handelt Twitter grundsätzlich schnell und zuverlässig – und bestätigt innerhalb weniger Stunden mit einer „DMCA Takedown Notice“. Bei ‚Hateful Conduct‘ usw. wäre solch ein rasches und konsequentes Handeln ebenfalls wünschenswert.
Doch nach zehn Jahren habe ich die Hoffnung aufgegeben. Ich wiederhole: Twitter hat es verkackt. Und das ist ein schlimmer Umstand!

Fehler sind mir auch unterlaufen: Auch wenn ich mir jeden Tweet und Account gründlich angeschaut habe, habe ich beispielsweise diesen Tweet fehlgedeutet und dadurch auch die Antworten im Thread. Ich habe um Entschuldigung gebeten, die dankenswerterweise angenommen wurde, und die paar betroffenen Nutzer entblockt.

https://twitter.com/Pertsch/status/1191477195165843457

Hintergrund des Shitstorms

Hintergrund des Shitstorms aus dem rechten Abgrund war (wohl) ein mal wieder grenzverletzender Tweet von Don Alphonso, über dessen Sanktion mich Twitter in der vergangenen Woche informiert hat.

https://twitter.com/Pertsch/status/1190311018062401536

Da ich ihn schon vor Ewigkeiten blockiert habe und ich mich auch nicht mehr daran erinnern kann und Twitter auch nicht aufzeigt, um welchen Tweet es geht, muss es ein ‚wohl‘ bleiben. Da Twitter aber sanktionierte, wird der Tweet vermutlich berechtigt gewesen sein zu melden. Don Alphonso und andere Oberarschlöcher wissen mittlerweile natürlich genau, wie sie es schaffen, dass sie nur bedingt wegen Hatespeech angekreidet werden können, während sie gleichzeitig eine Masse an Hatern mobilisieren können, um aufzuhetzen.

Danach waschen solche Idioten ihre Hände in Unschuld und haben noch nicht mal den Arsch in der Hose, sich zu distanzieren oder zu entschuldigen. Auffällig finde ich, dass die rechten Schwachköpfe generell schnell durchschaubar sind. Von den mehr als 500 Blocks seit dem Wochenende gab es keinen verifizierten Account und vielleicht nur eine Handvoll mit Klarnamen, deren Account als echt angenommen werden können. Das ist natürlich feige, überrascht aber bei Nazis in keiner Weise.

Außerdem likten ein Ressortleiter des Spiegels, ein ehemaliger Journalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Mitarbeiter der WELT, ein Preisträger des Deutschen Radiopreises aus diesem Jahr und ein paar FDP- und CDU-Politiker die Hate-Posts, weil sie offensichtlich nicht in der Lage waren, die Hintergründe zu recherchieren. Später mehr dazu.

Wer diese rechten Trolle sind

Wegen fahrlässiger Fehler (gleiche Tippfehler, verwechselte Accounts in den Replies, die versehentliche Erwähnung mehrere Accounts zu besitzen usw.), wegen der Analyse von Twitter-Meta-Daten und dank anderer Techniken und ein paar Hintergrundinfos, die mir zugespielt worden sind, ist stark anzunehmen, dass viele pseudonyme Accounts gleich mehrere Hater-Accounts besitzen.

Wer sich die Accounts anschaut, wird aber auch so schnell fündig und muss keine drei Sekunden suchen, um herauszufinden, wes Geistes Kind sie sind. Nicht selten tarnen sich die Hater mit Emojis hinter ihrem Fake-Namen: Der Judenstern, die Regenbogenfahne oder die Europaflagge sollen zunächst ein anderes Bild vermitteln, während parallel gegen Juden, Homosexuelle und Europa gehetzt wird. Gähnend langweilig und billig.

Die Deutschland-Flagge, während sie den Staat am liebsten abschaffen wollen, sind ebenfalls simple Merkmale. Bios sind inhaltlich häufig schwachsinnig, Profil- und Titelbilder einfach gestrickt und zusammengeklaut. Klug und kreativ sind sie selten. Schließlich reicht ein Blick in die neuesten Tweets aus. Das ist alles ziemlich unprofessionell, wenn man sich tarnen möchte, und ziemlich dumm, wenn man es nicht möchte.



Wie sich der Shitstorm entwickelt

Besonders amüsant sind tatsächlich auch die vielen Idioten, die wild irgendwelche Hass-Tweets liken und sich mit Kommentaren beteiligen, aber überhaupt nicht nachschauen, worum es eigentlich geht. Es folgen Hass und Häme, die nicht nur billig, sondern mal wieder auch leicht durchschaubar sind. Während in den ersten zwei Tagen noch klar Bezug auf die aufhetzerischen Tweets von Don Alphonso genommen wurde und durch ekelhafte Accounts in perfider Weise aufbereitet wurden, hat sich mittlerweile einiges verselbstständigt und im Strukturbaum des Shitstorms weitere hässliche Äste bekommen.

https://twitter.com/Pertsch/status/1191727737481900035

Wie schon weiter oben beschrieben, wissen sie oder wollen gar nicht wissen, wo die Quelle des Verderbens liegt und greifen willkürlich an. Manche nutzen diese Blödheit auch bewusst aus, um Stimmung zu machen. Erinnern Sie sich an die Monty-Python-Szene aus „Ritter der Kokosnuß“ mit der Hexe? Genau das. Wir haben eine Hexe, wir haben eine Hexe! Aber sie haben keinen Plan mehr, was eigentlich los ist. Seit dem zweiten Tag setzen die Dödel ihren Fokus auf meine Taktik, auf der sie wie kleine Kinder rumtrampeln und die Welt nicht mehr verstehen.

Meine Taktik ist Angriff

Meine Taktik ist Angriff, präziser gesagt Reaktion als beste Verteidigung. Mein Eindruck ist nämlich, dass zu viele Twitter-Nutzer nur noch blockieren, wenn sie solchen Trollen attackiert werden, oder wegschauen, wenn andere angegriffen werden. „Achsel zucken und danebenstehen“, wie Hagen Rether es kritisiert, ist als Taktik für mich keine Option. Ich werde niemals müde, mich gegen Fremdenfeindlichkeit in jeder kleinen und großen Form zu engagieren.

Sei es im Supermarkt, in der U-Bahn oder sonst wo. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, die Achsel zu zucken und danebenzustehen.

https://twitter.com/Pertsch/status/1183354461294608384

Meine Taktik besteht nun darin, auf jeden zu reagieren, um deutlich zu signalisieren, was ich von dem Schwachsinn halte. Meist mit einem dem Anlass entsprechenden „Pfeife!“, „Idiot!“, „Schwachkopf!“ oder „Trottel!“ antworte ich. Grenzwertig. Klar! Aber immer nur als Reaktion UND für die Gemeinheiten absolut angemessen.

Die dezenten Beleidigungen gegen die AfD-Fanboys sind natürlich bewusst von mir gewählt: Einerseits reichen sie nicht aus, dass Twitter aktiv wird (wie schon erwähnt, lässt Twitter selbst schwere Verstöße zu) und sie reichen auch nicht aus, dass eine Anzeige bei der Polizei Erfolg hätte bzw. dass das juristisch ernsthaft weiter verfolgt wird.

Sie werden sich nicht trauen, anzuzeigen

Andererseits wird sich kaum ein rechtes Arschloch aus der Anonymität heraus trauen wollen, um juristisch dagegen vorzugehen, weil es zugleich seinen richtigen Namen bekannt geben muss und auch, welcher Hater-Account der Anlass war. Eigentlich ein simpler Trick, der aber nur von sehr wenigen Schwachköpfen aus dem nach rechter Kacke riechenden Don-Alphonso-Loch verstanden hat. Was bleibt, ist, dass die meisten Hater nicht damit umgehen können, eine Reaktion zu erhalten.

Und vermutlich ist das auch das Problem: Von Twitter kriegen sie keinen auf den Deckel und gesellschaftlich bzw. in ihrer rechten Twitter-Bubble fühlen sie sich akzeptiert und im Recht, weil ihnen keiner in ihren wirren und feigen Gedankenwelt widerspricht. Deswegen mein Rat: Beleidigen Sie zwar nicht und antworten Sie auch nicht auf gleichem Niveau, in dem Sie persönlich werden oder ebenfalls Gemeinheiten austeilen, aber zeigen Sie Widerstand.

Widersprechen Sie häufiger den Idioten, setzen Sie sich für andere ein, zeigen Sie Zivilcourage, geben Sie nicht auf – und lassen Sie Ihr Herz weiter strahlen! Das können die Rechten nämlich nicht ab, genauso wenig, dass über sie gelacht wird und dass sie Härte zurückbekommen. Das überfordert die allermeisten aus der rechten Szene, wie ich in diesem Shitstorm wieder einmal erfahren habe.



Nachtrag: Morddrohungen

Dank der aufstachelnden und aufhetzerischen Tweets von Don Alphonso von der WELT, @Hallaschka_HH (Ex-Journalist), @stagerbn (AfD-Liebäugler), @frankee_hh, @stefanolix, @ExGruene und anderen habe ich mittlerweile Morddrohungen erhalten. Nein, was sie treiben, ist kein „Spaß“ oder „Quatsch“, auch wenn sie stets beschwichtigen und von ihrer Schuld ablenken. Auch hier werden sie wieder Ausreden finden.

Es sind und bleiben Arschlöcher, die genau wissen, was sie tun, und es billigend in Kauf nehmen, dass es zu Gewalt, Totschlag und Mord kommen kann. Aber auch die Morddrohungen lassen mich glücklicherweise kalt. Vor Feiglingen habe ich keine Angst. @Hallaschka_HH, @stagerbn und ein paar andere waren so irre, meine Privatanschrift zu veröffentlichen.

Ich habe sie und weitere angezeigt. Auch mit Blick auf die Morddrohungen: Chapeau für diesen Weitblick! Ansonsten? Wesentliches hat sich nicht geändert: Die im vorherigen, aufgeführten Punkte haben sich kontinuierlich wiederholt. Wegen der extremen Verbreitung des Threads (400.000 Impressions, >25.000 Interaktionen alleine beim ersten Tweet) schwappte natürlich noch mal ein Schwung rein.

Die gleiche Taktik wie zuvor

Es bleibt aber ziemlich langweilig, weil die Reaktionen der chronischen Rechtschreibschwächlinge kontinuierlich schwachsinnig und stets durchschaubar sind. Das hat auch etwas Lustiges, denn die Lehren aus den Erläuterungen meines Threads hat niemand gezogen. Dabei wäre es so einfach gewesen. Schließlich gab ich öffentlich die Vorlage.

Keiner hat die Taktik geändert, sondern eiert mit altbewährtem Bullshit weiter. Die Rechten versuchen zu beleidigen und in mehreren sozialen Netzwerken zu diffamieren. Hass und Häme. Das hat für mich keinen Wert, das berührt mich nicht.

Meine TOP-5-Lieblingsbeleidigungen

Meine TOP-5-Lieblingsbeleidigungen sind übrigens: 1. Ich hätte rote Haare. (Ach, echt jetzt?) 2. Ich hätte Übergewicht. (Faszinierend! Wann fiel das auf? Beim Augen aufmachen?) 3. Ich solle nach Afghanistan. (Das Land hat zu dieser Jahreszeit sehr hübsche Plätzchen.) 4. Ich würde beim „Staatsfunk“ oder ÖR arbeiten. (äh, nein?!) 5. Ich hätte Tourette. Tja. Es fällt echt schwer, nicht bei jedem Tweet laut aufzulachen. Meist gelingt es mir nicht.

Der Muskelkalter vom Lachen ist echt anstrengend geworden. Vermutlich das Anstrengendste seit dem Wochenende. Ebenfalls überrascht es nicht, dass die Fake- und Hass-Accounts durchgängig versuchen, von der Ursache abzulenken (Täter-Opfer-Umkehr), Inhalte aus dem Zusammenhang zu reißen (siehe Mali-Tweet) oder bewusst fehlzudeuten (siehe Tweet Judenstern/Davidstern).

Meine taktik geht auf

Das fruchtet gewiss bei vielen rechten Schwachköpfen, die beim Nachdenken nicht so viel Glück haben. Manche Methoden führte ich ja bereits im ersten Thread-Part auf. Was mich freut: Meine Taktik geht auf! Die meisten Trolle sind mega angepisst, wenn man sich wehrt. Perfekt! Damit rechnen sie nicht und die Masse ist überfordert. Sie wollen Opfer, keine Gegner – und das verwirrt viele.

Die Androhungen oder Umsetzungen, gegen mich juristisch vorzugehen, sind typische Einschüchterungsversuche, die an mir abprallen. Wegen der Nichtigkeiten und weiterer Faktoren würden die Verfahren ohnehin eingestellt werden. Falls nicht, kostet’s vielleicht ein paar Mark, ein bisschen Zeit. Belanglos! Und mit Crowdfunding und anderen Initiativen ist’s schnell reingeholt.

Der Kampf gegen Rechts schwächt dadurch nicht ab.

Von mir betreute Websites werden seit gestern Nachmittag verstärkt attackiert, was natürlich auch Zufall sein kann. Bisher halten die Sicherheitsmaßnahmen. (An den Trottel in Bremen: Nein, „admin“ ist noch immer nicht mein Benutzername. Wie oft denn noch?)
Twitter hat unterdessen einige Accounts temporär, teils dauerhaft gesperrt.

Die großen Hater-Accounts bleiben meist unangetastet. Die grundsätzliche Kritik an Twitter (siehe detaillierter weiter oben) bleibt bestehen. An meinem Gemütszustand hat sich kaum was geändert. Die immer selbe rechte Leier langweilt mich am fünften Tage etwas, aber ich bin weiter schwer erheitert und guter Laune. Weiter geht’s!

Zum Original-Thread geht’s hier entlang:

https://twitter.com/Pertsch/status/1191873536333406214

Artikelbild: pixabay.com, CC0