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Rechtsextreme Schuldzuweisungen an Böhmermann und Co: Nur Strache allein hat Schuld!

von | Mai 19, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Österreich, Social Media

Verantwortung abwälzen

Es gibt Neuwahlen in Österreich. Und daran ist nur eine einzige Person Schuld: Heinz-Christian Strache (nachfolgend schlicht: HC). Niemand sonst. Er hat die Regierung gesprengt. Niemand sonst. Auch wenn nun sowohl in rechtsextremen Gruppen als auch in den Kommentarspalten verschiedene Argumentationsmuster vorgeschlagen werden, die das Geschehene anderweitig framen sollen.

Whataboutismen, Ablenkungen & Schweigen: So reagieren AfD und Co auf das Strache Video

Wir brechen das zunächst mal auf den Inhalt des Videos herunter, das bereits im Juli 2017 auf der Partyinsel Ibiza aufgenommen wurde. Übrigens drei Monate vor der Nationalratswahl. Es ist nur eine Spekulation, aber eventuell hätte eine damalige Veröffentlichung einen Vizekanzler HC Strache verhindert. Eventuell sogar die ganze Koalition. Aber wer weiß: Vielleicht wurde das Video auch zurückgehalten, um mal abzuwarten, wie sich das Ganze so entwickelt.



Strache und der Rechtsextremismus

Dass HC nach der Wahl mit dem äußersten rechten Rand gekuschelt hat, wollte er nie zugeben. Mal hat er nur drei Bier bestellt und hat eben nicht den sogenannten Kühnen-Gruß gezeigt, eine „abgeschwächte“ Variante des Hitler-Grußes. Mal wusste er nicht, dass die jungen Burschen an seinem Tisch Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung waren. Soweit eine kurze Einordnung von HC.

Was sehen wir auf dem Video? Wir sehen einen locker angezogenen, auf einer Couch lümmelnden HC, einen weiteren jungen Mann (Johann Gudenus) und eine Blondine, die eine russische Oligarchin sein soll. Denken jedenfalls HC und J. Gudenus.

Das Video ist über 6 Stunden lang. Bekannt sind bisher nur einige Ausschnitte, und nein, die können nicht so zusammen geschnitten worden sein, dass HC da blöd wegkommt. Er sagt es selbst und unmissverständlich: Die russische Oligarchin schießt Geld für die Wahlkampfhilfe zu, im Gegenzug erhält sie Aufträge. Sie müsste nur noch ein Unternehmen in Österreich gründen. Die Wahlkampfhilfe erhält natürlich nicht die Partei des HC, die FPÖ, sondern das Geld geht am Rechnungshof vorbei an einen gemeinnützigen Verein.

Warum ist Strache kein „Volksverräter“?

Halten wir fest: HC gibt Aufträge gegen Schwarzgeld an den Russen. Aufträge, die auch an Österreicher gehen könnten, an „sein Volk“. Frage: Ist hier der Begriff „Volksverräter“ angebracht?

Zweite Kernaussage des Videos: Die vermeintliche Oligarchen-Nichte beteiligt sich an der größten Boulevard-Zeitung Österreichs. Der Kronen-Zeitung. Das Ziel: Unliebsame Journalisten entfernen. Wenn ein Staat dermaßen in die Freiheit der Presse eingreift, nennt sich das Gleichschaltung. Man liest es in den Kommentaren häufig, aber: Nein, nur weil Medien gegen die AfD oder FPÖ schreiben bzw. berichten, sind sie nicht staatlich gleichgeschaltet. Zumal ich an Kiosken alle Spektren finde, von ganz links bis ganz rechts.

In der Pressekonferenz von HC gibt es zwei wesentliche Punkte: Zunächst einmal ist der Alkohol Schuld an diesem „dummen Fehler“ gewesen. Diese Argumentationshilfe wird in vielen rechten Gruppen angeboten. Es wird betont, dass er ja auch viel Gutes getan habe, und man so einen Fehler mal verzeihen soll. Verglichen wird auch mit Schwarzgeldkassen von Helmut Kohl oder ergaunerten Doktortiteln. Wenn schon mit Parteispendenaffären verglichen wird, dann bitte mit denen von Meuthen und Weidel. Das, was derzeit in Österreich passiert, ist ein anderes Kaliber!

Cui Bono? Interessant, aber irrelevant

Der zweite Aspekt, der aus der Pressekonferenz nun aber immer mehr in den Fokus rückt: Wer hat denn diese Aufnahmen gemacht? Man hört immer den Namen von Jan Böhmermann, der bereits im April entsprechende Andeutungen gemacht hatte, als er bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises Romy die Übernahme der Kronen-Zeitung und auch eine „russische Oligarchenvilla“ auf Ibiza erwähnte. Fraglich ist, ob Böhmermann bereits 2017 daran interessiert war, HC zu Fall zu bringen bzw. ob er überhaupt die Möglichkeiten zur Umsetzung gehabt hätte. Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) kommt da laut jüngsten Berichten schon eher in Betracht:

Aber: Es ist natürlich interessant, wer denn nun konkret dahintersteckt, und es wird auch Stück für Stück aufbereitet werden, zum Beispiel hier beim Spiegel.

Interessanter sind und bleiben allerdings die Aussagen aus dem Video! Dass nun Politiker wie der AfD-Thüringen-Chef Bernd Höcke (und weitere) den Skandal darin sehen, DASS ein Video gemacht wurde, in dem einer aus ihren Reihen die Gleichschaltung einer Zeitung und ein derart staatsfeindliches und korruptes Handeln plant, ist absurd. Die Schuld soll nun bei anderen gesucht werden, wie immer. Bei Böhmermann, dem ZDF, dem ZPS und wer weiß noch wem. Das führt soweit, dass DIESE Akteure nun bedroht werden. Aber wo ist denn eigentlich der „Mut zur Wahrheit“?

Morddrohungen und Täter-Opfer-Umkehr

Screenshot #DieInsider / Das Aufdecken der Wahrheit ist „zehnmal so widerlich“? Absurd!

Screenshots #DieInsider / Morddrohungen gegen Jan Böhmermann – Weil er von der Korruption eines Politikers wusste (und nichts damit getan hat?)

Die Beobachtungen, die #dieinsider seit Monaten machen, werden hier nur bestätigt: Wenn Rechtspopulisten und Rechtsextreme Macht bekommen, dann schrecken sie vor nichts zurück, um ihr Weltbild durchzusetzen. Höcke selbst stellt klar, dasswir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind“ (S. 257, „Nie zweimal in denselben Fluss“, 2018) Mehr dazu hier.

Weder Jan Böhmermann, noch das ZPS tragen die Schuld an dem, was derzeit in Österreich passiert. Es ist HC Strache selbst. Diese Opfer-Täter-Umkehr ist wahnwitzig und wird sich nicht durchsetzen.

Artikelbild: Alexandros Michailidis, shutterstock.com