2.960

Klimawandelleugner Vahrenholt hat Studie nicht verstanden, die er zitiert

von | Feb 28, 2023 | Faktencheck

Der Ex-RWE-Funktionär und bekannte Leugner des wissenschaftlichen Konsesns über den menschengemachten Klimawandel, Fritz Vahrenholt, hat einen Artikel im neurechten Desinformations-Magazin „Tichys Einblick“ über die Klimakrise veröffentlicht. Darin stellte er aktiv die Studie, aus der er zitiert, falsch dar, um die dringend nötigen Handlungen zur Bekämpfung der Klimakrise auszubremsen. Sogar der Autor, auf dessen Studie sich Vahrenholt bezieht, stellt klar, dass die Studie keineswegs die Dringlichkeit der Klimakrise leugnet. Uns bleiben in Wahrheit mit oder ohne Abkühlung des Nordatlantiks nur noch wenige Jahre, um das schlimmste zu verhindern.

Vahrenholt argumentiert mit Denkfehlern!

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch einer Selbstgerechtigkeit Einzelpersonen den wissenschaftlichen Konsens vom menschengemachten Klimawandel leugnen. Manche stellen sich dabei eher dämlich an und wollen die Sonne verklagen. Doch gerade diejenigen, die nicht aus dem rechtsextremen Bereich stammen, deren Leugnung vielleicht etwas subtiler passiert, sind für den Diskurs umso gefährlicher. Zu ihnen gehört Fritz Vahrenholt – doch zu seiner Person später mehr. Wichtig erst einmal: Er leugnet viele wissenschaftlich unumstrittene Forschungsergebnisse zum menschengemachten Klimawandel.

In „klimaskeptischen“ oder klimaleugnenden Diskursen werden grundsätzlich immer wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert oder missinterpretiert. Ob das aus mangelndem Wissen, Naivität oder böser Absicht geschieht, ist nicht immer so leicht festzustellen. Jedenfalls basieren die Argumente von Klimaleugner:innen immer auf Falschinformationen und Fake News. Der Klimawandel ist schließlich ja real und menschengemacht. Diese in einer Diskussion spontan zu erkennen und zu enttarnen, ist gar nicht immer so einfach. Noch schwieriger wird es, wenn solche Argumente unwidersprochen auf rechten Desinformations-Seiten veröffentlicht werden. Und genau das hat Vahrenholt gemacht – ausgerechnet in einem Artikel beim neurechten Blog „Tichys Einblick“.

Vahrenholt-Fail: Selbst die Studie, aus der er zitiert, widerspricht ihm!

Die Studie, aus der Vahrenholt in diesem Artikel zitiert, ist tatsächlich von renommierten Größen ihrer jeweiligen Bereiche verfasst und verdient Aufmerksamkeit. Auf den ersten Blick wirkt es also seriös. Der Trick daran: Vahrenholts Aussagen gibt die Studie einfach nicht her. Denn die Studie sagt nicht das, was er rausliest, sondern widerspricht ihm sogar. Die Manipulationstechnik, die er verwendet, nennt sich cherry picking. Durch das Rauspicken einzelner kleiner Aspekte und Aussagen – ohne dabei jedoch die gesamte Quelle einzubeziehen – kann er eine völlig falsche Aussage untermauern.

„Wissenschaftler warnt davon, reduzierte Temperaturanstiege damit zu verwechseln, dass der Klimawandel sich verlangsamt“

Tatsächlich warnte einer der Hauptautoren der Studie, Nour-Eddine Omrani, davor, dass seine Studie nicht als den Klimawandel relativierend missverstanden werden dürfe. Zwar zeigen seine Erkenntnisse, dass die Abschwächung der Nordatlantischen Oszillation (mehr dazu später) den Klimawandel für ein paar Jahre verlangsamen könnte. Doch der Wissenschaftler warnt davor, dass die nächste Erwärmungsphase auf einem höheren Niveau starten und uns „unvorhergesehene Erwärmung und damit verbundene Extreme“ bringen wird.

Wie kann es sich Fritz Vahrenholt nun leisten, die globale Bedrohung durch die Klimakrise als „falsches Narrativ“ und „apokalyptischen Wahn“ abzutun, wenn doch selbst die Autoren der Studie, auf die er sich bezieht, vor der Klimakrise warnen? Die Antwort ist: Mit eben den erwähnten Falschinformationen – aus Unwissenheit oder aus Kalkül. Deswegen haben wir beispielhaft aus dem kurzen Text von Vahrenholt drei häufige Fake News herauskristallisiert, die vielleicht auch euch aus politischen Diskussionen bekannt vorkommen.

1. Faktencheck: Globale Temperaturen werden weiter steigen!

Schon im zweiten Satz liefert Vahrenholt direkt eine Behauptung, welche in die Kerbe der Klimaleugner:innen schlägt. Denn diese sind immer auf der Suche nach Tricks, wie sie die tausendfach bewiesene, menschengemachte globale Erwärmung doch verleugnen können. Besonders beliebt sind dabei faktenwidrige Behauptungen, dass die Erwärmung nur vorübergehend sei und es sich schon wieder „von alleine“ abkühlen würde. Wenig überraschend daher folgende Aussage Vahrenholts:

„[…] dass wir vor einer Abschwächung der Nordatlantischen Oszillation, einer Abkühlung des Nordatlantiks und damit verbunden einer globalen Temperaturentwicklung wie zwischen 1950 und 1970 stehen.“

Anm. d. Red.: Die Nordatlantische Oszillation beschreibt die Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten über dem Atlantik und bestimmt massiv das Wetter in Europa. Sie sorgt mithilfe des Jetstreams, eines Luftstroms, der die ganze Welt umkreist, dafür, dass es in Europa genug regnet und die Temperaturen mild sind. 

Der erste Teil der Aussage ist laut aktuellen Forschungsergebnissen richtig. Durch die sich abschwächende Nordatlantische Oszillation (NAO) sinken die Oberflächentemperaturen im Nordatlantik. Allerdings wird hierbei verkannt, dass die Phase einer „eher hohen Oberflächentemperatur im Nordatlantik“ auch im kommenden Jahrzehnt anhält und danach nur leicht sinken wird.

Man kann allerdings dennoch nicht davon sprechen, dass die globalen Mitteltemperaturen in den nächsten Jahrzehnten nicht steigen werden, denn die NAO betrifft überwiegend Nordeuropa und dessen Klimaentwicklung. Und selbst wenn die NAO die Klimaerwärmung in Europa in den nächsten Jahren bremsen würde, so würde sie, sobald sie ansteigt, dies umso schneller tun.

Grafikquelle: wiki.bildungsserver.de

Die Klimakrise ist abhängig davon, wie sich der CO₂-Ausstoß in den nächsten Jahren entwickeln wird: Ein Team von Klimawissenschaftler*innen errechnete anhand von Studien die zunehmende Erderwärmung unter Abhängigkeit des künftigen CO₂ Ausstoßes. Sie kommen auf 3 Szenarien: Der grüne Graph beschreibt die Temperatursteigerung, sollten CO₂ Emissionen in naher Zukunft stark sinken, orange beschreibt ein „weiter so“ und rot einen möglichen weiteren Anstieg der Emissionen. 

Bildquelle: eskp.de

2. Faktencheck: Der Klimawandel ist menschengemacht!

Es ist längst nicht mehr nur in der Wissenschaft Konsens: Der Klimawandel ist menschengemacht. Vielleicht liegt der Konsens „nur“ bei über 99 % oder es gibt doch einen Konsens von 100 %. Jedenfalls braucht es schon fast übermenschliche Fähigkeiten an Wissenschaftsleugnung, um diesen Konsens zum menschengemachten Klimawandel zu ignorieren. Nicht, dass das Vahrenholt daran hindern würde, es trotzdem zu tun. Komplett faktenwidrig schiebt er die Erwärmung auf den Atlantik und den natürlich Zyklus:

„Die Erwärmung der Jahre 1980 bis 2015 war maßgeblich von der warmen Phase des Atlantiks geprägt. Wir können abschätzen, dass ein bedeutender Teil der Erwärmung diesem natürlichen Zyklus zuzuschreiben ist.“

Offensichtlich ist das einfach falsch. Der Klimawandel ist menschengemacht. Daran gibt es in der Wissenschaft keinen Zweifel, es ist quasi unumstritten. Denn Fakt ist, dass der Klimawandel maßgeblich durch Treibhausgase ausgelöst wird. Deren Konzentration in der Atmosphäre hat sich jedoch seit 1750 um knapp 50 % gesteigert und ist auf dem höchsten Stand seit mehreren hunderttausend Jahren. Und das alles in 250 Jahren, statt in Jahrtausenden, wie üblich.

Grafikquelle: leopoldina.org

Die Erde hat sich seit Beginn der Industrialisierung in einer noch nie zuvor dagewesenen Geschwindigkeit erhitzt. Mittlerweile ist die globale Mitteltemperatur um mehr als 1,1 Grad gestiegen und wird aller Voraussicht nach um weitere 2 Grad ansteigen, sollten die Regierungen ihre Klimaziele nicht nachbessern. Vahrenholt hat entweder absolut keine Ahnung, wovon er redet oder – wahrscheinlicher – er verbreitet aktiv für seine politische Agenda die Unwahrheit, um seine Leserschaft zu manipulieren.

3. Faktencheck: Wir brauchen keine Innovationen, die haben wir schon. Wir brauchen politisches Handeln!

Klimawandel-Verharmloser:innen behaupten immer wieder, es brauche neue, magische „Innovationen“, um den Klimawandel zu bekämpfen. Die Strategie dahinter ist effektiv, aber durchschaubar. Indem man immer wieder beschwört, man müsse auf „Innovationen“ warten, verhindert man wirkungsvolle politische Maßnahmen, die aber so schnell wie möglich geschehen müssten. Das Ziel dieser Argumentation ist es, Leser:innen zu einer falschen Sicherheit zu verleiten. Ganz nach dem Motto „Wir müssen erst einmal auf Innovationen warten, bevor wir was tun können“. Damit soll dem Thema „Klima“ auch die Dringlichkeit genommen werden, sodass es leichter wird, Klimaaktivismus als „apokalyptischen Wahn“ zu verpönen. Sowohl diese Wortwahl als auch das „Innovations“-Argument finden sich bei Vahrenholt:

„Die zu erwartende Erwärmungspause gibt uns Zeit – so Omrani-, um technische, politische und ökonomische Lösungen zu erarbeiten.”

Doch wir haben bereits alle Technologien, die wir brauchen. Deutschland kann laut Studien des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie bis 2030 auf 100 % erneuerbare Energien ausbauen, wenn man Planungsverfahren konsequent verkürzt. Klimaneutralität ist bis 2035 zu erreichen, heißt es in der Studie. Dazu brauchen wir keine wundersamen Innovationen, alles mit verfügbarer Technologie. Auch im Verkehrsbereich und in der Baubranche gibt es jetzt schon Möglichkeiten, klimafreundlicher zu sein: ÖPNV und Wärmeisolierung/Wärmepumpen. Und sorry, Christian Lindner: Wasserstoff ist nicht die Lösung. Hierzu ein Artikel des Volksverpetzers:

Vahrenholt: Einer der peinlichsten Klimaleugner Deutschlands?!

Wir merken also: Vahrenholt liegt bei so ziemlich allem, was er sagt, komplett daneben. Und steht ziemlich allein gegen so ziemlich jeden echten Klimaforscher. Das ist ehrlich gesagt keine neue Erkenntnis. Er ist schon öfter mit komplett absurden, faktenfreien Behauptungen zum Klima aufgefallen. Fritz Vahrenholt zählt auf jeden Fall zu den bekanntesten Klimawandel-Leugner:innen Deutschlands.

Der SPD-Politiker, Chemiker und Ex-RWE-Funktionär veröffentlicht seit mehr als einem Jahrzehnt regelmäßig Artikel und „Facharbeiten“ in denen er den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel und den Einfluss von Treibhausgasen aufs Klima mit Desinformation herunterspielt. Da wo seine Aussagen wissenschaftlich nicht belegbar sind, missinterpretiert er die Arbeiten anderer so, dass sie in sein Weltbild passen, ganz nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Wir liefern euch hier nur eine Auswahl an Belegen dafür.

Verharmlosung der Klimakrise, absurde Vorwürfe gegen Klimaurteil

Vahrenholts Buch „Die kalte Sonne“ soll den Leser*innen weiß machen, dass CO₂ gar nicht so schlimm sei. Seine unbelegte These ist: Die Sonne sei der einflussreichste Player im kurzfristigen Erdklima. Also doch die Sonne verklagen? Vahrenholts Prognose in dem Buch ist mittlerweile schon dadurch widerlegt, dass das Klima anders als prognostiziert weiterhin wärmer wird. Einen genaueren Einblick bietet der Artikel von Professor Stefan Rahmstorf vom Institut für Klimafolgenforschung Potsdam.

Später sagte er, das Bundesverfassungsgericht sei bei seinem Klimaurteil aus 2021 befangen gewesen. Ihr erinnert euch, das Urteil, in dem es das Klimagesetz der Regierung für verfassungswidrig erklärt hat. Die Begründung für seinen Vorwurf (kein Scherz): Das Gericht würde dieselben Zahlen verwenden wie die Grünen. Doof nur: Sowohl das Gericht als auch die Grünen bezogen sich eben auf die Wissenschaft – genauer auf ein Gutachten des Sachverständigenrates der Bundesregierung, das sich wiederum auf die Berichte des Weltklimarates stützt. Aber offenbar ist es für Vahrenholt so ungewohnt, sich an wissenschaftlichen Fakten zu orientieren, dass er hier gleich eine Verschwörung wittert.

Es gibt viele weitere Beispiele, wie Vahrenholt bewusst täuscht und sogar seine eigenen Argumente widerlegt. Volksverpetzer berichtete schon im Juli 2021:

Vielleicht CO₂ reduzieren, statt Scharlatanen zuhören?

Es lässt sich sagen: Dieser Artikel ist einfach nicht richtig und mit 10 Minuten Recherche zu widerlegen. Das Klima auf dem Planeten Erde wird in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit heißer. Ausgelöst wird das Ganze durch den Menschen und es lässt sich am besten durch die massive Reduktion von CO₂ stoppen.

Schon jetzt, bei 1,1 Grad, sind die Auswirkungen der Klimakrise im globalen Süden verheerend. Große Gebiete werden durch anhaltende Hitzeperioden unbewohnbar, ganze Inseln werden überschwemmt.

Über ein mögliches Worst-Case-Szenario schrieb der Volksverpetzer im September. Ein erschreckender, aber lesenswerter Artikel.

Artikelbild: Canva, Screenshot