Die AfD und der Verfassungsschutz
Der Verfassungsschutz prüft seit heute offiziell, ob die Alternative für Deutschland in Zukunft bundesweit überwacht werden soll. Teile der AfD werden in einigen Bundesländern bisher bereits überwacht, so die Jugendorganisationen der AfD in Bremen, Niedersachen und Baden-Württemberg. Der rechtsnationale “Flügel” der AfD um Björn Höcke wurde darüber hinaus zum “Verdachtsfall” erklärt – Das heißt, eine Beobachtung ist eingeschränkt möglich.
Die Gesamt-AfD ist allerdings bisher nur ein “Prüffall”, was heißt, dass der Verfassungsschutz bisher tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht, aber (zumindest noch nicht) eindeutige extremistische Tendenzen. Das heißt aber auch, dass eine endgültige Beobachtung noch nicht entschieden ist. So viel zu den Fakten (Quelle).
Gründe, dass die AfD eine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Verfassung darstellt, gibt es jedoch genug. Wir haben uns Aussagen und Parteiprogramme der AfD angeschaut und einige Indizien gefunden, die eine Beobachtung rechtfertigen dürften.
1. Verbindungen zur Rechtsextremen Szene
Die AfD entwickelte sich über die Jahre immer weiter zu einem Sammelbecken für Rechtsextreme und Neonazis und versäumte es, sich deutlich von diesen abzugrenzen. Es bestehen nachgewiesene Verbindungen zur NPD, zur Neuen Rechten (Quelle), zur rechtsextremen Identitären Bewegung (Quelle), der rechtsextremen Pro Chemnitz (Quelle), Pegida (Quelle) und einigen anderen. Auch beschäftigen AfD-Bundestagsabgeordnete, darunter auch Parteichef Gauland mehrere Personen mit Kontakten in oder aus der rechtsextremen Szene oder Neonazis (Quelle).
2. „Völkisch“ wieder positiv besetzen
Vor der Bundestagswahl erklärte die ehemalige Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, den Begriff „völkisch“ wieder „positiv besetzen“ wollen. Auch Björn Höcke und der erst kürzlich ausgetretene André Poggenburg bemühen sich um eine Rehabilitierung des Wortes. Laut Duden bedeutet „völkisch“ „nationalsozialistisch, in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus“. Die AfD versteht dahinter ein ethnozentristisches Verständnis des deutschen Volkes auf Basis von Abstammung, die nicht der Verfassung entspricht. Mehr dazu später.
3. Ähnlichkeiten zur NPD
Auch Dubravko Mandic, Listenkandidat der AfD, gab zu, dass die AfD und die NPD sich nicht groß unterscheiden. „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützer-Umfeld, nicht so sehr durch Inhalte.“ Barack Obama bezeichnete er auch als „Quotenn*ger“. Höcke nahm die rechtsextreme NPD ebenfalls in Schutz, Jens Maier sagt über die NPD, dass sie die einzige Partei sei, „die immer entschlossen zu Deutschland gestanden hat“. Alle Parteiausschlussverfahren gegen diese Personen scheiterten.
4. Sympathien zum Nationalsozialismus
AfD-Bundestagsabgeordneter Siegbert Droese lässt sich mit der rechten Hand am Herzen vor dem Führerbunker ablichten. Nicht nur, dass der Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier für seinen Posten in der Partei mit „stellvertretender Ortsgruppenleitereinen Begriff der NSDAP gewählt hat, er hat auch unter anderem vor der „Herstellung von Mischvölkern“ gewarnt, und nicht näher bezeichnete Ausländer „Gesinde“ genannt.
Jan von Flocken bezeichnete beim AfD-Russlandkongress in Magdeburg die Waffen-SS „als Positivbeispiel“. 2016 wählte Höcke ein Gedicht des Hitler-Jugend-Dichters Herbert Napiersky aus dem Jahr 1940 zu Weihnachten aus und veröffentlichte dieses auf seinem Facebook-Account. Zufall wird das nicht gewesen sein. Er ist Geschichtslehrer gewesen. MdL Volker Schnurrbuschs Immunität wurde aufgehoben wegen des Fundes von Nazi-Devotionalien und Nazi-Symboliken.
Funktionäre des AfD-Kreisverbandes Freising-Pfaffenhofen veröffentlichten auf einer privaten Seite Fotos von sich mit Hitlergrüßen. Der AfD-Bundestagskandidat Ulrich Oehme hing Plakate mit dem Satz „Alles für Deutschland“ auf. Diese frühere Losung der SA (Sturmabteilung im Dritten Reich) ist in Deutschland verboten. Gauland verharmloste den Nationalsozialismus durch seine Bezeichnung der NS-Diktatur als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. Für beide Aussagen wurde er wegen Volksverhetzung angezeigt.
5. Pressefeindlichkeit
Die AfD attackiert das Grundrecht auf Pressefreiheit. Über Parolen und Ausschluss von Veranstaltungen bis hin zu Übergriffen. Die AfD schließt als einzige Partei regelmäßig Journalisten von ihren Veranstaltungen aus. Dieses Verhalten ist ggf. sogar rechtswidrig. Und es könnte sein, dass das Ganze (nach Wiederholung) nun auch Konsequenzen hat. Anhänger wie Parteifunktionäre, benutzen gerne die Parole “Lügenpresse”, wenn Journalisten dann doch anwesend sind.
Dieser Begriff hatte auch bei der NSDAP Tradition. Auf Veranstaltungen der “neuen” Rechten kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Pressevertreter. Auf Veranstaltungen der AfD kommt dies vor. Auch nach dem Kyffhäuser Treffen 2018 kam es zu Übergriffen auf Journalisten (ab 5:00). Die Ausschreitungen (auch gegen Journalisten) auf den AfD-Demos in Chemnitz sind bekannt. Der DJV (Deutscher Journalisten Verband) rät seit den Vorfällen zur Vorsicht in sächsischen Städten.
6. Nationalismus
Der Nationalismus innerhalb der AfD ist nicht zu übersehen. Da soll „völkisch“ wieder positiv besetzt werden und das „Denkmal der Schande“ soll weg. Diese Überschneidung ist offensichtlich. Auch die wieder aufgewärmte Parole “Volksverräter” war ein Kennzeichen der NS-Zeit. So wurden Menschen unter dieser Parole zum Tod verurteilt. Nicht nur Anhänger, sondern auch Parteifunktionäre der AfD verwenden sie.
7. “Systemwechsel” = Demokratiefeindlichkeit
In der AfD wird offen von einem „Systemwechsel“ gesprochen. Das meint nicht, dass die AfD die Regierung stellen soll. Sie wollen, dass unser demokratisches System abgeschafft und durch etwas anderes ersetzt wird. Wie dieses “andere” aussehen könnte kann man sich ausmalen, wenn man sich anschaut, wie die AfD auftritt und mit welcher Bewegung sie Ähnlichkeiten aufweisen.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider sagt z.B. “Wir brauchen dringend einen Systemwechsel”. Wie dieses System aussehen soll, will man (jetzt noch) nicht sagen. In der AfD wird Parlamentarismus und damit unsere Verfassung und die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelehnt. Nicht nur von unbedeutenden Hinterbänklern, sondern von Leuten im Vorstand. (ab ca. 7:20)
8. Diffamierung des Rechtsstaates
Die AfD stellt immer wieder die Vertrauenswürdigkeit von Polizei, Justiz und anderen Behörden in Frage und untergräbt dadurch diese wichtigen demokratischen Institutionen. Mehrfach musste die Polizei Falschdarstellungen der AfD korrigieren (Quelle), jüngst beim Fall Magnitz (Hier). Dort wurden Aussagen der Staatsanwaltschaft ohne Belege in Zweifel gezogen. Auch im Wahlprogramm der AfD für Hessen unterstellt sie der Polizei Lügen (Hier mehr dazu).
9. Ablehnung der Religionsfreiheit
Erst kürzlich brachte die AfD im Bundestag einen Antrag ein, die Ausübung der Religionsfreiheit einzuschränken. Demnach sollte man bereits beim Verdacht, dass man im Namen der Religionsfreiheit „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ agiert, sein Recht auf freie Religionsausübung verlieren! (Mehr dazu hier) Außerdem möchte die AfD Moscheen verbieten lassen, und hat sich explizit als „Feind des Islam“ (AfD Wahlprogramm Hessen S. 86) erklärt.
Vor allem, wenn im Wahlprogramm der AfD für Hessen auf Seite 32 ihres Wahlprogramms zunächst gefordert wird, “einen verpflichtenden christlichen Religionsunterricht“ einzuführen, und nur zwei Sätze später ein staatlicher, islamischer Schulunterricht abgelehnt wird. Darüber hinaus fordert ein AfD-Politiker eine „Kreuzpflicht“.
10. Wiedereinführung der Todesstrafe
Erst kürzlich zweifelte der AfD-Politiker Seitz die Richtigkeit eines Paragrafen des Grundgesetzes an, Artikel 102. Er sagte “eine Änderung von Art. 102 GG [darf[ kein Tabu sein.” (Quelle) Damit fordert er eindeutig die Wiedereinführung der Todesstrafe. Er betont, dass er das genau so gemeint habe. Es ist nur eine von vielen Problemen, die die AfD mit dem Grundgesetz hat. Bereits zuvor liebäugelten AfD-Politiker mit der Todesstrafe (Quelle).
11. Ablehnung von GG Artikel 116
Auch in ihren Wahlprogrammen fordert die AfD eine Rückkehr zur Knüpfung der Staatsbürgerschaft mit der Herkunft und bezeichnet deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund als “Passdeutsche” und behandelt sie wie Bürger zweiter Klasse (Quelle). Das ist ganz klar nicht mit der Verfassung vereinbar. Deutscher ist, wer die Deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, so steht es im Grundgesetz. Herkunft und Abstammung haben nichts damit zu tun. Dass die AfD damit ein Problem hat bringt sie in direkten Konflikt mit der Verfassung.
Vieles Mehr
Das ist nur eine kleine Auswahl an Aussagen und Forderungen, die den Konflikt der AfD mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und unserer Verfassung zeigen. Ihre Wahlprogramme sind voller Widersprüche und Angriffe auf Institutionen und Grundgesetze (Mehr dazu). AfD-Abgeordnete kommen viel öfter mit dem Gesetz in Konflikt als andere Parteien (Mehr dazu). Die AfD bricht absichtlich mit Regeln und Abläufen im Bundestag (Mehr dazu).
Sie hat keinen Respekt vor unserer Verfassung, unseren demokratischen Institutionen, unseren Gesetzen und vor einem großen Teil unserer Bevölkerung. Und dann erdreistet sie sich auch noch, sich als “Patrioten” zu bezeichnen. Sie ist eine Gefahr für alles, was Deutschland zu einem schönen, sicheren und wohlhabenden Land macht. Und deswegen ist eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz mehr als angemessen.
Die letzte Entscheidung sollen aber die Experten fällen. Dem Verfassungsschutz liegen 1070 Seiten Informationen über die AfD vor. Kommentare, Rede, Internetauftritte. Bei einer etwaigen Beobachtung wird die AfD klagen – und sich wie immer als Opfer aufspielen. Doch ich bin mir sicher, dass Verfassungsschutzpräsident nicht leichtfertig eine Beobachtung anordnen wird. Sogar im Gegenteil.
So reagieren AfD-Fans auf die Prüfung durch den Verfassungsschutz
Artikelbild: knipsdesign, shutterstock.com