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CDU-Politiker entsetzt über ‚permanente Durchbrüche‘ der Brandmauer zur AfD

von | Mai 25, 2023 | Aktuelles

Es ist lange kein Geheimnis mehr: Wo für den Erfolg der eigenen Partei dienlich, lehnt sich die CDU, insbesondere in einigen der neuen Bundesländer, gerne mal nach rechts – Brandmauer hin oder her. Zuletzt kritisiert das sogar CDU-Politiker und ehemaliger Ostbeauftragter Marco Wanderwitz. Gegenüber dem Spiegel spricht er auf kommunaler Ebene von „permanenten Durchbrüchen“ der Brandmauer zur AfD. „Die Parteiführung in Sachsen tut nichts dagegen, darunter leidet unsere Glaubwürdigkeit.“

Kommende Landtagswahlen könnten christdemokratische Brandmauer ins Wanken bringen

Der Volksverpetzer berichtete bereits im vergangenen Oktober über ein Bröckeln der christdemokratischen Brandmauer nach rechts. Insbesondere im Osten des Landes waren wiederholt Fälle zu beobachten, in denen sich CDU-Politiker:innen rechtspopulistische Standpunkte aneigneten oder mit der AfD kooperierten – meist in einem Ringen um persönliche Relevanz, um also beispielsweise Stimmen abzugreifen oder Mehrheiten zu erlangen.

Eben jener Effekt könnte sich im kommenden Jahr als besonders gefährlich erweisen, denn in Sachsen, Brandenburg und Thüringen finden Landtagswahlen statt. Ausgerechnet in all jenen Bundesländern, in denen die rechtsextreme AfD ohnehin gut aufgestellt ist. Aktuelle Umfrageergebnisse deuten demnach darauf hin, dass sie in Thüringen und Sachsen vorne liegen. CDU-Politiker:innen vor Ort könnte das paradoxerweise einmal mehr dazu bewegen, mit rechtspopulistischem Gedankengut und Kooperationen mit der AfD zu kokettieren. Und jene Brandmauer zu durchbrechen. Auch Wanderwitz‘ Sorgen gelten insbesondere Sachsen. Dort gebe es etliche Parteifreunde, die eine Zusammenarbeit mit oder mindestens Tolerierung der Faschisten der AfD herbeisehnen. Eine gefährliche Entwicklung.

Er fordert sogar ein Verbot der AfD. „Worauf warten wir eigentlich noch?“, fragt Wanderwitz. „Dieser Schritt ist zwingend und die einzige Lösung.“

Rechtspopulistische CDU-Politiker legitimieren rechte Narrative für die breite Masse

Was rechte CDU-Politiker:innen in ihrem Streben nach Macht schnell mal vergessen: Sie helfen weniger sich selbst als vielmehr der AfD. Gleich mehrere Studien machen deutlich, dass die CDU in den vergangenen Jahren Wähler:innen an die AfD verliert. Rechte Narrative in christdemokratischen Kreisen ändern daran gar nichts. Ganz abgesehen davon, dass sie zutiefst zu verurteilen und höchst gefährlich sind, sorgen sie letztlich nur dafür, dass rechtspopulistische Positionen und das Wählen der AfD salonfähig werden.

So wandern populistische Wähler:innen gestärkt durch rechte CDU-Narrative zur AfD, gemäßigte Wähler:innen beispielsweise zu den Grünen ab. Darüber sollten aktuelle relative Zugewinne in Umfragewerten nicht hinwegtäuschen – denn geschwächt wurde die AfD dadurch schließlich auch nicht, wie Merz einst versprach – offensichtlich im Gegenteil.

Auch abgesehen von Wahlkampffragen sollten sich CDU-Politiker:innen ihrer Verantwortung und der dringlichen Notwendigkeit der Brandmauer nach rechts bewusst sein. Denn Positionen der CDU machen nachweislich einen nachhaltigen Eindruck auf Rezipient:innen. Ein Experiment des Politikwissenschaftlers Vicente Valentim machte erst kürzlich deutlich, dass Positionen der CDU eine Wirkung in der Breite der Gesellschaft haben. Lesen Testpersonen demnach rechte Narrative von AfD-Politiker:innen, so stimmen sie diesen nur zu, wenn sie der Partei ohnehin nahestehen. Werden ihnen ähnliche Aussagen jedoch von Unions-Politiker:innen präsentiert, nehmen diese einen stärkeren Einfluss – unabhängig der eigenen politischen Ausrichtung.

AfD als ‚Feind der Zukunft‘ oder geduldeter Mehrheitspartner?

Wanderwitz bestätigt, was wir seit einer Weile befürchten: Die Brandmauer nach rechts bröckelt. Neben dem ehemaligen Ostbeauftragten haben sich zwei weitere CDU-Politiker gegen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen. Thüringer CDU-Partei- und Fraktionschef Mario Voigt bezeichnete die AfD demnach als ‚Feinde der Zukunft‘ und lehne jede Kooperation ab. Brandenburger CDU-Chef Jan Redmann erklärte jede potenzielle Zusammenarbeit für nichtig, weil die Partei ‚in Wahrheit das Land kaputt machen will‘.

Trotz dieser klaren Worte haben sich CDU-Politiker:innen in der Vergangenheit zu häufig als offen für rechte Narrative und Kooperationen erwiesen. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz trifft die von der CDU ausgehende Gefahr und resultierende Verantwortung auf den Punkt: „Die Faschisten sind nur dort an die Macht gekommen, wo die Konservativen ihnen die Plattform geboten haben“, sagt er 2020 im Interview mit Republik.

Artikelbild: Kay Nietfeld/dpa