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Energie-Stasi in Bayern: CSU bekennt sich zu Heizungsspionage!

von | Mai 25, 2023 | Faktencheck

„Die CSU setzt auf Bürokratie und hohe Strafen: Markus Söders Kontrollwahn ist realitätsfern und übergriffig: Die Energie-Stasi in Bayern!“ – Könnte man jetzt schreiben. Denn kein Scherz: Ein CDU-Politiker verharmlost gemeinsam mit BILD die DDR-Diktatur, in dem er einen Gesetzesentwurf als „Energie-Stasi“ beschimpft, das Dinge für Deutschland plant, das ähnlich bereits im schwarz-grün regierten Schleswig-Holstein seit 2017 Gesetz ist, im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg seit Februar dieses Jahres und im die meiste Zeit rein schwarz regierten Bayern seit 2020. Die CSU, die das selbst beschlossen hat, geht dagegen ebenfalls auf die Barrikaden und fantasiert schamlos „Kontrollwahn“ und „Heizungsspionage“ dazu.

Screenshot via Malte Kreutzfeldt

Die bayerische Energie-Stasi?

Ein nächster Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums unter Robert Habeck (Grüne) und des Bundesbauministeriums unter Klara Geywitz (SPD), sieht vor, dass die Kommunen einige Informationen zur Heizung eines Gebäudes durch die Kommunen sammeln sollen. Damit man den Ausbau der Wärmenetze planen könne und die Heizwende vollziehen, zu der sich Deutschland bis 2045 verpflichtet hat, müsse man ja den Verbrauch kennen. Die Kommunen sollen dann „gebäudescharfe jährliche Endenergieverbräuche“ für den Zeitraum der letzten drei Jahre, die Art der Heizung, deren Leistung, das Jahr der Inbetriebnahme und weitere Daten zum Gebäude selbst aufnehmen. Das alles im rechtlich zulässigen Rahmen. Teilweise sollen die ohnehin schon gesammelten Daten von Schornsteinfegern oder Energieversorgern genutzt werden.

Wie wir oben gesehen haben, ist es nicht großartig anders als schon bestehende Gesetze in Bayern, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein – alle mit Unionsbeteiligung. In Bayern übermitteln die Schornsteinfeger die größtenteils gleichen Daten bereits an das Land. In Art 1 des bayerischen Gesetzes hat die CSU schreiben lassen, dass die „staatliche Gemeinschaft“ für den Kampf gegen den Klimawandel, die Fürsorge und dafür die Verantwortung trage. Wenn Robert Habeck und Klara Geywitz das Gleiche im Bund beschließen wollen, behauptet die CSU aber plötzlich, das sei „Kontrollwahn“, „realitätsfern“, ein „Heizpranger“ und „staatliche Heizungsspionage“. Muss man sich als bayerischer Wähler als für dumm verkauft fühlen?

Union greift zu Lügen, Heuchelei und Populismus

Teile der FDP, CSU und CDU haben inzwischen jegliche Ehrlichkeit über Bord geworfen und lügen und täuschen so unehrlich, wie es bisher nur die AfD tat. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. In Tandem mit Desinformationsmedien wie BILD wird systematisch die Öffentlichkeit belogen und eine Unwahrheit nach der anderen in die Welt gesetzt. Ganz besonders viel und dreist wird über die geplanten Heiz-Reformen der Ampel manipuliert. Wir haben schon über die Lüge des angeblichen „Heizverbots“ geschrieben:

Nur zur Erinnerung: Du darfst jede Heizung behalten, die du hast, auch nach 2024. Du darfst deine Gasheizung auch jederzeit reparieren. Dich zwingt niemand, irgendwann etwas zu ersetzen, du darfst alles weiterlaufen lassen, wie du willstHabeck sagt wörtlich: „Funktionierende Heizungen dürfen weiter genutzt werden und Kaputte dürfen so lange repariert werden, wie man sie reparieren kann.“ Paralllel dazu wird auch sehr viel über Wärmepumpen gelogen und getäuscht:

Auch für die FDP spielt offenbar Ehrlichkeit und Verlässlichkeit keine Rolle mehr – und blockiert aus offenbar purer Sturheit das GEG, dem sie bereits vier Mal grundsätzlich zugestimmt hat. Der Entwurf wurde bereits im Koalitionsvertrag und in späteren Koalitionsausschüssen zugestimmt. Doch was die FDP ihren Koalitionspartnern sagt, ist offenbar etwas anderes, als was sie in der Öffentlichkeit behauptet und dann umsetzt. Trotz bereits ausgehandelter Kompromisse wollte die FDP das Gesetz noch mal im Plenum nachverhandeln – und blockierte dann genau das. Angeblich, weil ein Fragenkatalog nicht beantwortet wurde. Ein Fragenkatalog, den es offenbar nie gegeben hat. Habeck wirft der FDP „Wortbruch“ vor.

Bei dieser Union braucht man keine AfD mehr

Startschuss für diese Nonsens-Kritik am Gesetzentwurf war Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt, der gemeinsam mit dem Fake- und Hetzblatt BILD die DDR-Diktatur verharmlost und von „Energie-Stasi“ fantasiert. Hier muss man diverse Kritikpunkte trennen: Es kann durchaus legitime Kritik sein, das „Bürokratiemonster“ als Problem zu erachten, das die Datenerfassung bedeutet. Die politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, sagte zu t-online, man könne über Gesetze streiten, aber:

„Wer aber stattdessen Stasi-Vergleiche bemüht, agiert anstandslos, verantwortungslos und verhöhnt all jene, die in der DDR unter Verfolgung und Repression gelitten haben.“ Büning forderte: „Es wäre nun an Friedrich Merz, seine Partei an Maß und Mitte zu erinnern.“

Das findet man auch teilweise in der CDU inakzeptabel

In diese Kategorie fällt die völlig überzogene Kritik der CSU, die weit über alle Stränge schlägt und nur puren Populismus bedient. Wahnwitzige, absurde Übertreibungen, die einen politischen Diskurs möglich machen, kennt man bisher nur von der AfD. Sie werden derzeit unter Merz und Söder Standard. Und dann gesellt sich natürlich noch die Heuchelei hinzu. Büning betonte t-Online gegenüber: „Kommunen beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein setzen dieses Instrument jetzt schon ein.“

Netzfund

Wenn denn – abseits der DDR-verharmlosenden Übertreibungen – die Kritik berechtigt wäre, warum haben dann die Parteien, die jetzt dermaßen jeglichen Maß verlieren, diese Dinge selbst umgesetzt? Als Wähler muss man sich verarscht vorkommen. Kann man diesen Parteien überhaupt noch trauen, wenn sie Kritik üben? Der Bundesverband Wärmepumpen kritisiert die CSU auf Twitter:

„Hey CSU. Die Regelungen, die Ihr hier kritisiert, stehen auch bei Euch im Klimaschutzgesetz. Ist das jetzt auch Stasi? Bitte langsam wieder zur Sacharbeit übergehen und immer einmal kurz Luft holen, ehe alles ungeprüft rausgehauen wird. Gibt tolle Energie- und Klimaschutzpolitiker bei Euch, sogar Leute, die die eigenen Gesetze in voller Schönheit kennen.“ [sic]

Wie viel Stasi-Keulen passen in einen demokratischen diskurs?

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die CSU gleich zu Diktatur-Verharmlosungen greift, wenn im Bund Dinge beschlossen werden sollen, die in Bayern längst Norm sind: Man nannte die Ampel-Wahlrechtsreform ein Zeichen eines „Schurkenstaates“, weil sie möglich machte, einen Wahlkreis zu gewinnen und nicht ins Parlament einzuziehen. Das mag kritisierenswert sein – ist aber auch laut Bayerischer Verfassung in Bayern möglich. Und wie verhält sich die positive Position der CDU zur Vorratsdatenspeicherung dazu? Ist das auch irgendwas mit Stasi? Oder würde sich die Union zu Recht aufregen, dass das überzogene Kritik wäre?

Bei so einer faktenfernen, unehrlichen und populistischen Kritik der Union braucht man keine AfD mehr, um die Grundlage für einen demokratischen Diskurs zu zerstören. Es täte der Union gut daran, endlich von diesem Irrweg abzukommen. Letztlich stärkt er nämlich nur die Rechtsextremen.

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Artikelbild: photocosmos1