Geopolitik Russlands in der Putin Ära
Putin, als ehemaliger KGB-Offizier, beklagte einst den Zusammenbruch der Sowjetunion als die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts und ist seit seiner ersten Amtszeit bestrebt, das Ergebnis des Kalten Krieges umzukehren.
Er begann mit dem Wiederaufbau der Sowjetunion auf neuer Grundlage, vor allem durch zwei Institutionen: die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (eine periphere Organisation für kollektive Organisation für kollektive Sicherheit in Zentralasien und dem Kaukasus) und die Eurasische Wirtschaftsunion (eine Wirtschaftsunion, die die meisten der Mehrheit der postsowjetischen Staaten umfasst.Putins Bemühungen um die Wiederherstellung der Kontrolle Russlands über den postsowjetischen Raum (oder das nahe Ausland im Sinne der russischen Politik) haben zu aggressiven Aktionen gegen Nachbarländer wie Georgien und die Ukraine geführt.**
** S. Frederick Starr and Svante E. Cornell: “Introduction” in S. Frederick Starr and Svante E. Cornell (ed.): Putin’s
Grand Strategy: The Eurasian Union and its Discontents (Washington DC: Central Asia – Caucasus Institute, Silk
Road Studies Program, 2014), pp. 5-13.
Die Annexion der Krim führte zu einer neuen Welle des russischen Nationalismus, wobei große Teile der russischen rechtsextremen Bewegung danach streben, noch mehr Land von der Ukraine zu annektieren, einschließlich des nicht anerkannten Noworossija. Der Analyst Wladimir Socor schlug vor, dass die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach der Annexion der Krim de facto ein “Manifest des großrussischen Irredentismus” war. Nach den Ereignissen auf der Krim forderten die transnistrischen Behörden Russland auf, Transnistrien, eine abtrünnige Region der Republik Moldau, zu annektieren.
Russischer Imperalismus und Neo-Eurasismus
Der russische politische Philosoph und Publizist Alexander Dugin vertritt seit den frühen 1990er-Jahren einen Neo-Eurasismus. Der klassische Eurasismus ist allerdings nur eine der Quellen von Dugins eklektischer Ideologie, er verbindet das eher kulturalistische Konzept Trubezkois und Sawizkis (die er in seinen Werken nur beiläufig erwähnt und zum Teil sogar falsch benennt) maßgeblich mit Elementen der Geopolitik neuerer, westlicher Prägung. So beruft er sich etwa auf Vertreter der westeuropäischen Neuen Rechten wie Jean-François Thiriart und Alain de Benoist,** die Traditionalisten René Guénon und Julius Evola, Vertreter der Konservativen Revolution wie Carl Schmitt und Geopolitiker wie Karl Haushofer. ***
** Stefan Wiederkehr: »Kontinent Evrasija« – Klassischer Eurasismus und Geopolitik in der Lesart Alexander Dugins. In: Markus Kaiser (Hrsg.): Auf der Suche nach Eurasien. Politik, Religion und Alltagskultur zwischen Russland und Europa. Transcript, Bielefeld 2004, S. 127.
*** Mark J. Sedgwick: Neo-Eurasianism in Russia. In: Against the Modern World. Traditionalism and the Secret Intellectual History of the Twentieth Century. Oxford University Press, New York 2004, ISBN 0-19-515297-2, S. 221–240.
Im Gegensatz zur zentralen These des klassischen Eurasismus, dass es einen dritten Kontinent „Eurasien“ zwischen Europa und Asien gebe, versteht Dugin „Eurasien“ als Europa und Asien. In Anlehnung an Thiriarts Idee von einer Pax Eurasiatica plädiert Dugin für ein eurasisches Imperium von Dublin bis Wladiwostok unter der Führung Russlands, weil, so Dugin, „die wahren, geopolitisch gerechtfertigten Grenzen Russlands bei Cadiz und Dublin liegen und Europa dazu bestimmt ist […] der Sowjetunion beizutreten“.**
Klassische Eurasier und Neo-Eurasier wie Dugin haben die bipolare Weltsicht gemeinsam, dass „Eurasien“ einem Hauptfeind gegenüberstünde. Der Unterschied ist, dass klassische Eurasier das „romanogermanische Europa“ als Gegner ansahen, wohingegen Neo-Eurasier sich einen Kampf vorstellen zwischen hierarchisch organisierten „eurasischen“ Landmächten unter der Führung Russlands und liberalen „atlantischen“ Seemächten unter der Führung der Vereinigten Staaten.***
Europa wird laut Dugin von den Amerikanern okkupiert und Russland müsse die Rolle des Befreiers annehmen. Der Erfolg „Eurasiens“ hänge von der Wiedergeburt des imperienbildenden russischen Volkes ab.*** In Dugins apokalyptischer Weltsicht steuere diese jahrhundertealte Gegnerschaft zwischen Land- und Seemächten auf einen „Endkampf“ zu.
** Zitiert in: Stefan Wiederkehr: »Kontinent Evrasija« – Klassischer Eurasismus und Geopolitik in der Lesart Alexander Dugins. In: Markus Kaiser (Hrsg.): Auf der Suche nach Eurasien. Politik, Religion und Alltagskultur zwischen Russland und Europa. Transcript, Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-131-0, S. 128 f.
*** Stefan Wiederkehr: »Kontinent Evrasija« – Klassischer Eurasismus und Geopolitik in der Lesart Alexander Dugins. In: Markus Kaiser (Hrsg.): Auf der Suche nach Eurasien. Politik, Religion und Alltagskultur zwischen Russland und Europa. Transcript, Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-131-0, S. 125–138.
2003 wurde von Dugin in Moskau die „Internationale Eurasierbewegung“ gegründet.Zu ihren öffentlichen Aktionen gehören Kranzniederlegungen am Grabe Stalins.
Zu den Vertretern der eurasianischen Idee gehört auch der außenpolitische Experte und Putin nahestehende Sergei Karaganow, der die Vorstellung eines eurasischen Wirtschaftsraums mit russischer und chinesischer Führungsrolle vertritt, der die Dominanz der USA beenden werde.
Dugin entwickelt darin die geopolitischen Theorien Halford Mackinders und Karl Haushofers fort und beschreibt Ansätze, den Einfluss der Vereinigten Staaten zurückzudrängen und Russland als Großreich zur Weltmacht zu entwickeln.
Die geopolitische Strategie:
- Deutschland soll in eine Achse Berlin-Moskau eingebunden werden. Hierbei soll Deutschland die Dominanz in den katholischen und protestantischen Ländern Mittel- und Osteuropas zugebilligt werden. Als „Belohnung“ für eine Kooperation soll Deutschland außerdem die Oblast Kaliningrad zurückerhalten.
- Die Ukraine sollte von Russland annektiert werden, weil „die Ukraine als Staat keine geopolitische Bedeutung, keine besondere kulturelle Bedeutung oder universelle Bedeutung, keine geografische Einzigartigkeit, keine ethnische Exklusivität hat, ihre bestimmten territorialen Ambitionen eine enorme Gefahr für ganz Eurasien darstellen und ohne Lösung des ukrainischen Problems, es im Allgemeinen sinnlos ist, über kontinentale Politik zu sprechen“. Die Ukraine darf nicht unabhängig bleiben, es sei denn, sie ist ein Cordon sanitaire, was unzulässig wäre.
- Frankreich soll in einen deutsch-französischen Block eingebunden und die antiatlantischen Strömungen sollen unterstützt werden.
- Das Vereinigte Königreich soll vom restlichen Europa isoliert werden.
- Die USA sollen mithilfe der russischen Geheimdienste destabilisiert werden, beispielsweise indem ethnische, soziale und religiöse Spannungen angefacht werden.
- In Japan soll der Antiamerikanismus gestärkt werden. Als Dank für eine „Kooperation“ soll Japan die Kurilen erhalten.
- Dugin schlägt die Errichtung eines Pufferstaates aus chinesischen und mongolischen Gebieten zu China vor. Als Ausgleich soll Russland China dabei helfen, in Südostasien Dominanz zu erlangen.
- Russland und die islamische Welt teilen „traditionelle Werte“, so soll der Iran eng an Russland gebunden werden.
- Polen, Litauen und Lettland sollen der russischen Einflusssphäre zugeordnet werden und einen politischen Sonderstatus erhalten.
- Belarus, Georgien und Moldawien sollen als Bestandteile Russlands erachtet werden. Auch Finnland soll in Russland aufgehen. Die Mongolei soll Teil eines größeren „Eurasia-Russlands“ werden.
- Die christlich-orthodoxen Länder Europas wie Griechenland, Rumänien und Serbien werden als Bestandteil eines neuen dritten Roms gesehen und sollen Russland angegliedert werden.
Andreas Umland beschrieb bereits 2004 eine Hinwendung russischer Diskussionen hin zum Publizisten Alexander Dugin. Anders als die Neue Rechte in Europa, deren Versuch die Diskurshoheit zu erlangen wenig erfolgreich verlaufen sei, habe Dugin es vermocht „mittels politischer Mimikry tief in den Diskurs des politischen und akademischen Mainstreams der Russländischen Föderation einzudringen“ und auch in den Medien und Eliten Rückhalt für Vorstellungen zu gewinnen, die unter dem Zeichen des Eurasismus Elemente des Faschismus aufwiesen und stark antiwestlich orientiert seien.**
** Andreas Umland: Kulturhegemoniale Strategien der russischen extremen Rechten: die Verbindung von faschistischer Ideologie und metapolitischer Taktik im ‘Neoeurasismus’ des Aleksandr Dugin. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. Band 33, Nr. 4, 2004, S. 437–453.
Dugin suchte und fand schon in den 1990er Jahren die Nähe zur und die Zusammenarbeit mit der russischen Generalstabsakademie – höherrangige Offiziere berieten ihn bei der Verfassung von Texten – und lobte, nachdem er zuvor die Geheimdienste als westfreundlich kritisiert hatte, den kurz zuvor noch von Wladimir Putin geleiteten FSB als „neue Kaste“, mit der Aufgabe die Hegemonie der Amerikaner zu verhindern und wieder einen mächtigen eurasischen Staat zu schaffen.
2014 diagnostizierte Umland, dass es zwischen den Vorstellungen Dugins und Putins Überschneidungen gäbe, ohne dass sie identisch wären. Putin begründe den imperialen Herrschaftsanspruch nicht mehr mit den alten Idealen der Sowjetunion, sondern durch eine „eher rechte und offen kulturalistische Ideologie vom angeblich gemeinsamen eurasischen Ursprung und Wertesystem bzw. von einer authentischen eurasischen Zivilisation mit ihren verschiedenen nationalen Variationen“ mit dem Ziel einer Eurasischen Union.
Der alte Herrschaftsbereich solle so neu begründet werden. Dugin sehe das ähnlich, gehe aber über solch restaurative Ansichten noch weit hinaus, sein vorgestelltes Imperium sei in Begründung und Konzeption neuartig und erinnere an den Faschismus zwischen den Weltkriegen.
Quelle: Die Bücher der Vertreter Edgar Julius Jung und Carl Schmitt werden von Kubitschek gelesen und aufgegriffen.„Konservative Revolution“ ist in der heute verwendeten Form ein 1950 von Armin Mohler eingeführter und bis heute umstrittener Sammelbegriff für eine Gruppe ideologischer Strömungen und der sie tragenden Akteure, die sich im Kontext der Weimarer Republik entwickelten.Gemeinsam war diesen Akteuren, dass ihre Ideologien entschieden antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Züge trugen. Ihr Rechtskonservatismus unterschied sich vom traditionellen Konservatismusbegriff der Deutschen Zentrumspartei oder der Deutschnationalen Volkspartei grundlegend und manifestierte sich nicht in einer politischen Partei.Viele Personen wie Ernst Jünger, Edgar Julius Jung, Jörg Lanz von Liebenfels, Wilhelm Stapel, Theodor Fritsch, August Winnig, Willibald Hentschel oder Carl Schmitt bekannten sich zumindest in einer Phase ihres Wirkens mehr oder weniger offen zu rassistischem und/oder antisemitischem Gedankengut und förderten dies teilweise auch.Mit der Ablehnung des modernen, demokratischen Staatsgedankens der Weimarer Republik standen die Vertreter der Konservativen Revolution nicht allein da.
Die russische Kultur solle von allem Fremden gereinigt werden und ein neuer Typ eines eurasischen und integrierten Menschen geschaffen werden. Das „Ziel der Anhänger Dugins ist eine vollständige Umformung Russlands, des eurasischen Kontinents sowie letztlich der gesamten Welt im Sinne der Vorstellungen einer „konservativen Revolution“.
Insofern sei Dugin revolutionär wo Putin reaktionär bleibe. Dugin injiziere seine Ideologie allerdings äußerst geschickt in Gesellschaft, Eliten und Diskurse: Er verstehe sich dabei nicht als politischer Führer, sondern als Ideengeber, dessen Vorstellungen gefolgt würde, weil sie inzwischen in der Öffentlichkeit hegemonial seien. Putin und Dugin seien mindestens „taktische Verbündete“, die Wiedererlangung des alten Reiches sei auch der erste Schritt bei Errichtung des neuen. Dugins Organisationen spielten eine wichtige Rolle im System Putins, dass er ins Moskauer Establishment vordrang und sich halten könne deute darauf hin, dass er zumindest aus dem Umfeld Putins wohlwollende Unterstützung erhalte. Trotz eher spärlicher akademischer Leistungen habe man Dugin zum Professor an der weitrespektierten Lomonossow-Universität gemacht.
Dugin erfülle dazu einen besonderen Zweck für Putin: Gerade der Extremismus duginscher Vorstellungen erlaube es Putin, noch als gemäßigt zu erscheinen. Allerdings sah Umland in dieser Strategie auch für Putin ein Risiko, nämlich das, die gerufenen Geister womöglich nicht mehr loswerden zu können.Das einflussreiche und der Präsidialverwaltung direkt unterstellte Russische Institut für Strategische Studien unter Leonid Reschetnikow, das eine Rolle in der ideologischen Begründung russischer Politik spielt, arbeitete mit Dugin eng zusammen.
2022 nach dem Beginn des Überfalls auf die Ukraine bezeichnete Micha Brumlik Dugin als den „Philosoph[en] hinter Putin“. Es sei „höchste Zeit, Wladimir Putin als einen Revolutionär im Geiste des rechtsextremen Dugin zu begreifen“. Dugin habe 2014 über Putin, mit dem er durchaus auch Auseinandersetzungen wegen dessen nach Dugins Meinung zu großer Liberalität hatte, ausgesagt, dass dieser letztendlich zu einer Politik gegen den Westen zurückkehren werde. Damit habe Dugin recht behalten. Nach Volker Weiß ist zwar unklar, inwiefern Dugins „nationalreligiöses Programm in der Staatsführung tatsächlich Gehör findet. Zu sehr von dieser Mischung scheint sich das Denken dort aber nicht zu unterscheiden, das Russlands Führung zum Angriff trieb.“ Jason Stanley sieht Dugins Beitrag zum Putinismus weniger in direktem politischen Einfluss als darin, dass er Putins geopolitische Ziele und Vorstellungen nachvollziehbar formuliert habe. Beiden gemeinsam sei eine unbedingte Ablehnung des westlichen, kosmopolitischen, Liberalismus. Dugin habe zu dem beigetragen was nun die dominante Ideologie des Kremls sei.
Leonid Luks stimmt dem zu. Dugins pseudowissenschaftliches Kreisen um Geopolitik sei letztlich auf ein eurasisches Großreich und danach – nach Dugins eigenen Worten – final auf den russischen Kampf um die Weltherrschaft gerichtet, die Entfernung einer unabhängigen Ukraine als Hindernis laut Dugin die unbedingte Voraussetzung dafür. Bereits 1997 hatte Dugin in seinem Buch Die Grundlagen der Geopolitik ein Ende ihrer Eigenstaatlichkeit gefordert. Putins gelenkte Demokratie habe die Propagierung dieser Vorstellungen erleichtert, dennoch seien sie lange nicht durchgedrungen und Putin sei 2014 entgegen Dugins Wünschen, der die Eroberung Neurusslands forderte, noch vor einem Großkonflikt mit dem Westen zurückgeschreckt. 2022 jedoch habe sich Putins Kriegspolitik dann tatsächlich dem angenähert, was Dugin seit jeher schon fordert. Putin und Dugin seien sich allerdings auch darin ähnlich, den Kampfeswillen der Ukrainer, die westliche Reaktion und vor allem die USA vollkommen unterschätzt zu haben. Der Gedanke, eine Allianz unzufriedener Staaten in einen Kampf gegen die amerikanische Hegemonie führen zu können, habe sich als Illusion erwiesen.
Dugin selbst reagierte auf die Invasion der Ukraine und Putins Verkündung, dass die “unipolare Weltordnung” der USA nun beendet sei, triumphierend: Putin habe sich zu einer “Revolution von oben” entschlossen, die alten “Eliten” Russlands seien erledigt, nun regierten die Eliten Neurusslands, die in eine volle Konfrontation mit dem Westen gingen, die Ukraine bombardierten und asiatische und afrikanische Partner jenseits des Westens suchten. Liberalismus werde demnächst strafbar sein, Säuberungen stünden an. Alles geschehe wie von den Eurasiern vorgestellt. Putin sei ein Mann, der seine Absichten gekonnt verschleiere, aber handele.
Imperialer Nationalismus nach Iwan Iljin
Iwan Iljin gilt als der „Hausphilosoph“ des Putinismus, der vom Präsidenten in seinen wichtigsten Reden zitiert wird. Der russische Filmregisseur Nikita Michalkow soll Putin nach 1998 mit dem Werk Iljins vertraut gemacht haben. Iljin vertritt in seiner Philosophie eine Mischung aus Hegelianismus, Militarismus und imperialem Nationalismus. So spricht er einigen „Volksstämmen“ die Fähigkeit ab, eigene Staaten zu bilden, u. a. den Kroaten, Slowaken, Katalanen, vor allem aber den im historischen russischen Einflussbereich lebenden baltischen, kaukasischen, zentralasiatischen Völkern wie auch den Ukrainern. Diese müssten daher Iljin zufolge unter der Kontrolle ihrer Nachbarstaaten bzw. unter der „natürlichen Kontrolle“ Russlands verbleiben. Abspaltungsbestrebungen dieser Völker vom Russischen Reich setzt Iljin ein ultranationalistisches „organisches“ Nationsverständnis entgegen. Russland sei ihmzufolge kein „künstlich fabrizierter Mechanismus“, sondern ein „historisch gewachsener und kulturell gerechtfertigter Organismus“. Somit sei eine „Zerstückelung“ dieses russischen nationalen Organismus unmöglich, ohne das dieser dabei leide oder zugrunde geht.***
** Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 47.
*** Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 57 f.
Die Gedankenwelt Iwan Iljins, eines russischen Philosophen aristokratischer Herkunft und slawophilen Faschisten, beeindrucke Putin am meisten. Iljin habe sich mit der Frage befasst, wie ein postsowjetisches Russland beschaffen sein und welche Eigenschaften ein postkommunistischer Führer haben sollte. Er beschäftigte sich mit Hegel, fürchtete zugleich das Ideal des Individualismus, beobachtete erschrocken ein Überhandnehmen freiheitlichen Lebensstils und war überzeugt, Russland wäre von einer Ausbreitung der „sexuellen Perversion“ bedroht.
Er las auch Freud und kam zu der verschrobenen Ansicht, dass die Unterdrückung von Individualität, Sexualität und Hedonismus der Königsweg zu einer guten Gesellschaft wäre. Die Radikalität der Bolschewiki machte auch Iljin zum Extremisten – aber eben auf der Gegenseite, zum Ideologen der „Weißen Armeen“, also der konterrevolutionären, zaristischen Militärs, die gegen die Kommunisten kämpfen. In seinen Schriften im Exil zwischen den zwanziger und den fünfziger Jahren beschwor Iljin zwanghaft die „Wiedergeburt“ des „Vaterlandes“. Russland war für ihn „Gott, Vaterland und der nationale вождь“ (woschd, voždʹ), was soviel wie (wörtlich) Führer, (übertragen) Souverän, Zar heißt; der eben nicht bloß Person, sondern die Verkörperung der staatlichen Macht, der „Einzige“ ist, der auch über den morschen Apparaten des Staates steht. Demokratie und Entscheidungen durch Wahlen oder Abstimmungen lehnte er ab. Insbesondere für Russland, denn „Demokratie“, „Liberalität“ oder „Freiheit“ passten nicht zu Russland und seiner „eurasischen Identität“.
Die Nation wird als organische Einheit imaginiert. Russland sei eine Zivilisation eigener Art, eine Mischung aus der christlich-byzantinischen Kultur und der mongolisch-asiatischen Lebensart. In den zwanziger und dreißiger Jahren bewunderte Iljin Hitler und Mussolini sowie die faschistische Idee als „rettendes Übermaß an patriotischer Willkür“. „Der imperialistische Westen werde das falsche Versprechen von Freiheit nutzen, um Russland Länder wegzunehmen: das Baltikum, den Kaukasus, Zentralasien und vor allem die Ukraine.“ Auf diese hatte Iljin einen regelrechten Hass: Von der Ukraine gehe die größte Gefahr für Verrat und Separatismus aus und sie existiere nur aus Gründen von Ränken und Intrigen als eigenständiges Territorium. 1954 im Schweizer Exil verstorben, war Iljin eigentlich lange vergessen, erst seit den 1990er Jahren wird er in Russland nach und nach wieder verlegt. Vladimir Putin entdeckte ihn bei seiner Suche nach intellektuellen Begründungen seiner neuen Nationalidee und propagiert seitdem Iljins Ideen, und zitiert ihn geradezu obsessiv bei nahezu allen seinen Ansprachen. Iljins Gebeine wurden nach Russland überführt und Putin legte Blumen an seinem Grab nieder.
Essay von Wladimir Putin: Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern
Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern ist ein Essay von Wladimir Putin, der am 12. Juli 2021 auf der Website der russischen Regierung veröffentlicht wurde, kurz nach dem Ende einer Eskalationsphase der russisch-ukrainischen Krise 2021 und ein halbes Jahr vor dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022. Er wurde in russischer, ukrainischer und englischer Sprache veröffentlicht. Damit erschien auf der Website der russischen Regierung erstmals ein Dokument in ukrainischer Sprache.
In dem etwa 24 Seiten (ca. 43.000 Zeichen) langen Essay beschreibt Putin seine Sicht auf die Ukraine und die Ukrainer. Er stellt die Existenz der Ukraine als eigene Nation infrage und vertritt die Auffassung, dass die gegenwärtige Regierung des Landes von westlichen Verschwörungen gesteuert sei. Die wahre Souveränität der Ukraine sei nur in Partnerschaft mit Russland möglich.
Auf die Veröffentlichung des Essays folgte ein Interview, in dem Putin Fragen beantwortete. Er wiederholte zudem einige Thesen in einer Rede vor dem Waldai-Klub im Oktober 2021.
Der Essay wurde sowohl außerhalb Russlands als auch von Teilen der russischen Opposition kritisiert sowie teilweise als imperialistisch und geschichtsrevisionistisch eingeordnet.
Putin streitet in seinem Essay die Existenz der Ukraine als einer unabhängigen Nation ab. Russen und Ukrainer seien gemeinsam mit den Belarussen ein Volk und gehörten zur historischen „dreieinigen russischen Nation“.Nach einem Blick auf die Geschichte Russlands und die Geschichte der Ukraine gelangt Putin zu der Schlussfolgerung, dass Russen und Ukrainer ein gemeinsames Erbe und Schicksal teilen.
Die Russen in der Ukraine seien jedoch zu einem Identitätswechsel gezwungen. Dieser Kurs zur Zwangsassimilation, zur Bildung eines „ethnisch reinen, gegenüber Russland aggressiven ukrainischen Staates“ sei in seinen Folgen vergleichbar mit dem „Einsatz von Massenvernichtungswaffen“ gegen Russen.
Putin bezweifelt die Legitimität der gegenwärtigen Grenzen der Ukraine. Die heutige Ukraine liege, so die Darstellung Putins, auf historisch russischen Gebieten und ihre Grenzen seien ein Produkt externer Kräfte sowie administrativer und politischer Entscheidungen während der Sowjetunion. Der Aufsatz erwähnt auch einen Passus der sowjetischen Verfassung von 1924 (Kap. II, Art. 4), in dem es um das freie Recht der Sowjetrepubliken auf Austritt aus der Sowjetunion geht und den Putin als Zeitbombe für das Fundament der Staatlichkeit der Sowjetunion bezeichnet.
Quelle NZZ: Jetzt hat er – auf der Website des Kremls, aber unterschrieben nur mit «W. Putin» – einen neuen, als wegweisend zu verstehenden Aufsatz veröffentlicht. Er ist überschrieben mit «Über die historische Einheit der Russen und Ukrainer» und liest sich wie eine Mischung aus Seminararbeit und politischem Pamphlet. Aber es ist mehr als der geschichtswissenschaftlich misslungene Versuch eines Hobbyhistorikers. Das Werk gibt Einblick in Putins Denken und in Szenarien künftiger russischer Politik. Es rechtfertigt territoriale Ansprüche ebenso wie ein Eingreifen jeglicher Art – stets vorgeblich zugunsten der Ukrainer, die es als eigenständiges Volk gar nicht gebe. Die Ukraine kommt darin nur in Abhängigkeit von Russland vor.
Er thematisiert auch den Krieg im Donbass und behauptet, dass Kiew den Donbass „einfach nicht braucht“.
Putin macht ausländische Intrigen und anti-russische Verschwörungen für die Krise verantwortlich. Die Entscheidungen der ukrainischen Regierung seien getrieben von westlichen Verschwörungen und von „Anhängern von Bandera“.Die Ukraine sei in ein gefährliches geopolitisches Spiel hineingezogen worden, das darauf abgezielt habe, „die Ukraine in eine Barriere zwischen Europa und Russland zu verwandeln, ein Sprungbrett gegen Russland“, so Putin in seinem Essay. Es sei zwangsläufig eine Zeit gekommen, in der das Konzept „Ukraine ist nicht Russland“ keine Option mehr gewesen sei. „Es bestand Bedarf für das Konzept ‚Anti-Russland‘, das wir niemals akzeptieren werden.“
Zum Ende des Essays betont Putin die Rolle Russlands in gegenwärtigen ukrainischen Angelegenheiten.
Im Oktober 2021 stimmte der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, in einem Artikel zur Ukraine Putins Essay zu und erklärte, dass es keine Verhandlungen mit der Ukraine geben werde, bevor die ukrainische Regierung ersetzt sei.
Wladislaw Surkow, der von 2013 bis 2020 persönlicher Berater von Putin war, veröffentlichte ebenfalls einen Artikel zur Ukraine und anderen ehemaligen Gebieten der Sowjetunion. In dem Artikel stellt er die Legitimität der westlichen Grenze Russlands (inklusive der Grenzen zur Ukraine und zu den baltischen Staaten) in Frage und argumentiert, dass Russland den „bösen Frieden“ beenden solle, durch den es an seine gegenwärtigen Grenzen gebunden sei.
Laut RBK Daily ist der Essay in der Liste der Werke enthalten, die von Angehörigen des russischen Militärs studiert werden müssen.
Kriegsziele Russlands
Ideologische Grundlage der „putinistischen“ Politik Russlands ist das Ziel einer „Wiederherstellung“ der Russischen Welt. Als Gegner werden dabei die USA betrachtet, die die NATO und die EU vollständig kontrollieren und als Herrschaftsinstrument benutzen würden.
Putin hat bereits den Russisch-Ukrainischen Krieg – den er 2014 begonnen hatte – damit begründet, die NATO-Osterweiterung seit 1997 habe „russische Sicherheitsinteressen“ missachtet.[119]
Am 1. Dezember 2021 forderte er die NATO erneut auf, sich nicht mehr nach Osten zu erweitern. In konkreten, verbindlichen Vereinbarungen müsse sie „die Stationierung von bedrohlichen Waffensystemen in unmittelbarer Nähe des Gebiets der Russischen Föderation ausschließen“. Seiner Meinung nach habe die NATO sich nicht an frühere, mündliche Versprechen gehalten, dass die NATO sich nicht in Richtung Russland ausdehnt. Mittelfristig müsse die NATO-Osterweiterung rückgängig gemacht werden, da sie eine Bedrohung für Russland darstelle.
Quelle: “Niemand fühlt sich mehr sicher”, hatte Wladimir Putin 2007 bei seiner ersten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Hinblick auf die USA gesagt. Die Vereinigten Staaten würden der ganzen Welt ihre Vorstellungen aufzwingen. Und wenn Putin immer wieder betont, dass Russland versprochen wurde, die Nato käme nicht weiter in den Osten, dann ist das auch nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Der damalige Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Hans-Dietrich Genscher, sagte 1990 vor Journalisten, “dass nicht die Absicht besteht, das Nato-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten”. Tatsächlich gab es seit 1999 fünf Nato-Osterweiterungen. Ein klarer Verstoß gegen feste Zusagen? Nein, bewertet das der Osteuropa-Historiker Schulze Wessel:
“Das sind Aussagen einzelner Politiker gewesen, die keine vertraglich bindende Kraft haben und die auch zu einem Zeitpunkt erfolgten, als der Warschauer Pakt noch existierte und man sich eine Erweiterung der Nato auch noch gar nicht vorstellen konnte.” Martin Schulze Wessel, Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas
Am 22. Februar 2022 forderte Putin in einer Pressekonferenz von der Ukraine, sie müsse die Krim als russisches Staatsgebiet anerkennen, dürfe niemals der NATO beitreten und die Waffen, die ihr der Westen geliefert habe, nicht einsetzen. Dabei gehe es um die „Demilitarisierung“ der Ukraine.
Das Minsker Abkommen sei hinfällig. Umstrittene Fragen müsse die Ukraine vielmehr mit der Führung der „Volksrepubliken“ lösen. Putin behauptete nochmals, er werde russische Truppen „im Moment nicht“ in die Ukraine entsenden. Kurz zuvor hatte Russland die Unabhängigkeit der Separatisten-Regionen anerkannt; die Ukraine lehnte Verhandlungen mit ihnen ab. Denis Puschilin, der Chef der „Volksrepublik Donezk“, erklärte, er wolle die genauen Grenzen erst später klären.
Putin hatte schon 2021 ein Existenzrecht der Ukraine bestritten. Gemäß der russischen Propaganda sollen neben der Krim und dem Donbass weite Teile der Ostukraine künftig in der russischen Einflusssphäre bleiben, die „Westukraine könne in Teilen an Polen, Ungarn und Rumänien abgetreten werden.“ In einer Fernsehansprache am Morgen des 24. Februar, während einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, verkündete Putin, nachdem er noch tags zuvor alle Angriffspläne geleugnet hatte, den Beginn einer „militärischen Spezialoperation“ und bezog sich zur Rechtfertigung der Invasion unter anderem auf die NATO-Osterweiterung seit 1997, den Angriffskrieg gegen den Irak (2003) sowie auf den Überfall auf die Sowjetunion durch Nazideutschland im Jahr 1941:
„Die USA sind immer noch ein großes Land, eine systembildende Macht. Ihre Trabanten fügen sich nicht nur demütig und gehorsam, singen bei jeder Gelegenheit mit, sondern sie kopieren auch ihr Verhalten und akzeptieren begeistert die von ihnen vorgeschlagenen Regeln. […]“„Der weitere Ausbau der Infrastruktur des Nordatlantischen Bündnisses, die begonnene militärische Erschließung des ukrainischen Territoriums, ist für uns inakzeptabel. Das Problem liegt natürlich nicht bei der NATO-Organisation selbst – sie ist nur ein Instrument der amerikanischen Außenpolitik.“„Uns wurde einfach keine andere Möglichkeit als die, zu der wir heute gezwungen sind, gelassen. Wir müssen Russland und unser Volk verteidigen. Die Umstände verlangen von uns, dass wir entschlossen und sofort handeln. Die Volksrepubliken des Donbass haben Russland um Hilfe gebeten. In diesem Zusammenhang habe ich gemäß Teil 7 Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen mit Zustimmung des russischen Föderationsrates und in Umsetzung der von der Föderalen Versammlung am 22. Februar dieses Jahres ratifizierten Verträge über Freundschaft und gegenseitigen Beistand mit der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk den Beschluss gefasst, eine besondere militärische Operation durchzuführen.“„Gleichzeitig sehen unsere Pläne nicht vor, ukrainische Gebiete zu besetzen. Wir haben nicht die Absicht, jemandem etwas mit Gewalt aufzuzwingen. […]“
Zentrales anfängliches Kriegsziel Russlands war die Einnahme Kiews innerhalb weniger Tage zum Sturz der dortigen Regierung. Man rechnete offenbar nicht mit ernsthaftem Widerstand der Ukraine; russischen Soldaten sei gesagt worden, sie seien nach ein paar Tagen wieder zuhause.
Im März stellte das ukrainische Militär Unterlagen der russischen Schwarzmeerflotte sicher, die darauf hindeuten, dass Russland innerhalb von höchstens zwölf Tagen seine militärischen Ziele erreicht haben wollte. Nach dem Scheitern dieser Offensive konzentrierten sich die militärischen Kräfte Russlands seit Ende März auf den Osten und den Süden des Landes. Der russische Generalmajor Rustam Minnekajew erklärte am 22. April, dass Russland in der zweiten Phase des Krieges den Donbass im Osten sowie den kompletten Süden der Ukraine bis nach Transnistrien in der Republik Moldau einnehmen wolle.
Damit wäre die Ukraine komplett vom Schwarzen Meer getrennt. Minnekajew erklärte zudem, dass nicht nur in der Ukraine, sondern auch in der Republik Moldau die russischsprachige Bevölkerung unterdrückt werde. Das Außenministerium Moldaus bestellte aufgrund dieser Äußerungen den russischen Botschafter ein.Nachdem in Transnistrien zwei Radiomasten gesprengt wurden, die russische Radiosender übertragen hatten, warnte das russische Außenministerium am 26. April 2022 vor einem Szenario, in dem Russland intervenieren müsse. Moldaus Präsidentin Maia Sandu bezeichnete die Anschläge als einen Versuch, den Frieden in Moldau zu stören.
All die genannten Gründe von Putin sind nicht nur falsch, sondern erstunken und erlogen, einfach zu recherchieren.
Russische Propaganda
Bereits im März 2014 beschrieb Andreas Umland die minutenlangen Hass-Salven der russischen Propaganda;das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte schrieb im April, die Propaganda im Fernsehen Russlands hätte auch völkerrechtlich verbotene Hasspropaganda umfasst:
“Media monitors indicated a significant raise of propaganda on the television of the Russian Federation, which was building up in parallel to developments in and around Crimea. Cases of hate propaganda were also reported.”
„Medienmonitore ließen einen bedeutenden Anstieg von Propaganda im Fernsehen der Russischen Föderation erkennen, was sich parallel zu Entwicklungen in der und um die Krim aufbaute. Auch über Fälle von Hasspropaganda wurde berichtet.“
Im Juni 2014 wurde vom UNHCHR nochmals und explizit auf das auch von Russland unterschriebene völkerrechtliche Verbot von Hass- und Kriegspropaganda hingewiesen.
Die teils inszenierte und Jahre anhaltende, vor dem Überfall der Ukraine nochmals intensivierte Kriegspropaganda diente auch zur Schürung von Hass innerhalb Russlands gegenüber oppositionell gesinnten Russen. Stefan Meister sah darin auch eine „Rechtfertigungsgrundlage für militärische Gräueltaten“ auch gegen die Bevölkerung. Desinformation wird von Russland auch eingesetzt, um Belege russischer Kriegsverbrechen zu untergraben.
Quelle: Later in the morning, at 08:00 Moscow time, we tune in for the morning bulletin from television channel NTV, which is owned by a subsidiary of Gazprom, a Kremlin-controlled firm. It concentrates almost exclusively on events in Donbas, the region in the east of Ukraine where on 24 February, Russia stated it was beginning its “special military operation” to demilitarise and denazify Ukraine.
There is no mention of reports of the ominous miles-long military convoy snaking its way from Belarus in the north to Ukraine’s capital Kyiv, which, in the UK, leads the BBC Radio 4 news bulletin half-an-hour later.
“We start with the latest news from Donbas. LNR [Luhansk People’s Republic] fighters continue their offensive, having travelled 3km, while DNR [Donetsk People’s Republic] units have travelled 16km,” the NTV presenter says.
The presenter is referring to the Moscow-backed rebels who have been in control of the so-called Donetsk and Luhansk People’s Republics since Russia’s intervention in east Ukraine eight years ago.
Russland bezeichnete den Überfall vom Februar 2022 auf die Ukraine als „militärische Spezialoperation“. Den russischen Medien wurde die Verwendung des Wortes „Krieg“ und ähnlicher Bezeichnungen schon vor dem umfassenden Zensurgesetz vom 4. März durch die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor verboten. Die einzige verbliebene kritische Zeitschrift Russlands, die Nowaja Gaseta (Ende März eingestellt), untersuchte folglich den Begriff „militärische Spezialoperation“ und kam zum Schluss, dass der Begriff eine Aktion definiere, die nicht länger als zwei Wochen dauere. Am 10. März beteuerte Lawrow in der russischen Propaganda, es habe keinen Angriff auf die Ukraine gegeben.
Quelle: Russland verliert ein weiteres kritisches Medium: Die Zeitung “Nowaja Gaseta” setzt ihr Erscheinen aus, bis der Krieg in der Ukraine vorbei ist. Grund ist nach Angaben der Redaktion eine weitere Verwarnung der Regierung.Die wichtigste unabhängige Zeitung in Russland, die “Nowaja Gaseta”, setzt ihr Erscheinen aus. Diese Entscheidung gelte bis zum Ende der russischen “Spezialoperation” in der Ukraine, teilte die Zeitung mit. Der Krieg in der Ukraine darf in Russland laut einem verschärften Mediengesetz nicht mehr Krieg genannt werden. Eingestellt würden die gedruckte Zeitung, die Website und alle Aktivitäten in Online-Netzwerken.
Russland versuchte das propagandistische Narrativ der Denazifizierung der Ukraine auch durch eine seiner Auslandsvertretungen im Internet zu verbreiten. Für die Narrative der Propaganda wurde der Begriff des Raschismus verwendet, um die faschistischen Methoden des angeblichen russischen Antifaschismus zu erklären.
Quelle: “Die herrschende Ideologie ist ein Sammelsurium an Widersprüchen”, sagt der Philologe Gassan Gussejnow. Er hat Russland 2019 verlassen und die “Freie Universität” mitgegründet – eine Online-Hochschule für Lehrende, Studierende, sowie Wissenschaftler, die Russland verlassen mussten. Der traditionelle Antifaschismus, so Gussejnow, sei reine Rhetorik, die sich hemmungslos nationalsozialistischer Stilelemente bediene. So spreche Moskau der Ukraine seit Jahren das Existenzrecht ab und diffamiere die Regierung als vom Westen protegiertes Nazi-Regime. Dieses begehe angeblich einen Völkermord an russischsprachigen Menschen in der Ukraine und müsse mit Gewalt vernichtet werden – so wie Hitlerdeutschland durch die siegreiche Rote Armee.Der Rückgriff hat Methode: Die Behauptung, Nazismus in der Ukraine zu bekämpfen, habe sich in den Köpfen eingenistet und dient nach innen und nach außen als ultimative Begründung für den Einmarsch in das Nachbarland. Die heutige Ideologie bedient sich laut Gussenjow zugleich sowjetischer Traditionen. Etwa bei der Vorstellung, dass nicht die Demokratie, sondern die Einheit von Regierung, Bevölkerung und Armee wichtig sei. Kritiker und Kritikerinnen werden zum Beispiel als “Nationalverräter” diffamiert; als Gegner, die man wie Mücken ausspucken müsse – so fordert Präsident Wladimir Putin indirekt zum Vorgehen gegen Andersdenkende auf.
An russische Schulen wurden Unterrichtsmaterialien geliefert, die ab dem 1. März 2022 für spezielle „Sozialkunde-Lektionen“ zum Thema Krieg eingesetzt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt in den vorgegebenen Lehrertexten auch auf der Betonung der Verwerflichkeit von Antikriegs-Aktionen. Die Lehrer sollen den höheren Klassen die Argumente Putins vermitteln; es werden auch Antwortvorschläge für Schülerfragen gemacht: So soll die Frage, ob der Krieg nicht hätte vermieden werden können, dahingehend beantwortet werden, dass es kein Krieg sei, sondern eine Friedensmission zur Abschreckung von Unterdrückern.Im Bildungssystem in Russland herrschen nach einer relativ liberalen Phase zu Beginn der nachsowjetischen Ära schon seit Mitte der 2010er-Jahre wieder politische Kontrolle und Einschüchterung. Für die auf Listen geführten nicht linientreuen Schul- oder Studienabgänger sind zumindest Anstellungen beim Staat kaum möglich.
Russland behauptete, die Ukraine betreibe ein Netz von 30 Laboren, die „sehr gefährliche biologische Experimente“ mit dem Ziel durchführen würden, „virale Krankheitserreger“ von Fledermäusen auf den Menschen zu übertragen. Dabei gehe es unter anderem um Pest, Cholera und Milzbrand. Die Anschuldigungen wurden von westlichen Ländern als Desinformation und mögliche Vorbereitung einer Falsche-Flagge-Operation scharf verurteilt.
Quelle: Westliche Staaten haben Russland im Uno-Sicherheitsrat vorgeworfen, »wilde« Verschwörungsmythen über angebliche biologische Waffen der Ukraine zu verbreiten. Die britische Uno-Botschafterin Barbara Woodward sagte in New York, Russland habe die Sitzung zu angeblichen Biowaffen in dem angegriffenen Nachbarland nur beantragt, um »eine Reihe wilder, vollkommen haltloser und verantwortungsloser Verschwörungstheorien« zu äußern. »Lassen Sie es mich diplomatisch ausdrücken: sie sind kompletter Unsinn«, sagte Woodward weiter zu den russischen Vorwürfen. »Es gibt nicht den geringsten glaubwürdigen Hinweis, dass die Ukraine ein Programm für biologische Waffen hat.« Ähnlich äußerte sich die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield. Russland habe die Sitzung des Sicherheitsrats in New York »zu dem einzigen Zweck beantragt, zu lügen und Falschinformationen zu verbreiten«. Russland wolle offenbar selbst »unter falscher Flagge« chemische Waffen in der Ukraine einsetzen. »Russland ist bekannt dafür, fälschlicherweise anderen Ländern genaue jene Verletzungen vorzuwerfen, die es selbst begeht.«
Auch das Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen berichtete, dass keine Hinweise auf Biowaffenprogramme in der Ukraine vorlägen. Laut Foreign Policy handelte es sich bei diesem Vorwurf um eine Verschwörungstheorie, die wenige Stunden nach Beginn der Invasion von einem Twitter-Konto aus dem QAnon–Umfeld aus verbreitet wurde und von russischen und chinesischen Staatsmedien übernommen wurde. China greife das Thema gerne als Ablenkung auf, um nicht über den Krieg selbst sprechen zu müssen. Gesichert ist, dass die Weltgesundheitsorganisation der Ukraine empfahl, hochpathogene Krankheitserreger in ihren Laboren zu vernichten, um mögliche Ausbreitungen nach Angriffen zu verhindern, und die USA eigener Aussage zufolge daran arbeiteten, zu verhindern, „dass diese Forschungsmaterialien in die Hände der russischen Streitkräfte fallen“.
Dennoch wurde in Russland faktenfrei berichtet, dass es sich um ethnische Waffen handle, die nur Russen töten würden. Meduza kommentierte, dass das russische Militär offensichtlich in Biologie in der Schule einen Fensterplatz gehabt habe, aber auch „leidenschaftlich an rassistischen Theorien interessiert“ sei.
Der Buchstabe „Z“ des lateinischen Alphabets (dessen Entsprechung im kyrillischen Alphabet anders aussieht) ist eines von mehreren Zeichen auf Militärfahrzeugen der Streitkräfte Russlands, die an dem russischen Überfall auf die Ukraine beteiligt sind. Das ursprünglich militärische Zeichen wird als Symbol der Unterstützung und zur Staatspropaganda für den Angriffskrieg auf das Nachbarland verwendet. Das Zeichen ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Russlands „allgegenwärtig geworden“.[543][544][545]
Was hinter dem Zeichen Z steckt:
Die Markierungen an russischen Panzern und Militärfahrzeugen im Ukraine-Krieg fielen sofort auf. Mittlerweile fahren auch Unterstützer des Putin-Regimes in Russland mit einem weißen Z an Privatautos durch die Gegend. In den Sozialen Netzwerken gibt es ebenso eine entsprechende Z-Kampagne.
Neben dem Buchstaben Z taucht auch immer wieder der Buchstabe V auf, ebenfalls in weißer Farbe an Militärfahrzeugen. Was steckt dahinter?
- Die Flagge Russlands besteht auf drei Streifen in den Farben Weiß-Blau-Rot. Sie geht zurück auf Zar Peter I. aus de Jahr 1699.
- Weiß soll für den Glaube stehen, Blau für Ehrlichkeit und Hoffnung, Rot für Liebe und Mut.
- Die panslawischen Farben Weiß-Blau-Rot kommen auch in anderen Flaggen vor (Serbien, Kroatien, Slowakei, Slowenien, Tschechien).
- Im Staatswappen findet sich ein Doppeladler sowie das Moskauer Wappen, mit einem mittelalterlichen Ritter, der gegen einen Drachen kämpft.
- Der Reiter soll für den Kampf “Gut gegen Böse” stehen.
- Der Doppeladler taucht auch in anderen Wappen auf, etwa in den Staatswappen von Serbien, Albanien, des bayerischen Regierungsbezirks Schwaben, aber auch im Stadtwappen von Duisburg.
Die staatliche Propaganda Russlands verwendete unter anderem Ausschnitte aus einem künstlerischen Film als angeblichen „Beweis“ dafür, dass das Massaker von Butscha eine „Inszenierung“ gewesen sei.