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„Harter Kern“: 8 Fakten zur rechten Terrorgruppe, von der du vielleicht nicht gehört hast

von | Feb 18, 2020 | Aktuelles, Kommentar

„Bürgerkriegsähnliche Zustände“ & ideologische nähe zu Höcke:

Eine Neo-Nazi Terrorzelle, die sich „Harter Kern“ nennt und die Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant hatte, wurde vergangenen Freitag von der Polizei hoch genommen. Dabei wurden Waffen und Sprengstoff sichergestellt. Die zwölf Festnahmen machen deutlich, welche Gefahr von Rechtsextremen in Deutschland ausgeht. Dennoch: Keine Talkshows, keine Sondersendungen, keine breiten Debatten über die Gefahr des Rechtsextremismus. Für viele Medien hat es nicht einmal für die Titelseite gereicht.

Deshalb haben wir die wichtigsten Fakten zur Terrorzelle „Harter Kern“ gesammelt, wie sie mit der (Ideologie der) AfD zusammenhängt und wie gefährlich Rechtsterrorismus in Wahrheit ist.

1. Plan der Terroristen

Laut Medienberichten soll die Terrorgruppe geplant haben, durch gezielte Anschläge auf Moscheen und Politiker*innen die gesellschaftliche Ordnung in Deutschland erheblich ins Wanken zu bringen. Die Rede ist von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. So sollen die Terroristen vorgehabt haben, mehrere Moscheen in ganz Deutschland zu attackieren und dort Massaker anzurichten. Als Reaktion darauf erwarteten die Terroristen, dass islamistische Terroristen zurückschlagen würden und Anschläge auf die deutsche Bevölkerung durchführen würden. Dadurch solle ein Klima entstehen, welches den Hass der Bevölkerung auf Ausländer derart steigere, dass dadurch ein Bürgerkrieg entstünde und durch diesen die Regierung abgesetzt werden könne. Welch ein kranker Gedankengang (Link)!

2. „Soldiers of Odin“, Details zur Terrorgruppe „Harter Kern“

Nach bundesweiten Razzien gegen die Terrorgruppe wurden am Wochenende Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier Mitglieder und acht Unterstützer, darunter ein Verwaltungsbeamter der Polizei Nordrhein-Westfalen, befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Mittlerweile sickern immer mehr Einzelheiten zu Mitgliedern der Terrorgruppe durch. Unter den Festgenommenen befinden sich angeblich regionale Anführer der Soldier-of-Odins-Abspaltung Vikings Security Germania, einer deutschlandweit agierenden Neonazi-„Bürgerwehr“, die sich in Divisionen aufteilt. Bei Steffen B. fanden Ermittler eine selbst gebaute Slam Gun, eine großkalibrige, selbst gebaute Waffe, wie sie auch der Halle-Attentäter Stephan B. verwendete. Steffen B. teilte auf Facebook Artikel wie “Neonazis rüsten sich mit Kampfsport für den Tag X”. Außerdem sollen die Täter mit AfD Politikern auf Facebook befreundet gewesen sein (Quelle).

3. Narrativ vom Bevölkerungsaustausch mit Höcke gemein

In ihren Chats sind die Terroristen zu ihrer Einschätzung gekommen: Wenn die Muslime nach den Anschlägen zum Gegenangriff übergehen und es in Deutschland zu Ausschreitungen kommt, werde die Bevölkerung „aufwachen“ und sich in einem Aufstand gegen das politische System wehren. Dann solle einem Großteil der Bevölkerung bewusst werden, dass eine „Umvolkung“ und ein „Bevölkerungsaustausch“ stattgefunden habe, was seit Jahren auch von Teilen der AfD und Björn Höcke (Quelle) immer wieder in der politischen Diskussion behauptet wird. Auch der Christchurch und der Halle Attentäter beriefen sich auf dieses Narrativ (Quelle).

Politik dechiffriert Teil 6: „Umvolkung“ – Die Nazi-Ideologie in der AfD

4. Zahlen zum Rechtsextremismus in Deutschland

Von 24.000 Rechtsextremisten, die es in Deutschland gibt, werden 12.700 als gewaltorientiert eingeschätzt. Tendenz steigend (Quelle). 500 polizeilich gesuchte Rechtsextremisten sind derzeit noch auf freiem Fuß (Quelle).

5. Führerloser Widerstand

Sich in kleineren Zellen zu organisieren hat System. Laut Rechtsextremismus-Forscher Hans-Gerd Jaschke handelt es sich bei dieser und anderen Terrorgruppen um einen sogenannten „Führerlosen Widerstand“. Dadurch soll es den Rechtsextremisten eher möglich sein, den Sicherheitsbehörden zu entgehen.

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6. „Entgrenzung des Rechtsextremismus“ & „Endzeit- und Bürgerkriegsszenarien“

Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise häufen sich laut Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern Hinweise auf eine „Entgrenzung des Rechtsextremismus“. Über die aktuelle politische Lage werde in der Szene in „Endzeit- und Bürgerkriegsszenarien“ diskutiert, heißt es in einer Analyse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. „Es besteht die Gefahr, dass sich in diesem ideologischen Umfeld rechtsterroristische Strukturen oder Einzeltäter entwickeln könnten“, warnte die Düsseldorfer Behörde. Sie wies in ihrer Analyse auch auf die Rolle der sogenannten „Neuen Rechten“ und des „Flügels“ der AfD um Björn Höcke hin. Ziel der Neuen Rechten sei es, die gesellschaftliche Stigmatisierung des Rechtsextremismus zu überwinden und anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft zu werden (Quelle). Der „Flügel“ wird teilweise vom Verfassungsschutz beobachtet, ebenso Björn Höcke persönlich (Quelle).

7. Muslime fühlen sich im Stich gelassen

Von der Deutschen Welle wurde der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Abdassamad El Yazidi, zur Terrorgruppe befragt:

„Das Ganze erreicht in Deutschland eine nie dagewesene Dimension. Die Muslime sind höchst verunsichert. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Sie überlegen, was sie machen können, um ihre Gebetsstätten zu schützen. Und was sie am meisten verunsichert und verängstigt, ist diese Gleichgültigkeit, mit der solche Schreckensmeldungen eben nicht kommentiert werden in der Gesellschaft. Dass es kein Aufrütteln gibt, keine klare, starke Solidaritätsbekundung gibt in der Form, die man sich wünscht.“ (Quelle)

8. Vereitelung durch die Polizei: Danke!

Laut Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio gab es einen hochrangigen Informanten der Polizei, der Mitglied der „Gruppe S.“ war. Bei diesem handelt es sich um eine dreizehnte Person, die am Freitag nicht festgenommen wurde, was Spekulationen über einen V-Mann oder einen Verdeckten Ermittler ausgelöst hatte. Insgesamt ist hier die Arbeit der Polizei zu loben, die durch ihre Ermittlungen schlimmeres verhindert hat. Danke! (Quelle)

Es ist jedoch erschreckend, wie wenig Aufmerksamkeit einer derartigen rechtsextremen Gruppe geschenkt wird. Rechtsterroristen, die einen Bürgerkrieg auslösen und grauenhafte Massaker verüben wollten werden weniger heftig diskutiert als Ausschreitungen zu Silvester in Connewitz. Umso wichtiger ist es, dass das Ausmaß der Bedrohung möglichst vielen Menschen klar wird: Verbreitet die Meldung und diese Fakten, denn es kann nicht sein, dass WELT, FAZ und der Focus wahnwitzigerweise Artikel veröffentlichen, die vor „Linksextremismus“ warnen, während derartige Terrorgruppen wie „Harter Kern“ von den Behörden festgenommen werden.



Artikel: Andreas Bergholz, Artikelbild: Lothar Drechsel, shutterstock.com