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Kubicki verglich Habeck mit Putin, Kemmerich will mit AfD abstimmen?

von | Mrz 22, 2023 | Aktuelles

Kommentar

Was ist mit der FDP los? Diese Frage muss man sich stellen, wenn man sich aktuelle Statements anschaut, die führende FDP Politiker wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki oder der Thüringer Landesvorsitzende Thomas Kemmerich von sich gegeben haben. Kemmerich meinte, man könne mit der AfD Mehrheiten bilden und Kubicki verglich Habeck mit dem Diktator Putin. Kubicki entschuldigte sich immerhin im Anschluss. Aber wie viel Rechtspopulismus und Entgleisungen will die Parteispitze noch zulassen? Oder ist das kalkuliert? Das wäre auch aus Eigennutz ein Irrweg.

Kubicki vergleicht Habeck mit Kriegsverbrecher Putin 

Bei „Massengeschmack.tv“ verglich FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Kubicki Wirtschaftsminister Habeck allen Ernstes mit dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin. Konkret meinte Kubicki, Habeck hätte ein ähnliches Verständnis von Freiheit wie Putin. Also der Diktator, der Menschen verschwinden lässt und andere Länder überfällt. Im ganzen Ausschnitt sagt Kubicki: 

„Ich fand das so interessant, weil Robert Habeck so auf einem Bundesparteitag seiner Partei argumentierte. Ich hab erst gedacht, er hätte etwas geraucht, als er die ganze Zeit von Freiheit sprach. Dann kam raus, Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit. Das bedeutet, wer sich selbst freiwillig unterwirft, ist wirklich frei, wer dagegen opponiert, dass er sich unterwerfen muss, wer eigene Entscheidungen treffen muss, der sei in Wahrheit unfrei, denn er ist ja gezwungen zu opponieren. Das ist ein Freiheitsbegriff, den Wladimir Putin völlig problemlos auf sein eigenes Herrschaftsmilieu setzen.“

(Nachfrage) „Sie meinen Putin und Habeck haben einen ähnlichen Freiheitsbegriff?“ 

„Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte besser weiß für die Menschen, was gut für sie ist und sie nicht mit Gewalt, das würde Putin machen, Habeck nicht, der würde das mit Verboten machen, da die Durchsetzungen dieser Überlegungen durch staatliche Macht.“

Wie viel AfD steckt da drin?

Da muss man sich milde gesagt schon wundern. Einen solchen Kommentar über Habeck würde man vielleicht von AfD-Politikern oder manch einen in der Union erwarten, nicht aber vom Koalitionspartner und schon gar nicht von einem Vizepräsidenten des Bundestages. War dieser Kommunikationsstil von Herrn Kubicki gemeint, als er nach der Wahlniederlage in Berlin meinte „Da kann sich der Robert gehackt legen. Die Zeit des Appeasements ist vorbei?

Jedenfalls ist ein solcher Kommentar unhaltbar und völlig über die Stränge geschlagen. Das bemerkte Kubicki im Nachgang auch selbst, rudert zurück und entschuldigte sich immerhin bei Habeck. „Völliger Quatsch und eine Entgleisung“, sagte er über seine Aussage. Habeck sei ein aufrechter Demokrat.

Dabei sei aber angemerkt, dass es eine gängige Strategie von Populisten ist, mit ihrer Rhetorik die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, um im Nachgang sich gleich dafür zu entschuldigen und es nicht so gemeint zu haben. So kann man Unsagbares sagen und trotzdem größtenteils ohne Konsequenzen leben, weil man sich entschuldigt habe. Kubicki sollte Politprofi genug sein, um eine solche Bemerkung nicht aus Versehen fallen zu lassen. Es ist ja auch nicht die erste Provokation Kubickis.

Die Botschaft, die Kubicki gesendet hat, verfängt jedenfalls auch trotz der Entschuldigung, hier beim NRW FDP Politiker Gerhard Papke, der die Abwahl Habecks als „Tag der Befreiung“ bezeichnete. In der FDP wird offenbar ganz bewusst mit einer Sprache ganz wie aus der AfD gespielt.

Kemmerich will mit AfD Mehrheiten bilden?

Derweil macht praktisch zeitgleich der Landesvorsitzende der FDP Thüringen, Thomas Kemmerich, von sich Reden. Das war der FDP-Politiker, der sich kurz von der Rechtsextremen Höcke AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen hatte wählen lassen, um dann kurz darauf, wieder zurückzutreten, weil der Skandal zu groß geworden ist. Auch „spazierte“ er zu Beginn der Corona-Pandemie gemeinsam mit der AfD gegen Corona-Maßnahmen.

In einem Talkformat, in dem Rechtspopulisten öfter vom „Niedergang Deutschlands“ schwadronieren, meint Kemmerich, dass man trotz oder mit der AfD Mehrheiten finden werde, der wahre politische Widersacher sei „die politische Linke“.

Der Chefredakteur eines der Sprachrohre der Neuen Rechten, die „Junge Freiheit“, die als AfD-nah gilt, griff das Video auf und wies auf die Möglichkeit einer von der AfD geduldeten Minderheitsregierung hin, die Kemmerich befürworten solle.

Und auch hier kommt es zum Zurückrudern. Kemmerich antwortete darunter, dass es keine „konstitutionelle Zusammenarbeit“ mit der AfD geben werde. Was hier jedoch bemerkenswert ist, Kemmerich schließt hier nur eine regierungsbildende Zusammenarbeit mit der AfD aus, nicht aber, bei politischen Themen Mehrheiten mit der AfD organisieren zu wollen. Ein deutliches Warnsignal, dass die FDP in Thüringen wieder versuchen wird, Grenzen zu überschreiten.

Wer Koalitionspartner wie die FDP hat, braucht keine Feinde mehr?

Wir haben also einen Herrn Kubicki, der „aus Versehen“ Putin mit Habeck vergleicht und einen Herrn Kemmerich, der nicht ausschließen kann, gemeinsame Politik mit der AfD machen zu wollen. Hinzu kommt Mitglied des FDP-Bundesvorstandes Gerald Ullrich, der die Grünen mal wieder in Richtung „DDR Unrechtssaat“ rücken möchte:

Wohlgemerkt bei einem Vorhaben, dass so im Koalitionsvertrag zwischen Grüne, SPD und FDP festgelegt wurde.

Dass aber festgelegte Positionen aufgekündigt werden, wissen wir ja auch schon von FDP Verkehrsminister Wissing, der selbst eine europaweite Einigung und abgestimmte Position der Bundesregierung beim Verbrenner-Aus boykottiert, obwohl er ihr bereits zugestimmt hatte, solange keine Hintertür für mit E-Fuel laufende Verbrenner eingebaut wird. Ein offenkundiger Alleingang der FDP. Nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch unter europäischen Liberalen und in der gesamten EU. Einen Kompromissvorschlag der nun genau das umsetzt, was die FDP wollte, wird nun auch abgelehnt.

Natürlich ist der Druck auf die FDP nach fünf verlorenen Landtagswahlen in Folge groß. Umfragen sehen die FDP an der 5 % Grenze. Dennoch ist der derzeitige Kurs der FDP, von Blockadehaltungen, Brechen von Absprachen bis zu regelmäßigen sprachlichen Entgleisungen nicht haltbar. Die FDP ist Teil der Regierung, nicht der Opposition. Sie verhält sich aber nicht so. Die Strategie der FDP scheint, sich so stark wie möglich von Grünen (und SPD) abzugrenzen, um Wähler von der Union zurückzugewinnen

Das wird nicht aufgehen, weil womöglich genau dieses Verhalten der Grund ist, warum sich so viele von der FDP abwenden. Ein derartiges Verhalten ist auf Dauer in der Ampelregierung nicht tragbar und auch nicht den Bürger:innen zu vermitteln. Das Bedienen von Rechtspopulismus stärkt nachhaltig nur Rechtspopulisten – wie die AfD.

Derweil ist Wirtschaftsminister Habeck alarmiert darüber, dass Regierungsvorhaben (Heizungsreform) vorab der unseriösen BILD Zeitung gesteckt werden. Er zweifelt daran, ob da überhaupt ein Einigungswille vorhanden ist. Ob er damit die FDP meinte? Die FDP muss sich selbst fragen, ob sie wirklich weiter so einen destruktiven Politikstil verfolgen möchte. Weder ihr, noch der Koalition, noch der politischen Debatte in Deutschland scheint dieses Theater einen Mehrwert zu bringen.

Artikelbild: Juergen Nowak