Der Twitter-User “NightmareKeks” nutzte unter anderem einen diffamierenden und beleidigenden Hashtag gegen den “Querdenker” Markus Haintz, den wir an dieser Stelle nicht wiederholen wollen, weil er auch unsachlich ist und keine inhaltliche Kritik enthält. Haintz, der sich wohl als Kämpfer für die Meinungsfreiheit sieht, ist inzwischen bekannt dafür, sehr regelmäßig und oft auch gegen legale Äußerungen seiner Kritiker:innen juristisch vorzugehen. Anwälte wie Chan-jo Jun kritisieren so ein Vorgehen als “SLAPP-Klage“, die der Einschüchterung dienen soll. Haintz war kürzlich wieder im Gespräch als besonders er prominent dabei auffiel, die extremistische Querdenken-Szene gegen eine Kinderarztpraxis aufzuhetzen.
Jedenfalls erhielt “NightmareKeks” für die Nutzung des Hashtags und einiger anderer legaler Aussagen eine Abmahnung mit einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, die er zu unterzeichnen hatte und in welcher auch von einer Vertragsstrafe vorgesehen war. Anwalt Jun bezeichnete große Teile dieser Abmahnung ebenfalls als das für Haintz wohl inzwischen typische “Quatschjura”. Der Twitter-Nutzer verpflichtete sich außergerichtlich zu Unterlassung. Haintz verklagte ihn anschließend trotzdem auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 9.000 €. Bereits hier konnte Haintz aber einen Großteil seiner Ansprüche nicht durchsetzen. Das Verfahren endete nämlich in einem Vergleich: Haintz erhielt eine Vergleichszahlung, musste aber 4/5 der Kosten des Verfahrens tragen.
Der Twitter-Nutzer löschte jedoch nicht vorherige Tweets mit dem abgemahnten Hashtag, was auch in Haintz’ Abmahnung nicht gefordert worden sein soll. Obwohl Haintz die Unterzeichnung der Unterlassung erhielt, zog der abmahnfreudige Anwalt aber gleich noch mal vor Gericht, unter anderem weil die alten Tweets nicht gelöscht worden waren. Er forderte für jeden Tweet mit dem verwendeten Hashtag eine Geldzahlung. Aber nicht nur das: Auch sollte der Twitter-Nutzer Strafe dafür zahlen, dass Anwalt Jun über den Fall berichtet hatte. Kein Scherz. Jun spekulierte, was für Bewegungsgründe der “Querdenker” haben könnte – die Einschüchterung von Kritiker:innen wie das Verursachen von hohen Kosten für diese, um diese mundtot zu machen könnte ein Grund sein.
Damit kam “Querdenker” Haintz aber natürlich nicht durch.
9.000€ “Vertragsstrafe” für insgesamt 12 Tweets
Gefordert hatte Markus Haintz vom Twitter-Nutzer insgesamt 9.000€. Begründet wurde dies damit, dass Anwalt Chan-jo Jun seine juristische Einschätzung auf YouTube als so etwas wie eine “Auftragsarbeit” veröffentlicht hätte. Der User sollte also für ein Video, welches eine andere Person auf YouTube lud, eine Strafe zahlen müssen. Spannendes Rechtsverständnis, was Markus Haintz (übrigens selbst Anwalt…) da hat. Der Anwalt Chan-jo Jun war daher als Zeuge geladen.
Wir können schonmal vorwegnehmen, dass sich die Tatvorwürfe gegen Anwalt Jun bzw. den Twitter-Nutzer nicht erhärten ließen, ganz im Gegenteil. Jun hat diesen Fall aus ureigenem Interesse am sog. “Quatschjura” aufgegriffen und kommentiert. Chan-jo Jun hat es sich seit der Klage von Ballweg gegen den Goldenen Aluhut zum Hobby gemacht, absurde Rechtssituationen auf YouTube zu kommentieren. Seine Einschätzungen teilt er seitdem regelmäßig mit allen “Freunden des Rechts”. Hier gibt es noch einmal alle Informationen wie das damals mit Chan-jo Jun und YouTube begann:
ProzessKosten – Wer zahlt was?
Der ganze Prozess wurde jetzt ein wenig teurer für Markus Haintz, als er zuvor geplant und auch gehofft haben dürfte. Der Rechtsanwalt Chan-jo Jun trat dem Prozess nämlich nicht nur als Zeuge, sondern auch noch als Streithelfer bei und machte seine Auslagen dafür geltend. Statt lediglich 25€/h für einen Zeugen, konnten nun Kosten und Auslagen als prozessbeteiligter Anwalt geltend gemacht werden. Allein durch den Beitritt von Jun stieg der Streitwert ordentlich an – und zwar auf nun insgesamt 13.800€. Das rechnete er auch im folgenden Tweet vor:
Das (End-)Urteil ist eindeutig – Markus Haintz ist der Verlierer
“Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet. Die Zahlungsklage ist teilweise begründet.” Fertig. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. “Querdenker” Haintz verlangte 12x 400€ für Tweets, die vor der Unterlassungserklärung gepostet, aber noch nicht gelöscht wurden. Allerdings stand in der Erklärung nur, dass der Twitter-Nutzer diese beleidigenden Aussagen künftig(!) nicht mehr tätigen darf. Der Kläger Markus Haintz, wie gesagt selbst Anwalt, hat in der Erklärung, die er selbst formuliert hat, nichts zu vorherigen Tweets geschrieben. Nach Würdigung der Aussagen und Stellungnahme seitens der Verteidigung blieb ein einziger Tweet übrig. Übrig blieb also 1x 400€. Die restlichen Kosten trug allesamt der Kläger.
Chan-jo Jun fasste Prozess und Urteil unmittelbar nach der Verkündung auch noch einmal auf YouTube zusammen:
Der User muss nur einmalig 400€ (plus Zinsen) an Markus Haintz zahlen und nicht wie Haintz es wünschte, für jede einzelne Abmahnung bzw. jeden Tweet mit dem beklagten Hashtag. Zusätzlich muss Markus Haintz jetzt allerdings auch noch die Kosten des Rechtsstreits plus die Kosten des Streithelfers (also Chan-jo Juns Auslagen) zahlen. Das wären in Summe und nach den obigen Berechnungen in etwa 7.000€, die sich mit den 400€ + Zinsen von “NightmareKeks” nicht ganz aufheben werden. Das hat Haintz aus eigener Tasche (z.B. durch Schenkungen/Spenden aus seiner Bubble) zu begleichen.
War’s das jetzt?
Weiß man nicht. Im Livestream von Chan-jo Jun und Markus Haintz wirkte Haintz durchaus “überfahren” vom Urteil, welches Jun ihm mitteilte (ab Minute 24:04, Urteil ab Minute 25:06):
Markus Haintz hätte als einziger der drei Beteiligten nun noch die Möglichkeit, die nächste Instanz (das Oberlandesgericht) mit der Klage zu befassen. Allerdings scheiterte er bereits in dem anderen Verfahren gegen den Twitter-Nutzer NightmareKeks am Landgericht Ellwangen. Nun scheiterte Haintz auch am Landgericht Kempten. Reelle Chancen bei gleichzeitig nach wie vor bestehendem Kostenrisiko sind da eher nicht vorhanden, aber es wäre sein gutes Recht und als fähiger Anwalt wird er sehr wahrscheinlich die für ihn passenden Schlüsse aus dem aktuellsten Verfahren ziehen. Nach aktuellem Stand (01.11.2022) ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Wird es weitere Prozesse gegen andere Twitteruser geben?
Weiterhin hat er ja noch mehrere weitere Abmahnungen an andere Twitteruser verschickt. Sollte er jedoch ebenso wieder den Klageweg beschreiten wollen, sollte er vielleicht nach dem aktuellen Urteil noch einmal gut überlegen, ob das langfristig und in der Masse finanziell so darstellbar für ihn ist.
Korrekturhinweis: Wir berichteten an dieser Stelle, dass sich Twitter-Nutzer NightmareKeks und RA Haintz in einem Vergleich darüber geeinigt hatten, dass bestimmte Hashtags nicht mehr benutzt werden. Das war so nicht richtig und wir haben die betreffende Stelle korrigiert. Korrekt ist: NightmareKeks hat sich in zwei Unterlassungserklärungen dazu verpflichtet, unterschiedliche Äußerungen zu unterlassen. Auch berichteten wir darüber, dass RA Haintz am Amtsgericht Ellwangen gegen NightmareKeks gescheitert sei. Tatsächlich scheiterte RA Haintz aber vor dem Landgericht Ellwangen, da haben wir die korrekten Bezeichnungen durcheinander gebracht. Die Verfahren vor dem LG Ellwangen und dem LG Kempten sind inhaltlich nicht miteinander verbunden.
Artikelbild: Jörg Carstensen/dpa