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Diese 3 Dinge hätte die Regierung in der Corona-Krise besser machen können

von | Apr 17, 2020 | Aktuelles, Analyse, Corona

Corona-Grundeinkommen & Krisenkommunikation: Das hätte man besser machen müssen!

Allgemein sieht die Corona-Krisenlage in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Welt relativ stabil aus: Die Ausbreitung des Virus wurde gewaltig verlangsamt, es kam bisher nicht zu einem Kollaps unseres Gesundheitssystems. Das Lob auf die Regierung ist im ganzem Land so hoch wie lange nicht und die Union verzeichnet auch wieder viel Stimmenzuwachs (Quelle).

Und auch wir vom Volksverpetzer sind größtenteils zufrieden mit der Krisen-Politik der Bundesregierung, gerade wenn man sieht, wie andere Staaten die Pandemie behandelt haben. Dennoch hätte man in den vergangenen Wochen ein paar Dinge besser machen können. Was wir uns gewünscht hätten in Kurzform:

  • Die Regierung hätte den Leuten den ganzen Plan erläutern sollen. #FlattentheCurve war nicht alles. Einfach nur die Kurve abflachen, war und ist nicht das Ende vom Lied. Den ganzen Plan nicht detailliert erklärt zu haben, rächt sich jetzt.

 

  • Man hätte die Bevölkerung nicht nur vor dem Virus warnen sollen, sondern auch vor den kurzfristigen, aber harten, wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen, die viele kalt erwischt haben. Die Menschen hätten klar darüber informiert werden müssen, was auf sie zukommt. Und das am besten Wochen im Voraus.

 

  • Die Corona-Krise wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, um ein bedingungsloses Grundeinkommen (Corona-Einkommen) zu testen, und damit die Gesellschaft zusammenzuhalten und niemanden im Stich zu lassen. Gerade diejenigen, die aufgrund der Maßnahmen ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten und können und die dadurch Existenzängste haben, hätten damit aufgefangen werden können. Geld scheint ja genug da zu sein.

1. Krisenkommunikation der ganze Plan hätte kommuniziert werden sollen

Spulen wir gedanklich ein wenig zurück und springen wir in die Woche, in der alles ernst wurde und Merkel ihre Ansprache im Fernsehen gehalten hat (Mittwochabend, 18. März). Hier ein paar Auszüge zur Erinnerung (Quelle):

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), aufgenommen bei der Aufzeichnung der Fernsehansprache im Bundeskanzleramt zum Verlauf der Corona-Pandemie.

Solange das so ist, gibt es nur eines, und das ist die Richtschnur all unseres Handelns: die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, sie über die Monate zu strecken und so Zeit zu gewinnen. Zeit, damit die Forschung ein Medikament und einen Impfstoff entwickeln kann. Aber vor allem auch Zeit, damit diejenigen, die erkranken, bestmöglich versorgt werden können.

Also: Es geht darum, das Virus auf seinem Weg durch Deutschland zu verlangsamen. Und dabei müssen wir, das ist existentiell, auf eines setzen: Das öffentliche Leben, soweit es geht, herunterzufahren. Natürlich mit Vernunft und Augenmaß, denn der Staat wird weiter funktionieren, die Versorgung wird selbstverständlich weiter gesichert sein und wir wollen so viel wirtschaftliche Tätigkeit wie möglich bewahren.

Ich appelliere an Sie: Halten Sie sich an die Regeln, die nun für die nächste Zeit gelten. Wir werden als Regierung stets neu prüfen, was sich wieder korrigieren lässt, aber auch: Was womöglich noch nötig ist.

Diese Situation ist ernst und sie ist offen.

Das heißt: Es wird nicht nur, aber auch, davon abhängen, wie diszipliniert jeder und jede die Regeln befolgt und umsetzt.

Wir müssen, auch wenn wir so etwas noch nie erlebt haben, zeigen, dass wir herzlich und vernünftig handeln und so Leben retten. Es kommt ohne Ausnahme auf jeden Einzelnen und damit auf uns alle an.“

Wieso ist diese Rede so wichtig?

Die Rede eines Staatsoberhauptes im Fernsehen ist die wirkungsmächtigste Kommunikationswaffe einer Regierung in einer Krise. Vor allem die erste Rede, die innerhalb einer Krise gehalten wird, genießt die maximale Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Medien. Was hier kommuniziert wird, erreicht das ganze Land und nahezu jeden Haushalt. Diese Rede war das erste Mal, dass Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Amtszeit (bald 16 Jahre) zu diesem Instrument gegriffen hat. Bei dieser Rede war folgendes entscheidend: Wenn große Teile der Bevölkerung diese Rede hören, muss diese Rede sitzen. Und das, was die Bevölkerung wissen sollte, muss klar rüberkommen.

Die Rede von Angela Merkel am Abend des 18. März hatte einen Schwerpunkt: Soziale Distanzierung und zwar JETZT! Das war als Kernmessage auch absolut notwendig. Was sie aber vernachlässigt hat, war eine zeitliche Dimension in ihre Rede einzubauen und der Bevölkerung den ganzen Plan zu erläutern. Das holte dann die Youtuberin MaiLab in einem eindrucksvollen Video nach.

Corona: Erst am Anfang

Die Chemikerin (Universität Mainz und am Massachusetts Institute of Technology [MIT]. Ab 2012 arbeitete sie als Doktorandin an der RWTH Aachen, der Harvard University und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung), Wissenschaftsjournalistin, Bestsellerautorin und Youtuberin MaiLab veröffentlichte am 2. April (knapp 2 Wochen nach Merkels Rede) ein Video, das es in sich hat: Das Video “Corona geht gerade erst los” (Quelle) erklärt, wie lange wir die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch aushalten müssen. Und holt nach, was Merkel nicht kommunizierte:

“Eins vorweg: Es ist natürlich richtig, dass wir gerade auf die Daten über die Wirksamkeit der Maßnahmen warten. Die haben wir erst in 2- 3 Wochen, darüber will ich hier jetzt auch nicht spekulieren. Ich mein, es ist ja auch richtig und wichtig im Nebel auf Sicht zu fahren, aber wir wollen doch trotzdem wissen, wie lang die Straße sein wird. Und die Sache ist die: Über die länge der Straße wissen wir jetzt schon ziemlich gut Bescheid und bei all der Berichterstattung über die Corona-Krise ist genau das ein Punkt, über den meiner Meinung nach zu wenig diskutiert wird.

[…]

Bei vielen herrscht aufgrund von #flattenthecurve der falsche Eindruck:

Der Lockdown ist heftig, aber wir geben alles. Hoffentlich kriegen wir die Kurve so flach, dass wir vielleicht nach Ostern, vielleicht ein bisschen später das Ganze einigermaßen glimpflich hinter uns gebracht haben.

Diese Vorstellung ist leider realitätsferne Phantasie.”

In ihrem Video erläutert Mai, dass es nur mit #Flattenthecurve eine Ewigkeit dauern würde, die oft propagierte „Herdenimmunität“ zu erreichen.

Dazu führt sie aus:

“Und das geht nicht! Wir sehen ja jetzt schon, welche immensen Schäden für die Volkswirtschaft zu erwarten sind. Da hängen Existenzen und damit auch Menschenleben dran. Und auch, welche allgemeinen gesellschaftlichen, auch psychologischen Folgen das langfristig hätte. Das können wir derzeit noch gar nicht fassen.

[…]

Wenn die Größenordnung nicht völlig daneben ist, dann ist #Flattenthecurve bis zur Herdenimmunität nicht durchhaltbar.

[…]

Wenn ich heute in die Medienberichte schaue, dann wird immer noch der Eindruck vermittelt, als sei #Flattenthecurve immer noch der Masterplan. Wie kann das sein, wenn das so nicht aufgehen wird?”

Der ganze Plan lautet nämlich zur Phase 1, dem „Containment“ der Pandemie, zurückzukommen und in dieser halbwegs erträglichen Phase, in welcher wir viele Freiheiten zurückerlangen, solange zu verbleiben, bis es einen Impfstoff gibt. Wir drücken die Zahl der Neu-Infizierten auf ein Niveau herunter, um unser Gesundheitssystem zu retten, ja, das war eines der Ziele der Strategie. Das wesentliche Ziel war aber die Zahl der Neu-Infizierten so niedrig zu bringen (Faktor R/Repoduktionszahl/Ansteckungsrate/Wie viele Personen steckt ein Bürger im Schnitt an), dass es wieder möglich ist, einzelne Fälle, deren Kontaktketten zu verfolgen, zu brechen, Zuhause in Isolation zu stecken und frühzeitig behandeln zu können. In Südkorea erwies sich genau diese Strategie als sehr erfolgreich (Quelle). Die ganze Strategie haben wir hier erläutert:

Der beste Weg, wie wir Corona schlagen: Wir müssen zurück zu Phase 1

#Flattenthecurve war nie der ganze Plan.

Es machte aber nach Merkels Rede den Eindruck, als sei das der Masterplan. Entsprechend ist es nachvollziehbar, dass sich viele Bürger dadurch auch anders auf die kommenden Wochen vorbereitet haben („Alles klar, wir ziehen das jetzt so durch und in ein paar Wochen ist alles wieder normal“). Scheinbar merkten auch die öffentlich rechtlichen, dass Teile des Planes besser kommuniziert hätten werden müssen und holten am 7. April Mai für einen Kommentar in die Nachrichten.

Strategiepapier des Innenministeriums: „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“

Was Mai in ihrem Video kommuniziert, deckt sich mit dem Strategiepapier des Innenministeriums. Das Bundesinnenministerium hat ein 17-seitiges Strategiepapier mit dem Titel „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ verfasst und nach dem 18. März an weitere Ministerien sowie das Bundeskanzleramt verteilt. Nachdem große Medien wie die Tagesschau darüber berichteten (Corona-Strategiepapier Mit effizientem Testen zum „Best Case“ 27.03.), veröffentlichte fragdenstaat.de am 1. April das ganze Dokument. 

Auszug aus dem internen Strategiepapier der Bundesregierung. Hier kann man es selbst lesen.

Schauen wir uns ein paar der Auszüge aus dem Strategiepapier an:

Die Bundesregierung muss eine umfassende Mobilisierungskampagne starten. Die gegenwärtige Krise durch COVID-19 ist ein harter Schlag für das Vertrauen in die Institutionen. Dem muss entgegengewirkt werden, weil die Regierung zu einem mobilisierenden Faktor werden muss. Devise: „Es kommt etwas sehr Bedrohliches auf uns zu, wir haben die Gefahr aber erkannt und handeln entschieden und überlegt. Wir brauchen ein Zusammenkommen und Wirken von allen Kräften in der Gesellschaft. Dann werden wir die Gefahr noch abwenden“. Um die gesellschaftlichen Durchhaltekräfte zu mobilisieren, ist das Verschweigen des Wort Case keine Option. Wer Gefahr abwenden will, muss sie kennen.
Sollten die hier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle der Covid-19-Epidemie nicht greifen, könnten im Sinne einer „Kernschmelze“ das gesamte System in Frage gestellt werden. Es droht, dass dies die Gemeinschaft in einen völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie verändert. Dementsprechend wäre es naiv, davon auszugehen, dass ein Rückgang des BIP um eine zweistellige Prozentzahl, etwa jenseits der 20 %, eine lineare Fortschreibung der Verluste aus dem Fehlen einiger Arbeitstage bedeuten und ansonsten das Gesamtsystem nicht in Frage stellen würde. Aus diesem Grund ist die – alle anderen Überlegungen dominierende – Strategie der Eindämmung mit Vorkehrungen zu verbinden, um die ökonomischen Konsequenzen so gering wie möglich zu halten.
Unbedingte Voraussetzung dafür ist, dass die Strategie zur Eindämmung und Kontrolle von Covid-19 auch tatsächlich konsequent durchgesetzt wird. Denn ginge man zu zaghaft vor, würde ebenso die Überlastung der Kapazitäten der Gesundheitsversorgung drohen wie bei einer anfänglich erfolgreichen, dann aber zu früh gelockerten Strategie. Die einzige gangbare Möglichkeit dürfte daher die Einrichtung einer zweistufigen Strategie sein: Sie erfordert die schnellstmöglich umgesetzte strikte Unterdrückung der Neuansteckungen, bis die Reproduktionsrate in der Nähe von 1 ist, und schließt ein umfassendes und konsequentes System des individuellen Testens und Isolierens der identifizierten Fälle an.
In der jetzigen Phase der Epidemie können wir (hoffentlich) davon ausgehen, dass die Testkapazität sehr schnell hochgefahren werden kann. Davon ausgehend ist es besser, eine sehr scharfe, aber kurze Periode der Ausgangsbeschränkungen zu haben, nur bis die Maßnahmen zu Testen und Isolieren greifen. Eine längere Periode der Ausgangsbeschränkungen ist weder wirtschaftlich noch sozial aufrecht zu erhalten.

Teil 2 des Plans hat bei Merkels Rede gefehlt

Genau wie Mai legt auch das Strategiepapier des Innenministeriums nahe, dass das Ziel der Maßnahmen sei, die Reproduktionsrate nach unten zu drücken (Nähe 1) und danach „ein umfassendes und konsequentes System des individuellen Testens und Isolierens der identifizierten Fälle“ (Containment) durchführen zu können. In dieser Klarheit hätte dies die Kanzlerin in ihrer ersten Rede auch kommunizieren müssen. Derzeit soll die Reproduktionsrate des Virus 0,7 betragen (Quelle) (Die chinesische Region flachte ihre Kurve mit einem Faktor von 0,5 ab).
Warum können wir diesen Umstand nicht gebührend feiern? Weil das eben „nur“ von einer Youtuberin und einem kaum bekannten Strategiepapier kommuniziert wurde und nicht von der Kanzlerin, leider. Kaum jemand weiß, dass wir bald wieder zum Containment übergehen können und deshalb Freiheiten zurückbekommen.
So wirkt vieles, was gerade passiert oder nicht passiert, merkwürdig, wenn man diesen Kontext nicht kennt. Viele dachten, es ginge nur darum, das Gesundheitssystem vorm Kollabieren zu bewahren (was anscheinend jetzt geschafft wurde, Stichwort „Self-destroying prophecy“). Und genau deshalb erleben wir gerade auch eine Renaissance der Fake News und Verschwörungsideologien: Die offen gelassene Kommunikationsflanke wird nun von anderen genutzt. Die nun die fehlenden Informationen (Kontext) nun mit eigenen wirren Theorien gefüllt und so die Fortsetzung der Maßnahmen untergraben.

Im Strategiepapier ist die Rede vom Hammer und dem Tanz.

Die Strategie haben wir hier erläutert: Mit harten Maßnahmen (Kontaktverbot/Hammer) die Kurve stark absinken lassen und dann zum Tanz (Containment) übergehen.
Der Plan der Regierung hat 2 Teile. Und die hätten auch in aller Klarheit kommuniziert werden müssen. Dass es nicht nur darum ging, die Kurve abzuflachen, sondern auch darum, dass man die „Containment“ Phase, den Tanz erreicht. Dort Freiheiten zurückzubekommen und dort zu bleiben, bis es einen Impfstoff gibt. Das ist der ganze Plan und der hat in der Kommunikation der Kanzlerin gefehlt. An dem entscheidenden Punkt, an dem sie die ganze Bevölkerung hätte informieren können.
Aber das ist nicht alles, was wir kritisieren. Man hätte die Bevölkerung früher und stärker vor den wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen warnen sollen.

2. Zeitpunkt der Krisenkommunikation

Der Tagesspiegel interviewte den Krisenforscher Frank Roselieb über die Krisenkommunikation der Bundesregierung:

Sie haben jetzt viel Positives benannt. Wo hat die Bundesregierung in der Kommunikation Fehler gemacht?

Die Bundesregierung hat die Lage anfangs vermutlich etwas unterschätzt. Vielleicht hat man sich nach der relativ glimpflich verlaufenden Schweinegrippe-Pandemie 2009 und den umfangreichen Krisenübungen 2007 und 2013 in Sicherheit gewogen. Vielleicht lag auch einfach ein „Information Overload“ vor. Die WHO gibt pro Jahr mehrere hundert Warnmeldungen heraus – möglicherweise hat man der Meldung aus China anfangs wenig Beachtung geschenkt. Hellhörig sind wir im Institut geworden, als China öffentlich machte, dass kurzfristig ein Krankenhaus mit 1.000 Betten gebaut werden soll.

Die Bundesregierung hätte vielleicht früher und nachhaltiger anfangen müssen, den Menschen den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Viele Menschen hatten den Schuss lange nicht gehört. Ein bloßer Blick in die Fitnessstudios und auf die Spielplätze zeigte, dass sich die Bürger verhielten wie vorher. Da hätte man früher kommunikativ gegensteuern müssen. Geändert hat sich das erst nach der „Brandrede“ der Kanzlerin am 18. März 2020.

Keiner hat die Meldungen aus China ernst genommen. Man dachte: Das ist zu weit weg und das wird uns nicht betreffen. Ist ja am Ende doch anders gekommen. Aber ab wann hätte man die Bevölkerung tatsächlich informieren sollen, dass da eine gewaltige Krise auf uns zurollt und der Staat zu harten Maßnahmen greifen muss?

Warnung an die Bevölkerung

Nehmen wir doch mal den 21. Februar 2020. Was war das für ein Tag? Das war der Tag, an dem in Italien die Ausgangssperre für die nördliche Provinz Lodi verhängt wurde (Die Zahl positiv getesteter Personen in unserem Land lag hier noch bei 16 Personen). Spätestens hier musste jedem klar gewesen sein, dass das Problem ernst zu nehmen ist, wenn die Italiener*innen sich gezwungen sahen, zu derart harten Mitteln zu greifen. Zwischen diesem Tag und der Rede der Kanzlerin verstrichen insgesamt 26 Tage. 

Wenn man also wusste, was in China passierte und nun auch sah, dass das gleiche in Italien passiert, musste man zu dem Schluss kommen, dass auch uns Ähnliches bevor steht. Wie gesagt, unsere Kritik ist auf hohem Niveau. Vieles hat die Regierung richtig gemacht, aber sie hätte früher kommunizieren müssen und vor allem hätte sie stärker darauf eingehen müssen, welche wirtschaftlichen Folgen der Lockdown für jede*n Einzelne*n haben kann, damit man sich vorzeitig darauf vorbereiten kann.

So ungefähr:

„Liebe Bevölkerung, das Corona-Virus breitet sich in Europa immer stärker aus und wir sehen in den Nachbarländern, zu welchen Maßnahmen die Staaten gezwungen werden. Auch wir werden bald ähnliche Maßnahmen ergreifen müssen, um das Virus einzudämmen. Bereiten Sie sich darauf bestmöglich vor, die Maßnahmen kommen nicht morgen, aber bald. Aufgrund der Maßnahmen, die wir ergreifen werden, wird es dazu kommen, dass viele Bürger*innen ihrer Arbeit nicht nachgehen können, Kund*innen nicht mehr kommen können, Geschäfte geschlossen bleiben und es deshalb zu finanziellen Unsicherheiten kommen kann. Der Staat wird durch Hilfspakete die Wirtschaft stabilisieren und auch die fehlenden Einkommen kompensieren.“

Das hat nämlich komplett gefehlt. Auf die private/wirtschaftliche Situation vieler wurde in Merkels Rede kaum eingegangen. Dass die Maßnahmen viele Menschen hart getroffen haben, sei es finanziell, familiär oder psychologisch. Davor hätten man die Bevölkerung schon Wochen vorher warnen können, man wusste doch eigentlich, was ungefähr passieren wird. Die Krisenkommunikation der Regierung hätte deutlich früher beginnen können und die Folgen der Maßnahmen hätten ebenfalls klar kommuniziert werden müssen. Als die Tatsachen dann geschaffen wurden, hatte es viele kalt erwischt. Damit kommen wir auch zum letzten Punkt unserer Regierungskritik: Wieso hat man kein Corona-Grundeinkommen eingeführt?

3. Corona-Grundeinkommen: Das hätte vielen geholfen!

Auf Change.org erreicht eine Petition bald eine halbe Millionen Unterzeichner:

Screenshot

Aus der Petition „Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durch die Corona-Krise“

„So geht es unzähligen Selbstständigen, Kreativen, Musikern, Künstlern, Veranstaltern und Überlebenskünstlern. Menschen, die ihr Leben immer selbst gestaltet haben, die Deutschland gestalten und unsere Welt bunter machen. Menschen, die den Mut haben, Unternehmer zu sein. Und Menschen, die sich und andere immer selbst versorgt haben und nun unmittelbar vor dem Aus stehen. So geht es unzähligen Studenten und anderen, die auf ihre 450€-Jobs angewiesen sind, um zu überleben. Für die kein Kurzarbeitergeld greift und für die Kredite keine Zukunftsperspektive sein können. Sie alle wissen nicht, wie sie ihre Mieten, ihre privaten Krankenversicherungen, Essen für ihre Kinder oder andere Verbindlichkeiten zahlen sollen.

Sie alle brauchen Hilfe und zwar: SOFORT! 
Nicht als Kredit, sondern als Zuschuss für die Umsätze und Einkommen, die innerhalb von Tagen plötzlich weggebrochen sind.

Deutschland ist ein reiches Land – Sie reden von Billionenkrediten für die Wirtschaft! Was dem Land aber auch helfen würde, ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 800-1200 € pro Person für 6 Monate. Schnell, unbürokratisch, zeitlich begrenzt. DAS würde den sozialen Absturz Tausender verhindern und gleichzeitig die Kaufkraft im Land erhalten. Denn das ist das Zweite, was wir brauchen: Menschen, die weiterhin Geld ausgeben!

Ich beschränke diese Forderung bewusst nicht auf einzelne Gruppen, denn was das ganze Land jetzt braucht, ist Unterstützung und es ist unser gemeinsames Geld!

Eine bessere Möglichkeit, das Konzept Grundeinkommen zu testen gibt es nicht – in der Krise liegt die grösste Chance.“

Grundeinkommen Beispiele Spanien und USA

Die Corona-Pandemie könnte es möglich machen: In Spanien plant die Regierung Sánchez sogar ein lebenslanges Grundeinkommen für alle. (Quelle)

„Denn das Virus versteht sich sehr wohl auf soziale Klassen“, erklärte der linksalternative Politiker (Pablo Iglesias) gegenüber den Medien. Insgesamt verloren durch die Pandemie in Spanien bisher 3,5 Millionen Menschen ihre Anstellung oder ihre Aufträge als Selbstständige. „Das Grundeinkommen ist eine demokratische Pflicht, um unsere Verfassung zu erfüllen. Wir können keinen Bürger zurücklassen.“

Auch in den USA sollen Soforthilfen an die US-Bürger ausgezahlt werden. (Quelle)

Als Teil des Konjunkturpakets in Höhe von rund 2,2 Billionen Dollar sollen Millionen Amerikaner einen Check über 1200 Dollar bekommen, pro Kind soll es zusätzlich noch 500 Dollar geben. In vielen Fällen soll das Geld direkt von der Steuerbehörde überwiesen werden, es sollen aber auch Papier-Checks verschickt werden.“

Warum das für die USA zwingend notwendig ist, könnt ihr hier eindrucksvoll nachvollziehen:

Wir hätten vielleicht ein Corona-Einkommen gebraucht!

Unter der Überschrift „Corona-Schutzschild“ für Deutschland, dem „größten Hilfspaket in der Geschichte Deutschlands“, fasst die Regierung ihre Handlungen zusammen, um die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen zu kompensieren (Quelle):

„Die globale Ausbreitung des Coronavirus stellt Deutschland vor beispiellose Herausforderungen. Um die Gesundheit der Bürger zu schützen, Arbeitsplätze und Unternehmen zu stützen und um unseren sozialen Zusammenhalt zu bewahren, haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat innerhalb von nur einer Woche ein Maßnahmenpaket von historischem Ausmaß beschlossen.“

Weiter heißt es:

„Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro.

Zur Finanzierung wird der Bund neue Kredite in Höhe von rund 156 Milliarden Euro aufnehmen. Das Kabinett hat einen entsprechenden Nachtragshaushalt gebilligt.“

Übersetzt quasi: „Liebe Bevölkerung, Geld ist gerade nicht das Problem, wir tun alles erdenkliche, um die Schäden zu kompensieren.“ Wenn also genug Geld da ist, wieso hat man dann nicht ein Corona-Grundeinkommen für die Zeit der Pandemie eingeführt? Man hätte ja auch nicht gleich den Vorschlag aus der Petition umsetzen müssen, sondern hätte viel simpler vorgehen können:

Unbürokratisch 1500 Euro für jeden pro Monat, der aufgrund von der Corona-Maßnahmen kein Einkommen mehr erzielen kann. Genau diesen Menschen hätte man damit sicherlich enorm helfen können und es hätte wohl auch kaum jemand widersprochen. 

Fazit: Fassen wir unsere Kritik nochmal zusammen

  • Angela Merkel hätte die Bevölkerung voll umfänglich über den Plan zur Bekämpfung der Pandemie informieren sollen. #Flattenthecurve war nicht alles. Wir müssen zurück zum „Containment“ und in dieser Phase, in der vieles wieder halbwegs normal ist, so lange den „Tanz“ aufführen, bis es einen Impfstoff gibt. Dieser Kontext fehlt vielen Bürger*innen.
  • Man hätte früher und eindringlicher vor den Folgen der Maßnahmen warnen können. Die Kommunikation fokussierte sich darauf, die Kurve abzuflachen und das Gesundheitssystem vorm Kollaps zu bewahren. Das hat auch funktioniert. Aber man hätte den Bürger*innen auch deutlich kommunizieren können, dass die Maßnahmen kommen werden und diese sich auch stark auf die Wirtschaft im Land auswirken wird.
  • Ein Corona-Einkommen hätte vielen Bürger*innen Existenzängste nehmen können bzw. diese Existenzen sichern.

Aber hätte, hätte Fahrradkette. Manche der Kritik im Nachhinein bringt in der derzeitigen Situation keinen Mehrwert. Für ein paar Sachen ist es jedoch noch nicht zu spät. Ein Corona-Einkommen kann immer noch kommen und Teil 2 des Plan kann immer noch der Bevölkerung in einer zweiten Fernsehansprache oder anderweitig klar gemacht werden, insbesondere, wenn sich viele unsicher sind, wie es jetzt weitergeht. Und wann es wieder „normal“ wird. Das wird nämlich noch eine Weile dauern.



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