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Weil er Fake News glaubte? Vater soll sich & Familie getötet haben – Königs Wusterhausen

von | Dez 7, 2021 | Aktuelles

Familie in Königs Wusterhausen getötet – wegen Verschwörungsglauben?

Die folgende Meldung aus Königs Wusterhausen (Brandenburg) ist einfach schrecklich: Ein Vater soll erst seine Familie, einschließlich dreier Kinder, und schlussendlich sich selbst umgebracht haben, so berichtet es die Frankfurter Neue Presse (Quelle). Man spricht dabei auch von einem erweiterten Suizid. Jetzt sind Details bekannt geworden aus dem Abschiedsbrief des Familienvaters. Offenbar hatte der Mann ein Impfzertifikat für seine Frau fälschen lassen, was dann gegenüber ihrem Arbeitgeber aufflog. Er soll Sorge vor Verhaftung und Verlust der Kinder gehabt haben.

Es ist bislang noch unklar, ob der Arbeitgeber überhaupt rechtliche Schritte eingeleitet hat oder nur darauf hinwies. In Wahrheit hätte wenn überhaupt der Frau im wahrscheinlichsten Fall ein Strafverfahren mit einer möglichen Geldstrafe für das Vorlegen einer gefälschten Bescheinigung gedroht (Quelle). Die Konsequenzen, die sie nun und ihre Familie mutmaßlich durch die Hand ihres Mannes erleiden musste, waren ungleich schwerer.

Glaubte er Querdenken-Verschwörungsmythen?

Der Mann hatte aber offenbar die Vorstellung, dass er nun verhaftet und seine Kinder verlieren würde, wie er in seinem Abschiedsbrief schilderte. Solche Falschmeldungen wurden auch regelmäßig in Querdenker-Kreisen geteilt. Kreise, in denen Unsicherheiten über die Impfung gestreut werden und Anleitungen, wie man Impfpässe fälscht. Beispielsweise verbreitete sich ein frei erfundener gefälschter Brief, in dem das Bundesgesundheitsministerium angeblich Kindesentzug bei Nichtimpfen androhte (Quelle). Auch gab es eine Querdenken-Fake News, in der einem CDU Politiker unterstellt wurde, Kinder für Zwangsimpfungen abzuholen (Quelle). Viele Verschwörungsgläubige fielen dennoch darauf herein. Der Vater hätte seine Tat möglicherweise aus Annahme falscher und übertriebener Vorstellungen durchgeführt. Es gibt Indizien, dass er in lokalen Querdenker-Gruppen Mitglied war.

Die Verbreitung von völlig übertriebenen Angst-Szenarien sind typisch für Verschwörungs-Kreise. Beispielhaft dafür sind hysterische Falschmeldungen, wie dass angeblich Geimpfte zu einem hohen Prozentsatz versterben (hier unser Faktencheck) oder dass unsere demokratisch gewählten Abgeordneten eine „Corona-Diktatur“ einrichten würden. Beides ist offensichtlich nicht eingetreten. Diese Lügen spornen Menschen an, die sichere und wirksame Impfung zu verweigern – oder Gewalttaten zu begehen.

Gewalt & Terror – So terrorisieren uns Querdenker – auch ohne ihre Infektionen

Verschwörungsmythen schüren Hass und Verzweiflung

Unbestritten ist der aufhetzende Effekt der Desinformation von Querdenker:innen und Rechtsextremist:innen, die durch erfundene Nöte viele Menschen, die darauf hereinfallen, zur Verzweiflung treiben. Ähnliche Motive hatte auch der Mörder von Idar-Oberstein. Auch aktuell hat ein Maskenverweigerer und ehemaliger Soldat in einem Einkaufszentrum in Moskau angefangen, um sich zu schießen, nachdem er aufgefordert wurde eine Maske aufzuziehen. Es gab zwei Tote (Quelle).

Die Tatsache, dass der Vater einen Impfpass fälschte – statt sich einfach zu impfen – ist ein starkes Indiz dafür, dass zumindest er an Teile der Verschwörungsmythen und Fake News der Querdenker geglaubt haben muss. Auch der Schritt zum (Selbst-)Mord der Familie ist eine mögliche Folge der Verschwörungsmythen und Lügen der Querdenker:innen. Perfiderweise sind genau diese Gruppen es jedoch, die die Tat von Königs Wusterhausen jetzt für ihren weiteren Extremismus instrumentalisieren.

Querdenker:innen geben dem mutmaßlichen Motiv des Mörders Recht

Die ersten Hetz-Beiträge und Kommentare in den Querdenken-Gruppen leugnen entweder die Tat oder geben „der Politik“ die Schuld dafür, den Mann in die Verzweiflung getrieben zu haben. Doch die Informationen, aufgrund derer sich der Vater offenbar zur Tat hinreißen ließ, kamen nicht vom Staat, sondern waren frei erfunden. Und wurden von eben jenen Querdenker:innen gestreut. Es ist extrem widerlich, wie diese Menschen scheinheilig eine Tat instrumentalisieren, die mit genau dieser Panikmache und Verschwörungsmythen womöglich erst mit verursacht wurde. Die Tat wird durch neue Hetze und Desinformation in den Gruppen im Nachhinein legitimiert und instrumentalisiert. Zahlreiche Kommentare in den Telegram-Gruppen lesen sich derzeit so:

Diejenigen, die Lügen und Verschwörungsmythen verbreiten, die Menschen inzwischen zu Mord treiben, machen jetzt kaltblütig weiter – und halten sich auch noch für die Guten. Es steht zu befürchten, dass diese Morde – sofern es wirklich hier der Fall war – nicht die letzten im Glauben an den Wahn der Querdenker:innen bleiben werden. Daran arbeiten diese gefährlichen Gruppen offenbar fleißig weiter.

Leider ist der Glaube des Vaters an Fake News & Verschwörungsideologien, wie damals beim Täter von Idar-Oberstein, kaum von der Hand zu weisen. Die Hintergründe dieser Tat müssen vollends aufgeklärt werden. Dies liegt nun in den Händen der Ermitler:innen. Unser Mitgefühl und unser Beileid gilt allen angehörigen der Familie.

Update: 19:45: Bestätigung, dass der Täter aus der Querdenken-Szene kommt

Nach einem Bericht vom Tagesspiegel gibt es neue Erkenntnisse und eine Bestätigung, dass der Täter aus der Querdenken Szene stammt. Der Tagesspiegel schreibt:

„Am 25. November trat eine Person mit dem Namen von Devid R. beim Messengerdienst Telegram einer Gruppe namens „Freiheitsboten Königs Wusterhausen“ bei, dort tummeln sich Impfgegner und Coronaleugner, das Querdenker-Milieu. Auch Brandenburgs früherer AfD-Landeschef Andreas Kalbitz und der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, Dennis Hohloch, sind dort Mitglied. Letztmals bei Telegram online war R. am Donnerstagabend um 20.57 Uhr. Ein Gruppenmitglied schrieb am Sonntagabend in der Gruppe über die Morde und den Selbstmord: „Er war ein gewonnener Freund ebenso wie seine Frau. Somit haben wir auch ein Parteimitglied aus ,Die Basis‘ verloren.““

Hilfe bei suizidalen Gedanken:

Wer bei sich oder anderen suizidale Gedanken festgestellt: Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch gibt es Online hier Beratung auf der Seite der Telefonseelsorge.

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Artikelbild: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

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