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Kein Scherz: Für die Polizei in Leipzig Pizza zu bestellen ist linksextrem

von | Aug 3, 2019 | Aktuelles, Bericht, Politik

immer diese gefährlichen linksextremisten!

Im Dezember haben Unbekannte im Namen der Polizeidirektion Leipzig drei Spezialpizzen und drei Riesenpizzen bestellt (Quelle). Der Scherz-Auftrag wurde rechtzeitig erkannt und storniert, aber kurz darauf erschien noch eine falsche Anzeige der Pizzeria, die kostenlose Pizza für die ersten Anrufer versprach. Während der Betreiber versuchte, die falsche Anzeige löschen zu lassen, hinterließ ein Kunde eine beleidigende Onlinebewertung auf der Homepage des Lieferdienstes.

Daraufhin erstattete der Betreiber Anzeige und die Polizei ermittelte wegen Betrugs und Beleidigung gegen unbekannte Täter. Soweit, so gut. Vielleicht war die erste Bestellung nur ein Scherz, die anderen Taten waren schon weniger lustig. Für Unbedarfte mag es wie schlechte Scherze oder schlimmstenfalls böswillige Taten gegen den Pizzadienst klingen, aber nicht für die Polizei. Denn diese Straftaten sind als „linksextremistische“ Delikte in die Statistik aufgenommen worden.



Zack, drei linksextreme straftaten

Drei Strafbestände wurden als Extremismus aufgenommen – und sogar als linksextremistische Straftaten, wie der Journalist Aiko Kempen feststellte.

Die Pressestelle der Polizei bestätigte ihm, dass es sich dabei um diese Fälle handelt. Laut Verfassungsschutz ist Linksextremismus: „… ein Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die auf einer Verabsolutierung der Werte von Freiheit und (sozialer) Gleichheit beruhen, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Kommunismus und Anarchismus ausdrücken.“ Es bleibt fraglich, wo die Begründung lautet, mit welcher diese Pizza-Bestellung „linksextrem“ sein soll.

Sachsen hat ein problem mit rechtsextremistischen straftaten

Vorfälle wie dieser lassen die Frage aufkommen, wie zuverlässig der Vergleich von rechts- und linksextremistischen Straftaten denn ist, wenn das Bestellen einer Pizza bereits in die Statistik mit eingeflossen ist. Die Gesamtzahl der politisch motivierten Straftaten ist zwar gesunken, aber rechtsextreme Straftaten machen immer noch 71,56% aller Taten aus. Straftaten mit der PMK -links- hingegen 280. Drei davon waren wohl schon mal von diesem Vorfall.

So ermittelte die Polizei im Juli gegen „Aufstehen gegen Rassismus“ wegen eines Propagandadeliktes. Sie Verbreiteten einen Flyer mit einem Bild Höckes, auf welchem er keinen Hitlergruß zeigte. Selbstverständlich wurde der Anfangsverdacht fallen gelassen, da die Kriminalstatistik jedoch eine Eingangsstatistik ist, ist davon auszugehen, dass dies ebenfalls als linksextremistische Straftat aufgenommen wird. Weil man ein Bild eines AfD-Mannes verbreitet, wo dieser ebenfalls keine Straftat begeht.

Anzeige für „Aufstehen gegen Rassismus“: Laut Polizei Sachsen darfst du dieses Höcke-Bild nicht verteilen

Hingegen sind Fälle bekannt, in welchen bei Rechtsrock-Konzerten die Hitlergrüße und „Sieg Heil“-Rufe von hunderten Personen einfach zusammengefasst wurden. Und nur als eine einzige Straftat zählten (Quelle). Die Polizei griff aber nicht ein. Während die Pegida dezidiert als nicht extremistisch aufgeführt wird, zählen zu Linksextremismus wohl Antifaschismus, Anarchismus, Kommunismus, Klimaproteste, friedliche Anti-Nazi-Konzerte und anscheinend auch falsche Pizza-Bestellungen.

Update 5.8.2019: Deshalb hat die Polizei die Pizza als links eingestuft

Die Polizei hat diese Taten wohl deshalb als „linksextrem“ eingestuft, weil zwei Tage zuvor ebenfalls mutmaßlich ein Linksextremist eine Mülltonne angezündet hatte und von einem Mitarbeiter des Pizzaservices dabei erwischt wurde, der die Polizei gerufen hatte. Parallel tauchte auch auf dem Portal Indymedia ein Aufruf auf, „teure Pizzen an falsche Adressen [zu] bestellen“. Die Frage, wie man von der Aktion zu einer linksextremen Motivation kommen könnte, wäre damit gelöst.

Allerdings handelt es sich weiterhin um einen Verdacht. Denn auf Indymedia kann jeder (anonym) posten und es ist frei zugänglich. In der Vergangenheit wurde es bereits öfter von Rechtsextremen dazu genutzt, False-Flag-Geständnisse oder Ankündigungen zu verbreiten, so das „Bekennerschreiben“ zu Magnitz oder ein falsches Bekennerschreiben zum Anschlag auf den BVB-Bus (Quelle) oder einem Anschlag auf eine Moschee, bei welcher letztlich ein Pegida-Anhänger der Täter war (Quelle).

9 Anzeichen dafür, dass das Magnitz-Bekennerschreiben Fake ist (Ein sehr schlechter)

In seinem Artikel bei der VICE hat Aiko Kempen darauf hingewiesen, dass es immer noch als Taktik dienen kann, den linken Stadtteil Connewitz, in welchem sich das abgespielt hat, zu stigmatisieren und einzuschüchtern, ich empfehle die Lektüre.

Artikelbild: Luis Molinero, shutterstock.com