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BILD recycled längst widerlegte Täuschungs-Kampagne über PCR-Tests – andere schreiben ab

von | Jun 22, 2021 | Analyse

…wir recyceln unseren Faktencheck

Wurdest du auch von Twitter-Hashtags wie „PCRGate“ oder „CTGate“ verunsichert? Von Schlagzeilen von Fake-News-Medien wie BILD und Medien, die auf der Jagd nach billigen Klicks deren Fake News abschreiben? Vielleicht hast du diese oder ähnliche Schlagzeilen gesehen: „PCR-Tests keine Grundlage für politische Maßnahmen“, das soll gar eine „Studie“ (Eigentlich: discussion paper) festgestellt haben. Das klingt erstmal skandalös. Und die Implikationen sind klar, besonders, da dieser „Skandal“ aus genau der Ecke kommt, die seit Beginn der Pandemie Corona verharmlost, die Maßnahmen in Frage stellt und Impfungen verteufelt.

Aber ihr wurdet von diesen Medien und Stimmungsmachern getäuscht, durch und durch. Ich erzähle euch nichts Neues, wenn ich erkläre, dass die BILD ein Lügenblatt ist, das sich regelmäßig die Fakten so verdreht, wie es ihr in den Kram passt, um eine politische Agenda zu befeuern. Die schaffen es, einfach über alles Mögliche zu lügen. Ganz aktuell haben sie z. B. heftige Kritik an sich selbst so verdreht, dass es wie ein Lob klang – und wurden dafür gleich vom Presserat gerügt. Und noch sechs weitere Male (Quelle). Dieses Medium ist inhärent unzuverlässig, das sollte die Öffentlichkeit wirklich mal gelernt haben.

Pandemie-Leugner:innen-Kampagne

Die aktuelle Desinformationskampagne der aktivistischen Stimmungsmacher aus dem Axel-Springer-Verlag reiht sich ein in eine Reihe von aufgebauschten Pseudo-Skandalen, die wohl Leserschaft vom rechten Rand generieren soll, indem Corona-Maßnahmen infrage gestellt werden (mehr dazu). Diesmal schlägt man in die Kerbe der Leute, die es unbedingt wahrhaben wollen, dass die Pandemie aufgebauscht sei, auch wenn es der Realität widerspricht. Und jetzt skandalisiert man längst bekannte Tatsachen und versucht sie so darzustellen, als würde das irgendwas an der Pandemie-Politik ändern. Spoiler: Das haben wir alles längst gewusst.

Die aktuelle Täuschungskampagne von BILD, auf die einige Medien, wie z. B. RTL traurigerweise hereinfallen und verbreiten, ist eine Täuschung, die nicht nur in der Wissenschaft und Pandemie-Politik längst glasklar war, sondern den das BILD-Schwesterblatt WELT bereits vor zwei Monaten bereits skandalisieren wollte, und wofür wir bei Volksverpetzer schon damals einen Faktencheck veröffentlicht haben. In diesem Artikel aus dem April steht eigentlich bereits alles, was ihr wissen müsst. Ich werde hier buchstäblich Passagen einfach rauskopieren. Aber wenn die rechten Desinformationsmedien ihre Täuschung wiederholen, dann müssen wir eben auch die Wahrheit wiederholen.

WELT täuscht über Fakten zum PCR-Test – bekommt Applaus von Rechtsextremen und Querdenker:innen

Haben die Autor:innen das letzte Jahr Wissenschaft verschlafen?

Das kurze discussion paper (Hier), auf das sich die BILD für ihre Täuschungskampagne bezieht, ist technisch gesehen nicht falsch. Im Gegenteil, es sind längst bekannte Tatsachen, die nichts Neues darstellen. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind jedoch abenteuerlich, und hier steckt die Täuschung. Es soll der Eindruck erweckt werden, als würde dieses discussion paper dem Stand der Wissenschaft widersprechen und rückwirkend die Pandemie mit über 90.000 Toten magisch für überzogen darstellen. Dass Anfang des Jahres teilweise Krematorien überlastet waren, wird dadurch sicher auch rückgängig gemacht (Quelle). Ziel ist es, weiter Verharmlosung der Pandemie zu betreiben und natürlich die Inzidenzwerte anzugreifen.

PCR-Tests weisen (ausschließlich Corona-)Infektionen nach, sie sind validiert und extrem genau (Mehr dazu). Diese wissenschaftlichen Fakten erfährt man im BILD-Artikel allerdings nicht, dort wird gegen Strohmänner argumentiert. Ein Autor des papers wird zitiert mit: „Ein positiver PCR-Test allein ist nach unserer Studie kein hinreichender Beweis dafür, dass Getestete das Coronavirus auf Mitmenschen auch übertragen können.“ Er weist auf die Bedeutung des CT-Werts hin, die entscheidender sei. Das ist richtig, aber etwas anderes behauptet auch niemand. Das ist auch keine skandalöse Entdeckung, sondern längst bekannt und tausendfach kommuniziert. Und das ist so bekannt und tausendfach kommuniziert, ich habe diesen Satz gerade 1:1 aus unserem zwei Monate alten Faktencheck kopieren können und musste nichts anpassen.

Drosten hat die Fakten dahinter bereits vor 9 Monaten (!) erklärt – von wegen „PCRGate“

Diese Darstellung ist allerdings ziemlich irreführend, Dr. Drosten hat das Thema „CT-Wert“ schon vor 9 (!) Monaten in seinem Podcast besprochen. Was hier als „PCRGate“ verkauft werden soll, war letztes Jahr bereits bekannt und breit ausdiskutiert. Ihr merkt, dass etwas an dieser Darstellung, die man euch verkaufen will, nicht stimmen kann.

Der CT-Wert beschreibt ungefähr, wie viele Viren in der Probe waren. Die Abkürzung steht für Cycle Threshold, also wie viele Zyklen von Vermehrung man braucht, bis man in der Probe etwas erkennt. Ein hoher CT-Wert zeigt dementsprechend eine niedrige Zahl von Viren im Abstrich an.

Dr. Drosten antwortet hier auf die Frage, ob ein bestimmter CT-Wert als Grenze festgelegt werden sollte:

„Ab einer Million Kopien pro Abstrich-Tupfer oder auch pro Milliliter Flüssigkeit, das wäre eine Maßeinheit. Für die Insider, die zuhören: Es gab ja in den letzten Tagen einen »New York Times«-Artikel und da ging es nicht um eine Viruslast von einer Million Kopien, sondern da ging es um einen CT-Wert von 30, der wurde vorgeschlagen. Das ist nur auf den ersten Blick gut. Wenn man genau hinschaut, wird man feststellen: Die CT-Werte zwischen einzelnen Reaktions-Chemien der PCR und zwischen Maschinen unterscheiden sich. Ein CT-Wert von 30 in dem einen Labor ist nicht dasselbe in Form von Viruslast wie ein CT-Wert von 30 in einem anderen Labor.“

(Zur Erinnerung: Das Zitat ist aus dem letzten September. Hier wurde wirklich nichts „Neues“ entdeckt. Merkt ihr schon, wie ihr getäuscht werden sollt?)

Also ein fester CT-Wert, ab dem keine Gefahr mehr vom Patienten ausgeht, ist keine gute Idee, denn das unterscheidet sich von Labor zu Labor. Es wäre aber denkbar, dass die Labore ihre Tests auf 1 Mio. Kopien eichen.

Das RKI nutzt diese 1 Mio. Kopien/ml schon längst als Kriterium zur Entisolierung (Quelle). Das ist also keine neue Diskussion, sondern entsprechende Entscheider:innen haben das Thema schon seit Monaten im Blick. Nur jetzt versuchen einige Medien und politische Stimmungsmacher:innen im Netz mit Absicht so zu tun, als sei das ein Skandal, um ihre politische Agenda durchzusetzen. Doch ihr könnt schlauer sein als das.

Auch im Februar 2021 gab es im Lancet einen Artikel, der die gleiche Diskussion aufmachte (Quelle). Auch hier eine bereits alte Quelle, die die Problematik auch erklärt. Ihr könnt hier sehen, dass das Thema weder neu ist, noch dass wir unrecht haben (Quelle).

CT-Wer schwankt extrem, auch zu Beginn der Infektion

Man muss nämlich wirklich gut überlegen, in welchen Bereichen der CT-Wert überhaupt eine relevante Information ist. Wenn der erste PCR-Test einer Person nun zeigt, dass der CT-Wert hoch, also die Viruslast gering ist, was kann das heißen?

  • Der Test war schlecht durchgeführt
  • Die Person ist am Beginn ihrer Infektion (logisch, die Viren müssen sich erst vermehren)
  • Verschiedene Tests von verschiedenen Herstellern haben bei gleicher Virusmenge unterschiedliche CT-Werte
  • Die Infektion ist schon in der Lunge und nicht mehr im Rachen
  • oder eben dass die Infektion schon seit ein paar Tagen überstanden ist und man nur noch „totes“ Material findet.

Daraus ergibt sich ganz klar, warum auch Fälle mit geringer Viruslast als „Fall“ gezählt werden sollten: Selbst im Fall 5, dass es sich um „totes“ Virus handelt, war die Person nun mal kürzlich infiziert gewesen, also warum sollte man sie nicht zählen? Das würde doch nur die „Dunkelziffer“ erhöhen?! Das paper gibt sogar zu, dass die meisten Fälle post-infektiös waren. Also waren sie ja infiziert, warum sollte man deren Infektion nicht zählen? Mal abgesehen davon, dass dies offenbar ziemlich selten vorzukommen scheint und die meisten Personen trotzdem Antikörper entwickeln, wie diese Studie aus Wuhan zeigt:

Querdenker-Anwalt teilt aus Versehen Studie, die belegt, dass PCR-Tests sehr genau sind

Die RKI-Empfehlung macht also total Sinn, den CT-Wert nur dann zu berücksichtigen, wenn man weiß, dass die Person am Ende ihrer Infektion steht. Dem stimmt auch Karl Lauterbach zu, der die ganze BILD-Schlagzeile als „Quatsch“ bezeichnet.

Positiver PCR-Test heißt Infektionsfall

SARS-CoV-2 ist kein Bestandteil der normalen Flora im Rachen. Findet man dort Virusbruchstücke, dann müssen die ja irgendwie dahin gekommen sein. Das betont auch Sandra Cieseck im NDR Podcast:

„Aber, und das muss man ganz klar sagen, Coronaviren gehören nicht dazu. Die sind nicht Bestandteil der Normalflora und die gehören da nicht hin, genauso wie Influenzaviren. Und das ist, glaube ich, was manchmal so ein bisschen durcheinandergeht.“ (Quelle)

Wer das Virus oder auch nur seine Bestandteile im Rachen hat, der war oder ist nun mal infiziert, denn im Gegensatz zum MERS-Virus kann sich das SARS-CoV-2 auch im Rachen replizieren und die Person ansteckend machen.

Was würde passieren, wenn wir nur noch bestimmte CT-Werte als „Fall“ ansehen würden?

Gar nichts. Es würde sich an den Maßnahmen nichts ändern. Die Autor:innen des papers und die Fake-News-Medien tun implizit so, als hätten sie eine große Entdeckung gemacht, die die gesamte Bewertung der Pandemie auf den Kopf stellen würde und an die vorher keiner gedacht habe. Das ist aber Quatsch. Die WHO weist doch schon längst darauf hin, dass PCR-Tests mit hohen CT-Werten vorsichtig und nicht ohne Befund bewertet werden sollten – etwas, das „Querdenker:innen“ übrigens genau so versucht haben zu skandalisieren – aber was in Deutschland schon längst Praxis ist (mehr dazu).

Würde man aber einfach zum Beispiel PCR-Tests mit CT-Werten ab 25 nicht mehr als „Fall“ ansehen – wofür es wie aufgelistet viele gute Gegenargumente gibt -, würde das ja nichts ändern. Wir müssten das Virus ja trotzdem eindämmen. Es geht ja nicht weg, nur weil wir andere Zahlen nutzen. Im paper steht, dass positive PCR-Tests in den meisten Fällen beim CT-Wert über 25 das Ende einer Infektion anzeigen würden. Hier wird dann geschlussfolgert, dass man dann nicht mehr infektiös sei, also nicht für die Inzidenz zählen sollte. Aber das ist doch absurd. Denn:

Wir hätten mehr falsch negative Fälle

Klar, die Zahlen wären erst mal kurz niedriger. Aber die Maßnahmen müssten dafür aber eher noch strenger sein, weil wir dann mehr falsch negative Fälle hätten, also Leute, die aus oben genannten Gründen trotz niedriger Viruslast auf dem Teststäbchen dann doch noch ansteckend sind oder werden. Die laufen dann herum und stecken munter viel mehr Menschen an. Das würde effektiv die Pandemie-Eindämmung schwerer machen. Sie sind ungenauer, ja, aber wir irren uns lieber auf der sicheren Seite. Das hat auch rechtliche Auswirkungen: Welche:r Laborärzt:in übernimmt die Verantwortung, zu sagen: „Die Person ist nicht ansteckend“ – Wenn das auf sehr wackligen Beinen steht und möglicherweise tödliche Folgen hat?

Das paper argumentiert, dass Viruslasten über 25 CT nicht hoch genug seien, um andere zu infizieren. Das würde aber Menschen, die gerade auf der Intensivstation wegen Corona liegen und um ihr Überleben kämpfen, dann – wirklich wahr – aus der Corona-Statistik werfen (Quelle). Während man auf der Corona-Intensivstation liegt, wäre man demnach offiziell nicht mehr mit Corona infiziert, weil der CT-Wert abgesunken ist. Absurd, oder?

Weiterhin ist zu bedenken, dass die Zahl, die hinter der Behauptung der Pressemitteilung der Uni zu Studie stehen, dass 78% der Getesteten sehr wahrscheinlich nicht ansteckend seien, lediglich mit 305 positiven Tests berechnet wird. Aus dem Frühling 2020.

Absurde Täuschungstricks

Aber selbst wenn man verhindern könnte, dass man die falsch negativen Fälle dann das Virus frei verbreiten lässt: Man müsste dann eben auch die Inzidenz-Grenzwerte niedriger ansetzen, um eine Überlastung der ITS zu verhindern. Also eine Überlastung würde dann schon bei viel niedrigeren Zahlen drohen. Die Zahlen wären niedriger, aber niedrigere Inzidenzwerte würden dann früher gefährlich werden. Am Ende würde sich dadurch also nichts ändern. Der ganze Pseudo-Skandal, das discussion paper und die aufbrausenden Schlagzeilen sind also nichts weiter als heiße Luft. Das ist alles bekannt. Das ist alles berücksichtigt. Diese Leute halten uns wohl für naiv, oder?

Dass Agitator:innen aus der rechten oder „Querdenken“-Ecke das massiv verbreiten, ist klar: Passt es in ihre Verschwörungsmärchen der Fake-Pandemie – zumindest wenn man nicht so genau darüber nachdenkt. Denn letzte Woche wollten sie uns (ebenfalls wieder gemeinsam mit Axel-Springer-Medien) verkaufen, dass die Zahl der Intensivbetten gar nicht stimmen würde. Jetzt tun sie so, als würden sie argumentieren, man sollte auf diese schauen anstatt auf Inzidenzwerte. Diese Täuschungskampagnen haben einen Zweck: Unsicherheit streuen, nicht eine innere Logik aufweisen. Fun fact: Nach diesen geforderten Kriterien hätte es übrigens nicht die Lockerung im Februar und März 2021 gegeben, die zur dritten Welle geführt haben (mehr dazu).

Jede Schraube der Pandemie und der Regierung soll infrage gestellt werden – im Zweifel ohne jegliche faktische Grundlage. Oder wie hier durch gezieltes Weglassen von Kontext und Hintergrundinformationen. BILD und WELT haben es sich zum Geschäftsmodell gemacht, diese Desinformation für diese Menschen zu liefern – für lukrative Aboverkäufe (mehr dazu). Es ist fast lustig, wie genau die Leute, die anderen immer Manipulation vorwerfen, jetzt auf so einen plumpen Versuch reinfallen, die Zahl der Corona-Infizierten zu manipulieren. Denn die kann der PCR-Test nun mal enorm gut feststellen.

Zum Thema:

PCR-Tests sind sehr genau: Teile diesen Text, um die zentralen Lügen der Pandemie-Leugner zu widerlegen

Korrekturhinweis: In einer früheren Fassung wurden die 305 positive Tests falsch zugeordnet. Autoren: Thomas Laschyk, Philip Kreißel. Artikelbild: pixabay

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.