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Ihr werdet verarscht: Wir zerlegen den Quatsch vom Fake-„Ermächtigungsgesetz“

von | Nov 17, 2020 | Aktuelles, Corona, Corona-Fake

Querdenker und Nazis erfinden „Ermächtigungsgesetz“

Morgen soll das Infektionsschutzgesetz im Eilverfahren ein Update erhalten. An dem neuen Gesetzentwurf gibt es einige berechtigte Kritikpunkte (dazu kommen wir noch später), die meiste Panikmache, die ihr von „Querdenkern“ und Rechtsextremen derzeit jedoch hört, ist völliger Bullshit. Es wird keine „Zwangsimpfungen“ geben, keine „totale Überwachung“, keine „Ausschaltung der Parlamente“ und es hat auch rein gar nichts mit dem „Ermächtigungsgesetz“ zu tun. Die Pandemie-Leugner:innen verarschen euch einfach, um von euren Klicks und eurer Empörung zu profitieren. Wer sich nämlich erinnert: Die gleiche Masche haben sie bereits im Mai abgezogen. Und es hat sich nur als heiße Luft herausgestellt.

Bereits im Mai haben euch die gleichen professionellen Betrüger:innen mit ihrer künstlichen Panikmache über die letzte Anpassung des Infektionsschutzgesetzes belogen. Auch damals wurden Dinge über die Anpassung behauptet, die einfach gelogen waren. Offensichtlich gab es weder einen „Impfzwang“, noch wurde die Demokratie im Mai abgeschafft. Oder habt ihr was mitgekriegt? Die gleichen Tricks nutzen sie jetzt wieder.

Fake! KEIN „Impfzwang“ – Wie ihr über das Infektionsschutzgesetz belogen werdet

Die Lügen der Nazis und Querdenker

Die Verfassungfeinde, seien es „Querdenker“ oder Rechtsextreme und Neonazis wie Attila Hildmann machen jetzt eine ganze Reihe an panischen und gelogenen Behauptungen über das Infektionsschutzgesetz. Das Framing der Verfassungsfeinde ist klar: Sie nennen es „Ermächtigungsgesetz“, und wollen damit suggerieren, dass morgen – wie unter Hitler – die Demokratie abgeschafft werde. Doch fallt nicht auf deren Lügen herein! Das ist frei erfunden. Es dienst nur dazu, um ihre Anhänger:innen anzustacheln und mehr Reichweite, Klicks und Spendengelder zu generieren. Und natürlich ist die rechtsextreme AfD wieder dabei.

Mit „Ermächtigungsgesetz“ oder „Impfen macht frei“ von Bodo Schiffmann betreiben die Verfassungsfeinde jedoch Holocaustverharmlosung der übelsten Sorte. Das kann sogar strafbar sein. Aber schauen wir uns nicht mehr die Lügen der Nazis und Querdenker an und schauen in die echten Fakten. Die AfD bezeichnet das Gesetz in ihrem Antrag auch wortwörtlich als „Ermächtigungsgesetz“ – und lügt natürlich wieder mal darüber, dass sie es nicht getan hätte.

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Was regelt dieses IfSG überhaupt? Hier einmal die passende Einleitung bei Wikipedia: „Das deutsche Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt seit dem 1. Januar 2001 die gesetzlichen Pflichten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG). Dabei ist unerheblich, welcher Art die Infektion ist und auf welchem Wege die Infektion erfolgen kann.“

Achtung, jetzt wird es vielleicht etwas detailliert, aber mit aufgeregten Meinungen kommen wir hier nicht mehr weiter, jetzt sind Fakten gefragt. Schauen wir uns einfach einmal das Gesetz und die angegriffenen Punkte an. Die Paragraphen 24-32 regeln die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, wie § 24 Feststellung und Heilbehandlung übertragbarer Krankheiten, Verordnungsermächtigung, § 28 Schutzmaßnahmen oder § 32 Erlass von Rechtsverordnungen (Quelle).

Jetzt soll am 18.11.2020 ein weiteres Update beschlossen werden (Link zum Dokument hier). Besonders soll der § 28a eingefügt werden. Außerdem gibt es weitere Ergänzungen.

Rechtliche Grundlage der Einschränkungen

Der Paragraph 28 regelt Infektions-Schutzmaßnahmen des IfSG, in bisheriger Form in Kraft getreten am 28.03.2020. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die aktuellen Pandemie-Maßnahmen, von denen wir ja alle betroffen sind, hier ihre gesetzliche Grundlage haben. Also Versammlungsverbote, Ausgangsbeschränkungen und so weiter. Von einem „Impfzwang“ steht hier immer noch nichts. Die Verhältnismäßigkeit, Art der Maßnahmen und Sanktionen wurden und werden hier geregelt:

Es steht allerdings auch darin, dass die Schutzmaßnahmen mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden können. Ein faktisches Versammlungsverbot, wie es beispielsweise die Maßnahmen in Niedersachsen darstellten, wurde vom Verfassungsgericht Hannover gekippt – und die Maßnahmen zwischenzeitlich geupdatet. Das ist kein Zeichen dafür, dass Unrecht in unserem Land geschieht, sondern im Gegenteil, dass der Rechtsstaat funktioniert, oder (mehr dazu)? Genau so funktioniert Gewaltenteilung. Und genau deshalb leben wir in keiner Diktatur.

Als Reaktion auf die Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshof und einiger anderer Gerichte legen CDU/CSU und SPD eine Aktualisierung des Infektionsschutzgesetzes, das sogenannte „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vor. Das soll dazu dienen, eine bessere juristische Grundlage für einige der Corona-Maßnahmen zu schaffen. Viele Dinge werden ausgebessert, besser formuliert und konkreter definiert. Tatsächlich soll der Bundestag dadurch stärker eingebunden werden: Die Regierung wird verpflichtet, den Bundestag regelmäßig zu unterrichten.

Die aktuellen Änderungen im Detail

Keine „Zwangsimpfungen“

Laut den Verschwörungsideolog:innen soll (schon wieder?) ein „Impfzwang“ verordnet werden. Das ist natürlich Blödsinn. Der bereits damals schon umstrittene „Immunitätsausweis“ – der etwas ganz anderes war als ein „Impfzwang“ wurde gestrichen. Und sonst findet sich nirgendwo eine Passage, die Impfungen vorschreiben sollte. Im Gegenteil, §20i Absatz drei beschreibt einen *Anspruch* auf Impfungen – dh. wer möchte, darf welche bekommen. Was aber auch drin steht: Der ganze Passus tritt spätestens am 31. März 2021 außer Kraft.

Manche versuchen auch aus dieser Stelle von § 36 Abs 10 1b eine „Impfpflicht“ ex negativo herauszulesen. Sobald der Bundestag (Gewaltenteilung!) eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat“, darf bestimmt werden, dass man (zur Kontaktverfolgung, Quarantäbestimmungen usw) nachweisen muss, dass man nicht infiziert ist. Zum Beispiel durch eine Impfung. Aber dort steht ganz klar: Wenn keine Impfung (1b) vorliegt, muss anderweitig ein Beleg (1c, 1a oder 1d) erbracht werden. Wie heute auch, reicht wie gehabt dann der negative PCR Test. Eine Impfpflicht wird weder erwähnt noch suggeriert.

Es ist ohnehin eine müßige Diskussion: Eine Corona-Impfung gibt es bisher auch noch gar nicht.

Verbesserungen bei der Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit

Dass andere Grundrechte für den Schutz der körperlichen Gesundheit (auch ein Grundrecht!) eingeschränkt werden, ist klar. Aber auch völlig normal. Jedes Gesetz und jedes Verbot schränkt Freiheiten ein, und manchmal auch Grundrechte. Schlüssel ist die Verhältnismäßigkeit. Wie oben bereits erwähnt: Wird diese nicht gegeben, werden Gerichte diese Gesetze einkassieren. So war es bisher und so wird es auch nach diesem Gesetz sein. Von „Ermächtigungsgesetz“ keine Spur.

Im Gegenteil, hier wurde das Infektionsschutzgesetz *verbessert*. Jetzt dürfen Demonstrationen oder religiöse und weltanschauliche Zusammenkünfte nur dann beschränkt oder untersagt werden, wenn ohne diese Maßnahmen eine wirksame Eindämmung des Coronavirus nicht gewährleistet werden kann.

Kein „Vollzug durch Bundeswehr“

Es klingt ganz schön brutal, wenn der Neonazi und Antisemit Hildmann von „Vollzug durch die Bundeswehr“ spricht, aber konkret bezieht er sich eben nur auf bestimmte Bereiche, die nur mit den Streitkräften und den Soldat:innen zu tun haben. Schaut einfach selbst nach.

Keine „totale Überwachung“, sogar Verbesserung

Hier wird auch wieder kräftig gelogen. Oder klingt das Erheben von Daten nur zum Zwecke der Kontaktverfolgung, die spätestens nach 14 Tagen zu löschen sind, jetzt nach „totaler Überwachung“? Im Gegenteil, hier gibt es sogar eine Verbesserung des Datenschutzes im Vergleich zur vorherigen Fassung.

Reisefreiheit gibt es weiter

Die Reisefreiheit gilt natürlich weiterhin, es wird jedoch einige Reisebeschränkungen geben, die nur dazu dienen sollen, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Auch diese müssen „verhältnismäßig“ sein. Hier wird wieder mal maßlos für Propagandazwecke übertrieben.

Das Wort „ermächtigt“ kommt vor – ja und?

Manche argumentieren ernsthaft, dass es ein „Ermächtigungsgesetz“ ist, weil das Wort „ermächtigt“ ein paar Mal darin vorkommt. Das ist natürlich das dümmste Argument hier, denn nach der Logik wäre jedes Gesetz, dass dieses Wort enthält, ein „Ermächtigungsgesetz“. Der FDP-Politiker Kuhle (der das Gesetz auch kritisiert!) brachte es am besten auf den Punkt:

Neudefinition der „epidemischen Notlage“

Was geändert wurde, was eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ bedeutet, auf der das Gesetz fußt. Sie liegt nach Entwurf vor, wenn „die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen überttragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht.“

Seriöse Kritik am Gesetz

Im Grunde genommen gibt es drei seriöse Kritikpunkte am Gesetz – mit rechtsextremer Propaganda von „Ermächtigungsgesetz“ hat das allerdings nichts zu tun. So wird kritisiert, dass in § 28 Absatz 1 derzeit eine Generalklausel für staatliche Maßnahmen vorgesehen ist. Und hier wird kritisiert, dass die Rechtsgrundlage zu allgemein gehalten werde. Die Jenaer Juraprofessorin Klafki erklärte: Es sei ist nicht klar, was Ausgangsbeschränkungen sind. Sie brachte es wie folgt, zugespitzt, auf den Punkt: „Bei unbefangener Lesart könnte man meinen, der Gesetzgeber wolle die zuständigen Behörden ermächtigen, den Gang in den eigenen Garten zu verbieten.“

Auch Begriffe wie wie „schwerwiegende Schutzmaßnahmen“, „stark einschränkende Schutzmaßnahmen“ und „einfache Schutzmaßnahmen“ werden an keiner Stelle definiert. Die Bochumer Staats- und Gesundheitsrechtlerin Dr. Kießling kritisiert, dass: „In dieser Form werden die Gerichte die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage für die Corona-Schutzmaßnahmen akzeptieren.“ Darüber hinaus wird kritisiert, dass die Bestimmtheit fehlte, sowie die Begründungen für einige konkret formulierte Verbote. Aber bereits kurzfristige Änderungen besserten Dinge aus: Jetzt sind beispielsweise die Maßnahmen befristet. Es sollen noch weitere, kurzfristige Anpassungen kommen (Quelle).

Diese Lügen sollen Gewalt rechtfertigen

Kritik an dem Entwurf gab es von den demokratischen Oppositionsparteien wie Linke, Grüne und FDP. Dennoch hat nichts davon mit einem „Ermächtigungsgesetz“ zu tun. Das ist nicht nur eine nicht haltbare Übertreibung mancher Schwächen oder eine einfache Lüge über den Inhalt der Novelle, sondern auch eine perfide Verharmlosung des Dritten Reiches und des Holocausts.

Dennoch nutzen Querdenker und Faschisten diese Lügen, um am 18.11.2020 aufzumarschieren. Trotz Demoverbote für die meisten Aufmärsche möchte die Verfassungsfeinde den Bundestag stürmen, Anschläge auf die Polizei verüben und Politiker:innen ermorden, weil sie auf diese Nazi-Propaganda hereinfallen. Kritik ist eine Sache – Lügen und Aufhetzung von gewaltbereiten Extremisten eine andere.

„Berlin muss brennen“: Querdenker & Nazis möchten Bundestag stürmen, Regierung töten

Artikelbild: pixabay.com, CC0 / Screenshots


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