7.130

Faktencheck: Hat Deutschland 10 Millionen Tiere in Australien getötet?

von | Jan 12, 2020 | Aktuelles, Social Media, Umwelt/Klima

Spoiler: Es könnten sogar mehr sein.

Deutschland habe durch seinen CO2 Ausstoß bis zu (!) 10 Millionen Tiere in Australien getötet. Das behauptet Professor Quaschning auf Twitter.

Die Logik geht also folgendermaßen: Der menschengemachte Klimawandel ist maßgeblich für die Feuer in Australien verantwortlich. Da Deutschland einen Anteil von 2% der globalen Emissionen hat und in Australien bereits 500 Millionen Tiere verbrannt sind, wären wir maßgeblich für den Tod von zehn Millionen Tieren verantwortlich.

Also prüfen wir die Aussagen nacheinander.



Ist der menschengemachte Klimawandel für die Feuer in Australien verantwortlich?

Zuerst einmal möchte ich an dieser Stelle erklären was ein Strohmann-Argument ist: Dabei wird ein Argument widerlegt oder angegriffen, das das Gegenüber aber überhaupt nicht gebracht hat oder das für die Debatte überhaupt nicht relevant ist. Das ist besonders dann eine gute Strategie, wenn das Gegenüber eigentlich eine ziemlich solide Argumentation hat, die sogar von zahlreichen Wissenschaftler*innen gestützt wird. “Strohmann-Argumente” erfreuen sich daher bei Klimawandel-Leugnern einer wachsenden Beliebtheit. Immerhin sind sich inzwischen 100% der Klimaforscher*innen (Quelle) einig, dass der aktuelle Klimawandel fast ausschließlich menschengemachte Ursachen hat.

In den letzten Tagen wurde aus rechten Kreisen, von Fake Accounts und von der Murdoch-Presse gepusht, vor allem das Strohmann-Argument verbreitet, dass doch Brandstifter Feuer in Australien gelegt hätten (Quelle). Auch ist es ein Strohmann-Argument, dass doch ein paar Grad mehr gar keine Feuer auslösen können (Quelle).

Sorry, AfD: Brandstiftungen in Australien belegen den Klimawandel!

Nicht relevant

Beide Argumente enthalten einen Funken Wahrheit, sind aber für die Debatte nicht relevant, und damit Strohmann-Argumente, wie wir gleich sehen werden. Es stimmt, um ein Feuer zu entzünden ist sehr große Hitze erforderlich, die selbst bei anhaltendem Klimawandel nie erreicht werden. Auslöser für die Feuer in Australien sind folgende Ereignisse:

  • Blitzeinschläge (am häufigsten, Quelle)
  • Menschliche Unachtsamkeit (weggeworfene Zigaretten, Feuerwerk, Lagerfeuer etc.)
  • Absichtlich gelegte Feuer

Es gibt allerdings laut Experten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die menschlich erzeugten Ereignisse irgendwie häufiger ereignen würden als in den letzten Jahren. Warum sind also die Feuer so viel größer als sonst, wenn Brandstiftungen ein „normales“ Ausmaß haben?

Der menschengemachte Klimawandel ändert alles

Klimawissenschaftler geben dafür mehrere Antworten: Zum einen war die Temperatur im Dezember letzten Jahres in Australien etwa vier Grad höher als zu vorindustrieller Zeit und mehr als 2 Grad höher als heutzutage normal ist!

Durch die erhöhten Temperaturen steigt die Trockenheit schon mal, denn in wärmeren Temperaturen verdunstet natürlich Wasser schneller. So kommt es, dass Australien dadurch aktuell so trocken ist, dass sogar leichter Regen nur ein “Tropfen auf den heißen Stein” wäre (Quelle).

Der Klimawandel verändert also die Wetterphänomene in der Region in einer Art und Weise, die lange Trockenheit, Hitzewellen und niedrige Luftfeuchtigkeit begünstigen und bis zum Ende des Jahrhunderts dreimal so wahrscheinlich werden lassen (Quelle),

Klimawandel erhöht Brandgefahr

Trockenes Holz brennt natürlich besser als nasses und deshalb haben sich die Feuer so rasant ausgebreitet. Es gab aber auch schon in der Vergangenheit Buschfeuer. Schaut man sich aber die Größe dieser Feuer an, so stellt man fest, dass die größten Feuer im 20. Jahrhundert nur Flächen von etwa 5 Millionen Hektar verbrannt haben. Im 21. Jahrhundert gab es bereits zwei Feuer mit mehr als 10 Millionen Hektar verbranntem Land (Quelle).

Und das, obwohl es im 20. Jahrhundert auch bereits Klimawandel-Effekte gab. Es handelt sich also vermutlich eher nicht um ein seltenes Jahrhundertfeuer, sondern um etwas, mit dem wir ab jetzt regelmäßig rechnen müssen. Wir könnten also grob abschätzen, dass sich die Schwere des Brandes durch den menschengemachten Klimawandel mindestens  verdoppelt hat. Auch die Häufigkeit von schweren Feuern hat sich erhöht. Und wie gesagt: Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass dies bis zum Ende des Jahrhunderts dreimal so wahrscheinlich werden wird.

Wir haben aber zu wenig Messpunkte, um es wirklich genau zu quantifizieren, und die Messungen sind natürlich durch Satelliten mit der Zeit erst genauer geworden.

Gehen wir also für dieses Feuer erstmal konservativ davon aus, dass die Brandgefahr und die Größe der Feuer sich durch den Klimawandel in etwa verdoppelt hat. Danach wären die Hälfte der verbrannten Tiere direkt dem Klimawandel zuzurechnen. Konservativ auch deswegen, weil Tiere früher noch ausweichen konnten, und größere Feuer heutzutage komplette Habitate zerstören (Quelle). Aber wie gesagt, das ist alles eine Schätzung.

Wie groß ist der Anteil Deutschlands?

Volker Quaschning sagt, dass Deutschland letztes Jahr für rund 2% des globalen CO2 Ausstoßes verantwortlich war. Doch ist das überhaupt die hier relevante Größe? Den Klimawandel gibt es ja nicht, weil wir erst letztes Jahr so viel CO2 ausgestoßen haben. Sondern weil wir nun schon seit 150 Jahren mehr ausstoßen als die Kohlenstoffsenken der Erde wieder aufnehmen können.

Um den Anteil eines Landes zu beziffern müssen wir uns also alle jemals getätigten CO2 Emissionen seit Beginn der Globalisierung anschauen. Hier gibt Deutschland ein deutlich schlechteres Bild ab. So profitieren wir schon viel länger vom Wohlstand, den die globale Ausbeutung fossiler Brennstoffe so mit sich bringt. Insgesamt ist Deutschland für 5,75% aller menschlichen Emissionen verantwortlich. Das ist immens, besonders wenn man bedenkt, dass in Deutschland nur 1% der Weltbevölkerung lebt.

Das führt dazu, dass ein heute 50 jähriger Deutscher in seinem Leben ein Vielfaches der Luftverschmutzung begangen hat, als ein gleich alter Chinese:

Das bedeutet, wenn man diese Logik anwendet, dass Deutschland für 5,75% der verbrannten Tiere verantwortlich wäre, die wir auch dem Klimawandel zuschreiben können.

Wie viele Tiere sind gestorben? Volker Quaschning spricht von der Zahl 480 Millionen. Doch diese Zahl gilt leider als überholt. Sie bezieht sich nur auf einen Bundesstaat und viele Tierarten sind nicht eingeschlossen. Außerdem haben sich die Brände seitdem rasant weiter ausgebreitet. Daher gehen Forscher*innen mittlerweile sogar von 1 Mrd. toten Tieren aus.

Fazit

Bei einer Milliarde toten Tiere könnten man etwa die Hälfte dem Klimawandel direkt zuschreiben. Davon könnte man 5,75% direkt Deutschland anzulasten. Also trägt Deutschland durch seinen Lebensstil der letzten 150 Jahre (besonders der letzten 50 Jahre) schätzungsweise die Mitverantwortung von den Tod von etwa 30 Millionen Tieren durch Buschfeuer. Zur Erinnerung: In diese Rechnung fließen maßgeblich Schätzwerte mit ein, aber die Größenordnung dürfte stimmen.

Doch man muss dazu sagen, dass sich diese Zahl nur auf dieses Jahr bezieht. Bereits 2002 gab es gigantische Buschfeuer und diese Art von Ereignissen werden auf den aktuellen Emissions-Pfaden alle paar Jahre vorkommen, vermutlich bis sämtliche Koalas und viele weitere Wildtiere in Australien ausgerottet sind. Auch daran haben wir mit unseren aktuellen Emissionen bereits Anteil. Und wichtig ist auch, dass sich diese Zahlen nur auf Australien beziehen. Auch in vielen weiteren Ländern werden unser Lebensstil und unsere Emissionen indirekt zum Tod von Milliarden Tieren führen.

Generell lässt sich also sagen, dass Volker Quaschning den Schaden auf das Klima durch Deutschland unterschätzt hat. Er liegt deutlich höher. Es ist natürlich richtig, dass die Kausalität nicht so direkt gezogen werden kann und eine exakte Zahl nicht aufgestellt werden kann. Es ist jedoch vielleicht ein nützlicher Richtwert, um die Zusammenhänge der Klimakrise und die auch unsere Verantwortung daran zu verdeutlichen.

Du kannst etwas tun

Ok, das ist jetzt alles ein ziemlicher Downer, aber du kannst etwas tun. Die Wissenschaft sagt: Es bringt etwas, mit Familie, Freunden und Bekannten über den Klimawandel zu sprechen (Quelle) . Es ist oft schwer, besonders, wenn diese noch nicht besonders viel über die Folgen und Ursachen wissen. Da ist es dann wichtig, trotzdem sachlich zu bleiben und die richtigen Argumente zu nutzen.

Die Wissenschaft sagt: Kinder können die Einstellung ihrer Eltern ändern. Besonders gute Chancen auf Veränderung der Einstellung haben Töchter, die ihre Väter darauf aufmerksam machen, welches Leid ihnen durch den Klimawandel zugefügt wird (Quelle). Dafür ist dieser Artikel vielleicht ganz gut geeignet.

Jetzt sofort kannst du dich an der Aktion #StopAdani beteiligen. Siemens soll hier eine Strecke zu einer neuen Kohlemine in Australien bauen. Wenn Siemens sich weigert, könnte das komplette Projekt an den strengen Gesetzen in Australien scheitern, da andere potentielle Anbieter ebenfalls abgesprungen sind. Beteiligung ist möglich über Petitionen und Emails an Siemens und über Proteste Freitags bei Fridays For Future. Mehr Infos hier: https://www.stopadani.com

Fridays For Future hat es bereits mit geschafft, dass die Emissionen deutlich gesunken sind. Bis zur Netto-Null ist es aber noch ein weiter Weg.

Artikelbild: pixabay.com, CC0