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AfD-Eklat an Uni: Anti-Antifa stürmt Vorlesung! Meinungsfreiheit bedroht!

von | Nov 7, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Medien, Schwer verpetzt

Die Meinungsfreiheit ist bedroht!

Es war ein Attentat auf die Meinungsfreiheit und die Demokratie: An der Uni Freiburg wurde eine Vorlesung des „Referats gegen Faschismus“ des Studierendenrates von einer Anti-Antifa-Gruppe gestürmt. Die Gruppe, angeführt von einem örtlichen AfD-Stadtrat, trat laut Beteiligten höchst aggressiv auf und versuchte, die Meinungsfreiheit in Deutschland abzuschaffen. Nachdem der Studierendenrat erfolglos versuchte, die rechtsradikale Gruppe des Saales zu verweisen, kam es zu einer Rangelei.

Aufgrund von Sicherheitsbedenken musste die Veranstaltung abgebrochen werden und wurde in Privaträume verlegt. „Das war wohl die erste Veranstaltung seit Jahrzehnten, die aus Sicherheitsgründen verlegt werden musste“, sagte Moritz May vom Asta. Die Meinungsfreiheit an Hochschulen ist eindeutig in Gefahr, wenn die radikale Anti-Antifa derart Vorlesungen verhindern kann. Sicherlich wird auch Bundespräsident Steinmeier die Aktion bald verurteilen, wie das letzte Mal, mit den Worten: „Das sind aggressive Gesprächsverhinderungen, Einschüchterung und Angriffe“ und „Niemand muss schweigen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Aber andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur weil sie das eigene Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel“.

Und um auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu paraphrasieren: Die Redefreiheit wird unter Verweis auf die Political Incorrectness eingeschränkt, wenn ein selbst ernannter undemokratischer Mainstream darüber befindet, was diskutiert werden darf und was nicht! Es ist nicht das erste Mal: Auch im November stürmten rechtsextreme Störer eine Vorlesung, um ihre Gegner mundtot zu machen:

 



Stellt euch mal vor, ich hätte das alles so ernst gemeint

So ernst meinte ich die ersten Absätze gar nicht. War das alles zu extremes Framing? War es lächerlich, diesen Vorfall derart aufzublasen? Vom Untergang der Meinungsfreiheit zu sprechen? Gar von „Anti-Antifa“? Begriffe wie „Stürmen“? Keine Sorge, der Vorfall ist absolut real, genau das ist in Freiburg passiert (Mehr dazu). Die Vorlesung wurde wirklich von „aufgepumpten Typen, die äußerst aggressiv auftraten“, wie uns ein Zeuge berichtete und einem AfD-Stadtrat gestört. Sie musste wirklich wegen Tumulten und Rangeleien verlegt werden. Ich habe nur Begriffe verwendet, die auch die BILD über Lucke gebracht hatte.

Die Zitate von Steinmeier und Schäuble sind auch echt (Schäuble natürlich etwas angepasst), beziehen sich aber natürlich auf Lucke und De Maizière (Mehr dazu). Warum werden friedliche (!) Proteste von (linken?) Studierenden in den Medien derartig aufgeblasen, dass es gar zu einer Diskussion über die Meinungsfreiheit gekommen ist (Mehr dazu)? Und warum sind Störungen durch AfD-Stadträte gerade mal eine Meldung in einer lokalen Zeitung von Bedeutung? Ein Stadtrat übrigens, der den Unterschied der AfD zur NPD „vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“ gegeben sieht, Barack Obama als „Quotenn*ger“ bezeichnet hatte und in der Vergangenheit bereits zu Geldstrafen wegen Verunglimpfung eines Grünen-Politikers verurteilt worden war (Quelle).

Wie die Badische Zeitung berichtet, drohte der AfD-Stadtrat, als sie ihn um Stellungnahme baten, stattdessen mit einer Abmahnung. Er verweist lediglich darauf, dass die Veranstalter kein Hausrecht besessen hätten. Die Universität erklärte jedoch, dass die Veranstalter dieses durchaus besessen hätten und sie jetzt rechtliche Schritte prüft. Was ist also hier los?

Rechte inszenieren sich immer als Opfer

Kommen wir zuvor noch einmal kurz auf die zweite Veranstaltung unseres Autoren Eric Wallis, dessen Vorlesung über rechtes Framing – wie ironisch – von der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung gestört wurde. Die Rechtsextreme Gruppe grölte ihre Parolen, aber als Wallis ihnen anbot, mit zu diskutieren, flohen sie aus dem Saal – und inszenierten Fotos, auf denen es so aussehen sollte, als wären sie vom Sicherheitsdienst mit Gewalt abgeführt worden. Wir haben hier berichtet:

Was für „Opfer“: „Identitäre Bewegung“ inszeniert eigenen „Rauswurf“

Auch der AfD-Stadtrat behauptete, die Tumulte an der Vorlesung in Freiburg gingen von einer „Meute Antifas“ aus. Wie kann es sein, dass „die gewalttätige Antifa“ Schuld ist, wenn friedlich gegen eine Vorlesung eines rechten Ex-Politikers protestiert wird und auch wenn eine Studierenden-Vorlesung durch Rechtsextreme wegen Tumulten abgebrochen werden muss? Es ist die perfide Strategie des Framings. Denn Rechtsextreme wie die AfD werden sich immer in jeder Situation als das Opfer darstellen.

Opferinszenierung: AfD erwischt, wie sie eigenen Infostand zerlegt – Schuld sei „die Antifa“

Denn wenn die Medien jemanden als Opfer ausmachen, sind die Sympathien klar: Der andere ist schuld. Völlig egal, wie gerechtfertigt Proteste gegen Lucke oder De Maizière waren (weiß überhaupt jemand, warum gegen letzteren protestiert wurde?), man spricht nur noch über die Protestierenden als Täter. Und Rechtsextreme nutzen das, um zu verschleiern, dass sie es sind, die gerade an den Ästen unserer Meinungsfreiheit sägen.

Wie mediales Framing gefährlich wird

Rechtsextreme fahren so eine perfide Doppelstrategie: Während eine öffentliche Veranstaltung über die Gefahren des Faschismus in Privaträume verdrängt wurde – also wirklich die Meinungsäußerung beschränkt wurde – diskutiert man über die vermeintliche „Meinungsdiktatur“ durch „politische Korrektheit“ – die ja vom empörten Liberalen quasi genau so schlimm empfunden wird wie Faschismus selbst. Und wozu führt das am Ende?

Dass Protest gegen Faschismus genau so schlimm wahrgenommen wird wie Faschismus. Und dann bieten wir Rechtsextremen freiwillig die Plätze in Talkshows, an unseren Vorlesungen, in unseren Leitartikeln. Sonst wäre das ja irgendwie unfair und auch Faschismus. Wenn eine Haltung gegen Hass auch irgendwie Hass ist, sind die Verteidiger zu stillen Zuschauern der „Machtergreifung“ der AfD (Gauland) verdammt. Am Ende geben wir ihnen freiwillig die Regierungsbeteiligung und die Macht, weil sonst werden sie sich unfair behandelt fühlen. Und keiner merkt, wie wir selbst die Faschisten an die Macht gehievt haben. Ironischerweise in dem Versuch, Faschismus zu stoppen. Aber Spoiler: Faschisten werden sich immer als Opfer inszenieren, völlig egal, was passiert.

Wir dürfen nicht so weitermachen

Das ist kein fiktives Szenario, so ist es in der Weimarer Republik gewesen. Und wenn unsere Medien dieses Spiel mitspielen – sei es, um Vorurteile bürgerlicher Leser*innen zu bedienen oder linken Meinungen eins auszuwischen, so werden Proteste gegen Rechte gebrandmarkt. So werden rechte Opfermythen gefestigt. Und diese Weltbilder kriegen wir dann nicht mehr los. Deswegen sollten wir nicht jede gestörte Lucke-Vorlesung eskalieren oder vielleicht auch über rechte Störer berichten, auch wenn sich „Linke“ nicht bereitwillig als Opfer inszenieren.

Artikelbild: WAYHOME studio, shutterstock.com