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Wie die WELT versehentlich Volksverpetzer an die Spitze der Twitter-Trends katapultierte

von | Mai 23, 2021 | Aktuelles

Über WELT, Drosten – und uns selbst

Heute geht es mal mehr oder weniger um uns selbst. Also, eigentlich geht es um die Desinformations-Methoden der WELT-Zeitung und ihrer Autor:innen und deren immer deutlicheres Abdriften in die systematische Desinformation und Wissenschaftsleugnung. Aber wir sind mittendrin. Und Achtung: Das wird jetzt sehr lang, also schnallt euch an. Aber greifen wir nicht zu weit vor. Über WELT und ihre Fake News haben wir bei Volksverpetzer ja schon geschrieben. Die desaströse Desinformationskampagne dieser Zeitung zum Pseudo-DiviGate habe ich ja hier schon zusammengefasst.

Nicht viel blieb übrig von dem grob falschen und unbelegten Thesenpapier, das WELT lange ungeprüft viral gehen ließ. Nach zwei Tagen musste die WELT selbst einen „Faktencheck“ ihrer eigenen Fake News machen und feststellen, dass die zentralen Thesen nicht belegt sind. Die zentralen Thesen, viel gefeiert von Pandemie-Leugner:innen und Rechtsextremist:innen, dass die Pandemie hierzulande nie so schlimm gewesen sei und die Regierung bewusst Panikmache geschürt hätte. Das bitte merken. Die Details und alle Quellen habe ich hier schon zusammengefasst:

Dieser Vorfall ist jedoch für den Hintergrund nur insoweit relevant, als dass er noch relativ frisch in den Köpfen der Leute war, als Olaf Gersemann, Ressortleiter Wirtschaft und Finanzen bei der WELT, Zitate der Physikerin Viola Priesemann aus dem Kontext riss, die am Max-Planck-Institut die Covid-Pandemie mathematisch erforscht. Und ja, er hat das definitiv getan, auch wenn er das bis heute absurderweise vehement abstreitet und lieber gemeinsam mit anderen Journalist:innen eine Ablenkungskampagne mit noch mehr Fake News führte. Aber der Reihe nach.

Der Fake, um den es ursprünglich ging

Link

Das ist der Tweet von Gersemann mit Zitaten von Viola Priesemann. Die implizite Kritik darin ist klar: Priesemann habe im März gesagt, die „Intensivstationen könnten noch über Monate gefüllt sein“, und zwei Monate später, dass der Rückgang der Zahlen „keineswegs überraschend“ kam und sie und andere „damit gerechnet“ hätten. Haha, voll der Widerspruch, was für eine Lügnerin! Oder zumindest voll inkompetent. Was er damit sagen wollte, erklärt er später noch. Das implizite Bonus-Narrativ – angelehnt an das „Querdenken“-Narrativ der „Panikmache“ rund um Corona – ist, dass Expert:innen düstere Schreckensbilder gezeigt hätten, die dann gar nicht eingetreten sind. Diktatur, Plandemie, usw.

Ich will Gersemann nicht unterstellen, dass er diesen Subtext beabsichtigt hat, aber Accounts mit diesem ideologischen Einschlag haben das definitiv so gelesen und entsprechend befürwortet und verbreitet. Aber jetzt zu den Fakten: Das erste Zitat stammt aus diesem FAZ-Artikel, das zweite aus diesem SPIEGEL-Artikel. Beide natürlich leider hinter einer Paywall, aber ich versuche, alles Wesentliche für den relevanten Kontext zu zitieren.

Der extrem wichtige Kontext, den Gersemann verschweigt

Dass Gersemann absolut bewusst zu sein scheint, dass er hier irreführend den Kontext weglässt, wird deutlich. Beim Verlinken der Quellen schreibt er sogar sarkastisch: „Natürllich VÖLLIG aus dem Zusammenhang gerissen.“ [sic] So viel Dreistigkeit muss man besitzen, denn die Zitate sind tatsächlich aus dem Kontext gerissen. Wir – und auch Journalisten – haben versucht, Gersemann darauf hinzuweisen, was dieser einfach nicht wahrhaben wollte. Und stattdessen allen „Flüchtigkeitsfehler oder Bösartigkeit“ unterstellte. Starkes Stück. Auch Priesemann versuchte Gersemann – Spoiler: erfolglos – den Kontext zu erklären:

Wie immer bitte ich darum, dass ihr euch die Zeit nehmt und den ganzen Thread lest, damit ihr seht, dass ich nichts aus dem Kontext reiße oder falsch darstelle. Zusammengefasst erklärte Priesemann aber, dass das erste Zitat sich auf diese Studie bezog, in der sie zwei Szenarien modelliert hatte. Ich zitiere sie einfach am besten mal selbst:  „(1) Es wird schneller gelockert, als der Impffortschritt es erlaubt. Dann könnten(!) die Intensivstationen noch über Wochen gefüllt sein. (2) Es wird langsamer gelockert, als der Impffortschritt es erlauben würde. Dann sinken die Inzidenzen.“ Je nachdem, wie schnell man lockert, würde das einen großen Unterschied in der Inzidenz machen. Warum sie mit einem Rückgang rechnete, erklärt sie auch: „Weil Israel und UK beim Impfem einige Wochen vorraus sind. Wie lange hält dieser Rückgang? – Das ist schwierig abzuschätzen. Eine neue Variante, oder zu starke Lockerung kann den Rückgang wieder umkehren. Aber wann?“ [sic]

Und das steht auch im ersten Absatz der Studie. Zwei Szenarien, eins mit Lockerungen, die zu früh sind und ein anderes Szenario, in welchem Infektionen extrem reduziert werden könnten. Wow, fast so, als hätten die Expert:innen ein gutes Szenario und ein schlechtes Szenario erstellt und waren nicht überrascht, als das, was für das positive Szenario gemacht wurde, auch eingetroffen ist.

Gersemann versucht abzulenken, baut Strohmann-Argumente auf (Das werden wir noch öfter sehen)

Aus mir unerklärlichen Gründen war das Ganze hier noch (längst, sorry) nicht vorbei. Anstatt seinen Tweet zu löschen und sich vielleicht noch zu entschuldigen, steigerte sich Gersemann weiter hinein. Er ignoriert völlig die Erklärung von Priesemann, und verwies darauf, dass er ja nicht die Studie zitiert habe, sondern die FAZ. Des Weiteren kritisierte er, dass Corona-Modellierer mit zu viel „Selbstgewissheit“ Prognosen durchgeführt hätten. Offenbar wollte er also mit seinen aus dem Kontext gerissenen Zitaten zeigen, dass Priesemann mit ihrer Einschätzung daneben lag.

Aber es geht noch weiter – bitte hier den ganzen Thread lesen: Er erklärt, er wollte ihr eben nicht Panikmache unterstellen, sondern er kritisiere, dass Priesemanns Modell „die Trendwende nicht gesehen hat“. (Das ist falsch, Priesemann hat doch darauf verwiesen, dass ihre ModellE – Plural – auch eine positive Entwicklung beschreiben.) Und weiter behauptet er, Priesemann habe sich „zuvor“ damit rechtfertigen wollen, dass „die Modelle ja nicht fertig waren“. Ähm… was? Entweder ich bin blind, oder das.. hat sie in keiner Weise hier geschrieben? Nicht in dem Thread, auf den Gersemann antwortet.* Guckt selbst nach. Wieso bringt er das jetzt? Ist das schon Gaslighting?

Ok, Gersemann scheint hier irgendwie bewusst die relevanten Hinweise von Priesemann zu ignorieren. Er ignoriert völlig, dass sie mehrfach deutlich erklärt hat, zwei Szenarien beschrieben zu haben, er leugnet das regelrecht. Und kritisiert dann irgendwelche Dinge, die sie nicht in dem Kontext gesagt hat? Ich zweifel an meinem Verstand, ich finde keine derartigen Kommentare von Priesemann in dieser Diskussion. Ist das.. sein Ernst? Und dann erdreistet er sich auch noch, sie darüber zu belehren, dass man Modellierer an ihren Modellen messen müsste, die für jeden einsehbar seien. Nur um dann genau das nicht zu tun? Er widerspricht sich hier doch selbst?!

Gersemann-Desinformation geht weiter

Aber ok, ignorieren wir Gersemanns fröhlich konstruierte Strohmänner, die er so differenziert widerlegen kann. Nehmen wir das Argument, dass er sich auf den FAZ-Artikel bezieht, erst einmal ernst und tun so, als hätte Priesemann mit dem Verweis auf ihre Studie nicht längst schon gezeigt, wie ihr erstes Zitat gemeint war und dass nicht ihre definitive Prognose war, sondern ein mögliches Szenario (von zweien). Auch wenn Gersemann selbst erklärt, man müsse Modellierer an ihren Modellen messen. Schauen wir uns den Kontext vom ersten Zitat an.. Das übrigens im Konjunktiv steht. Merkt euch das kleine Detail noch mal kurz.

Im FAZ-Artikel steht – uff – buchstäblich schon in der Überschrift das Zitat „Wir stehen am Scheideweg“. Fast so, als gäbe es zwei mögliche Ausgänge, über die Priesemann redet. Auf die Frage, was ihre Prognose sei, sagt sie dann das:

Zuerst beschreibt sie – wie von Gersemann dargestellt – was passieren KÖNNTE: die für mehrere Monate überfüllten Intensivstationen. Direkt im Anschluss, was dazu beitragen könnte. Unter anderem „Lockerung“. A-ha! Hat Gersemann also doch recht gehabt? Wenn man nur diesen Absatz anschaut, hat Priesemann volle Intensivstationen vorhergesagt. Joa, ich denke, man sollte schon noch mehr als einen Absatz lesen. Nur vorsichtshalber. Besonders in einem Artikel, der was von „Scheideweg“ beschreibt. Denn weiter sagt Priesemann, dass ihre Modelle (Plural, nicht nur eine mögliche Entwicklung!) „klar und sehr logisch“ seien: Entweder schneller öffnen, „dann steigen die Fallzahlen“. Oder wir halten die Fallzahlen niedrig.

Ups. Also fassen wir zusammen. Gersemann wollte mit seiner Gegenüberstellung der Zitate zeigen, dass die „Prognose“ von Priesemann nicht eingetroffen sei und ihr Modell diese Entwicklung nicht vorhergesehen habe. Und dann noch weitere herablassende Kritik an Dingen, die Priesemann in diesem Kontext gar nicht erwähnt hat. Ist das sein Ernst? Ist das der Anspruch eines Ressortleiters bei der WELT? Er möchte sie an ihrem Modell messen, das er völlig ignoriert, weil es genau das Gegenteil dessen aussagt, was er angeblich kritisieren will. Ja, das sind eindeutig Fake News.

„Der Konjunktiv in GROSSBUCHSTABEN, damit ihn auch jeder als solchen versteht.“

Dass Gersemann durchaus versteht, was ein Konjunktiv ist, sieht man ja deutlich. Hier twitterte er im Oktober, was „passiert, WENN das ungebremst so weiterläuft“ [sic]. Und sagt voraus, dass man bis Weihnachten 500.000 Fälle am Tag haben könnte.

Ah-ha-ha! Es gab nicht 500.000 Fälle! Sondern wirklich etwa so viele Zahlen wie Merkel schätzte (Quelle). Gersemann entlarvt, er lag voll daneben! Sein „Modell“ hat nicht die Realität vorhergesagt! Spaß beiseite. Natürlich war diese „Prognose“ an Bedingungen geknüpft. Das ist das, was ein Konjunktiv ist. Das hat Gersemann Monate später noch mal erklärt und kritisiert, dass „nicht alle in Wissenschaft, Politik und Medien“ diesen verstehen.

Olaf, Olaf… hey. Kannst du mir sagen.. in welchem Modus dieses Verb hier konjugiert ist? Oder verstehst du den Konjunktiv nur, wenn er in GROSSBUCHSTABEN geschrieben wird?

Wir bitten das nächste Mal die Redaktion der FAZ, Konjunktive immer groß zu schreiben, damit es auch alle in „Wissenschaft, Politik und Medien“ verstehen. Auch Ressortleiter bei der WELT. Nicht falsch verstehen: Gersemann hat sicherlich sehr viel mehr Ahnung von Modellierungen als ich. Aber wenn sogar ich sehe, wie unfair er hier mit Priesemann umgeht, dann ist was faul.

Und jetzt kommen wir ins Spiel

Ihr könnt vielleicht verstehen, warum mir an dieser Stelle ein wenig der Kragen geplatzt ist? Ich stoße also auf diese Fake News von Gersemann, weil ich die Richtigstellungen und Erklärungsversuche gesehen habe, nur um dann schwammige Ausreden von ihm zu lesen, mit denen er nur davon ablenken will, sich völlig verrannt zu haben. Also habe ich mich bei Gersemann beschwert. Ich gebe zu, ich hätte es auch nochmal ruhiger und netter probieren können, aber nach dem Pseudo-DiviGate und der wiederholten Ignoranz von Gersemann war mir nicht danach. Trotzdem, ich entschuldige mich, das war vielleicht zu provokativ.

Ich will euch nicht den ganzen Schlagabtausch zwischen uns und Gersemann aufdröseln, aber weil es hier eben so essenziell ist, wer was genau gesagt hat, und wer was aus dem Kontext reißt, will ich eben nicht wie Gersemann arbeiten, sondern den gesamten Kontext liefern. Dieser griff uns direkt persönlich an und unterstellte uns „wüste Unterstellungen“.

Ich versuchte es noch einmal mit dem Verweis auf die Fakten. Und ja, Social Media allgemein und Twitter im Besonderen eignen sich denkbar schlecht, um sachliche Debatten zu führen. Es wird leicht ein Inszenieren für die eigenen Fans bzw. Filterblase. Da waren wir auch nicht unschuldig. Aber man kann ja nicht zu jeder Auseinandersetzung einen ganzen 26-seitigen Artikel schreiben. Wer hat die Zeit für sowas? Sagte er, sich seiner Ironie völlig bewusst. Ich versuchte dennoch, knapp auf die zentralen Punkte einzugehen und den relevanten Kontext zu erklären. Und dass meine Vorwürfe eben keine Unterstellungen waren.

Davon ließ sich Gersemann nicht überzeugen, er griff nur noch einzelne Formulierungen von mir an, und ignorierte den Rest. Daraufhin mutete ich ihn, weil eine Auseinandersetzung offensichtlich sinnlos war. Für mich war das damals, am Donnerstag also gegessen und vorbei.

Gersemann kann nicht mehr als 15 Sätze am Stück lesen?

Den Inhalt hatten wir hier ja schon ausführlich. Mein Fazit bleibt aber immer noch das gleiche. Ich möchte nur einmal noch vorgreifen, dass Gersemann einmal noch halbherzig versuchte, seine Fake News zu rechtfertigen, bevor er völlig zu „wüsten Unterstellungen“ griff, und für seine Twitter-Blase weiter fröhlich aus dem Kontext gerissene Screenshots in Szene setzte und völlig blauäugig uns alles das vorwarf, was er selbst gemacht hatte. Hier tat er so, als würde er irgendetwas belegen und wiederholte einfach noch mal die Fakten, die wir ihm erklären mussten:

Nach all dem aus-dem-Kontext-Reißen, den verkürzten und falschen Darstellungen, der Behauptung, Gersemann wolle Priesemann an ihren Modellen messen, und den Vorwürfen, er würde ignorieren, dass sie auch in dem Interview, das er zitiert, mehrere Ausgänge (im KONJUNKTIV) beschreibt, die er verschweigt, ist seine Ausrede… dass 15 Sätze dazwischen liegen. Und ich … äh … ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum Gersemann denkt, dass dies jetzt so ein „Gotcha“-Moment sei. „Kontext“ gilt nicht mehr ab 15 Sätzen oder wie? Darf man nie mehr als eine Handvoll Sätze in Isolation betrachten, Herr Gersemann? Wissen Sie, dass manche Texte länger sind als 15 Sätze? Oder überfordert das inzwischen WELT-Leser:innen, mehr als einen Absatz zu lesen?

„Schon deshalb ist der Vorwurf offenkundiger, hanebüchener Unfug. In der Sache ist er das übrigens auch, wie sich leicht nachlesen lässt.“ Natürlich ist es „offenkundiger, hanebüchener Unfug“, wenn man auf den Kontext hinweist, wenn Priesemann in einem Interview („Wir stehen am Scheideweg“) mehr als einen Absatz braucht, um zwei verschiedene, mögliche Szenarien zu beschreiben! Vielleicht liegt es daran, dass ich nur Literaturwissenschaft studiert habe, aber „Kontext“ ist in der Regel schon der ganze Text, aus welchem zitiert wird. Manchmal sogar der Paratext, also die Umstände und dazugehörigen Texte. Meine Güte, und dieser Mann glaubt allen Ernstes, er wäre jetzt so cool, dass er hier voll den Skandal aufgedeckt habe?! Und fängt an, harte Anschuldigungen zu formulieren. Wir seien „böswillig“, verbreiten Fake News. Ach Gott, das ist peinlich!

Danke Drosten – und #1 der Twittertrends

Jedenfalls hat Gersemann peinlicherweise gedacht, dass er uns jetzt groß entlarvt hätte. Das, oder ihm war es völlig egal, weil er wusste, dass er aus der „richtigen“ Ecke einfach nur diese Dinge performativ behaupten muss, und dann glauben ihm Leute schon, dass es so sein muss. Und er liefert wirklich einen Spruch nach dem anderen, der ihn perfekt selbst beschreibt: „Ein Milieu, das Fakten nur noch anerkennt, wenn sie das eigene Weltbild stützen. Und das bereit ist, Entgegenstehendes bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen“. Bitte merkt euch diesen glorreichen Satz noch, mit dem Gersemann denkt, er würde uns beschreiben. Auf jeden Fall bekamen wir da unerwartet Schützenhilfe. Von Prof. Dr. Drosten.

Für uns ist das natürlich eine riesige Ehre, geben wir uns doch sehr Mühe, besonders bei den vielen Fake News rund um Corona, PCR-Tests und Impfungen Aufklärung zu verbreiten. Wofür wir sogar verklagt werden von denjenigen, deren Desinformation wir aufdecken (mehr dazu). Für uns gibt es kein größeres Kompliment, als von einem der weltweit führenden Experten in einem Gebiet bescheinigt zu bekommen, dass wir in diesem Gebiet ordentlich und kritisch gearbeitet haben. Auf Facebook habe ich noch ausführlich klargestellt, dass wir in anderen Bereichen (in denen Drosten es eben wegen seines eigenen Hintergrundwissens nicht beurteilen kann) sicherlich ein Weltbild produzieren und man uns sicherlich auch „politischen Lagern“ zuordnen kann.

Wir sind der Ansicht: Es geht auch nicht wirklich ohne Weltbild. Wer behauptet, er habe keins, lügt. Wir haben eine Meinung und wir äußern uns auch nicht „neutral“, denn in Anbetracht von gezielter Desinformation, PLURV, Hass und Hetze sehen wir es als den falschen Weg, so zu tun, als wäre ein Diskurs, in dem gewisse Akteur:innen nicht fair und ehrlich sind, ausgewogen und gleich zu bewerten. Unser Anspruch ist hingegen, fair, überparteilich und ehrlich zu sein und Aussagen und Einschätzungen stets mit Fakten zu belegen und nachvollziehbar zu gestalten. Wir machen auch Fehler wie jede:r, wir sind nicht perfekt. Aber wir versuchen auch ehrlich und transparent damit umzugehen und korrigieren uns, wenn nötig. Aber dass Drosten sich einmischte, gefiel weder Gersemann, noch der verschwörungsideologischen Filterblase, die Gersemann u. a. zu Seite sprang.

Rechter Shitstorm gegen Volksverpetzer

Ab hier wurde es nur noch schmutzig und lächerlich. Noch lächerlicher. Gersemann, der seine Kolleg:innen (und den Chef) aus der WELT dadurch mobilisiert bekam, fing an, wie besessen über uns zu twittern, um uns mit Dreck zu bewerfen. Wenn eine derartige Autorität sich einmischt, untergräbt das seine Inszenierung als seriöser Journalist einer großen Zeitung, der von so einem kleinen Blog mit nur 2 Vollzeitmitarbeitern betrieben wird, ganz gemein angegangen wird. Und verzeiht, wenn ich hier nicht mehr alle Tweets aufzähle, der Artikel ist lang genug. Auch ignoriere ich das meiste Gehetze der Rechtsextremen, die sofort aufsprangen, als #Volksverpetzer in die Trends kam.

Zunächst versuchte Gersemann, davon abzulenken, dass wir ihm nachgewiesen haben, dass er Zitate aus dem Kontext reißt.. in dem er Zitate aus dem Kontext reißt. Ja, dieser Mann kennt das Wort Ironie anscheinend nicht. Er macht einen Screenshot eines.. 16 Monate alten Artikels von uns, aus dem Januar 2020, wo wir tatsächlich Falschinformationen über Corona stehen haben.

Ah, voll erwischt. Damit hat Olaf Gersemann natürlich automatisch recht mit allem, was er sagt. Haha, wir haben im Januar 2020 was Falsches über Corona geschrieben, Volksverpetzer und Drosten voll bloßgestellt. Echt dumm, dass wir das verheimlichen wollten, und Gersemann, der topseriöse Journalist uns da entlarvte… ODER… verschweigt Gersemann hier schon wieder dreist den Kontext, den er garantiert gelesen hat? Denn man kann den Artikel nicht anklicken, ohne dass einem zuerst dieser über ein Jahr alte, fette Disclaimer ins Auge springt:

Aber vielleicht waren das mehr als 15 Sätze, wer weiß? W eiter kann Gersemann anscheinend ja nicht lesen. Oder vielleicht ist er auch jemand, der – wie war das? – „Fakten nur noch anerkennt, wenn sie das eigene Weltbild stützen.“ Ich habe oben geschrieben: Fehler kann jede:r mal machen, wir halten es für richtig, eigene Fehler zu korrigieren. Und nur spaßeshalber will ich mal zeigen, welche dpa-Meldung 4 Tage vor unserem Fauxpas beim „News Check“ auf WELT zu sehen war:

Im Gegenteil: Dass wir zugeben können, uns beim Thema Corona geirrt zu haben, beweist doch eigentlich umso mehr, dass wir eben kein Weltbild produzieren wollen, sondern unseres anpassen können, genau wie Drosten sagte, oder? Den Fehler erwähnen wir übrigens ständig, als Paradebeispiel dafür, dass sich jede:r mal irren kann. Und weil Desinformationsverbreiter:innen das seit 16 Monaten ständig hervorholen und die Richtigstellung stets verschweigen.

Aber offenbar machen wir nicht so viele Fehler, wenn man so weit zurückgehen muss. Bei der WELT müssen wir nicht so weit zurückgehen.

Gersemann blamierte sich und merkt es nicht mal

Man merkt aber, dass es viel, viel mehr Zeichen dauert, Desinformation richtigzustellen, als es dauert, einen Tweet mit einem aus dem Kontext gerissenen Screenshot zu produzieren. Und die Arbeit ist für Gersemann & Co. ja halt auch unnötig, den Applaus und den Support von ihrer Zielgruppe scheinen sie ja so oder so zu bekommen, von Leuten, die gerne bestätigt bekommen, dass das, was sie ohnehin schon glauben, schon immer richtig war.

Wir hatten ja Gersemann schon längst stumm geschaltet, weil er offensichtlich kein Interesse daran hat, sich zu korrigieren und zu entschuldigen, aber wie viele Tweets er daran verschwendete, uns auf Twitter zu ownen (und wie sehr das schief ging), sagt ehrlich gesagt mehr über ihn aus, als über uns.

Kann jemand Herrn Gersemann darauf hinweisen, dass…äh… die „Antifa Nordsachsen“… NICHT.. der Volksverpetzer ist? „Es geht darum zu gewinnen, oder genauer: den anderen verlieren zu sehen. Dementsprechend sind auch alle möglichen Mittel recht. Zuweilen geben sie das auch aus Versehen zu.“ Oh mein Gott, wie kann ein Mann die ganze Zeit versehentlich über sich selbst reden und das nicht merken? Da macht ein random Account, der nichts mit uns zu tun hat, einen Scherz und Gersemann denkt: Das ist der große Beweis. Oh meine Güte. Ja, Alex schreibt gelegentlich ehrenamtlich für uns und hat beim Witz mitgemacht. Weil Alex ihn auf die Richtigstellung vom Januar 2020 hingewiesen hat, was dieser aber ignoriert hatte. Aber… ehrlich, Olaf? Uff, ich krieg Fremdscham bei diesen billigen Versuchen, Dinge aus dem Kontext zu reißen, um das eigene Weltbild krampfhaft aufrecht zu erhalten.

WELT-Kampagne gegen Volksverpetzer

Und etwa gleichzeitig stieg noch die ganze WELT-Crew mit auf den Zug, um den „böswilligen“ Volksverpetzer performativ vor der eigenen Fanbase schlecht da stehen zu lassen. Anstatt.. keine Ahnung, einfach mal zuzugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Ok, nicht nur einen, aber ihr wisst, was ich meine. Der ohnehin offen mit ideologischer Agenda fahrende WELT-Chef Poschardt degradiert Drosten lediglich zum „Aktivisten“.

Er wurde erst kürzlich von Dr. Drosten für seine Desinformationsmethoden entlarvt, was wir hier bereits zusammengefasst haben:

Und weiter geht es mit gegenwärtigen und künftigen WELT-Autor:innen, die auf den Zug aufspringen und jetzt bar jeder Fakten einfach nur Stimmung gegen uns machen, was Poschardt natürlich gerne für seine Filterblase retweetet.

Den vielleicht größten Vogel hat natürlich Thore Barfuss abgeschossen, Ressortleiter Nachrichten & Gesellschaft. Da werden wir glatt zu einem „linksradikalen Portal“! Hahahaha. Steht er etwa so weit rechts, dass wir schon „linksradikal“ wirken? Sind Fakten „linksradikal“? Und was heißt hier übrigens „seit Tagen Olaf Gersemann attackiert“? Wir haben ihm glaube ich drei oder vier Mal am Donnerstag auf Twitter geschrieben, und ihn dann gemutet und wollten ihn ignorieren und nicht mehr darüber sprechen. Selbst hier können die WELT-Autor:innen es nicht lassen, die Fakten zu verdrehen. Gersemann hat „ohne Not“ am Freitag die Auseinandersetzung nach langer Ruhe noch mal aufgegriffen und uns mit seiner Screenshot-Collage und noch mehr Tweets an den Pranger gestellt.

Lasst euch von der WELT nicht verarschen: Wer „attackiert“ hier wen, wer reißt hier die ganze Zeit Screenshots aus dem Kontext, verbreitet Fake News, stellt andere an den Pranger, versucht sehr offensichtlich verzweifelt mit Schmutz zu werfen? Von unseren Faktenchecks gekränkte BILD-Autoren mischten sich auch ein und sicherlich noch mehr, aber wir versuchen Blödsinn weitestgehend auszublenden und zu blocken. Nur wenn es hier um die WELT und ihre Methoden geht, dann wollen wir das nicht unkommentiert stehen lassen. Eine Ehrenerwähnung kriegt Beatrix – lasst uns die Sonne verklagen – von Storch.

Die WELT blieb bis auf Applaus von ganz rechts aber ziemlich alleine

Ich möchte hier auf etwas Bestimmtes hinweisen, und dass es mir jetzt nicht nur darum geht, dass ihr seitenlang meine Verarbeitung eines Twitter-Beefs nachlesen müsst. Auch, aber nicht nur. Nämlich auch um das hier:

Warum hat es eine Zeitung wie die WELT nötig, unseren kleinen Blog derart anzugreifen? Und zwar so .. nennen wir es „böswillig“? Unbelegte Anschuldigungen (eher: Projektion), Fake News, Anprangerungen. Ich glaube, unsere vielen Faktenchecks von WELTArtikeln in letzter Zeit tun langsam weh. Denn die Fake News, auch über uns, das Stellen in die „linksradikale“ Ecke, kommt nur noch bei denjenigen an, die das auch unbedingt wahrhaben wollen. Der Rest – und das ist eine breite Allianz von Leuten, die man überall von die LINKE bis aus der CDU einordnen kann, oder da Mitglied sind – nahm uns in Schutz.

Und viele, viele mehr, bei denen allen wir uns ganz herzlich bedanken. Der Hashtag trendete ja doch eine Weile, ich habe sicher einige übersehen, tut mir leid. Aber jetzt genug Selbstbeweihräucherung.

WELT will das neue Fox News werden?

Klar habe ich jetzt sehr lange und ausführlich über einen kleinen Twitter-Beef geschrieben. Aber wenn man es ordentlich machen will, braucht man halt Platz. Dafür eignet sich Twitter nicht. Im Gegenteil, mit verhärteten ideologischen Fronten reichen aus dem Kontext gerissene Screenshots, wie sie die rechte Fake-News-Blase zu Dutzenden über uns produzierte. Was wir wirklich schreiben, liest keiner mehr, weil sind ja die „Bösen“. Mehr als 15 Sätze gibt’s da nicht. Aber warum macht die WELT das? Warum denkt sie, dass sie damit durchkommt oder es nötig hat? Ganz einfach: Weil sie nichts anderes vor hat.

Das Geschäftsmodell von WELT ist nicht mehr (nur) seriöser Journalismus. Auflage sinkt, bei WELT und BILD wurden viele Mitarbeiter entlassen (Quelle). Print ist tot, es zählen nur noch WELT+ Abos. Für Abos braucht man Reichweite, für Reichweite braucht man „Skandale“. Da hat die WELT z. B. mit dem Divi-Fake geliefert. Die Artikel, genau wie die eigene Richtigstellung sind alle hinter Paywall. Das Geschäftsmodell ist unter Poschardt – sehr deutlich – rechte Narrative und Themen aufzugreifen, und den Wunsch derjenigen zu bedienen, die dazu neigen, gleich eine Verschwörung der Medien zu wittern, wenn ihre verdrehten Darstellungen nicht auch in seriösen Medien zu lesen sind.

Die WELT lässt sich also quasi dafür bezahlen, die Desinformation, Fake News und Narrative, die bisher am (rechten und verschwörungsideologischen) Rand stattfanden, in die Medienwelt zu tragen. Dazu gehört der Aktivismus gegen die „linksgrünen“ Öffentlich-Rechtlichen (oder „linksradikale“ Anti-Fake-News-Blogs) und das ständige Angreifen der vermeintlich „linken“ Meinungshoheit. Darum auch das krasse Einprügeln auf Volksverpetzer. Man will den Mythos aufbauen, man sei Teil einer medial unterdrückten Mehrheit. Und deshalb.. muss man als großer Medienkonzern kleine, gemeinnützige Blogs beleidigen.

Narrative vor Fakten

Also muss man sich die (immer radikaler werdende) Blase heranzüchten, das macht man durch solche mediale Stunts, die die gleichen Feindbilder bedienen. Für die Abonnenten zählt aber dann nicht mehr gute Recherche oder Selbstreflexion, sondern die „richtige“ Meinung. Die WELT verkörpert damit ironischerweise genau das, was sie anderen gerne vorwirft: Aktivismus und Haltungsjournalismus. Provokation statt Inhalt. Kritik an den Methoden versucht man schnell abzuwürgen, zu ignorieren, in die „linksradikale“ Ecke zu stellen oder einfach mit so einem Angriff wie vor ein paar Tagen einzuschüchtern. Was zugegebenermaßen von unserer Seite jetzt nicht so funktioniert hat.

Man möchte das offensichtliche Vorbild Fox News für Deutschland werden, dass völlig ideologisch getrieben zum Pro-Trump-Propaganda-Medium wurde. Man möchte gerne noch das (an einigen Stellen sicherlich noch in Teilen gerechtfertigte) Ansehen eines seriösen Mediums verteidigen und auch noch weiter so gesehen werden. Eben damit das Legitimieren von rechten Narrativen in den „Mainstream“ getragen werden kann. Nichts überzeugt Querdenker & Co. mehr, dass die „Mainstreammedien“ sie anlügen, als wenn ein „Mainstreammedium“ ihnen da recht gibt. Deshalb ist es wichtig, das einzuordnen, darauf hinzuweisen. Die WELT mag – und darf, das ist nicht verboten – sich in eine ideologische Filterblase für Profit verabschieden. Aber wir müssen auch nicht zuschauen und uns das gefallen lassen, wenn Fakten verdreht werden. Die Beleidigungen, die Anschuldigungen, die Fake News hinnehmen.

Mehr Fakten wagen!

Ich bin sicher, Herr Gersemann macht sonst auch guten Journalismus, ich weiß es nicht und will es ehrlich gesagt auch nicht beurteilen. In dieser Auseinandersetzung hat er jedoch keine gute Figur gemacht. Wenn die WELT politischen Aktivismus und gezielte Provokation auch ohne Fakten monetarisiert, soll sie das gerne tun. Wir schauen ihnen dabei gerne auf die Finger, so gut wir können. Wer weiß, vielleicht setzen sich auch irgendwann auch wieder mal die sicherlich vielen guten, aufrichtigen Journalist:innen durch, denen eine selbstkritische Berichterstattung wichtiger ist. Ich bin sicher, auch da finden sich Leute, die dafür gerne zahlen.

Und ich bin alles andere als perfekt, ich sitze hier bei dem schönen Wetter am Schreibtisch für meinen popeligen Blog, der mal ein Hobby war, weil mir längere Hausarbeiten über Metaphysik in Popkulturromanen zu mühselig wurden. Ich hab nicht den Anspruch, alles zu wissen oder immer richtig zu liegen. Ich habe nur keine Lust, wenn mit Absicht Fakten verdreht und erfunden werden, um Menschen zu schaden und Profit daraus zu schlagen. Und Leute finden es gut, dass ich – und mein tolles Team! – das vor allem ehrenamtlich! machen. Also danke euch für eure Geduld. Das nächste Mal nicht mehr.. 26 Seiten! Aber ich nehme an, wenn manche für WELT-Aktivismus Abos bezahlen, machen Volksverpetzer-Fans das für sowas.

Zum Thema:

*Ich konnte es ernsthaft nicht glauben, dass Gersemann sich diesen Vorwurf einfach ausgedacht hat, so dreist lügt er nicht, also habe ich lange gesucht. Ich glaube, ich habe auch gefunden, wo Priesemann etwas ähnliches gesagt hat. Am 8. Mai hatte Priesemann offenbar über andere, öffentlich einsehbare Zwischenschritte eines (von 20) Modellierungen erklärt, dass diese zur peer review gedacht waren, und nicht für Journalist:innen als Informationsquelle. Gersemann hatte offenbar damals bereits das aus dem Kontext gerissen, um Priesemann zu kritisieren. Ich wollte es nicht unerwähnt lassen, aber für die eigentliche Desinformation des WELT-Ressortleiters spielt es keine Rolle: Wenn er in einer ganz anderen Diskussion fast zwei Wochen später auf etwas anderes in einem Kontext verweist, ist das bestenfalls ein Whataboutismus. Das Verdrehen und Täuschen hat Methode, ebenso wie das Ignorieren der Erklärungen, wie mir scheint.

Artikelbild: Screenshots twitter.com

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