3.530

Urteile der Woche (KW 30): Querdenker transportiert Leiche im Auto

von | Jul 30, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt uns mit dem Wegfall der Covid19-Schutzmaßnahmen immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns nun entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen und auszuweiten. Ab sofort werden wir nur noch die „Urteile der Woche“ veröffentlichen, und darin alle Demokratiefeinde, Desinformationsverbreiter und Wissenschaftsfeinde aufzählen. Diese Woche gibt es Querdenker-News, bei denen selbst wir sprachlos waren. Letzte Woche hingegen berichteten wir über Sucharit Bhakdi, dem ein neues Verfahren bevorsteht:

Linzer Querdenker fuhr mit Leiche seiner Frau durch die Gegend

Es ist eine News bei der wir selbst erst einmal auf Bestätigung durch offizielle Stellen warten wollten, ehe wir darüber berichten. Der Vorwurf war gewaltig: ein bekannter Linzer Querdenker soll mit seiner verstorbenen Frau, sowie den drei gemeinsamen Kindern (5, 11 und 15 Jahre alt) im Auto unterwegs gewesen sein. Aufgefallen ist dies nur durch eine zufällige Verkehrskontrolle. Dort sagte er den Polizeibeamten: „Hab keinen Schein, aber Leiche im Auto!„. Seine Frau war krebskrank und sei kurz zuvor verstorben. Er habe sie dann in Leinentücher gewickelt und wollte die Kinder zu den Großeltern bringen, damit er seine Frau entweder vom Rettungsdienst abholen lassen könne oder sie alternativ vor einem Krankenhaus abgelegt hätte.

Querdenker und „Staatsverweigerer“

Polizeipräsident Andreas Pilsl berichtete, dass dieser Mann die Polizei „über Jahre beschäftigt habe“. Er sei der Lenker und eine prominente Figur aus der Staatsverweigerer- und Corona-Leugner-Szene. Ebenso habe er zahlreiche Demonstrationen organisiert.

Die Störung der Totenruhe scheint für ihn dabei genauso wenig ein Problem zu sein, wie die Tatsache, dass er seit über einem Jahr untergetaucht war und von der Polizei gesucht wurde. Nachrichten.at berichtet mit Verweis auf die dts Nachrichtenagentur, dass er bereits im März 2022 unter anderem wegen Verleumdung, Beleidigung und falscher Beweisaussage zu einem Jahr Haft verurteilt wurde.

Holocaust relativiert – weiterer Prozess drohte

Nach drei Monaten sei er unter Auflagen freigekommen, dann aber untergetaucht. Denn im August desselben Jahres hätte er erneut vor Gericht erscheinen müssen. Er soll die Ausgangsbeschränkungen und die Impfflicht mit dem Holocaust verglichen haben und sollte sich daher erneut vor Gericht verantworten. Zu dem Termin im August 2022 erschien er nicht, daher war er zur Fahndung ausgeschrieben. Angaben zu seiner Person machte er nicht, er sei „ein Mensch, ein lebendiger Mann“. Ermittelt wird nun wegen Störung der Totenruhe, sowie unterlassener Hilfeleistung. Dem nächsten Prozess wird er sich aber stellen müssen. Gegen ihn wurde wegen Tatbegehungs- und Fluchtgefahr Untersuchungshaft verhängt.

Corona-Bilanz: rund 26.000 Verfahren wegen gefälschter Impfpässe

Nein, Corona ist noch immer nicht vorbei, die derzeitige Inzidenz liegt je nach Bundesland zwischen 2 und 10, aber die Maßnahmen wurden bundesweit aufgehoben. Im Gegensatz dazu hat die Aufarbeitung der Straftaten mit Corona-Bezug noch lange nicht aufgehört. Seit Beginn an gab es Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, sowie dem selben Kontext zugeordnete Straftaten aus dem Umfeld der Coronaleugner- und Querdenkerszene. Über viele Fälle haben wir bereits wöchentlich hier berichtet, aber jetzt liegt erstmals eine Gesamtzahl vor. Die ‚Welt am Sonntag‘ befragte alle Bundesländer. Die Ergebnisse:

Sonderauswertung zu gefälschten Impfpässen

„Das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen hat von April 2021 bis November 2022 in einer Sonderauswertung Fallzahlen zu gefälschten Impfpässen erhoben. In diesem Zeitraum wurden demnach 6.425 Straftaten erfasst. Zudem stellte die Polizei 2.113 gefälschte Dokumente sicher. In Bayern wurden bis Mitte dieses Jahres mehr als 6.300 Vorgänge erfasst. Laut LKA Berlin wurden seit dem 1. Januar 2021 insgesamt 2.340 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit gefälschten Impfausweisen geführt. Zudem fanden 110 Hausdurchsuchungen statt. Für das Jahr 2022 meldet Baden-Württemberg 1.893 erfasste Fälle von Impfpassfälschungen, Schleswig-Holstein zählt seit 2021 „in etwa“ 1.800, Rheinland-Pfalz landesweit 1.919, Niedersachsen „rund“ 1.500, Hessen 754, Brandenburg 805, Thüringen 688, Sachsen 599, Bremen 270, Hamburg 131, Mecklenburg-Vorpommern 100 und Sachsen-Anhalt 75. Das Innenministerium des Saarlands nannte keine Zahlen zu erfassten Straftaten, teilte auf Anfrage aber mit, dass es 250 Beschuldigte im Zusammenhang mit Impfpassfälschungen gebe.“ (Quelle: regionalheute.de)

Wegen Querdenkern bleibt andere Arbeit liegen

Ein Problem am kriminellen Verhalten von Querdenkern sieht auch Jürgen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. „Zusätzlich mussten und müssen Fälle gefälschter Impfausweise abgearbeitet werden. Dafür sei Personal aus der sogenannten Regelorganisation herausgenommen worden. Dass dieses dann bei der Ermittlung anderer Straftaten fehle, liege klar auf der Hand.“ Das heißt: dadurch, dass man den Straftaten von Querdenkern nachgehen muss, hat man keine Zeit mehr andere Straftaten zu verfolgen und dort Tatverdächtige zu ermitteln. Diese können also zunächst weitere Straftaten begehen, bis wieder genug Ressourcen verfügbar sind. Politisch wird nun zum Teil diskutiert, Amnestie gegenüber Impfpassfälschern zu erlassen. Diese Forderungen kommen überwiegend aus dem AfD-Umfeld. Linke und CDU lehnen den Vorschlag ab. Teils seien die gefälscht worden, um Profit damit zu generieren und am Ende bleiben es Urkundenfälschungen von offiziellen Dokumenten. Eine Amnestie könne es dafür nicht geben – vor allem auch im Hinblick auf alle anderen bisher verurteilten Querdenkenden.

Haftstrafen für Ärztepaar wegen falscher Atteste

Zwar keine Impfpässe, aber dafür „unrichtige Gesundheitszeugnisse“ hat ein Ehepaar aus dem Landkreis Schwandorf ausgestellt. Das Amtsgericht verurteilte beide zu Haftstrafen ohne Bewährung. 41 unrichtige Atteste sollen es gewesen sein, die nun dazu führen, dass ein Arztehepaar in das Gefängnis muss. Zudem erhielten sie ein „teilweises Berufsverbot“. So dürfen sie drei Jahre lang keine Maskenpflicht- und Impfpflicht-Befreiungen ausstellen. Da der Mann für zwei Jahre und vier Monate und die Frau für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis müssen, bleibt also nicht viel Restzeit von dem Berufsverbot. Die vorsitzende Richterin kommentierte die Atteste (u.a. auch die Masernimpfbefreiung) als „schriftliche Lüge“.

Es gibt keine lebenslangen Befreiungen

Nachdem Gutachter und Sachverständige angehört wurden, befand sie, dass es keine lebenslangen Befreiungen geben könne, sondern immer nur für einen zeitlich befristeten Raum. Das habe das Paar versäumt zu berücksichtigen. 19 Fälle wurden übrigens fallengelassen, da nicht klar war, ob diese Atteste auch bei Behörden vorgelegt werden sollten – denn nur dann wären die Atteste eine Straftat. Die Verteidigung beantragte Freispruch, Rechtskraft hat das Urteil noch nicht.

Artikelbild: shutterstock / canva