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Querdenker-Urteile KW 49: Bewährung für Oliver Janich, Ei-Wurf Kevin Kühnert

von | Dez 11, 2022 | Serie

Da es im dritten Pandemiejahr fast täglich eine „Querdenker“-Verurteilung gibt, haben wir uns entschlossen, nicht mehr über jeden Fall einzeln zu berichten, sondern ab sofort Sammelartikel zu erstellen. Sozusagen die „Querdenker-Verurteilungen der Woche“. Sonst verliert man ja vor lauter „Querdenke(r)n“ noch irgendwann den Überblick 😉 . Hier der Artikel von letzter Woche:

Alter Bekannter: Ex-AfDler verliert Berufung wegen gefälschtem Impfpass

Axel Nußbaum war bei uns bereits bei den Querdenker-Urteilen der Woche (KW 44) wegen seiner Ausführungen bezüglich seines gefälschten Impfpasses. Diese Woche fand nun die Hauptverhandlung in der eingelegten Berufung statt. Wir waren persönlich vor Ort am Landgericht Bielefeld und haben die Sitzung mitverfolgt, es gibt aber auch eine Quelle aus der lokalen Tageszeitung.

Zwischen dem ersten und zweiten Urteil erhielt Nußbaum jedoch auch noch für eine in der Zeitung getätigte Aussage („Ich lasse hier nicht mein Leben zerschießen und bezahle noch dafür. Ich bin Substitut für andere – und die fangen ab heute an zu zittern.“) eine Gefährderansprache seitens der Polizei.

Am Landgericht kann er nur mit einem Anwalt vorsprechen – ob das jetzt zielführender war, sei einmal dahingestellt. Denn vermutlich hat es alles noch schlimmer gemacht.

Denn die Verteidigungsstrategie bestand darin, dass der Rechtsanwalt Ellerbrake aus Emsdetten in der Berufungsbegründung vor dem Schöffengericht vortrug, dass es sich bei einer Sitzung im Kreishaus, zu der der Landrat persönlich einlud und dessen 3G-Vorschriften durch eine Beamtin kontrolliert wurde, gar nicht um eine Behörde handelt und der Ex-AfDler sich daher gar nicht eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses zur Vorlage einer Behörde (§ 279 StGB) strafbar gemacht haben könne. Denn der „alte“ Paragraph galt nur für Behörden und Versicherungen.

Plötzlich drohte ein höheres Strafmaß

Der Richter merkte an, falls es sich tatsächlich nicht um eine Behörde handele, könne es ja auch zum Straftatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) kommen. Dies sei jedoch Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Dort sei das Strafmaß allerdings nochmal spürbar höher. Der Verteidiger guckte daraufhin ein wenig geknickt und verhielt sich nicht weiter.

Axel Nußbaum gab zwar an, dass er sich nicht einlassen und zur Sache äußern wollte, plauderte aber munter drauf los. Er erwähnte vorsichtshalber, dass es sich dabei um keine Einlassung zur Sache handeln würde. Ähm ja.

Immer wieder betonte er auch, wie absurd das ist und wofür Steuerzahler alles aufkommen müssten. Dabei vergaß er, dass es für seine Privatinsolvenz 2010 eine Restschuldbefreiung gab. Da – und auch als Angestellter der AfD-Fraktion (30.000€/Jahr, Teilzeitstelle, „aber ich war nie im Landtag“, 1 Event geplant), sowie als Mitglied des Kreistags hat er jedoch kein Problem damit, wenn er Geld vom Steuerzahler enthält, oder?

Nußbaum brachte sich in Schwierigkeiten

Der Richter wies ihn darauf hin, dass er sich in der ersten Instanz voll und ganz eingelassen und auch gestanden hätte. Deshalb fragte er, was ihn zu diesem Sinneswandel veranlasst hätte nun alles abzustreiten. Darauf wusste Nußbaum keine wirkliche Antwort. Er meinte nur süffisant: „Vielleicht war das ja gar nicht der eingezogene Ausweis, den ich vorgezeigt habe?!“

Der Anwalt starrte nur noch vor sich hin, der Richter weiter: „Sie haben also noch mehr Impfausweise?“. Schweigen und dann das Ablenkungsmanöver, welches sich durch die ganze Sitzung zog: Schuld seien eigentlich die anderen, es gebe eine „Hexenjagd“ auf Ungeimpfte. Und sowieso wäre es wichtiger, wenn die Behörden in anderen Fällen Hinweisen nachgehen würden, denn woanders würde Unrecht herrschen und nicht geahndet werden. Ja gut, in seinem Fall wurde Hinweisen nachgegangen, das fand er dann aber auch wieder nicht richtig. Bei 3G galt auch der Genesenenstatus, sowie frische Testung. Die Optionen hatte er also auch und die wären günstiger gewesen als die 250€ für den gefälschten Impfpass.

Neue Verteidigungsstrategie: das Grundgesetz sollte es retten

Zwischenzeitlich hatte der Anwalt eine neue Verteidigungsstrategie erarbeitet und die lautete: Antrag auf Beweisverwertungsverbot stellen. Die Ergebnisse der Hausdurchsuchung sollten im Prozess nicht verlesen und somit als Beweismittel eingeführt werden. Denn die Zeugen, die zur Durchsuchung führten, seien Denunzianten (Aussage Nußbaum). Eine Durchsuchung würde somit gegen Artikel 13 des Grundgesetzes verstoßen. Der Schutz der Wohnung stünde über allem. Diesen Antrag lehnte die Kammer nach kurzer Sitzungsunterbrechung ab.

Nachdem Nußbaum dann noch mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er ein politisches Signal setzen wollte und daher auch gezielt den 20. Juli (Attentat vom 20. Juli 1944) und den 17. August (auf welches Jahr er sich bezog, ist unklar) als Daten für die Impfungen gewählt hatte, erging folgendes Urteil: die Berufung wurde verworfen. Das Gericht sieht die Tat nach wie vor als erwiesen an. 70 Tagessätze zu je 30€ bleiben bestehen, jedoch kommen on top nun auch noch die Gerichtskosten.

Nußbaum kündigte an, auch hier wieder Rechtsmittel einzulegen, da er sich nach wie vor als Bauernopfer sieht. Einsicht, dass er einfach mit einem gefälschten Impfpass durch die Gegend lief, zeigt er bis heute nicht.

Nach Ei-Wurf auf Kevin Kühnert: Angeklagte haut aus dem Gerichtssaal ab

„Querdenker“ sind skurril, aber bei dem Fall hier waren selbst wir überrascht. Ende April 2022 gab es in Detmold eine Wahlkampfveranstaltung der SPD, bei der auch Kevin Kühnert anwesend war. Während der Veranstaltung warf eine Frau ein Ei Richtung Bühne und verfehlte Kühnert nur knapp. Weil sie aber auch noch einen 10kg Streusalzsack in einem Laden auf eine Kundin geworfen haben soll, war sie nun vor dem Amtsgericht Detmold wegen versuchter Körperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch angeklagt. Sie betrat den Supermarkt mehrfach ohne Maske und erhielt daraufhin Hausverbot. Ebenfalls befand sich ein Kurs einer Schule im Gerichtssaal, um sich einen Prozess anzuschauen.

Und dann ging es wortwörtlich los. Und zwar sie, raus aus dem Saal. Die „Querdenkerin“ weigerte sich nämlich, ihre Personalien anzugeben – angeblich aus Datenschutzgründen. Sie forderte vehement, dass die Zuschauer:innen den Gerichtssaal verlassen sollen, da niemanden anginge, wer sie sei. Einen Anwalt hatte sie nicht, sie verteidigte sich selbst. Ihr ging es in erster Linie um den Schutz ihrer Daten, das Recht müsse auch der Staat achten.

Da Urteile jedoch im Namen des Volkes gesprochen werden und Prozesse in den meisten Fällen öffentlich sind (Ausnahme: Minderjährige, Zeugen-/Opferschutz oder teils Taten gegen die sex. Selbstbestimmung), war die Richterin nicht bereit, das Ansinnen zu diskutieren.

„Ich bin sowieso nur gekommen, um zu sehen, was für Idioten hier herumlaufen“

Bis zur Verlesung der Anklage seitens der Staatsanwaltschaft kam es dann nicht mehr: die Angeklagte nahm ihre Sachen und verließ wütend den Gerichtssaal, bilanzierte aber: „Ich bin sowieso nur gekommen, um zu sehen, was für Idioten hier herumlaufen“. Ob sie sich oder die Anwesenden meinte – unklar. Auch empfand sie die Verhandlung selbst als „Quatschverhandlung„.

Da Zeugen für die jeweiligen Anklagepunkte anwesend waren, wurde in Abwesenheit die Geldstrafe verhandelt: 130 Tagessätze zu je 20€ (2600€ gesamt). Sie gilt damit als vorbestraft. Für eine arbeitslose Person ist das schon ein eher hoher Tagessatz. In den meisten Fällen belaufen sie sich nur auf 10-15€.

Das Dilemma: wenn sie sich nun gegen die Strafe wehren möchte, muss sie erneut vor Gericht erscheinen und ihre Personalien angeben. Das Ei auf Kevin Kühnert wurde im Übrigen nur als „tätliche Beleidigung“ (§ 185 StGB) gewertet.

Hetzer Oliver Janich wegen Mordaufrufen zu Bewährungsstrafe verurteilt

Der rechtsextreme Verschwörungshetzer Oliver Janich verbreitete auf Telegram Mordaufrufe gegen Politiker. Der Verfassungsschutz stuft ihn als Rechtsextremisten und Antisemiten ein. Janich betreibt auf den Philippinen eine Aussteigerkommune namens „Project Escape“ und hält sich auch da auf. Das hielt die Generalstaatsanwaltschaft München allerdings nicht davon ab. Ende November einen Strafbefehl gegen ihn zu erwirken. Im August wurde er bereits in seiner Wohnung mitten im Livestream von der Polizei aufgesucht und festgenommen. Wir berichteten:

In München sitzt die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Sie warfen Janich Volksverhetzung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Belohnung und Billigung von Straftaten, Beleidigung und üble Nachrede vor. Quasi das „Querdenken“-Starterpaket für Radikalisierung. Janich forderte die Hinrichtung von Regierungsmitgliedern in Bund und Ländern. Zu Joe Bidens Geburtstag wünschte er sich zudem die Erhängung von Biden und dem jüdischen Milliardär George Soros.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte einen Strafbefehl über zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Strafverschärfend wirkte sich die große Reichweite seines Telegram-Kanals (>130.000 Abonnenten) aus. Laut Aussage des Auswärtigen Amts sitzt Janich nach wie vor dort im Gefängnis und scheint das Urteil akzeptiert zu haben, es ist mittlerweile rechtskräftig. Janichs Anwalt schweigt.

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