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Urteile der Woche (KW 32): Erneut verurteilte AfD-Mitglieder

von | Aug 13, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt uns mit dem Wegfall der Covid19-Schutzmaßnahmen immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns nun entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen und auszuweiten. Ab sofort veröffentlichen wir nur noch die „Urteile der Woche“, und zählen darin alle Demokratiefeinde, Desinformationsverbreiter und Wissenschaftsfeinde auf. Letzte Woche gab es Querdenker-News, bei denen selbst wir sprachlos waren. Letzte Woche berichteten wir über ein AfD-Mitglied, dass auf einer Gegendemo gezielt in eine Personengruppe fuhr – und direkt danach aus der AfD austrat, um Schaden von der Partei abzuwenden:

Offenburger Arzt verurteilt: Globuli statt Impfungen

Vergangenen Freitag erging das Urteil gegen einen 74 Jahre alten angeklagten Arzt aus Offenburg. Er war in 20 Fällen angeklagt, unrichtige Gesundheitszeugnisse, sowie Impfpässe ausgestellt zu haben. Das Problem: die Impfungen haben nie stattgefunden. Zumindest in sieben Fällen konnte das Gericht dies aufgrund von Zeugenaussagen als gesichert annehmen, für die anderen 13 angeklagten Taten erfolgte ein Freispruch. Der Arzt habe statt einer Impfung lieber Aerosole versprüht und Globuli mit der Begründung verabreicht, dass diese besser vor einer Covid19-Infektion schützen sollen als es eine Impfung könne. Diese Ansicht vertrat er auch noch in seinem Schlusswort vor Gericht.

Gegen ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von 7.800 € (180 Tagessätze zu je 40 €) verhängt. Aufgrund der Tagessätze gilt er somit als vorbestraft. Sein Verteidiger beantragte lediglich 80 Tagessätze, damit er nicht als vorbestraft gilt. Weiterhin muss der Arzt 600 € für das Eintragen von Impfungen in Impfpässen zahlen, die er so aber nie vorgenommen hat. Pro Eintrag soll er laut Zeugenaussagen 50 € bis 200 € verdient haben. Damit hatte er noch Glück im Unglück, da es kurz nach seinen Taten eine Gesetzesverschärfung gegeben hat. Für den Zeitpunkt konnte man ihm jedoch nichts nachweisen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

AfD-Mitglied wegen Volksverhetzung verurteilt

Sie sind (manchmal) jung, leben von unseren Steuergeldern und sind kriminell: AfD-Mitglieder. Und in diese Reihen darf sich jetzt auch offenbar die Kreistagsabgeordnete Marie-Thérèse Kaiser aus der AfD einreihen. Neben ihrem Mandat arbeitet sie im Büro des AfD-Bundestagsabgeordneten Bernd Baumann. Das Rotenburger Amtsgericht hat sie wegen Volksverhetzung schuldig gesprochen. Im Bundestagswahlkampf 2021 hat sie Menschen aus Afghanistan pauschal als „Gruppenvergewaltiger“ bezeichnet.

„Für ihre Social-Media-Profile erstellt die Sottrumerin eine sogenannte Kachel und schreibt darauf: „Afghanistan-Flüchtlinge; Hamburger SPD-Bürgermeister für ,unbürokratische‘ Aufnahme; Willkommenskultur für Gruppenvergewaltigungen?“ und dazu einen vertiefenden Text, der ihre Kachel stützen soll. Beides postet sie unter anderem auf Facebook und Instagram“, zitiert kreiszeitung.de. Rechte und Querdenker versehen ihre Aussagen gerne mit suggestivem Fragezeichen, um sich juristisch nicht angreifbar zu machen, doch das half in diesem konkreten Fall auch nicht weiter.

Aussagen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt

Auch wenn im politischen Wahlkampf andere Maßstäbe an die Meinungsfreiheit angesetzt werden, so seien laut Aussage vom vorsitzenden Richter diese Äußerungen nicht nur nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern sie würden auch den öffentlichen Frieden stören. Weiter sagte er: „Meinungsfreiheit hört da auf, wo die Menschenwürde anfängt.“ Er verurteilte sie daher zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 60 € (gesamt 6.000 €). Die Staatsanwaltschaft forderte gar 120 Tagessätze zu je 120 €. Vorbestraft gilt sie damit in beiden Fällen. Kaiser habe keinerlei Reue im Prozess gezeigt, das Facebook-Posting existiert nach wie vor und sie bekundete im Prozess, zu der Aussage zu stehen. 2021 sollte sie für dieses Verfahren bereits zehn Tagessätze à 60 Euro zahlen, ging jedoch dagegen an. Tja. Sie hat laut ihrer eigenen Aussage auf Twitter bereits wieder Berufung eingelegt.

Marie-Thérèse Kaiser ist im Übrigen keine Unbekannte in der rechten Szene: im April 2020 hatte sie auf der Internetseite des rechtsextremen „Compact“ einen Auftritt in einem Videobeitrag. Im Oktober 2018 gab sie dem rechtsextremen Blog „PI-News“ ein Interview. Sie steht seit 2021 regelmäßig für den gesichert rechtsextrem eingestuften Verein „Ein Prozent“ vor der Kamera. Der Verein wird seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Jede Menge rechtsextreme Gesellschaft also.

26 Jahre alt, aber 21 Jahre Berufserfahrung … ?

Kaiser wurde in der vergangenen Woche auch in den sozialen Netzwerken thematisiert. Bei der Aufstellungsversammlung zur Europawahl kandidierte sie auf der Liste und gab an, dass sie bereits 21 Jahre Berufserfahrung hätte. Und das bei gerade einmal 26 Lebensjahren. Ihre kleinlaute Erklärung: sie habe mit vier Jahren das Modeln angefangen. Trotz ihrer enormen Berufserfahrung schaffte sie es aber nicht auf die Liste für die Europawahl. Mit einer Zustimmung von gerade einmal 15,8 Prozent bei acht Konkurrentinnen und Konkurrenten verpasste die nachfolgende Stichwahl.

Luis T. soll Journalisten geschlagen und bedroht haben: Urteil!

Luis T. war bereits Mitte Juli Thema bei uns. Das Ex-Junge Unions-Mitglied, der nun angeblich AfD-Mitglied sein soll, wurde der Prozess gemacht und er nun verurteilt. Luis T., ist gerade einmal 24 Jahre alt, aber schon einschlägig vorbestraft. Das ehemalige Mitglied der Jungen Union sitzt derzeit seit Dezember eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, da er eine Geldstrafe nicht gezahlt hat. Im Februar wurde er erneut verurteilt, jedoch ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Das Gericht sah ihn für insgesamt zwölf Taten verantwortlich, u.a. für Volksverhetzung. Während des Prozesses zeigte er den Hitlergruß und bedrohte die Richterin. Strafe: 1 Jahr, 11 Monate – ohne Bewährung. 

IST LUIS T. EIN REICHSBÜRGER? 

Aktuell verhandelte das Gericht sein Verhalten bei einer Rede von Bayerns Gesundheitsminister Holetschek im August 2022. Dort soll Luis T. während einer Rede gepöbelt haben und gedroht haben, alle umzubringen. Ebenso sollen Journalisten bedroht und geschlagen worden sein. Im Anschluss soll er dann noch Polizisten beleidigt haben. Eine als Zeugin geladene Polizistin sagte aus, dass T. mit „Reichsbürger-Ansichten“ aufgefallen sei und den deutschen Staat ablehne. Bereits 2018 forderte er den Schusswaffengebrauch 

Luis T. zeigt sich auf Social Media auch an der Seite von Björn Höcke und posiert mit ihm für die Kamera. Mittlerweile soll er AfD-Mitglied sein. Nur konsequent, schließlich bezeichnete er Hitler 2018 zu JU-Zeiten noch als „besten Mann“. Der BR war beim Prozess dabei: „Während des Prozesses geriet der Angeklagte in Rage. Immer wieder unterbrach er den Fortgang mit lauten Zwischenrufen. So rief er: „Das ist ein Schauprozess“, „Alles schön abgesprochen“ oder „Eine Impfung ist schlimmer“ [als die Attacke auf den Journalisten, Anm. d. Autors].

Daraufhin ließ die Richterin den Angeklagten noch vor dem Plädoyer seiner Verteidigerin aus dem Gerichtsaal bringen.“ (Quelle) Die Richterin am Amtsgericht verurteilte den Mann wegen versuchter Körperverletzung, Körperverletzung und Beleidigung. Diesmal gab es für ihn eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Aufgrund der Vorstrafen sei keinerlei Bewährung mehr möglich.

Journalisten erleichtert über das Urteil

„Der BR-Journalist sagte am Ende des Prozesses, er sei erleichtert über ein gerechtes Urteil. „Es ging nicht nur um mich, sondern auch um die Pressefreiheit.“ Dies sei eine gefährliche Entwicklung. Es sei auch erschreckend, wohin Verschwörungserzählungen in letzter Konsequenz führen können. Er hoffe auch, dass die Polizei bei öffentlichen Veranstaltungen Journalisten stärker schütze und Platzverweise konsequent durchführe.“ (Quelle)

Auch der Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Christian Nitsche, äußerte sich nach dem Urteil am Amtsgericht.

„Der Angriff auf unseren Reporter war auch ein Angriff auf die Demokratie. Diese ist nur wehrhaft, wenn Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten hart bestraft wird. Wir brauchen unabhängigen und zugleich unbedrohten Journalismus.“ Christian Nitsche, Chefredakteur

Quelle: BR.de

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