2.940

Interner Streit in BILD, ob das Hetzblatt zu seriös & „woke“ sei

von | Dez 6, 2022 | Aktuelles

Beim Desinformationsmedium BILD findet derzeit ein Personalbeben statt. Unter anderem werden etwa 80 Mitarbeiter vom Bild Fernsehformat BILD TV rausgeworfen. Der vom verschwörungsideologischen, ehemaligen Chefredakteur Reichelt ins Leben gerufene Sender erzielte schlicht katastrophale Einschaltquoten und wird so gut wie dicht gemacht. Die BILD Redaktion wird derzeit von Johannes Boie geführt, zuvor „Welt am Sonntag“ Chefredakteur. Im Amt, nachdem der ehemalige Chef Julian Reichelt wegen Vorwürfen von Machtmissbrauch und sexuellen Beziehungen gehen musste. Nicht, weil dieser Hass, Lügen und Verschwörungsmythen in sogar für BILD ungeahntem Ausmaß verbreitet hatte natürlich, im Gegenteil.

Im Zuge des Untergangs von BILD TV wird auch an der Spitze wohl umgestellt: Claus Strunz und Alexandra Würzbach verlassen offenbar beide die Chefredaktion. Hinzugeholt wird als neuer Chefredakteur Robert Schneider, derzeit Chefredakteur bei Focus (Burda Verlag). Dieser soll direkt an Johannes Boie berichten, der hingegen Chef der Chefredaktion bleiben soll. So zumindest nach den Informationen aus dem Axel-Springer Konzern. Hinter den Kulissen scheint Boie angezählt zu sein, wie Medien berichten.

Interne Kämpfe und Auflösungserscheinungen

Laut einem Bericht des Tagesspiegel kracht es in der BILD Zentrale gewaltig. So soll der Chef-Redakteur intern stark in der Kritik stehen. Es hieße er „könne kein Boulevard“, hätte die falschen Leute herangeholt und unterscheide sich bei Aufmachung und Themensetzung doch stark vom ursprünglichen Axel-Springer Kurs. (Das ist als Kritik gemeint.) Der Leiter der Parlamentsredaktion, Ralf Schuler hat zum Beispiel hingeschmissen, er sah die Entwicklung von „BILD“ – kein Witz – zu einem „Woke-Blatt“.

Witzigerweise hat sich Schuler ausgerechnet dem neuen Hetz-Format des ehemaligen Chefs Reichelt angeschlossen, der jetzt ungehemmt(er) rechtsradikale Hetze und Verschwörungsmythen verbreitet. Bereits in der Pandemie war ein Abrutschen von Reichelt in die Rhetorik und Verschwörungsmythen des extremistischen „Querdenker“ Lager zu beobachten. In seinem neuen Videoformat setzt er diesen Format mit Framing und Rhetorik weiter fort.

Hetzblatt BILD soll bitte… noch unseriöser werden!?

Schuler holt aber noch weiter aus: Mit Boie habe die „Bild“ ihre Kernzielgruppe aus den Augen verloren, das Blatt müsse eigentlich „nahe bei den Leuten sein“, beim Bäcker und nicht beim „Borchardts“. Es brauche mehr Emotionen, aufregen, mit sehr eigener Schreibe, in einem sehr eigenen Stil. BILD müsse zuvorderst für die „Mehrheiten“ in Deutschland berichten, damit sei kein Bloßstellen von Minderheiten wie der LGBTQ+-Community gemeint, sondern eine Fokussierung auf Themen für die „Mitte“, was auch immer das bei der BILD heißen soll. Offenbar sei ihm Boie einfach zu „woke“ und das Hetzblatt immer noch nicht unseriös und verwerflich genug…?

Außerdem soll es Boie an Sozialkompetenz fehlen, Ressortleiter würden abgebügelt und in den Redaktionskonferenzen rede nur er, ein Austausch sei kaum möglich. Beim Raketeneinschlag in Polen habe Boie vorschnell den NATO Bündnisfall ausrufen lassen. Intern bei BILD wird das gar als einer der schlimmsten Fehler der Firmengeschichte bezeichnet. Noch Tage nach dem Vorfall hätte Boie darauf bestanden, dass die „Faktenlage“ ausreichend gewesen wäre. Davon kann nicht die Rede sein, wie Volksverpetzer bereits berichtete.

Boie stehe intern also stark unter Druck. Was seine Position stärkt, sei der Rückhalt von Axel-Springer-Chef Döpfner. Scheitert Boie als Chefredakteur, wäre das die zweite personelle Niederlage von Döpfner innerhalb des Axel-Springer Konzerns. Der Misserfolg von BILD TV sorgt auf jeden Fall bereits für Unruhe innerhalb der Reihen von BILD, zusätzlich zu der Neustrukturierung, nachdem Reichelt rausgeworfen wurde.

Und Ex-Chef Reichelt? Dreht voll auf rechtsradikaler Verschwörungshetzer

Der ehemalige Chef Julian Reichelt bespielt wie bereits erwähnt sein eigenes Videoformat und bietet Querdenkern und radikalen Rechten eine Bühne auf seiner Plattform. Während wie bereits gesehen einige BILD-Aktivisten dieser Hass und diese Desinformation genau gelegen kommt, kritisieren ihn andere ehemalige Kolleginnen heftig. Timo Lokoschat fragt über Reichelt: „Wie abgrundtief menschenverachtend und ignorant kann man eigentlich sein?“

Er ist nicht alleine, auch Stefan Netzebandt, Leiter Audio und Newsletter bei BILD schreibt: „Ex-Kollegen, die konsequent immer tiefer in Rassismus, Islamfeindlichkeit, Zynismus und neuerdings Homophobie abrutschen.“

Letzten Endes ist man sich also in der BILD unsicher, ob das größte Desinformations- und Kampagnenblatt des Landes nicht vielleicht doch zu seriös und „woke“ sei und man nicht vollends den Weg in das rechtsextreme Verschwörungsmedium gehen soll – oder ob man sich nicht noch die letzten journalistischen Standards wahren sollte, die man immerhin noch hat und vielleicht nicht durch Schnellschüsse einen Weltkrieg auslösen. Die meisten dürften denken, dem Blatt würde ein bisschen „Wokeness“, oder zumindest Anstand oder journalistische Sorgfalt, sicherlich nicht schaden.

Zum Thema:

Artikelbild: nitpicker