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CDU-Abgeordneter beschimpft Grüne als „Ökofaschisten“

von | Jul 6, 2023 | Aktuelles

Wie CDU-Chef Friedrich Merz im verzweifelten Versuch, Wähler:innen von der AfD „zurückzugewinnen“ den politischen Diskurs in Deutschland immer weiter nach Rechts verschiebt, ist nun wirklich keine Neuigkeit mehr. Dass die Grünen für die Konservativen offenbar der „Hauptgegner“ sein sollen, ist in einer Zeit, in der die rechtsextreme AfD an Zustimmung gewinnt, schon eine sehr kuriose Sichtweise. Doch einigen Hardlinern in der eigenen Partei hat Merz damit offenbar den Startschuss für die endgültige Abkehr von jeglicher politischer Vernunft gegeben. So auch für den CDU-Abgeordneten Sven Rosomkiewicz, der die Grünen als „Ökofaschisten“ bezeichnet. Kein Witz.

CDU-Abgeordneter Rosomkiewicz hält Grüne für Faschisten

Eins vorneweg: In Deutschland existiert eine rechtsextreme politische Strömung, die die Demokratie abschaffen möchte. Diese Strömung, namentlich vor allem ihr parlamentarischer Arm, die AfD, hat in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen. Im Thüringer Landtag ist der Nazi Björn Höcke seit Jahren Vorsitzender der AfD-Fraktion. Eine Personalie, die nicht nur Holocaust-Überlebenden einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Wenn man in der deutschen politischen Landschaft also Faschist:innen finden will, ist die AfD sicherlich ein guter Ort zum Suchen.

Sven Rosomkiewicz, der für die CDU seit 2021 im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt, hat dagegen offenbar in seiner Schulzeit den Geschichtsunterricht nicht so ernst genommen. Der ehrenamtliche Bürgermeister aus Borne, der 2021 das Direktmandat im Wahlkreis Staßfurt gewann, glaubt zwar auch, den Faschismus zu erkennen. Doch er meint damit, im Sinne des rechtspopulistischen Parteivorsitzenden Merz, den „Hauptgegner“ der CDU. Ja, ohne Witz: Rosomkiewicz bezeichnet ausgerechnet die Grünen als „Ökofaschisten“. Eine irre Sprache, wie man es sonst nur von den echten Faschisten kennt. Wie kam es dazu?

Als sich der ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz auf Twitter äußerte, dass die AfD in Münster ein Wahlergebnis von gerade einmal 2,6 % habe, Tendenz fallend, retweetete Rosomkiewicz dies und kommentierte: „Ich weiß nicht, ob Münster ein so tolles Beispiel ist!? Dort wurden die linksgrünen „Ökofaschisten“ bei der Landtagswahl 2022 mit 32,5% (!) stärkste Kraft.“ [sic] Ja, wir konnten es auch erst nicht glauben, doch das ist wirklich der offizielle Account des CDU-Landtagsabgeordneten Rosomkiewicz. Der Tweet ist immer noch (Stand: 06.07.23, 21 Uhr) einsehbar und wurde nicht gelöscht.

Rosomkiewicz-Nonpology: Strategie in der Union

Ja, nach massiver Kritik auf Social Media hat Sven Rosomkiewicz sich zu einem einordnenden Tweet entschlossen. Darin räumt er ein, dass es viel Unmut gegeben habe und es ein Fehler gewesen sei, die Grünen als „Ökofaschisten“ zu bezeichnen. Er hätte lieber mit einem anderen Begriff hetzen sollen. Das ist natürlich, anders als n-tv es interpretiert, keine wirkliche Entschuldigung, sondern eher eine nonpology, eine scheinbare oder Nicht-Entschuldigung. Und es zeigt auch, dass hier kein Versehen in der Hitze des Gefechts vorliegt, sondern eine in der Union verbreitete Strategie.

Viele Unionspolitiker:innen reizen immer wieder die Grenzen des Sagbaren aus. Politische Positionen und Aussagen, die noch vor wenigen Jahren in der Partei undenkbar waren, werden angetestet. Und sobald es den erwartbaren massiven Gegenwind in der Öffentlichkeit gibt, wird dann zurückgerudert, man habe es ja nicht so gemeint. Nach diesem Schema verbreitete zum Beispiel Friedrich Merz selbst in einer öffentlichen Talkshow das NPD(!)-Narrativ von Flüchtlingen als „Sozialtouristen“. Natürlich gab es massive Kritik aus der demokratischen Mehrheit der Gesellschaft, natürlich musste Merz öffentlich zurückrudern. Doch wieder wurde klassische Nazi-Rhetorik ein wenig sagbarer.

Einigen CDUlern, wie Friedrich Merz, kann man es vielleicht sogar noch abnehmen, dass sie wirklich einfach nur naiv sind und glauben, mit rechter Rhetorik irgendetwas retten zu können. Das macht es natürlich nicht besser, dass sie sich damit zu useful idiots der Rechtsextremen machen. Doch bei derart offen zur Schau gestellter Verachtung gegen andere demokratische Parteien, wie sie Rosomkiewicz hier fährt, muss man sich fragen, ob nicht vielleicht doch auch ein bisschen Überzeugung dahinter steckt. Gerade aus der CDU-Landtags-Fraktion, die schon 2019 das „Nationale mit dem Sozialen versöhnen“ wollte.

Fazit

Die CDU hat als Oppositionspartei momentan nicht viel zu bieten. Während die Welt durch Corona-, Energie-, Klimakrise und einen Krieg in Europa schlingert, schafft die Partei es nicht, den Menschen eine inhaltliche Alternative zur Regierungspolitik der Ampel aufzuzeigen. Sorry, Friedrich Merz, aber auch wenn man 100x sagt, dass Gendern doof ist, bezahlt sich davon keine Heizrechnung. Aber ihr setzt damit die Themen auf die Oppositions-Agenda, mit denen die AfD Erfolg hat.

Die Grünen sind ganz offensichtlich keine faschistische Partei. Ganz im Gegenteil sind sie sogar an vielen Stellen der erklärte Hauptfeind der Faschist:innen in der AfD. Auf den ersten Blick mag es für die CDU clever klingen, Hass auf den „Hauptgegner“, die Grünen, zu züchten. Doch in der Realität, in den Umfrageergebnissen, in Sonneberg und in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) zeigt sich, dass die Merz-CDU damit nur der AfD hilft, ungeahnte Umfrage-Hochs zu erreichen. Rechter Kulturkampf hilft nur der AfD – das sollte auch Sven Rosomkiewicz schleunigst lernen, wenn eine Machtübernahme der Faschist:innen in einigen ostdeutschen Bundesländern noch verhindert werden soll. Oder, das wäre noch viel erschreckender: Die CDU muss einsehen, dass nicht alle ihre Mandatsträger:innen fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.

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