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Morddrohungen gegen Drosten & Lauterbach: Das kommt von der Hetze!

von | Mai 26, 2020 | Aktuelles, Kommentar

Morddrohungen gegen Lauterbach und Drosten

„Denkt an unsere Familien“ bittet Dr. Karl Lauterbach auf Twitter, nachdem er bedrohliche Post erhalten hat. „Trink das – dann wirst du immun“ steht auf einem Zettel neben einer dubiosen Phiole, auf welcher „2019-nCov positiv“ steht, welches Lauterbach in der Post hatte. Eine Morddrohung – je nachdem, was in der Phiole ist, vielleicht sogar ein -versuch. Lauterbach, SPD-Politiker und immerhin studierter Epidemiologe, ist aufgrund seiner Postion und Expertise wichtiger Ansprechpartner während der Corona-Krise.

Doch er war wohl nicht der einzige, der diese Post bekommen hat: Weltweit führender Corona-Experte Prof. Drosten hat nach eigenen Angaben das gleiche Paket mit der gleichen Morddrohung erhalten:

Hetze von Faschisten, „Corona-Rebellen“ und BILD

Lauterbach schreibt im Tweet: „Morddrohungen bis zu Beleidigungen aller Art, einige von uns müssen viel hinnehmen. Daher sollte jeder mit Restbestand von Charakter die Hetze im Netz gegen Virologen, Epidemiologen oder Politiker einstellen. Es animiert Leute, die unberechenbar sind.“ Und das ist exakt richtig. Seit Wochen betreiben selbsterklärte „Corona-Rebellen“, Verschwörungsideolog*innen, Faschist*innen und Boulevard-Blätter wie die BILD systematisch Hetze gegen Wissenschaftler*innen und Expert*innen, sobald diese nicht in den (kleinen) Chor der Corona-Verharmloser*innen einstimmen.

Mit schmutzigen Methoden versucht die BILD eine Stimmungskampagne gegen Prof. Drosten zu fahren, um dessen Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu zerstören – und Klicks und Zustimmung bei Verschwörungsideolog*innen und Rechtsextremisten zu gewinnen (mehr dazu). Und das bereits seit mehreren Wochen, wie BILDBlog schon hier ausgeführt hat (Link).

Keiner nimmt sie mehr ernst: BILD-Hetze gegen Drosten geht nach hinten los

Asymmetrisch hetzen die Telegram-Gruppen der Verschwörungsideolog*innen und Rechtsexremisten ebenfalls mit Memes, aus dem Kontext gerissenen und falschen Zitaten gegen Expert*innen wie Lauterbach oder Drosten. Mit billigen Tricks und massiven Lügen sollen alle Stimmen mundtot gemacht werden, die nicht sofortige Lockerungen fordern oder die Gefährlichkeit des Virus ohne gute Argumente herunterspielen. Dabei werden unseriöse Nicht-Expert*innen, die längst widerlegte Fake News verbreiten, oft mit seriösem, wissenschaftlichen Austausch in einen Topf geworfen, wie hier:

Faktencheck: „Gelten als Verschwörungstheoretiker“: So manipuliert dich dieser Kettenbrief!

STochastischer Terrorismus

Das alles führt zu einer Verzerrung des Diskurses. Und letztlich zu politischen Entscheidungen und möglicherweise Toten. Direkt und indirekt. Auf der einen Seite gibt es die extrem laute Minderheit der Verschwörungsideolog*innen, die in ihre eigene Welt abdriften und massiv Hetze und Lügen über Expert*innen wie Drosten oder Lauterbach verbreiten. Auf der anderen Seite gibt es Medien wie die BILD, die eine völlig gewöhnliche peer review einer ersten Veröffentlichung dazu missbraucht, um Drosten falsch und fehlerhaft zu karikieren, weil sie eine Agenda hat.

Beides führt dazu, dass ausgerechnet mitten in einer Pandemie Expert*innen zu Hassobjekten stilisiert werden. Und genau wie gegen Muslime oder Schutzsuchende füttern Medien wie die BILD Hass und vermeintliche Gründe für diesen Hass. Und wie man nicht erst jetzt sieht (mehr dazu) Morddrohungen. Wie lange, bevor es einen Anschlag gibt? Es ist die gleiche Radikalisierungsmethode wie beim Rechtsextremismus – und es gibt nicht umsonst Überschneidungen zu diesem. So formulierte es Marina Weisband im Februar:

„Stochastischer Terrorismus funktioniert so: niemand wird ausgebildet. Niemand gibt einen Befehl. Es wird nur so lange alle radikalisiert, bis die WAHRSCHEINLICHKEIT, dass etwas passiert, wächst. Und dann schlägt jemand zu. Irgendwann. Irgendwo. Und wir haben keine Terrorzelle, keine Schuldigen, die einen Auftrag gegeben hätten. Wir sagen „Einzeltäter“. Aber das ist es nicht. Es ist systematischer Terror.

Und jeder, der ihre Geschichten erzählt, hilft ihnen bei der Fortsetzung. Wisst ihr, was ihn aufhält? Die Menschlichkeit der Opfer zu verteidigen. Um sie angemessen zu trauern. Solidarisch mit denen sein, die Angst haben müssen. Wenn das Ziel von Terroristen Entmenschlichung ist, muss Menschlichkeit unsere Maxime sein.“

Gegen Hass und Hetze

Nein, sachliche Kritik an Prof. Drostens Studie führt nicht zu Terror, Quatsch. Aber viele Mechanismen im Netz haben rein gar nichts damit zu tun. Die Schmutz-Kampagne der BILD auch nicht, auch wenn ihre Redakteure das nicht wahr haben können oder wollen. Sie dienen nur dazu, Feindbilder zu kreieren. Und als wäre das nicht alles schlimm genug, dann ausgerechnet noch gegen die Menschen, die fieberhaft (no pun intended) daran arbeiten, so viele Menschen wie möglich vor einer Pandemie zu retten. Ein Blick ins Ausland zeigt, wie wahnsinnig gut wir bisher auf Corona reagiert haben.

Laut Virologe Drosten: Wir sind weltweites Vorbild im Kampf gegen Corona – und ihr wollt diesen Erfolg riskieren?

Deshalb sollten wir uns Lauterbach anschließen: Wer nichts mit Beleidigungen oder Morddrohungen zu tun haben möchte, muss die unsachliche Hetze einstellen und vehement dagegen vorgehen. Wer valide Kritik zu äußern hat, muss nicht zu solchen Methoden zurückgreifen. Und wer wiederum taub für Erklärungen und Widerspruch seiner vermeintlichen „Kritik“ ist, der betreibt letztlich genau so Hetze und verbreitet Fake News. Die Trennlinie unserer Gesellschaft verläuft nicht zwischen „Maßnahmen-Gegner*innen“ und „Befürworter*innen“.

Sondern zwischen denjenigen, die mit Anstand für Wahrheit und Wissenschaft einstehen. Und denjenigen, die mit Manipulation, Lügen und Hetze uns alle gefährden. Und Menschen wie Dr. Lauterbach und Prof. Drosten ganz besonders, weil sie sie zur Zielscheibe machen.



Artikelbild: twitter.com/Karl Lauterbach