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Laut Virologe Drosten: Wir sind weltweites Vorbild im Kampf gegen Corona – und ihr wollt diesen Erfolg riskieren?

von | Apr 29, 2020 | Aktuelles, Allgemein, Bericht, Corona

Die Welt im Ungleichgewicht – Vorbild Deutschland

Die Welt befindet sich im Ausnahmezustand: Überall verbreitet sich das Virus. Lockdowns und Krisenzustände in allen Ecken der Welt. Corona erfasst die Menschheit und bringt ganze Gesellschaften ins Ungleichgewicht. Massenarbeitslosigkeit in den USA, drohende Hungersnot in Afrika und vielen Ländern steht das Schlimmste noch bevor. Da sieht es bei uns im Vergleich noch recht stabil aus. Sogar vorbildlich für den Rest der Welt. Das Virus erfasst Länder wie ein Sturm, aber wir sind eines der Länder, die dem Sturm standgehalten haben. Bis jetzt.

Morddrohung gegen Drosten

In seiner neuen Podcast-Folge gibt der renommierte Virologe Christian Drosten ein beeindruckendes Statement ab, welches meiner Meinung nach mehr Beachtung verdient hat. Erst kürzlich gab er dem „Guardian“ (Germany’s Covid-19 expert: ‚For many, I’m the evil guy crippling the economy‘) ein Interview. Dort sprach der Wissenschaftler von der Charité in Berlin über die negativen Folgen seiner öffentlichen Äußerungen: „Ich bekomme Morddrohungen, die ich an die Polizei weiterleite“. Darüber wurde auch am Ende seiner neuen Podcast-Folge gesprochen:

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„Wir sind in der Realität eben nicht vom Rest der Welt abgeschirmt“

Christian Drosten im NDR Info Podcast auf die Frage, was ihn nach den Morddrohungen, die er erhalten hat, antreibt weiter zu machen:

„Ich glaube, dass wir in Deutschland ganz viel gewonnen haben, dadurch, dass wir die Diagnostik so früh hatten. Und dass wir eben anders als andere Länder, nicht die ersten Todesfälle als Indikator hatten, sondern die ersten nachgewiesenen Diagnosen. Die Erkenntnis, das Virus ist jetzt angekommen bei uns im Land. Jetzt machen wir Maßnahmen und alle haben so gut mitgespielt und haben an diese wissenschaftliche Evidenz geglaubt, so dass wir jetzt in einer so guten Situation sind in Deutschland, so wenig Tote zu haben und jetzt schon, wie ich finde, solche luxuriösen Überlegungen anstellen können, wollen wir nicht Intensivbetten wieder freigeben für andere Erkrankungen? Andere Länder haben da ganz andere Sorgen. 

Ich finde es so schlimm und schade, dass das nicht verstanden wird. Dass wir eben etwas verhindert haben, was uns sonst genauso heimgesucht hätte, wie andere Länder auch. Wir sind in Deutschland zwar wegen der Sprache bisschen in einer Blase. Viele in der Bevölkerung lesen keine englischsprachigen Nachrichten und kriegen das nicht so mit. Aber wir sind in der Realität eben nicht vom Rest der Welt abgeschirmt. 

Es ist zum Beispiel heute ein Interview mit Jeremy Farrar erschienen, einer der informiertesten Infektionswissenschaftler der Welt, der Leiter des Welcome Trusts, der früher auch Professor für Infektionsmedizin war, der hatte in der ZEIT heute ein schönes deutsches Interview. Er sagt: Es sei langsam klar, was die Länder machen müssen, sie müssen die R-Rate, die Übertragungsrate, nicht nur auf 1, sondern deutlich unter 1 senken und ansonsten von Südkorea und Deutschland lernen.

Das sagt er. Das sagt er als Botschaft an die deutsche Bevölkerung. Das sagt er aber auch natürlich in der gesamten englischsprachigen Welt, international, in den USA und England. Das ist eine wachsende Auffassung. Man schaut dort mit sehr hoher Wertschätzung und mit großem Lernbedürfnis nach Deutschland und man fragt sich, wie haben die Deutschen das geschafft? Und das sind eben zwei Komponenten: Frühe Verfügbarkeit von Diagnostik und der Glaube an die Wissenschaft. Sowohl in der Politik, als auch in der Bevölkerung. Und ich sehe das nicht ein, dass wir das jetzt über Bord schmeißen und das ist der Grund, warum ich weiter mache.“

Die Welt schaut auf uns und will von uns lernen!

Wow, Deutschland ist also Vorbild im weltweiten Kampf gegen Corona. Wir, unsere Gesellschaft. Das ist was Christian Drosten antreibt. Lange Zeiten galten Länder wie Südkorea und Taiwan als die Musterbeispiele, gerade auch bei uns, als die Pandemie begonnen hatte. Doch nachdem einige Wochen ins Land gegangen sind, scheinen die Länder der Welt nun auch von uns und unserem Kampf gegen das Virus lernen zu wollen. Darauf können wir stolz sein: Wir können jetzt Helden dieses Kapitels der Menschheit sein. 

Der Hammer und der Tanz

Aber die Pandemie ist noch nicht vorüber. Die Strategie des Hammers (R mit harten Maßnahmen nach unten drücken) und des Tanzes (Maßnahmen lockern und dabei R unter 1 halten) haben wir ausführlich erklärt:

Corona besiegen: Wir müssen lernen, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen

In diesem Artikel erläuterte ich die Positivbeispiele aus Südkorea und Taiwan, die sehr effektiv gegen das Virus kämpfen. In dem Artikel schrieb ich:

„Aber wir können jetzt bereits auf uns stolz sein, wir haben geschafft, was viele andere leider nicht schafften, obwohl das unsere “erste” Pandemie in jüngster Zeit ist: Wir haben unser Gesundheitssystems vor dem Kollaps bewahrt, weil wir uns zusammen gerissen und alle an einem Strang gezogen haben. Jetzt gilt es diesen Erfolg nicht zu verspielen und weiter zu machen und erfolgreich in die nächste Phase des Tanzes überzugehen. Die Opfer und Entbehrungen der vielen in diesem Land, darf nicht umsonst gewesen sein. Und vielleicht werden eines Tages andere Länder von uns den Tanz lernen. Unsere Chance einmal selbst Geschichte zu schreiben.“

Haben wir die Maßnahmen zu früh gelockert?

Und wir schreiben gerade Geschichte. Aber wie dumm wäre es, wenn wir am Ende diejenigen sind, die das Schlimmste verhindert haben und dann doch die Maßnahmen zu früh gelockert haben? 

In 3 Wochen hätten wir Corona überstanden, aber ihr wolltet ja jetzt Lockerungen!

“Wenn wir jetzt noch ein paar Wochen durchhalten könnten, verschaffen wir uns Freiheiten bis zum Ende dieser Epidemie”, sagte die promovierte Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim vor einigen Tagen bei Maybrit Illner. Ein Vergleich war besonders deutlich: Wenn man einem Kind anbietet, jetzt sofort ein Marshmallow zu naschen oder in 15 Minuten zwei, greifen die meisten sofort zu. Genau diese kindische Reaktion zeigen jetzt Laschet und Co. mit den verfrühten Lockerungen. Aber leider werden auch die Stimmen in der Bevölkerung immer lauter, die nichts mehr von Maßnahmen wissen wollen.

Jammern bringt jetzt nichts

Ich weiss, der Unmut im Land bei vielen ist groß, aber wir sind jetzt schon soweit gekommen. Jetzt ist nicht die Zeit zu jammern. Eine Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathon! Wir stecken alle gemeinsam in dieser Krise, ob Befürworter der Maßnahmen oder Kritiker. Mehr dazu hier: 

Wir alle haben keinen Bock mehr auf Corona: Euer Jammern juckt das Virus aber nicht!

Es kommt auf uns alle an

Die nächste Phase der Pandemie kommt JETZT. Wir sind mittendrin. Und es gilt das Gleiche wie noch in den ersten Wochen der Pandemie: Wie wir durch die Krise kommen, hängt von uns allen ab. Von jedem Einzelnen, den Entscheidungen, die jeder von uns trifft, jeden Tag. Der Faktor R, die Zahl, die sagt, wie viele Personen durchschnittlich eine andere Person anstecken, das sind wir mit unserem Verhalten. Wir haben es als Gesellschaft selbst in der Hand. Und von mir aus können wir auch endlose Diskussionen darüber führen, was wann gelockert werden soll, solange wir uns an die Wissenschaft halten und den Faktor R unter 1 halten, damit sich das Virus nicht exponentiell verbreitet.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mich erfüllt es mit Stolz zu wissen, dass wir ein Vorbild für andere sind und weiterhin sein können, in diesem weltweiten Kampf gegen die Pandemie. Das andere Gesellschaften von unserer Gesellschaft lernen wollen. Wir stehen erst am Anfang dieses Kapitels der Menschheit, diese Geschichte wird noch ein wenig weiter gehen. Aber jetzt haben wir mal die Chance Vorbild zu sein. Helden sein. Und ich wünsche uns, dass es eine Heldengeschichte wird und nicht eine Geschichte davon, wie wir an uns selbst gescheitert sind.

Und an alle da draußen, für die es gerade wirklich eine schwere Zeit ist: Ihr seid nicht vergessen.

Andrà tutto bene.

Alles wird gut.

Hoffentlich für uns alle.

PS: Der Text hat dich motiviert? Dann motivier auch andere und verschick ihn weiter. Danke!

Wer grundsätzlich nachvollziehen möchte, warum getan wird, was getan wird, kann das hier nachlesen: 

Was getan werden muss, um bald wieder raus zu können: Der Hammer & der Tanz



Artikelbild: Christophe Gateau/ dpa