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Adventskalender: Die Strategie hinter der „Weihnachts-Hysterie“ der AfD

von | Okt 30, 2019 | Aktuelles, Analyse, Social Media

Warum sich die AfD mit Absicht blamiert

Seit einigen Jahren bedeutet für einige in Social Media die Weihnachtszeit nicht Besinnlichkeit oder Glühwein, Adventskalender und Geschenke, sondern realitätsferne Panikmache. Das Stichwort für die rechten Hetzer von der AfD ist die eingebildete „Islamisierung“, für die sie um jeden Preis Beweise suchen. In vergangenen Jahren empörte man sich deshalb über die verschiedensten lächerlichen Dinge. Zum Beispiel, dass städtische Feste, die länger geöffnet sein möchten als zur Weihnachtszeit, sich schon seit Jahren „Wintermärkte“ genannt haben.

Oder, dass einige Schokoladenfiguren ebenfalls seit Jahren eigene, kreative Namen haben, damit sie sich besser verkaufen. Jedes Mal wurde ein Kontext einer „religiösen Rücksichtnahme“ dazu erfunden und die eigene Anhängerschaft angelogen. Auch in diesem Jahr blamierte man sich mit der „Empörung“ über einen „Herbststern“, der einfach eine andere Züchtung war als der „Weihnachtsstern“, die früher blüht. Unbeirrt nutzt die AfD jeden noch so lächerlichen Strohhalm, um irgendwie zu „beweisen“, dass aus irgendwelchen Gründen weihnachtliche Begriffe verbannt werden würden.

Islamisierung? AfD blamiert sich wegen Aufregung um Herbststern im Aldi



AfD-Politiker blamiert sich mit Kinder-Adventskalender

AfD-Politiker Stephan Brandner, der menschenverachtende Tweets zum rechtsextremen Anschlag von Halle verbreitet hatte und deswegen von allen anderen Parteien geächtet wird (Mehr dazu), hat heute einen neuen vermeintlichen Aufreger gefunden: Er verbreitete ein Foto, auf dem ein Adventskalender von Kinder zu sehen ist. Brandner ist wütend darüber, dass dieser angeblich nicht Adventskalender heißt.

Was Brandner jedoch verschweigt: Das ist die Rückseite des Adventskalenders. Wie man auf der Produktseite (Und das Produkt heißt übrigens sogar „kinder Mix Adventskalender“) sehen kann, befinden sich die Türchen auf allen Seiten. Auf der Vorderseite sieht man deutlich die Aufschrift: „Adventskalender“.

Auch andere Motive der Reihe von kinder heißen natürlich ganz normal Adventskalender. Nur ist der Begriff eben nur auf der Vorderseite aufgedruckt. Es ist völlig sinnlose Aufregung um nichts.

Screenshot

Und natürlich muss man an dieser Stelle feststellen, dass auf dem Produkt selbst nicht wortwörtlich „Adventskalender“ stehen muss, damit es ein Adventskalender ist. Warum sollte es irgendetwas anderes sein? Warum sollte irgendjemand es umbenennen wollen? Wenn man auch nur zwei Sekunden über diese rechtsextreme Verschwörungstheorie nachdenkt, fällt sie blitzschnell in sich zusammen. Ausgerechnet wegen 6% Muslime (und nicht zum Beispiel ein Drittel der Bevölkerung, welche konfessionslos sind?!) soll auf Süßigkeiten – für ein christliches Fest wohlgemerkt – der Name geändert werden? Und der Beweis dafür soll ein Foto der Rückseite eines Adventskalenders sein? An dieser Stelle fragen sich viele regelmäßig, ob die AfD nicht besonders „dumm“ sein muss. Doch das ist nicht die Erklärung (und ableistisch).

Gezielte Manipulation und Aufhetzung

Was die Wahrheit ist, interessiert die AfD und ihre AnhängerInnen kein bisschen. Deswegen hat auch keiner nachgeprüft, was es mit dem Bild auf sich hat. Sie glauben bereits an die „Islamisierung“, mit Bildern wie diesen soll nur ihre „Weihnachts-Hysterie“ bestätigt werden. Und ich habe diesen Begriff extra verwendet, weil genau diese Menschen es sind, die so tun, als sei der wissenschaftliche Konsens über den menschengemachten Klimawandel „Klima-Hysterie“.

Diese Anfrage der AfD zum Konsens über den Klimawandel ist ein Eigentor

Natürlich ist der Post Brandners über den Adventskalender äußerst peinlich. Offenbart sie doch sein völliges Desinteresse an der Realität. Zeigt sie doch einen Mann, der sich völlig grundlos aufregt und das nicht einmal einsehen möchte. Aber das nur, wenn man an Fakten oder der Wahrheit interessiert ist. Die AfD-Anhänger, sofern sie überhaupt die Aufklärung dazu mitbekommen, werden sie als Ausrede-Versuche abtun. Denn sie fühlen sich nicht in der Position, sich für ihre völlig lächerlichen Behauptungen rechtfertigen zu müssen, sondern sie denken, „wir“ müssten rechtfertigen, warum auf der Rückseite eines Adventskalenders nicht auch das Wort „Adventskalender“ steht. Ansonsten ist das der Beweis, dass sie die ganze Zeit Recht hatten.

Für diese Menschen ist es die Realität. Es spielt keine Rolle, ob es wahr ist oder nicht, es „fühlt“ sich wahr an. Sie möchten mit diesem Fake nur ihre rassistischen Sorgen darüber ausdrücken, dass es in Deutschland Muslime gibt – und sie so viele negative Dinge über diese gehört haben, ohne selbst welche zu kennen. Denn natürlich ist es so, wer Muslime oder Menschen mit Migrationshintergrund aus seinem persönlichen Alltag kennt, neigt weniger dazu, rassistische Einstellungen zu haben – und die AfD zu wählen. Das ist ebenfalls längst wissenschaftlicher Konsens.

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Hetze fernab jeder Realität

Für die AfD ist Politik nicht der Versuch, das Land besser zu gestalten, sondern eine Show. Für Macht, Einfluss und Geld. Eine Show, um „Sorgen“ zu schüren und gleichzeitig sich selbst als Lösung anzubieten. Praktischerweise als Lösung für Probleme, die gar nicht erst wirklich existieren. Denn natürlich ist man der einzige, der eine Lösung für die „Islamisierung“ anbietet, weil sich sonst keine Partei mit ausgedachten Problemen beschäftigt, die sie selbst erfunden haben.

Es ist eigentlich nur Symbolpolitik. Die Sorgen und die Ängste sind eigentlich völlig andere – in diesem Fall sind es schlicht und ergreifend rassistische Einstellungen. Der Adventskalender ist nur das Symbol für „die Islamisierung“ die das Symbol für die vermeintliche Bedrohung durch „Fremdes“ sein soll. Diese Menschen stecken so tief in reiner Symbolpolitik, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Und während wir über so völlig sinnlose Dinge wie Adventskalender sprechen, die Adventskalender heißen, sehen AfD-AnhängerInnen darin einfach nur eine weitere Bestätigung für ihr rassistisches Weltbild.

Und das ist einem Hetzer wie Brandner nicht peinlich. Denn er hat es geschafft, dass man erneut nicht über die Klimakrise spricht, gegen die nichts unternommen wird oder über die Menschen, die buchstäblich täglich Opfer rassistischer Gewalt werden. Während wir über den lächerlichen Ärger über Adventskalender reden, mit welchen sich wohlhabende Deutsche mit Abstiegsängsten als Opfer einer Verschwörung inszenieren, werden echte Probleme, echte Gewalt und echte Opfer vollkommen ignoriert. Und das ist etwas, über das man sich wirklich aufregen sollte.

Artikelbild: Alex E. Proimos, Flickr,  (CC BY 2.0), changes were made / Screenshot twitter.com