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Wie Jörg Meuthen bei SternTV auseinandergenommen wurde

von | Okt 27, 2019 | Aktuelles, Analyse, Politik, Videos

SternTV zerstört Meuthens Taktik

„Mit Rechten reden“ – das war viel zu lange die Devise der Regierung und irgendwie auch Mehrheitsmeinung der Deutschen. Man kann die Rechtsradikalen schon zähmen, man muss sie nur zu Wort kommen lassen und mit ihnen ordentlich diskutieren. Erst in den letzten Jahren oder Monaten sickert so langsam durch: Das klappt nicht. Wir reden mit den Rechten, aber das macht die nicht weniger radikal. Und „Lügenpresse“ muss man sich nach wie vor anhören. Deswegen sollte man den Dialog eigentlich einstellen. Oder aber man macht es wie SternTV und zerlegt die AfD so richtig vor laufender Kamera.

Hintergrund der Sendung

Wir beziehen uns auf diesen Ausschnitt der Sendung von SternTV. Zu Gast beim RTL war Niklas Frank, Sohn von Hans Frank. Das ist in dem Falle von Bedeutung, da Hans Frank als äußerst grausamer Nazi (Spitzname: „Schlächter von Polen“) in die Geschichte einging. Sein Sohn setzt sich hingegen dafür ein, dass eine gnadenlose Vergangenheitsbewältigung durchgezogen wird – auch in Bezug auf seinen eigenen Vater.

https://www.facebook.com/1042652972422558/videos/701059057058109/

Der andere Gast im Studio war Jörg Meuthen (AfD). Der Parteivorsitzende der AfD gilt oftmals als eine der gemäßigten Stimmen in der AfD. Er ist sozusagen das bürgerliche Feigenblatt der Partei. Man schickt ihn oft zu Veranstaltungen wie dieser Show, um die eigene Partei als deutlich weniger radikal zu präsentieren, als sie ist. Meuthen hat dabei ein gewisses rhetorisches Geschick entwickelt, welches sich vor allem darum dreht, gefährliche Fragen zu umgehen und den Extremismus in der eigenen Partei herunterzuspielen. Die Strategien von Jörg Meuthen haben wir bereits mehrfach analysiert, unter anderem hier:

Was Meuthen verschweigt: Wie die AfD lügt, ohne direkt zu Lügen



In der Show ging es dann auch um solche extremen Aussagen der AfD. Die Debatte darum war in den letzten Tagen vor allem durch die Facebook-Seite „Wir werden sie jagen“ ins Rollen gekommen. Wir berichteten:

„Wir werden sie jagen“: Die AfD will nicht, dass du diese AfD-Zitate verbreitest

Meuthens Taktik und wie er besiegt wurde

Jörg Meuthen verwendet immer dieselbe Taktik. Diese wird ihm von seinen Anhängern oft als „rhetorisches Talent“ ausgelegt, aber eigentlich ist sie ganz primitiv: Er weicht Fragen einfach so lange aus, bis er entweder den Spieß umdrehen kann oder sich soweit vom Thema entfernt hat, dass es ungefährlich wird. Dieses Ausweichen zeigt sich gut, als SternTV folgende Aussage von Björn Höcke zitiert:

„Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“

Meuthen soll sich rechtfertigen, warum Höcke nach wie vor in der Partei ist und sogar Spitzenkandidat für die AfD Thüringen belegt. Die ehrlich Antwort wäre wohl gewesen: Höcke ist wichtig, um den starken rechtsextremen Flügel der Partei zu behalten. Aber diesen Mut zur Wahrheit kann sich die AfD natürlich öffentlich nicht leisten. Deswegen lenkt er ab:

„Ich bin nicht hier, um in diesem Interview ne Höcke-Text-Exegese zu machen. Wenn sie also über Höcke-Zitate reden wollen, dann würde ich einfach vorschlagen, laden sie Björn Höcke ein.“

Man beachte: Das war auch gar nicht gefordert. Die Aussage von Höcke sollte nicht „analysiert“ werden. Denn was Höcke damit sagt, ist allen klar. Nein, Meuthen zieht sich einfach wieder aus der Verantwortung. Doch er hat nicht mit Niklas Franks Hartnäckigkeit gerechnet:

„Sie sind Stellvertreter, sie sind Bundessprecher, sie sind das sogenannte bürgerliche Aushängeschild für ein […] immer größere Gruppe, die nämlich wirklich drauf und dran ist, sämtliche, auch im Grundgesetz festgehaltene demokratischen Grundsätze auszuhebeln!“

Darauf hat Meuthen keine Antwort. Er versucht das Gespräch schnell auf das Thema Meinungsfreiheit zu verlagern. Auf die Frage „Wer attackiert die Meinungsfreiheit?“ antwortete Frank aber einfach mit „Ihr!“. Doch Meuthen ging es auch hier nicht um eine Diskussion, sondern um Hetze. Er weiß, dass seine Jünger das hören wollen, deswegen sagt er es. Die Kritik an fehlenden demokratischen Grundsätzen bleibt dabei ebenso unbeantwortet wie die Frage, warum Meuthen denn eigentlich seine freie Meinung im TV äußern darf, wenn das angeblich nicht möglich sei. Das hätte der Gastgeber von SternTV vielleicht noch deutlicher klar stellen können, doch ihm gelingt es, Meuthen noch nachhaltiger die Grenzen aufzuzeigen.

Der Sieg über den Whataboutismus

Denn Meuthen versucht die Diskussion noch weiter in seine Richtung zu drängen. Es geht um Bernd Lucke, der ja angeblich unter dieser eingeschränkten Meinungsfreiheit leidet. Weil Studenten ihre Meinung kundtun, dass Lucke unerwünscht ist. Wie auch immer diese Logik zu verkaufen sein soll: Es ist ein Whataboutismus. Zu Lucke haben wir hier mehr geschrieben:

Abrechnung: Brutale Antifa-Schläger vs. Neonazi Lucke!

 

Es geht nur darum, was machen die anderen. Es geht nie darum, was kann die AfD selbst denn angeblich besser? Denn: Wenn man diese Frage mal ernsthaft diskutieren würde, dann würden die Populisten auffliegen.
Doch SternTV geht souverän mit diesem Whataboutismus um:

„Sie reden mit großer Leidenschaft über Vertreter anderer Parteien. Das mag ja sein, dass da viele Fehler geschehen, ich würde sie nur bitten, heute einmal für die Partei zu reden, für die Sie hier sitzen.“

Dafür gibt es gewaltigen Applaus aus dem Publikum. Und eine unbezahlbare, eingeschnappte Reaktion von Meuthen. Der steht jetzt „zu 100% hinter der Partei, in der es einzelne Personen gibt…“. Doch man merkt, Meuthen kommt ins Schwimmen.

Als nächstes wird dann ein Zitat von Alexander Gauland eingespielt. Es geht um seinen „berühmten“ Satz, man solle Aydan Özuguz (SPD) in Anatolien entsorgen. Meuthen versucht zuerst, den Spieß umzudrehen (a la „Sie hatten mir versprochen, dass wir nur über meine Zitate sprechen, nicht die von Gauland“), was krachend scheitert. Als dann kritisiert wird, dass jemand, der Menschen mit Müll gleichsetzt (den man „entsorgen“ kann), versucht er es wieder mit einem Whataboutismus

Meuthen: Was hat Frau Özoguz gesagt? Frau Özoguz hat allen Ernstes gesagt….

Moderator: Ne. Was hat Herr Gauland gesagt? […] Was bedeutet „entsorgen“?

Meuthen: Entsorgen ist ein Terminus, den sollte man nicht verwenden, hat übrigens Herr Gabriel auch gemacht.

Und gleich noch einer. Sigmar Gabriel wird auch noch mit ins Boot geholt.



Fazit

Meuthen versucht das noch unzählige Male in der Sendung. Doch er muss merken, dass er keinen Stich mehr sieht. Jeder Whataboutismus wird gnadenlos bestraft, jeder Ausweichversuch unterbunden.

SternTV überschreitet dabei auch gewisse Grenzen – Gut so! Man muss Rechtspopulisten nicht ausreden lassen. Man muss sie nicht „alles sagen dürfen“ lassen. Wir wissen, was sie wollen und was ihre Ziele sind. Wenn sie sich nicht an die Regeln unserer Gesellschaft halten, dann müssen wir ihnen auch die Grenzen dieser Gesellschaft aufzeigen. Wir dürfen sie nicht die freie Gesellschaft mit ihren eigenen Mitteln schlagen lassen. Wie SternTV Meuthen entlarvte, ist nur ein Anfang. Da ist noch Luft nach oben. Doch es ist wichtig, dass wir endlich die Herangehensweise wechseln. Wenn wir die AfD einladen, dann müssen wir auch ihre inhaltlichen wie methodischen Unzulänglichkeiten aufzeigen. Konsequent Und das ist passiert.

Das beste Zitat habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Denn es fasst ganz gut zusammen, wie Meuthen manipulieren möchte. Und auch, wie schlecht er diesmal damit durchkommt:

„Herr Meuthen, es war der Versuch, bei uns in der Sendung mal konzentriert über die AfD und die Aussagen der AfD zu reden, ich habe zur Kenntnis genommen, dass ihr Wunsch ist,  vor allem auch über die SPD, über Gegner der AfD zu reden.“

Richtig. Denn den Mut zur Wahrheit, über das rechtsextreme Gesicht der AfD zu reden, hatte er nicht. Denn die Wahrheit möchte Meuthen nicht eingestehen: Dass die AfD eine demokratiegefährdende Partei ist, in denen Faschisten und Rechtsextreme nicht nur toleriert werden, sondern auch höchste Ämter besetzen dürfen.

Artikelbild: Screenshot facebook.com