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Was Meuthen verschweigt: Wie die AfD lügt, ohne direkt zu Lügen

von | Sep 8, 2019 | Aktuelles, Analyse, Politik, Social Media, Umwelt/Klima

So manipuliert die AfD ihre Wähler

Regelmäßig berichten wir von Fake News und Lügen der AfD, die chronisch auf Falschmeldungen zurückgreifen muss, um die Empörung ihrer WählerInnen aufrecht zu erhalten und ihre überzogenen Feindbilder zu konstruieren. Ziel dieser Polarisierung ist es natürlich, ihre Anhänger immer kompromissloser zu machen und fester an sich zu binden. Dadurch erhält sie Anhänger, die derart treu sind, dass sie der AfD folgen, völlig egal, was diese tut. Aber dadurch verliert sie auch den Anschluss zum demokratischen Spektrum. Hier mehr dazu:

Mit Rechten leben: Die Zeit der „großen Erfolge“ der AfD ist schon lange vorbei

Ein Teil der Strategie ist das Dämonisieren aller ihrer Feindbilder. Seien es Merkel, Flüchtlinge oder Grüne. Dies kann sie auf verschiedene Art und Weise erreichen. Die ehrlichste Strategie, die auch viele andere Parteien nutzen, ist, tatsächliche Aussagen oder politische Maßnahmen mit Fakten zu kritisieren. Oder anhand aktueller medialer Vorfälle eine Politik zu kritisieren. Doch das findet sich bei der AfD eher selten.

Die AfD und rechtsextreme Medien „kritisieren“ oft geplante politische Maßnahmen oder Zitate ihrer politischen Gegner, die sie nie gefordert haben. Mal ist es ein erfundenes Zitat auf einem Sharepic, mal ist es rechte Pseudo-Satire zum Beispiel über ein „Kerzenverbot“ der Grünen, das es nie gab (Mehr dazu). Eine andere Methode, und eine der gefährlichsten, ist die, die ich heute analysieren möchte. Man nimmt echte Zitate und echte Forderungen, reißt sie aus dem Kontext und verdreht so absichtlich ihre Bedeutung.



Meuthen hat hier bewusst eine wichtige Info ausgelassen

Nehmen wir ein aktuelles Beispiel. In einem Facebook-Post bezeichnete Meuthen die Energiepolitik Merkels als „Desaster“, weil „in Zukunft […] planmäßige Stromabschaltungen in ganzen Städten“ drohen. Dabei beruft er sich auf den Energie-Experten McKinsey. Er nutzt dessen Aussage, dass ein „Versorgungsengpass“ drohe, aus, um den Kohleausstieg zu kritisieren. Was er unterschlägt ist diese Passage, in der McKinsey sagt:

„Um keine Versorgungsengpässe zu riskieren, sollten daher die Erneuerbaren weiter ausgebaut werden, insbesondere der ins Stocken geratene Windenergieausbau. Zudem müssten neue flexible Kraftwerke errichtet oder vorhandene Kraftwerke als Reserve erhalten werden. Auch die Transportnetze müssten verstärkt werden. Doch gerade bei den Transportnetzen liegt Deutschland weit zurück.“ (Quelle)

https://www.facebook.com/afd.watch.afd/photos/a.556985941128537/1410302032463586/?type=3&permPage=1

Es ist keine direkte Lüge, aber dennoch das gezielte Weglassen von Informationen, um seine eigenen WählerInnen zu täuschen. Denn die AfD kritisiert vehement den Ausbau von erneuerbaren Energien, zitiert aber extra nur die Aussagen eines Experten, die in ihre Politik passen. Besonders kritisch ist das zwar korrekte Wiedergeben, aber aus dem Kontext Reißen von Zitaten, wie Meuthen es gestern schon mit Ralf Stegner (SPD) tat.

Zitate und pläne absichtlich falsch darstellen

Auf einer Veranstaltung in Saarbrücken sagte der SPD-Politiker, dass Menschen in Deutschland andere Probleme als die von der AfD imaginierte „Islamisierung“ haben, wörtlich: „Die meisten Menschen haben kein Problem, dass ihre Gemeinde islamisiert wird“. Damit meinte er, wie er später auf Twitter erklärte: Menschen „haben NICHT DAS Problem, DASS ihre Gemeinde islamisiert wird, sondern ob die Rente reicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen..“

Meuthen und rechtsextreme Medien machten daraus bewusst „Die meisten Menschen haben kein Problem damit, islamisiert zu werden“. So, als ob Stegner eine „Islamisierung“ bestätigt hätte und behauptet hätte, dass diese begrüßt werde. Mehr dazu hier:

Faktencheck: AfD täuscht ihre Fans mit Zitat über Ralf Stegner (SPD)

Aus dem Kontext, welchen man im Video selbst sehen kann, ist klar, dass er das auf gar keinen Fall so gemeint hat. Das verschweigt Meuthen bewusst. Ein weiteres Beispiel ist die Behauptung der AfD, dass in Schleswig-Holstein der Unterricht fortan „auf Türkisch“ gehalten werde. Dabei ist lediglich geplant, an zwei Pilotschulen Türkisch-Unterricht anzubieten. Auch hier wird der Kontext um einen Satz wie „In Schleswig-Holstein wird Türkisch unterrichtet“ zum entscheidenden Bedeutungsgeber.

AfD-Fake: In Schleswig-Holstein wird NICHT auf Türkisch unterrichtet

Wortspielereien und haarspalterei?

Bei all diesen vermeintlich minimalen Unterschieden wurde uns bei unseren Faktenchecks vorgeworfen, wir würden lediglich „Haarspalterei“ betreiben. Schließlich hat Stegner genau diesen Satz gesagt, schließlich stimmt die Aussage mit dem türkischen Unterricht „irgendwie“. Doch damit steht und fällt die gesamte Propaganda der AfD. Nur weil die Aussage in einem völlig anderen Kontext so getroffen wurde oder wahrheitsgemäß ist, heißt das nicht, dass das, was die AfD daraus macht, stimmt.

Die AfD bedient sich sehr gerne dieser Technik des Framings und der Neukontextualisierung in ihre rechtsextremen Narrative. Denn es ist eine Lüge, eine Manipulation, die man ihr enorm schwer nachweisen kann. Sie wartet nur auf Aussagen, die doppeldeutig sein können, um es in ihrem Sinne auszulegen. Denn ihre Anhängerschaft, die auch glatte Lügen glaubt, wird sich nicht von einem „So war das gar nicht gemeint“ überzeugen lassen.

Verwirr-taktik: der Kontext ist gelogen

Denn es ist die gleiche Verwirr-Taktik, die AfD-Politiker anwenden, um rassistische oder rechtsextreme Aussagen zu rechtfertigen. Dort wird schamlos eine absichtliche Fehlinterpretation ihrer Gegner unterstellt oder ein eigenes Versehen („mausgerutscht“), wenn man ihre verbalen Grenzüberschreitungen kritisiert. Die Anhänger feiern die in Wirklichkeit genau so gemeinten, rassistischen Aussagen, während man sich vor Kritikern durch die Möglichkeit der Leugnung immunisiert.

Doch ihre Anhänger wissen: Es war genau so gemeint. Und wenn ein SPD-Politiker sich gegen die falsche Auslegung seiner Aussagen wehrt, wird ihm nicht geglaubt, denn so hat man es von „seinen“ Politikern gelernt. Es ist ja sonst immer doch so gemeint. Man versteckt sich hinter Wortspielen. Das ist keine „schwache Rechtfertigung“, sondern die Demaskierung von Propaganda. Und es ist eine Lüge, auch wenn nicht direkt gelogen wurde.

Artikelbild: Screenshots facebook.com