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Waldbrand-Facts: Unsinnige Argumentationsmuster erkennen und widerlegen!

von | Sep 30, 2023 | Analyse

Gastbeitrag von Ramesh Glückler

Mit Wald- und Vegetationsbränden ist dieses Jahr ein – im wahrsten Sinn des Wortes – besonders heißes, aber auch komplexes Thema Inhalt vieler Nachrichtenmeldungen aus aller Welt. Von außerordentlichen Brände in Kanada, die nicht nur bisherige Rekorde brechen, sondern auch medienwirksam New York City in orange-braunen Rauch tauchen, über den besonders betroffenen Mittelmeerraum, wo geschockte Urlauber vor den Flammen flüchten, bis nach Hawaii, wo der historische Ort Lahaina nahezu völlig niederbrannte. An vielen Orten der Welt mussten Menschen ihr Hab und Gut zurücklassen, mit ungewissem Ausgang. Viele andere Menschen konnten tragischerweise nicht rechtzeitig fliehen. Diese Schicksale verbinden Vegetationsbrände. Es handelt sich um ein wichtiges Thema, das vermehrt im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Und zu dem ebenfalls vermehrt irreführende Argumentationsmuster die Runde machen.

Feuerökologie: Die wissenschaftliche Sicht auf Waldbrände

Aus Sicht der Ökologie sind Wald- bzw. Vegetationsbrände ein komplexer Prozess zwischen Vegetation, Klima, und Landschaft. Entstehung, Ausbreitung, Intensität, all diese und mehr Eigenschaften werden durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die sich je nach betrachteter Zeitskala – vom einzelnen Brand bis zur langzeitlichen Feueraktivität – unterscheiden. Dabei ist Feuer mindestens seit rund 420 Millionen Jahren, als sich frühe Landpflanzen ausbreiteten, ein wichtiger Bestandteil des terrestrischen Lebensraums (Santos et al., 2023). In vielen Regionen der Erde erzeugen Vegetationsbrände ein Mosaik aus Vegetation unterschiedlicher Entwicklungsstadien und fördern somit aktiv die Biodiversität (Kelly et al., 2020).

Aber Feuer ist nicht gleich Feuer, Lebensräume sind an bestimmte Feuerregime angepasst. Das bedeutet, dass Frequenz, Ausdehnung und Intensität von Vegetationsbränden über längere Zeiträume bestimmte Eigenschaften aufweisen. Durch Veränderungen dieser Eigenschaften kann diese natürliche Balance auch kippen, mit Auswirkungen auf das Ökosystem (Scheffer et al., 2012). Und dann kommen ja auch noch wir Menschen ins Spiel. Mal nutzen wir Feuer aktiv zu unserer Gunst, mal versuchen wir es möglichst auf Abstand zu halten. Andernorts verändern wir die Vegetation und mit unseren Siedlungen und unserer Infrastruktur durchschneiden wir Landschaften und setzen dem Brandgeschehen Grenzen.

Ideologisierte Debatten lenken vom Stand der Wissenschaft zum Thema Waldbrand ab

Diese vielen Faktoren machen eine gesellschaftliche Debatte von Vegetationsbränden schwierig. Wald- und Vegetationsbrände sind immer auch mit dem Klima verbunden. Darum entstehen manchmal schon auf einer grundlegenden Ebene hitzige Streitgespräche über den wahren Einfluss des Klimawandels auf eine extreme Feuersaison, wie sie dieses Jahr vielerorts eintrat. Obwohl es sich bei Klimawandel und globaler Erwärmung erstmal um wissenschaftliche Themenbereiche handelt (zu denen, bezogen auf den menschlichen Einfluss, wissenschaftlicher Konsens in mehr als 99 % aller publizierter Fachartikel herrscht, siehe Lynas et al., 2021), zeigen sich Gespräche dazu oft als politisch ideologisiert und emotional aufgeladen, es kursieren viele irreführende Inhalte und Argumente. Teilweise scheint dies auch nicht ungewollt zu sein. So streuen libertäre „Think Tanks“, finanziert aus der fossilen Lobby, seit Jahren Desinformation und Zweifel an evidenzbasierten Aussagen zum Klimawandel. Ein Beispiel hierfür werden wir gleich noch sehen.

Waldbrand-Fakes: Verbreiten sich leider wie ein Lauffeuer

Dieser irreführende Diskurs lässt sich nun zunehmend auch in Bezug auf Vegetationsbrände beobachten. Grundsätzlich gilt: Aufgrund der Komplexität des Themas sollte man bereits skeptisch sein, wenn vermeintlich simple Zusammenhänge im Mittelpunkt eines Arguments stehen und daraus sehr generalisierte Rückschlüsse gezogen werden. Nicht umsonst widmet sich seit rund 70 Jahren eine eigene wissenschaftliche Disziplin, die Feuerökologie, der Analyse von Vegetationsbränden, ihren Auslösern und Auswirkungen.

Leider sind die realen Zusammenhänge oft so komplex, dass sich das auch in der Länge und „Lesefreundlichkeit“ einer Richtigstellung widerspiegelt (wie man vielleicht auch an diesem Beitrag sehen kann). Zudem arbeitet Wissenschaft nie mit allumfassenden Wahrheiten, sondern mit offen kommunizierten Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten. Fälschlicherweise kann das den Eindruck erwecken, der wissenschaftliche Standpunkt sei nicht glaubhafter als ein gegensätzlicher, faktenwidriger. Daher verbreiten sich Richtigstellungen häufig nicht so leicht wie irreführende Fakes. Umso wichtiger ist es also, wissenschaftlich belegte Inhalte zu teilen und ihnen Reichweite zu verschaffen.

Hier nun drei Beispiele unsinniger Argumentationsmuster zu Vegetationsbränden, die sich besonders oft zu wiederholen scheinen – und wie man sie mit Fakten widerlegt!

1. Fakt: Natürlich hat Temperatur (bzw. globale Erwärmung) einen Einfluss auf Waldbrände!

TL;DR: In wissenschaftlichen Publikationen wurden bereits seit Jahren vielfältige Zusammenhänge zwischen Temperatur und Vegetationsbränden aufgezeigt. Diese Zusammenhänge unterscheiden sich je nach Lokalität und betrachteter Zeitspanne (vom einzelnen Brand bis hin zu langfristigen Trends) und zeigen sich auf vielfältige Weise. Bei Aussagen wie „Selbst bei höheren Temperaturen entzündet sich der Wald nicht selbst, globale Erwärmung hängt also nicht mit Vegetationsbränden zusammen“ handelt es sich um hinfällige Strohmann-Argumente, denn eine derartige „spontane Selbstentzündung“ steht gar nicht im Raum. Daraus ein Argument gegen den Einfluss des Klimawandels auf Vegetationsbrände zu machen, ist darüber hinaus ein logischer Fehlschluss.

Da geht das Strohmann-Argument in Rauch auf

Das Abstreiten eines Zusammenhangs von Temperatur und Vegetationsbränden hat einen prominenten und reichweitenstarken Verfechter. Inhalte dieser Art wurden vom Fernsehmoderator und Autor Jörg Kachelmann in sozialen Medien geteilt und scheinen auch Anklang zu finden. Nicht selten liest man ähnliche Versionen, weitergetragen durch andere Menschen, in den Kommentaren zu Waldbrand-Berichten. Oft lesen sich Teile davon in etwa so: „Bei ausreichender Trockenheit kann es auch im Winter brennen“, „Selbst bei 50°C wird sich ein Wald nicht spontan selbst entzünden“, oder „Ein nasses Stück Holz brennt bei 40°C auch nicht besser als bei 30°C“. Damit soll ausgesagt werden, der Klimawandel (in diesem Fall: höhere Temperaturen durch die globale Erwärmung) spiele bei Waldbränden keine Rolle. Alle drei genannten Statements erscheinen für sich genommen korrekt, und dennoch sind sie in diesem Kontext mindestens irreführend.

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Im Volksverpetzer wurde dieses Thema, auch in Bezug auf Beiträge von Jörg Kachelmann, bereits vor einiger Zeit aufgegriffen. Das Ergebnis, schon damals: Höhere Temperaturen beeinflusse Waldbrände durchaus indirekt. Bei steigender Lufttemperatur und gleichbleibendem Wassergehalt sinkt die relative Luftfeuchte, eine Austrocknung der Vegetation wird erleichtert. Trockenere Vegetation benötigt weniger Energie in Form von Hitze, um in eine Verbrennungsreaktion überzugehen. Ein Vegetationsbrand kann so leichter entstehen, sich schneller ausbreiten, und gleichzeitig steigt (je nach Brennmaterial) auch die Feuerintensität und damit die Flammenhöhe. In einem Wald bestimmt unter anderem die Flammenhöhe ob sich ein Bodenfeuer zu einem schwerwiegenderen Kronenbrand entwickelt. Nie scheint jemand tatsächlich eine „spontane Selbstentzündung“ bei hohen Temperaturen in den Raum zu stellen oder zu leugnen, dass ein Vegetationsbrand natürlich auch bei niedrigen Temperaturen auftreten kann – dabei handelt es sich also sehr wahrscheinlich in den meisten Fällen um hinfällige Strohmann-Argumente.

Temperatur hat vielfältige Auswirkungen auf Vegetationsbrände

Waldexperte Bernhard Henning schreibt in „Waldbrand: Prävention, Bekämpfung, Wiederbewaldung“: „Zukünftig werden Feuergeschehen hingegen maßgeblich durch den Temperaturanstieg bestimmt werden. […] Ansteigende Temperaturen können die Waldbrandgefahr durch verschiedene Faktoren erhöhen. Eine Veränderung der klimatischen Verhältnisse kann zu einem Wandel in der Vegetationszusammensetzung führen. Zudem haben höhere Temperaturen einen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Brennmaterial sowie dessen Entzündlichkeit.“. Henning erwähnt dabei einen weiteren, wichtigen Punkt, nämlich die indirekte Auswirkung eines Temperaturanstiegs in Form einer Änderung der Vegetationszusammensetzung. Auch das beeinflusst Vegetationsbrände und ist Forschungsgegenstand der Feuerökologie (Yang et al., 2023). Dazu zählt, je nach Lokalität, auch eine Verlängerung der Feuersaison durch frühere Schneeschmelze im Frühling und spätere Schneebedeckung in Herbst und Winter, was zu längeren Trockenperioden und auch einem erhöhten Maximum der saisonalen Verfügbarkeit von Brennmaterial führen kann (Rocca et al., 2014; Gergel et al., 2017; Scholten et al., 2022). Das „Feuerwetter“ ist hierbei ebenfalls ein wichtiger Begriff. Es gibt weltweit Indizes mit denen die witterungsbedingte Vegetationsbrandgefahr aus verschiedenen meteorologischen Größen abgeschätzt werden kann. Was die meisten gemeinsam haben: Die Lufttemperatur ist ein fester Bestandteil. Beispielhaft zeigt sich das beim gut etablierten „Canadian Forest Fire Danger Rating System“ und auch beim daraus abgeleiteten Waldbrandgefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes.

Allerdings gibt es für den Einfluss steigender Temperaturen auf Vegetationsbrände im Zuge der globalen Erwärmung noch viele weitere Indizien. In einem neuen Bericht der World Weather Attribution Initiative, die Auswirkungen des Klimawandels explizit beziffert, heißt es unter anderem: „Der Klimawandel hat die kumulative Schwere der Feuersaison 2023 in Québec bis Ende Juli um etwa 50% erhöht, und das Auftreten von Bränden dieser Schwere ist mindestens siebenmal wahrscheinlicher“, und weiter, „Veränderungen des Feuerwetters gehen mit einem Anstieg der Temperatur und einem Rückgang der Luftfeuchte einher, die beide auf die vom Menschen verursachte Erwärmung zurückzuführen sind […]“.

Wissenschaft entlarvt die Leugnung eines Zusammenhangs mit der Temperatur als Strohfeuer

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick in wissenschaftliche Fachartikel. Schon vor rund 20 Jahren fand man in Kanada einen Zusammenhang zwischen größeren jährlichen Brandflächen und höheren Temperaturen aufgrund der Emission von Treibhausgasen (Gillett et al., 2004). Schon zuvor gab es dieselbe Erkenntnis in Australien (Williams et al., 2001). In Griechenland könnte es in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts, besonders unter Szenarien mit einer starken globalen Erwärmung, bis zu 40 zusätzliche Tage im Jahr mit hoher Feuergefahr geben, verglichen mit dem späten 20. Jahrhundert (Rovithakis et al., 2022).

Auch in Kalifornien können natürliche Faktoren allein die starke Zunahme der Brandfläche zwischen 1971 und 2021 nicht erklären. Es ist maßgeblich der menschliche Einfluss hinter der globalen Erwärmung, der diesen Trend verursacht (Turco et al., 2023). In Wäldern der borealen und gemäßigten Zone gibt es eine ausgeprägte Sensitivität von Waldbränden zum Klima. Deshalb nehmen Wissenschaftler mit fortschreitender Erwärmung eine Intensivierung der Waldbrandaktivität an (Seidl et al., 2020). In Mexiko ist die Lufttemperatur einer der Faktoren, welche die räumliche Verteilung von Waldbränden erklären (Montoya et al., 2023).

Studien: Hitze erhöht Wahrscheinlichkeit von Buschbränden

Ein Zusammenhang zwischen Brandfläche und Feuerwetter, welches auch Temperatur beinhaltet, ist ebenfalls ausschlaggebend für Vegetationsbrände in Australien, die mit dem menschlichen Einfluss auf den Klimawandel in Verbindung gebracht werden können (Canadell et al., 2021). Eine andere Studie aus Australien zeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Buschbränden vor allem durch extreme Hitze erklären lässt – welche durch die globale Erwärmung doppelt so häufig vorkommt als noch um 1980 (van Oldenborgh et al., 2021). Selbst in humiden tropischen Wäldern Indonesiens gibt es laut Fernandes et al. (2017) einen Zusammenhang zwischen Waldbränden und Lufttemperatur, und das sogar in Jahren, die nicht explizit von Trockenheit gekennzeichnet sind. In einer Auswertung globaler Trends schreiben Jones et al. (2022): „Insgesamt übt der Klimawandel einen immer stärkeren Druck auf die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Bränden weltweit aus, indem er die Frequenz und Intensität des Feuerwetters erhöht, und dieser Effekt wird sich mit jeder weiteren Erwärmung noch verstärken“.

Auch Feuerwehr bestätigt: Lufttemperatur hat Einfluss auf Brände

Es zeichnet sich also ein eindeutiges Bild ab. Natürlich hat die Lufttemperatur, und damit die globale Erwärmung, Auswirkungen auf das Vegetationsbrandgeschehen, und das auf vielfältige, meist indirekte Weise und auf verschiedenen Zeitskalen. Diese Schlussfolgerung lässt sich hier sogar ziehen bevor man diejenigen befragt, die das aus eigener Erfahrung wissen müssen: Feuerwehrmänner und -frauen, die in der Bekämpfung von Vegetationsbränden im Einsatz sind. Dass ein Anstieg der Lufttemperatur direkte Auswirkungen auf die Beurteilung einer aktiven Einsatzlage haben kann, lernt man beispielsweise bereits in einführenden Kursen des US-amerikanischen Wildland Fire Learning Portal. Vielleicht kann man also all denjenigen, die einen Einfluss von Temperatur auf Vegetationsbrände leugnen, einfach mal den Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr ans Herz legen.

2. Fakt: Brandursache „Brandstiftung“ ändert nichts am Einfluss des Klimawandels auf Vegetationsbrände!

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TL;DR: Brandgeschehen in diesem Kontext auf die Zündquelle zu reduzieren ist eine grobe und unzutreffende Vereinfachung. Denn unabhängig von der Zündquelle hat die globale Erwärmung einen Einfluss auf Vegetationsbrände. Es stimmt, dass in Deutschland menschliches Handeln die häufigste – wenn auch nicht alleinige – Brandursache ist. Doch das bedeutet nicht, dass dies auch in allen anderen Ländern zutrifft. So sind viele Entzündungen in der borealen Zone natürlichen Ursprungs (Blitzschlag). Klimawandel bedeutet auch, dass die Anzahl der Blitzschläge, sowie deren Entzündungspotential, zunehmen kann. Die auf den Menschen zurückzuführenden Entzündungen haben vielfältige Ursachen, die sich nie komplett verhindern lassen werden. Durch bessere Entzündungseigenschaften der Vegetation bei ausgeprägtem Feuerwetter könnte die häufigste Art von Brandstiftungen, die durch Fahrlässigkeit, sogar noch begünstigt werden.

Wer Brandstiftung einem Einfluss des Klimawandels entgegensetzt, verbrennt sich womöglich die Finger

Hier wird die Feueraktivität ausschließlich auf die Zündquelle reduziert, um dann im für Deutschland häufigen Fall von (absichtlicher wie unabsichtlicher) Brandstiftung gegen einen Einfluss des Klimawandels zu argumentieren. Es ist richtig, dass in Deutschland menschliches Handeln der häufigste Auslöser für Vegetationsbrände ist. Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt hierzu:

„Als Hauptursache für das Waldbrandgeschehen [in Deutschland] kann gemäß den Daten der Waldbrandstatistik menschliches Handeln identifiziert werden (sofern eine Ursache ermittelbar ist) [Anm. des Autors: Eine Ursache war 2021 für 47,3% aller Waldbrände ermittelbar].“

Quelle: Umweltbundesamt

Zum Vergleich: In Brandenburg waren Entzündungen durch Blitzschläge, der häufigsten natürlichen Brandursache zwischen 2003 und 2022 durchschnittlich für 5,7% aller Brände verantwortlich.

Nicht selten scheint hier im Hintergrund die Annahme zu stehen, es würde keine dieser Nachrichten zu katastrophalen Vegetationsbränden geben, wenn man nur diese Brandstiftungen verhindere. Selbst wenn man die vergleichsweise geringe Anzahl von Bränden mit natürlicher Ursache ignoriert, macht man es sich so jedoch zu einfach. Denn die meisten der Brandstiftungen (UBA: 23,4% im Jahr 2021) erfolgen unabsichtlich aus Fahrlässigkeit, trotz vielfach kommunizierter Verhaltensregeln bei Waldbrandgefahr.

Nun könnte man diskutieren, Regeln zu verschärfen und weitere Maßnahmen gegen Waldbrände einzuführen, um zu versuchen, unabsichtliche Brandstiftungen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Das wird jedoch nur einen geringen Einfluss auf die Brände haben, die mit voller Absicht gestiftet werden (UBA: 16,8% im Jahr 2021). Menschliche Brandursachen sind vielfältig. Sie umfassen neben dem außer Kontrolle geratenen Lagerfeuer je nach Lokalität auch landwirtschaftliche Arbeit oder die Munitionsbelastung in Böden. Letztere kann in seltenen Fällen nicht nur eine Brandursache sein (hier trifft der Begriff einer „spontanen Selbstentzündung“ tatsächlich zu) oder aktive Vegetationsbrände weiter ausdehnen, sondern stellt als Erbe des Kriegs auch eine erhebliche Gefahr für die Feuerwehren dar. Es zeigt sich: Hinter dem Begriff der Brandstiftung verbergen sich vielfältige Ursachen, die sich unmöglich in Gänze kontrollieren lassen.

Durch Klimawandel könnten fahrlässige Brandstiftungen häufiger werden

Das bereits zitierte Umweltbundesamt schreibt außerdem:

„Klima und ⁠Witterung⁠ hingegen beeinflussen zusammen mit den lokalen Gegebenheiten (wie dem Vorhandensein von brennbarem Material) die Disposition einer Waldfläche für die Entzündung und in Folge das weitere Brandgeschehen (Feuerausbreitung).“

Quelle: Umweltbundesamt

Dies bestätigt auch ein Blick in die Waldbrandstatistik des Landes Brandenburg von 2022: „Zwar waren Fahrlässigkeit und Brandstiftung erneut häufige Ursache von Waldbränden, aber die Witterung bestimmt deren Ausmaß und Intensität mit“. Es wird also deutlich: Ein Einfluss des Klimas auf Vegetationsbrände lässt sich nicht bereits mit der Zündquelle ausschließen. Wie wahrscheinlich eine Entzündung ist, wie schnell sich ein Feuer ausbreiten kann, wie intensiv es ist, das wird auch von anderen Faktoren beeinflusst. Hier sind wir wieder bei den klimatisch gesteuerten Faktoren von Feuerwetter, der Vegetationszusammensetzung und der Länge der jährlichen schneefreien Vegetationsperiode.

Klimawandel beeinflusst natürliche und menschliche Ursachen für Waldbrände

Außerhalb Deutschlands gibt es Regionen, in denen sogar die Mehrzahl aller Vegetationsbrände durch natürliche Ursachen wie Blitzschlag ausgelöst wird. Hierzu zählt vor allem die nördlich gelegene boreale Zone in Alaska, Kanada, Nordeuropa und Sibirien (Veraverbeke et al., 2017; Dijkstra et al., 2022). Eine andere natürliche „Zündquelle“ in dieser Region sind Vegetationsbrände, die sogar bei einsetzendem Schneefall nicht ans Aufhören denken. Sie schwelen selbst bei strengen sibirischen Wintern im Boden weiter, bis sie im Frühjahr darauf wieder zu einem Brand in Vollausdehnung werden können. Solche überwinternden Brände werden manchmal auch als „Zombie-Feuer“ bezeichnet. Sie trugen im Jahr 2020 rund 7,5 % zur gesamten Waldbrandfläche in der ostsibirischen Republik Sacha bei, extremes Feuerwetter begünstigt ihr Auftreten (Xu et al., 2022).

Die globale Erwärmung kann außerdem die maximale verfügbare potenzielle Energie für Konvektion (CAPE), eine wichtige Größe der Meteorologie, erhöhen (Langenbrunner, 2020). Diese hängt direkt zusammen mit einer gesteigerten Häufigkeit von Blitzschlägen (Romps et al., 2014). Auch in den hohen Breiten werden Blitzeinschläge häufiger stattfinden (Chen et al., 2021), von denen jeder wiederum mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer Entzündung führen kann (Hessilt et al., 2022). Sowohl natürliche als auch menschliche Brandursachen können also durch den Klimawandel beeinflusst werden.

Übrigens: In einer anderen Sache hat Jörg Kachelmann definitiv Recht – durch weggeworfene Glasscherben entstehen Waldbrände eher nicht. Natürlich soll das jetzt aber niemandem Anlass geben Glasmüll im Wald zu hinterlassen.

3. Fakt: Viele Regionen weltweit erleben in den vergangenen Jahrzehnten steigende Feueraktivität!

TL;DR: In afrikanischen Savannen geht seit 2001 die Brandfläche zurück. Die Ursache dafür sind auf den Menschen zurückzuführende landwirtschaftliche Entwicklungen. Dieser Trend lässt sich aber nicht einfach auf andere Regionen der Welt übertragen, von denen viele intensivierende Waldbrandaktivität erfahren. Klimawandelleugner verwenden Daten, die aus dem Kontext gerissen wurden, um eine Aussage zu stützen, die wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Professioneller Klimawandelleugner gießt Öl ins Feuer

Eine besonders manipulativ anmutende Argumentation veröffentlichte der Autor Bjørn Lomborg im Wall Street Journal und der New York Post. Seitdem wurde sie regelmäßig auf Social Media geteilt. Hauptpfeiler des Arguments ist der aus dem Kontext gerissene Trend der globalen jährlichen Brandfläche, die seit dem Jahr 2001 abgenommen hat. Dem gegenüber stellt Lomborg die Häufigkeit der Nennung von Vegetationsbränden in Nachrichten. Seine stumpfe Behauptung: „Die Welt brennt immer weniger; Feuer ist immer mehr in den Nachrichten“. Diese irreführende, wenn nicht sogar manipulative Argumentation wurde im Volksverpetzer bereits widerlegt. Sogar die von Lomborg zitierten Wissenschaftler widersprachen dessen unzulässiger Interpretation dort klar. Daher sei an dieser Stelle der Blick in diese vorhergehende Analyse wärmstens empfohlen.

Das Perfide an solchen Argumentationsmustern ist, dass sie zum Teil auf echten Daten basieren und damit wirklich überraschen können. So kann der Fake durchaus überzeugend wirken. Klimawandelleugner wollen, dass Fragen in eurem Kopf auftauchen wie: Wenn die globale Brandfläche abnimmt, was soll dann diese ganze Berichterstattung? Genau diesen Effekt des Misstrauens in Nachrichten über mögliche Auswirkungen des Klimawandels wollen sie erzielen. Hier gerät man schnell in die unendlichen Gefilde der Verschwörungsideologien. Vielleicht erklärt das auch, weshalb die Leugnung des menschengemachten Klimawandels insbesondere unter Verschwörungsgläubigen weit verbreitet ist (Uscinski et al., 2017).

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Lomborgs Argumentation lässt wichtigen Kontext aus

Aber nochmal zum Hauptproblem von Lomborgs Argumentation: Fehlender (oder ausgelassener?) Kontext. Neben einigen anderen Problemen auf die man hinweisen könnte, ist es das schwerwiegendste, denn es entkräftet Lomborgs gesamte Argumentation. Die jährliche Brandfläche ist global nicht gleich verteilt. Manche Regionen haben häufigere und/oder größere Vegetationsbrände, andere Regionen erfahren nahezu keine. Entsprechend unterschiedlich können Trends in verschiedenen Regionen ausfallen. Summiert man jedoch die globale Brandfläche auf, dann wird der Trend maßgeblich von der Region mit den höchsten Brandflächen bestimmt.

Und genauso ist es hier: Afrikanische Savannen sind riesig und brennen weitflächig, gleichzeitig nahm hier die Brandfläche zuletzt ab. Allerdings stecken wir Menschen dahinter. Schon 2017 wurde in der wissenschaftlichen Fachliteratur der offensichtliche Grund hinter diesem Trend in Teilen Afrikas und anderer Savannen ausgemacht. Dieser steckt unter anderem in der Entwicklung und dem Ausbau der Landwirtschaft. Durch Fragmentierung der Landschaft und Abkehr von der aktiven Nutzung von Feuer werden in den Savannen sowohl Entzündungen als auch maximale Ausbreitung von Bränden limitiert (Andela et al., 2017; Jones et al., 2022). Der globale Rückgang ist also eigentlich vielmehr ein Rückgang in afrikanischen Savannen, und zwar aufgrund weniger, durch Menschen gelegte Feuer im Zuge einer Weiterentwicklung traditioneller Landwirtschaft.

Rekordverdächtige Waldbrände werden vielerorts häufiger

Tatsächlich verhält sich der Trend der Brandfläche außerhalb der Savannen meist anders. Der bereits genannte boreale Nadelwald, der größte terrestrische Lebensraum der Welt, war in den vergangenen Jahren gekennzeichnet durch eine Zunahme der Waldbrandaktivität (Köster et al., 2021). Kanada erlebte dieses Jahr die mit Abstand extremste Waldbrandsaison seit Aufzeichnungsbeginn. Ähnlich trifft das auf Australien in 2019/2020 zu (Filkov et al., 2020). Die Bilder aus dieser extremen Feuersaison sind um die Welt gegangen.

Im Mittelmeerraum, wo es aufgrund klimatischer und menschlicher Faktoren seit den 1960ern eine starke Zunahme der Brandfläche gab (Shakesby, 2011), könnten besonders ausgedehnte Vegetationsbränden künftig keine Seltenheit mehr sein (Royé et al., 2019).

Für Europa zeigt sich sogar, dass der Klimawandel den Trend der hier ebenfalls tendenziell abnehmenden Brandfläche umkehren könnte. Wissenschaftler prognostizieren eine Verdoppelung der Wahrscheinlichkeit sehr großer Brände bis Ende des Jahrhunderts bei einem mittleren Emissionsszenario (Grünig et al., 2022). Klimawandelleugner reißen den globalen Trend der Brandfläche aus dem Kontext, um eine Aussage zu stützen, die wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Abschließend zu diesem Punkt sollte auch hier betont werden, dass Bjørn Lomborg, der in seinen Büchern über eine „Klimapanik“ schreibt und für eine endlose Flut an kontroversen Meinungsartikeln verantwortlich ist, direkt mit Institutionen in Verbindung steht, die aus der fossilen Lobby finanziert werden. Das „Heartland Institute“ ist beispielsweise bekannt dafür, Leugner des Klimawandels zu beheimaten, die aktiv Zweifel an der Wissenschaft säen. Schaut hier für eine Zusammenstellung gerne nochmal in die bereits erwähnte frühere Analyse beim Volksverpetzer. Es scheint, die Waldbrandaktivität der letzten Jahre habe auch solche manipulativen Institutionen „wachgerüttelt“. Allerdings in dem Sinne, dass die Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Vegetationsbränden nun ebenfalls auf die Agenda gesetzt wurde. Man darf also durchaus erwarten, dass aus dieser Richtung auch künftig Desinformation gestreut wird.

Zusammenfassung: Den Waldbrand-Fakes Feuer unter dem Hintern machen!

Die Lufttemperatur ist eine wichtige Einflussgröße für das Brandgeschehen. Das betrifft sowohl stündliche Temperaturschwankungen einer aktiven Einsatzlage der Brandbekämpfung, wie auch langfristige klimatische Trends, jeweils mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen. Die globale Erwärmung hat vielfältige und meist indirekt Auswirkungen auf Vegetationsbrände. Darüber ist seit vielen Jahren in wissenschaftlicher Fachliteratur zu lesen. Das gilt auch für menschlich verursachte Brände. Argumentationsmuster, die diese Auswirkungen leugnen, basieren oft auf einer unzutreffenden Vereinfachung der Komplexität von Vegetationsbränden, auf Strohmann-Argumenten, auf logischen Fehlschlüssen, sowie auf dem Auslassen von wichtigem Kontext und/oder auf einer manipulativen und unzulässigen Interpretation von Daten.

Dass die genannten Argumente in sich selbst nicht schlüssig sind wird auch sichtbar, wenn man sie nebeneinanderstellt. Einmal geht es um Brandstiftung durch den Menschen, ein anderes Mal um eine vom Menschen verursachte Reduzierung der Brandfläche. Beides wird als Argument gegen einen Einfluss des Klimawandels auf Vegetationsbrände verwendet. In keinem beider Fälle ist das jedoch legitim. Vor dem Hintergrund aktiver Desinformation gegen wissenschaftliche Erkenntnisse ist es wichtiger denn je, irreführende Argumentationsmuster zu erkennen und zu widerlegen. Denn leider werden sie uns auch weiterhin im gesellschaftlichen Diskurs begleiten.

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Ramesh Glückler. Nach einem Master of Science in Klima- und Umweltwandel an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz befindet er sich derzeit in der Abschlussphase seiner Promotion in Geoökologie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Potsdam. Er forscht und publiziert seit mehreren Jahren zur Waldbrandaktivität im borealen Nadelwald Sibiriens. Nebenbei engagiert er sich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Potsdam.