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BILD stellt Habeck an den Pranger – weil Hausbesitzer Streit mit Denkmalschutz hat?!

von | Mrz 17, 2023 | Faktencheck

Ein Dresdner Hausbesitzer beschwert sich im Rahmen der energieeffizienten Sanierung über den sächsischen Denkmalschutz – denn dieser hindert ihn aktuell daran, die Fenster zu erneuern. Die BILD-Zeitung berichtet darüber und titelt wahrheitswidrig: „Dresdner Hausbauer rechnet mit Habeck ab“. Die Überschrift geht zwar am Inhalt vorbei, erfüllt aber wohl dennoch ihren Zweck: Wirtschaftsminister Robert Habeck zu diskreditieren und die Leser:innen glücklich zu stimmen. Denn am selben Tag offenbarte ein Leserbrief der BILD, dass ein Leser folgende Meldung herbeiträumte: „Aufstand! 40 Mio. Haushalte wehren sich gegen Habecks Schwachsinn“. Tatsächlich sind es nicht 40 Millionen, sondern nur ein einziger Hausbesitzer. Und der wehrt sich auch nicht wirklich gegen ‚Habecks Schwachsinn‘, sondern gegen den sächsischen Denkmalschutz. Aber die näheren Fakten sind der BILD wohl nicht näher wichtig, für eine echte Schlagzeile muss Habeck herhalten.

Habeck fordert energieeffizienteres Wohnen

Unter ‚Habecks Schwachsinn‘ versteht der BILD-Leser wohl folgendes: Ab 2024 dürfen laut Beschluss des Wirtschaftsministers keine neuen Gas- und Ölheizungen verbaut werden. Der BILD-Artikel bezieht sich zudem auf mögliche ‚Zwangssanierungen‘, die im Raum stehen. Denn das EU-Parlament hat vor wenigen Tagen mehrheitlich für eine energieeffiziente Sanierungspflicht von Gebäuden gestimmt. Bis 2033 müssen demnach alle Gebäude innerhalb der EU mindestens eine mittlere Effizienzklasse erreichen. Neubauten sollen zudem bereits ab 2028 als Null-Emissionsgebäude angelegt werden. Habecks Entscheidung steht aktuell noch aus.

Auch zu den EU-Klima-Maßnahmen kursierten bereits frei erfundene Fake News und Panikmache, wir berichteten letzte Woche:

Habecks Maßnahmen haben fast nichts mit Hausbesitzer zu tun

Nun hat sich aufgrund dieser Ereignisse der Dresdner Hausbesitzer Holger Schubert dazu entschieden, schnellstmöglich zu sanieren. Laut BILD tauscht er dazu die Kohleheizung gegen eine moderne Wärmepumpe aus und dämmt die Fassade sowie das Dach. Zudem würde er gerne die Fenster erneuern. Unter der Verwendung vieler Ausrufezeichen lässt die BILD ihre Leser:innen daran teilhaben, wieso er letzteres nicht durchsetzen kann: Der sächsische Denkmalschutz verbietet einen Wechsel der Fenster. Sieben von zehn alten Fenstern sollen demnach im Haus verbleiben, obwohl diese laut Schubert nicht annähernd so gut dämmen wie die neuen Exemplare. In der Tat nicht sonderlich energieeffizient, aber das hat mit Habeck wenig zu tun, der ja der Aufhänger des ganzen Artikels ist.

Im Artikel selbst wird daher auch nur zwei Mal (ausgenommen der Überschrift) Bezug auf den deutschen Wirtschaftsminister genommen. So heißt es eingangs, Holger Schubert wolle alles richtig machen, „bevor Habecks Sanierungshammer greift“. Abermals erwähnt BILD Habeck gegen Ende, denn Schubert hat einen Brief an den Grünen-Politiker verfasst. Darin heißt es: „Ich möchte als Bauherr freiwillig energetisch sanieren, es wird mir seitens der Ämter aber leider untersagt. In wenigen Jahren werde ich dann vermutlich gesetzlich dazu verpflichtet – ist das nicht schizophren?“ Auch hier klingt nicht wirklich die ‚Abrechnung‘ mit Habeck durch, die die BILD mit ihrer Überschrift inszenieren möchte.

Hausbesitzer hat Stress mit Denkmalschutz, BILD schießt trotzdem gegen Habeck

Schubert scheint vielmehr wütend über die geltenden Denkmalschutzrichtlinien, die ihn an der Sanierung der Fenster hindern. Tatsächlich nimmt der Denkmalschutz (anders als vom BILD-Titel suggeriert) im Artikel sehr viel mehr Raum als Habeck ein. Autorin Claudia Lord schreibt, die Denkmalschutzbehörde spiele nicht mit, verbiete die Erneuerung der Fenster in Schuberts Haus, erlaube sie aber zugleich in anderen denkmalgeschützten Gebäuden. Nochmal: Die Denkmalschutzbehörde spielt nicht mit, verbietet, erlaubt an anderer Stelle – weil sie sich in nächster Zeit womöglich selbst noch auf (mögliche) Sanierungspflichten einstellen und Richtlinien muss. Habeck hat damit zunächst mal wenig zu tun. Dennoch wird dieser von der BILD als Sündenbock angekreidet.

Im Axel-Springer-Verlag nichts Neues

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Publikationen des Axel-Springer-Verlags sich Habeck vorknöpfen – und dabei einiges aus dem Kontext reißen. Erst kürzlich berichtete die WELT über Cem Özdemirs und Robert Habecks Besuch eines Dorfs in Brasilien. Den anwesenden Schulkindern stellte sich Habeck laut WELT mit folgenden Worten vor: „Ich bin Robert, das ist Cem und wir sind Minister in der deutschen Regierung – das ist so etwas wie euer Häuptling, aber in einem anderen Land.“ Viele Politiker:innen waren empört über die Aussage, insbesondere weil die WELT weiterhin beschrieb, er hätte sich verhalten, als hätten die Einwohner:innen „noch nie einen Mann aus Europa gesehen“. Eine weitere Kontextualisierung gab es nicht. Dass Habeck tatsächlich das Wort „chief“ benutzte, merkt der Autor zwar an, dass das aber neben Häuptling auch Chef oder Leiter bedeuten könnte, bleibt unerwähnt. Und auch, dass offenbar der Dorfvorsteher sich selbst zuvor als „chief“ vorstellte, was die Verwendung des Wortes sehr viel naheliegender macht, wird nicht einmal erwähnt.

Die BILD macht daraus – trotz Kontextualisierung durch Habecks Sprecherin – „Häuptling Habeck“ und merkt an, dass das ‚H-Wort‘ bei ‚Öko-Ideologen‘ „längst auf dem Index“ stehe. Wenig Verständnis also für den berechtigten Hintergrund der Kritik an Habeck, dafür sehr viel Hohn.

bild.com

BILD sucht scheinbar händeringend nach Material gegen Habeck

Im Fall Habeck geht die BILD gar nicht so weit, Fakes zu produzieren (wie in der Vergangenheit bereits mehrfach vorkam). Hier reicht es ganz offensichtlich aus, mit einigen wenigen Worten und deplatzierten Überschriften Stimmung gegen den Grünen-Politiker zu machen. Denn dass Hausbesitzer Schubert gar nicht mit dem Wirtschaftsminister abrechnet, fällt eben nur denen auf, die den Artikel aufmerksam lesen. Endet die Lektüre nach der in typischer BILD-Manier fettgedruckten Überschrift, so ist das falsche Urteil klar: Habeck wolle zwar einerseits teure Sanierungen, stehe diesen aber gleichzeitig im Weg. Das Framing richtet sich also ganz klar gegen den Wirtschaftsminister, die Beschwerde des Hausbesitzers dagegen nicht.

Es bleibt beim Alten. Glaubt nicht der BILD, die nur fossile Propaganda und Hetze gegen Habeck verbreitet. Einfache Faustregel: Je emotionaler die Überschrift bei BILD, desto genauer solltet ihr nachprüfen, was ihr da lest. Denn anders als wir arbeiten sie nicht mit Expert:innen, Studien und nachprüfbaren Quellen – sondern nur mit Hass und Desinformation. Wie beispielsweise auch im Fall der Rakete auf Polen, wo BILD mal wieder zu schnell geschossen hat.