3.010

Heizungsgesetz: Nein, Medien, „Ausnahme“ stand die ganze Zeit schon drin!

von | Jun 12, 2023 | Faktencheck

Wir bei Volksverpetzer weisen seit Wochen darauf hin, dass mit wenigen Ausnahmen die gesamte mediale Debatte über das geplante Heizungsgesetz der Ampel herzlich wenig mit dem tatsächlichen Inhalt des Gesetzentwurfes zu tun hat. Ja, es ist keine Übertreibung zu sagen, dass viele der Dinge, die du in den Medien über das Heizungsgesetz gelesen hast, einfach nicht wahr sind. Und nicht nur in den Desinformationsmedien wie rechtsradikalen, „alternativen“ Medien oder der agendagetriebenen Axel-Springer-Presse, sondern in allen Medien. Und heute gibt es das nächste Beispiel, gefunden von Journalist Malte Kreutzfeldt.

„Neuer Bericht“ über alte Ausnahme

Link

Jedes große Medium brachte heute basierend auf einer Agenturmeldung die Nachricht, dass Wirtschaftsminister Habeck eine „neue“ Ausnahme plane für das Heizungsgesetz. Darin heißt es, dass Gebäudeeigentümer von der Verpflichtung befreit werden können, eine Heizung zu installieren, die die 65-Prozent-Anforderung für erneuerbare Energien erfüllt, wenn ein Wärmenetzanbieter einen entsprechenden Ausbau für Fernwärme verfolgt. Das lest ihr heute in allen Medien:

Die Agenturmeldung basiert auf einem Bericht der Augsburger Allgemeinen. Die wiederum bezieht sich auf diesen Absatz aus einem Entwurfspapier zum heutigen Fernwärme-Gipfel, wie Malte Kreutzfeldt dokumentierte:

Dumm nur: Das stimmt halt nicht. Beziehungsweise: Die Ausnahme ist geplant, ja. Aber schon die ganze Zeit. Sie stand bereits im vom Kabinett beschlossenen Entwurf im April 2023 drin:

Das, was teilweise als Fortschritt in einer „Debatte“ um das Heizungsgesetz dargestellt wird, als „Kompromiss“ von Robert Habeck, der auf vermeintlich berechtigte Kritik reagiert, ist gar keiner. Und hier ist liegt das Problem, das ist der Grund, warum wir überhaupt einen Faktencheck für diese doch eher kleine Fake News gemacht habe. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die meisten – und dazu scheinen ja viele Medienschaffende zu gehören – offenbar wirklich keine Ahnung haben, was in dem Gesetz drin steht, über das seit Wochen so hitzig diskutiert wird.

Eine völlig durchseuchte Mediendebatte

Das ist nur ein (hier eher harmloses) Symptom eines größeren Problems von Medienversagen – das man besonders in der „Debatte“ um das Heizungsgesetz sieht. Und genau das befeuert letztendlich auch den Erfolg rechtsextremer Kräfte, das ist ein Teil der Ursache für solche Desaster wie am Wochenende in Erding, als der bayrische Freie Wähler-Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger & Co. vor Verschwörungsideolog:innen, „Querdenkern“ und anderen Radikalen hetzten und Söder ausgebuht wurde.

Denn wenn es viele Medien wie allen voran BILD gibt, die aktiv Desinformation verbreiten und die restlichen, ordentlichen Journalist:innen aus Ahnungslosigkeit oder Faulheit diese Dinge dann übernehmen, kann kein konstruktiver Diskurs stattfinden. Hier wird ein ganzer Diskurs künstlich erzeugt, der als Blitzableiter für generelle Unzufriedenheit genutzt wird. Ich will Habecks Heizungsgesetz-Entwurf keinesfalls als perfekt oder über jede Kritik erhaben verteidigen, der Großteil der „Kritik“ hat nur nichts mit der Realität zu tun.

Ja, die Ausnahme für die Fernwärme stand schon im Kabinettsbeschluss drin, das ist kein neuer „Kompromiss“ oder dergleichen. Die Meldungen von angeblich 4 Millionen auszutauschenden Heizungen, die durch die Medien gingen, sind auch falsch: Es sind nur 12.400 Heizungen. Oder das überzogene Gerede von „Heiz-Stasi“ wegen Plänen, die schon ganz ähnlich in mehreren Bundesländern, einschließlich Bayern, umgesetzt wurden.

Oder wusstest du, dass ein Einbauverbot für neue Ölheizungen ab 2026 schon 2019 von Schwarz-Rot und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beschlossen wurden? Dass die technologieoffene 65%-Erneuerbare-Regelung ab 2025 schon im Koalitionsvertrag 2021 beschlossen war? Dass Anfang 2022 die Ampelkoalition bereits beschloss, das Gesetz wegen der russischen Invasion auf 2024 vorzuziehen? Oder dass Habeck schon im Juli 2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Heizungsgesetz vorstellte, in dem es schon möglich war, mit „grünen Gasen“ zu heizen und auch neue Gasheizungen einzubauen – Wasserstoff wird buchstäblich darin auch als Möglichkeit erwähnt. Auch Hybridheizungen.

Eine komplett inszenierte Debatte

Dann hieß es im März 2023, die FDP wolle das Heizgesetz stoppen. „Zufällig“ nachdem die BILD eine Lügenkampagne gegen den Gesetzentwurf gefahren und alle mit der Lüge des „Heizverbots“ aufgepeitscht hatte. Der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Christian Dürr, verkündete laut, er würde „pauschale Verbote“ verhindern. Und tut so, als würden sich die Lügen der BILD auf irgendwelche realen Forderungen beziehen. Er gibt es sogar indirekt zu:  „Der FDP-Fraktion liegt kein Entwurf zum Verbot von Öl- und Gasheizungen vor. Dazu wird es auch nicht kommen“.

Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Föst, verkündete auch, dass ein „generelles Verbot“ schlecht wäre und Hybridheizungen und Wasserstoff auszubremsen der „falsche Weg wäre“. Dinge, die niemand gefordert hat oder die bereits in Habecks Heizgesetz mitbedacht wurden. Die FDP argumentiert hier gegen einen reinen BILD-Strohmann. Und die meisten Medien behandelten das alles als ernst zu nehmende Debatte.

FDP lobte das Gesetz schon im April

Okay, die FDP verkündete im März 2023, dass noch eine „grundlegende Überarbeitung“ notwendig sei. Obwohl die Diskussion zum Gesetz quasi nichts mit der Realität zu tun hatte, hat Habeck mit der FDP nachverhandelt und sich mit ihnen getroffen. Im April 2023 hat man sich dann nach 30 Stunden Verhandlungen auf das Heizgesetz geeinigt. Wieder einmal. Offen waren noch Fragen wie die finanzielle Förderung. Aber die zentralen Punkte, wie bereits aufgezählt, sind unverändert. Das ist bereits die dritte Zustimmung der FDP. Am 31. März lobte Lindners Finanzministerium das Heizgesetz: Es sei gelungen, „Technologieoffenheit, Wirtschaftlichkeit und soziale Ausgewogenheit als entscheidende Maßstäbe“ zu verankern.

Dann war das doch eigentlich geklärt? Der Gesetzentwurf zum Heizungsgesetz ging weiter und am 19. April hat das Bundeskabinett der Novelle auch zugestimmt. Also hat auch die FDP zugestimmt. Man beschloss auch, dass das Gesetz vor der Sommerpause kommen soll. Lindner lobte das Heizgesetz buchstäblich als „technologieoffen“ und „pragmatisch“. Man habe sich in „wesentlichen Punkten“ durchgesetzt. Details soll man im Parlament klären. Das war übrigens im AUSGLEICH dafür, dass FDP-Minister Wissing Autobahnen ausbauen dürfe und sich nicht an seine Sektorziele halten muss.

Und sie debattieren weiter über Strohleute

 Am 22.5. heißt es dann plötzlich wieder aus der FDP, das Heizgesetz habe „unglaublich viele Fehler“ und brauche „im Prinzip“ ein neues Gesetz. Was? Woher? Was ist dazwischen passiert? Es geht immer um das exakt gleiche Gesetz. Wie dann erst der ganze Zirkus mit den „101 Fragen“ inszeniert wurde, die es zunächst überhaupt nicht gab, und wie die FDP eine Debatte verhinderte, die sie zuvor noch selbst gefordert hatte, haben wir hier ausführlich dokumentiert.

Auch wichtige Fakten zur Wärmewende und Wärmepumpen haben wir hier bereits gesammelt:

Systematisches Medienversagen!

Und danach wird immer noch weiter diskutiert. Obwohl „diskutiert“ der falsche Begriff ist, denn um konstruktiv zu diskutieren, müsste man über die Dinge reden … die existieren. Und am Ende hetzt ein Aiwanger vor einer Menge an Verschwörungsgläubigen gegen „Heizungsideologie“ und über „schweigende Mehrheiten“ ganz im Stil der faschistischen AfD. Und viele tun immer noch so, als würde es hier irgendwo um berechtigte Kritik geben. Ich habe bisher ehrlich gesagt erstaunlich wenig gelesen.

„Die Medien“ können nicht weiter so tun, als sei das eine normale Debatte. Sie können nicht weiter die Falschdarstellungen unkritisch übernehmen. Jede Falschmeldung heizt diese Debatte an, selbst wenn sie ohne böse Absicht verfasst wurde. Nicht vergessen, dass BILD und WELT zum Axel-Springer-Verlag gehören, der zum einen dem Milliardär Mathias Döpfner gehört, der seine Zeitungen für gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit im Wahlkampf nutzt („Please stärke die FDP“) oder auch zu Teilen KKR, einer der weltweit größten private equity Gesellschaften, die noch in fossile Energie investieren.

Der aktuelle Fake ist an sich nicht großartig verwerflich und ich will auch keinem einzelnen Journalisten einen Vorwurf machen, der sich auf „Medienberichte“ und Agenturmeldungen bezieht. Es ist ja auch nicht ganz falsch, die Ausnahme steht ja im Gesetzentwurf. Aber nun halt schon seit langem. Und es bettet sich ein in eine Debatte, die massiv durchtränkt ist von Unwissen und Desinformation. Es zeigt: Die meisten, die über das Gesetz schreiben, wissen nicht, was drin steht – mit erfrischenden Ausnahmen wie Malte Kreutzfeldt, den mehr lesen sollten. Aber dann muss man sich auch nicht wundern, wenn Hetze und Desinformation ein so leichtes Spiel haben. Und eine AfD so stark ist.

Artikelbild: canva.com/Screenshots