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Die Brandmauer der CDU nach Rechts bröckelt. Vor allem in Sachsen

von | Okt 28, 2022 | Aktuelles

Wie steht es um die Brandmauer der CDU im Osten?

„Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben“ – so äußerte sich Friedrich Merz im Dezember des vergangenen Jahres im Spiegel. Wer mit der AfD kooperiere, bei dem stehe am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an. Die mündliche Abgrenzung nach rechts war deutlich und sie war notwendig. Im Februar 2020 hatte die CDU gemeinsam mit der AfD Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen gemacht. Die Welle der Kritik folgte sofort und führte letztlich unter anderem zum Rücktritt der damaligen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. So etwas wollte der gerade frisch gewählte Merz unbedingt verhindern. Wenn vielleicht nicht aus Überzeugung, dann wenigstens aus taktischen Gründen.

Das Augenmerk liegt dabei vor allem auf den ostdeutschen Landesverbänden der CDU. Dort ist die AfD besonders stark. Und wie die Umfrageprozente der Rechtsextremen steigen, so steigt auch die Verlockung, die Brandmauer doch nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Schon vor Merz‘ Amtszeit hatte die Bundestagskandidatur des ehemaligen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen in Thüringen für Wirbel gesorgt. Wie rechtsoffen der CDU-Politiker ist, hatten auch wir schon analysiert:

Nun könnte man natürlich denken, Maaßen wäre ein Einzelfall oder eine unglückliche Fehlbesetzung der Vergangenheit. Doch wenn man aufmerksam hinschaut merkt man: die Brandmauer der CDU nach Rechts bröckelt immer stärker. Vor allem in Sachsen.

Bautzen: CDU-Bürgermeister auf Freie-Sachsen-Demo

Das ostsächsische Bautzen macht in den letzten Jahren vor allem mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam. 2015 und 2016 kam es mehrfach zu Ausschreitungen und Gewalt gegen Geflüchtete. Im Stadtrat haben CDU und AfD die meisten Sitze. Gerade hier wäre es also wichtig für die CDU, sich deutlich nach Rechts abzugrenzen. Doch diese Nachricht hat wohl den CDU-Oberbürgermeister Karsten Vogt noch nicht erreicht.

Am Montag, 17. Oktober hielt der CDU-Oberbürgermeister nämlich eine Rede bei der sogenannten „Bautzner Mahnwache“. Auf der Bühne hing ein Plakat, das die antisemitische Verschwörungstheorie vom „Great Reset“ verbreitet. Die Zuschauenden schwenkten offenbar neben Russland-Fahnen auch die der rechtsextremen Kleinpartei „Freie Sachsen“. Selbst wenn man nicht weiß, dass hier im März der Verschwörungsideologe Ken Jebsen geredet hat, müssten das eigentlich genug Red Flags sein.

Auch wenn man gern demonstrativ seine Nähe zu den Bürger:innen zeigt und deren Sorgen anspricht: Dafür die „Brandmauer nach Rechts“ einzureißen und rechtsextreme Positionen salonfähig zu machen, ist keine Option.

Meißen: CDU drückt Kreistags-Resolution mit AfD durch

Andere Stadt, andere Woche, aber immer noch Sachsen: Im Kreistag von Meißen hat die CDU am 13. Oktober 2022 die Brandmauer zur AfD sogar mit wehenden Fahnen umgeworfen. Die CDU-Fraktion drückte eine Resolution gemeinsam mit den Stimmen der AfD durch. Nur zusammen haben die beiden Parteien eine Mehrheit im Kreistag, die Zustimmung der AfD war also unumgänglich, wenn die CDU ihre Politik gegen die rot-grünen Fraktionen durchsetzen wollte. Dass neben der FDP auch der NPD-Abgeordnete fröhlich dabei war, ist da fast schon zur Randnotiz geworden.

Doch noch schlimmer wird es, wenn man sich mit dem Inhalt der Resolution beschäftigt. Auf den ersten Blick scheint es um die „finanzielle Ausstattung der Landkreise“ zu gehen, eine wenig spektakuläre Angelegenheit. Doch schaut man genauer hin, dann stellt man fest, dass hier auch inhaltlich die Brandmauer nach rechts komplett gefallen ist. Denn „aus dem Nichts“ geht es plötzlich um Geflüchtete, die man möglichst abschieben oder zumindest „umverteilen“ möchte.

Der Protest der übrigen demokratischen Fraktionen im Kreistag blieb wirkungslos, da die CDU ohne zu zögern mit den Rechtsextremen kollaboriert. Im Austausch für deren Stimmen rückt sie inhaltlich selbst immer weiter nach rechts außen und übernimmt AfD-Forderungen. Doch das scheint im Landkreis Meißen die wenigsten CDUler zu stören.

Zwickau: Ex-Ostbeauftragter wirft hin, da Abgrenzung nach rechts fehlt

Ein sehr prominenter Fall kommt aus Zwickau. Der CDU-Kreisvorsitzende Marco Wanderwitz war in der Vergangenheit schon öfter damit aufgefallen, sich kritisch gegenüber der AfD zu äußern. In seiner Position als Ostbeauftragter für die CDU-geführte Bundesregierung hatte er auch deutliche Worte gefunden gegen Teile der ostdeutschen Bevölkerung, die „diktatursozialisiert“ und nicht in der Demokratie angekommen seien. Anfang des Jahres forderte er sogar ein Verbotsverfahren gegen die AfD.

Solch eine klare Distanzierung passte offensichtlich vielen in der CDU Sachsen nicht, die lieber einen Kuschelkurs mit der AfD hätten. Darunter wohl auch Ministerpräsident Michael Kretschmer, mit dem er sich spätestens seit dem schlechten Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl 2021 zerstritten hatte. Kretschmers „Putin-Versteherei“ und seine Strategie der „Sündenbocksuche“ seien Gründe dafür, dass er nun nicht mehr für das Amt des Kreisvorsitzes kandidiere.

Auch hier zeigt sich eine erschreckende Tendenz in der CDU Sachsen. Wenn sich ein Parteimitglied (dazu noch ein ziemlich prominentes!) kritisch gegen die AfD stellt und also genau die von Merz beschworene „Brandmauer“ aufrecht hält, bekommt es wenig Rückendeckung aus der Partei. Stattdessen wird man offenbar eher als Gefahr für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen gesehen.

Dresden: Kretschmer und die Russland-Nähe

Das vielleicht prominenteste Gesicht des CDU-Rechtsrucks in Sachsen ist wohl der Ministerpräsident Michael Kretschmer selbst.

Im Juni 2019 war er auf einem Wirtschaftsforum in St. Petersburg, wo er sich öffentlichkeitswirksam mit Wladimir Putin ablichten ließ. Für Aufregung sorgte im April 2021 eine weitere Reise nach Russland, diesmal direkt nach Moskau. Kretschmer hatte auf eine Audienz mit Putin gehofft, er durfte schließlich immerhin mit dem Autokraten telefonieren. Das wohlgemerkt zu einer Zeit, als Putin gerade 100.000 Soldaten an die Grenze zur Ukraine verlegt hatte. Und wer glaubt, dass der sächsische Ministerpräsident nach acht Monaten Krieg gelernt hat, dass die Gasabhängigkeit von Russland eine ganz schlechte Idee war, der wurde erst vor wenigen Tagen enttäuscht. Kretschmer forderte, sich nach dem Krieg wieder von den Launen und Rohstoffen des Regimes abhängig zu machen.

Auch diese ständigen, mittlerweile offensichtlich unangebrachten Versuche der Annäherung an ein imperialistisches Regime sind ein Versuch, am rechten Rand nach Stimmen zu fischen. Kretschmer bricht nicht offen mit der Parteilinie, sich von der AfD fernzuhalten. So distanzierte er sich zum Beispiel im Landtagswahlkampf lobenswert deutlich von der AfD. Doch gleichzeitig übernimmt er inhaltlich immer mehr Dinge von der AfD, die die CDU weiter nach rechts rücken. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer und der Ausgang ist ungewiss. In aktuellen Umfragen liegt die AfD in Sachsen trotz CDU-Rechtskurs bei 30%.

Fazit: AfD verdrängen geht nur mit Brandmauer gegen Rechts!

Wir würden es der CDU eigentlich gern glauben, dass sie es ernst meint mit der Brandmauer nach rechts. Gerade in Ostdeutschland wäre es enorm wichtig, der AfD die Grenzen aufzuzeigen. Doch leider gab es zuletzt immer mehr Indizien, dass zumindest ein Teil der ostdeutschen und besonders der sächsischen CDU inhaltlich mit der AfD kuscheln möchte. Ob aus Überzeugung oder aus taktischen Gründen ist nicht immer klar.

Wir werden die Entwicklung bei der CDU weiterhin im Blick behalten und den stetigen Drift nach Rechts kritisieren. Wenn die Partei nicht das demokratische Parkett verlassen will, sollte sie sich offen mit populistischen Tendenzen in den eigenen Reihen auseinandersetzen. Unter einem CDU-Chef Merz, der manchmal selbst zu rechtspopulistischen Fake News und rechten Kampfbegriffen greift, ist das womöglich doppelt problematisch.

Im Mai zeigte sich bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, dass die AfD sehr wohl aus Parlamenten gedrängt werden kann – wenn die CDU Inhalte statt populistischer Rhetorik aufbietet. Wir hatten auch im Nachgang der Schleswig-Holstein-Wahl berichtet:

Bildquelle: Sebastian Willnow/dpa; Canva